Arbeitsrecht

Zurückstellung von der Beförderung

Aktenzeichen  W 1 K 20.522

Datum:
8.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 57831
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 8, § 9, § 26
BayBG Art. 65, Art. 128 Abs. 1 S. 1
VwGO § 113 Abs. 5,§ 154 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 11, § 709, § 711
GKG § 52 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein Beamter hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Beförderung, auch dann nicht, wenn alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind (vgl. BVerwG, U.v. 17.7.1974 – VI C 41/70).  (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemacht Anspruch nicht zu. Vielmehr ist die ablehnende Entscheidung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
Ein Beamter hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Beförderung (Zängl in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, zu § 9 Rn.) Ein solcher besteht selbst dann nicht, wenn alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind (BVerwG, U.v. 17.7.1974 – VI C 41/70 – juris). Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (VG Würzburg, U.v. 28.3.2017 – W 1 K 16.503 – juris). Ein Anspruch auf Beförderung kann nur in dem eng begrenzten Ausnahmefall bestehen, dass eine freie und besetzbare Beförderungsstelle vorhanden ist, die der Dienstherr im Zeitpunkt der Entscheidung über den Beförderungsantrag auch tatsächlich besetzen will, und dass er seine Beurteilungsermächtigung und sein Ermessen dahin ausgeübt hat, dass er nur den klagenden Beamten für den am besten Geeigneten hält (BVerwG, GB.v. 21.9.2005, a.a.O., juris Rn. 18; B.v. 24.9.2008 – 2 B 117.07 – juris Rn. 8; VG Augsburg, U.v. 11.2.2016 – Au 2 K 14.1618 -, Rn. 17, juris). Der Beamte hat somit grundsätzlich lediglich einen Anspruch darauf, dass über seine Beförderung oder die Zurückstellung seiner Beförderung sachbezogen und ohne Rechtsfehler entschieden wird und nicht grundlos oder aufgrund sachwidriger Erwägungen zu seinem Nachteil von praktizierten, die Verwaltung selbst ermessensbindenden Richtlinien abgewichen wird (BayVGH, B.v. 17.12. 2013 – 3 CE 13.2171 -, Rn. 23, juris VG München, U.v. 2.11.2010 – M 5 K 09.4130 – juris; VG München, Gb. v. 24.9. 2014 – M 5 K 13.500 -, Rn. 16, juris;).
Die Entscheidung des Beklagten über die Beförderung bzw. die Zurückstellung der Beförderung des Klägers ist als Ermessensentscheidung demgemäß nur eingeschränkt daraufhin nachprüfbar, ob der Beklagte grundlos oder aufgrund sachwidriger Erwägungen zum Nachteil des Klägers gegen den Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG verstoßen hat oder ob er von durch ihn praktizierten ermessensbindenden Richtlinien abgewichen ist.
Entsprechend dem Verfassungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG sind Ernennungen nach § 9 BeamtStG allein nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Einem Beamten fehlt die erforderliche Eignung für ein Beförderungsamt, wenn er für die in diesem zu erbringende Leistung nicht zur Verfügung steht, weil er dort keine Dienstleistung erbringt oder nicht mehr für angemessene Zeit ausüben kann. Die Ernennung eines seit längerer Zeit dienstunfähig erkrankten Beamten verstößt deshalb gegen den Leistungsgrundsatz (BVerwG U.v. 29.8.1996 – 2 C 23.95 – juris Rn. 22). Eine längere Erkrankung im vorgenannten Sinn liegt dabei vor bei einer einzigen, länger dauernden ununterbrochenen Fehlzeit oder auch bei mehreren kurzen, in der Summe jedoch ebenfalls längeren Fehlzeiten (BayVGH, B.v. 17. 12.2013 – 3 CE 13.2171 -, Rn. 28, juris; vgl. VG München, U.v. 2.11.2010, a.a.O. Rn. 23).
Dies gilt nicht nur für die Auswahlentscheidung unter mehreren Bewerbern um einen ausgeschriebenen Dienstposten. Auch die „Regelbeförderung“ eines Beamten setzt seine gesundheitliche Eignung für dieses Amt voraus (BVerfG B.v. 10.12.2008 – 2 BvR 2571/07 – juris Rn. 11). Bei der Regelbeförderung handelt es sich um eine echte Beförderung, bei der der Leistungsgrundsatz nicht außer Acht gelassen werden darf. Ein Dienstherr ist nicht berechtigt und kann erst recht nicht verpflichtet sein, unter Missachtung des öffentlichen Interesses an möglichst effektiver Aufgabenerfüllung und bestmöglicher Besetzung der Beamtenstellen ein Beförderungsamt einem Beamten zu übertragen, der für das Amt gesundheitlich nicht geeignet ist (BVerwG B.v. 28.7.1970 – II B 7.70 – juris; U.v. 12.5.1977 – II C 46.73 – juris). Eine mangelnde gesundheitliche Eignung rechtfertigt deshalb die Zurückstellung einer Beförderung (BayVGH B.v. 9.11.2005 – 3 CE 05.2648 – juris Rn. 21; BayVGH B.v. 17.12.2013 – 3 CE 13.2171 -, Rn. 25, juris).
Berechtigte nachvollziehbare Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Beamten für das Beförderungsamt reichen aus, um ihn von der Beförderung zurückzustellen (vgl. BayVGH B.v. 9.11.2005 a.a.O.; OVG NRW B.v. 8.12.1998 – 6 B 2211/98 – juris Rn. 5; SächsOVG B.v. 15.3.2010 – 2 B 516/09 – juris Rn. 1). Hierfür ist eben nicht Voraussetzung, dass im Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung die Polizeidienstunfähigkeit i.S.d. Art. 128 Abs. 1 Satz 1 BayBG bzw. die Dienstunfähigkeit i.S.d. § 26 BeamtStG i.V.m. Art. 65 BayBG bereits feststeht. Sinn und Zweck der Zurückstellung ist es gerade, Zweifeln hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung nachgehen zu können und sich unter Hinzuziehung des ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei ein fachlich kompetentes Urteil einzuholen (vgl. VG München, U.v. 20.9.2006 a.a.O. Rn. 19). Es ist daher nicht zu beanstanden, bei Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung des Beamten die Beförderung zunächst zurückzustellen, um den Gesundheitszustand und damit auch die zu treffende Prognose im Rahmen der Ermessensentscheidung über die künftige Fähigkeit, die Dienstpflichten weiterhin erfüllen zu können, richtig einschätzen zu können (vgl. VG München U.v. 2.11.2010 a.a.O. Rn. 24). Ist – wie im vorliegenden Fall – ein Beamter bereits längere Zeit dienstunfähig erkrankt, geht der Dienstherr der Frage der Dienstfähigkeit durch Einholung eines polizeiärztlichen Zeugnisses nach und lässt sich im Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung keine sichere Prognose darüber anstellen, dass und ggf. wann der Beamte die (Polizei-) Dienstfähigkeit wieder erlangen wird, steht dies einer Beförderung daher entgegen (vgl. VG Regensburg U.v. 31.10.2012 – RO 1 K 11.776; BayVGH, B.v. 17.12.2013 – 3 CE 13.2171 -, Rn. 30, juris).
Vorliegend lagen und liegen berechtigte Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Klägers für das Beförderungsamt, welches höhere Anforderungen stellt als das gegenwärtige Amt des Klägers, vor. Bei dem Kläger liegt aufgrund seiner erheblichen Fehlzeiten in den letzten Jahren eine längere Erkrankung vor. Diese langen Fehlzeiten berechtigten den Dienstherren bereits, die Frage der gesundheitlichen Eignung vor einer Beförderung durch einen Polizeiarzt abklären zu lassen, auch wenn bereits polizeiärztliche Untersuchungen zuvor stattfanden, die lediglich bestimmte Verwendungseinschränkungen vorsahen. Insbesondere auch vor dem Hintergrund des Ansteigens der krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers im Jahr 2019 auf 278 Tage lagen berechtigte Zweifel an der gesundheitlichen Eignung für ein höherwertiges Amt vor, die eine erneute Abklärung durch einen Polizeiarzt erforderten. Diese Zweifel konnten bislang auch nicht ausgeräumt werden. Zwar wurde in dem Gutachten vom 12. Februar 2020 festgehalten, dass eine Verwendung im Innendienst möglich sei. Zugleich wurde aber auch festgehalten, dass zur Abklärung der Auffälligkeiten und der neuropsychologischen Defizite eine externe Begutachtung mit neuropsychologischen Zusatzgutachten notwendig sei, das Ergebnis der weiterführenden Untersuchung abzuwarten sein werde und dieses für die weitere Verwendbarkeit des Beamten mitbestimmend sein werde. Überdies wurde ein Verdacht auf beginnende dementielle Entwicklung sowie differentialdiagnostisch sonstige neuropsychologische Defizite und/oder akzentuierte Persönlichkeit und nicht näher bezeichnete Verhaltensstörung beim Kläger diagnostiziert.
Gegen das polizeiärztliche Gutachten vom 12. Februar 2020 bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Einschätzung des Ärztlichen Dienstes der Polizei fehlerhaft oder gar willkürlich war. Die Krankheitsgeschichte des Klägers war dem Polizeiarzt, insbesondere auch aufgrund der vielen vorangegangenen polizeiärztlichen Untersuchungen, bekannt. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Polizeiarzt das Gutachten nicht objektiv erstellt hat. Zwar ließ der Kläger hierzu ausführen, der Polizeiarzt habe sich nur auf die Aussagen der Beklagten verlassen und nicht auf die von ihm vorgelegten Atteste. Festzuhalten bleibt dabei zunächst, dass den Polizeiärzten bezüglich der Frage der Dienstfähigkeit eines Polizisten aufgrund des bei ihnen vorhandenen besonderen Wissens um die Anforderungen des Polizeidienstes, Vorrang einzuräumen ist vor den Angaben von behandelnden Ärzten. Zudem lagen dem Polizeiarzt ausweislich des Gutachtens die vom Kläger vorgelegten Schreiben des Dr. S. vom 23. Dezember 2019 sowie zwei Schreiben des Dr. D. vom 19. Dezember 2019 vor, deren Inhalt er in dem Gutachten beschreibt. Somit hat der Polizeiarzt sich nicht nur auf die Aussagen des Beklagten verlassen, sondern auch die Aussagen der behandelnden Ärzte zur Kenntnis genommen. Insbesondere war der Kläger dem Polizeiarzt auch bereits aus vorangegangen Untersuchungen persönlich bekannt. Auch bei den vorangegangenen polizeiärztlichen Untersuchungen wurden Schreiben der behandelnden Ärzte zur Kenntnis genommen. Das Gutachten vom 12. Februar 2020 ist nachvollziehbar und schlüssig und beruht insbesondere auch auf eigenen Testungen des Arztes, die die Befunde des Arztes bestätigen, sodass auch nicht der Ansicht des Klägers zu folgen ist, dass der Arzt seine Meinung nicht durch Tatsachen untermauert hat.
Das Ergebnis der weiterführenden Untersuchung, welche im Klinikum N. stattfand, stand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht fest, sodass eine endgültige Klärung der gesundheitlichen Eignung noch nicht erfolgte. Jedoch bleibt zu berücksichtigen, dass der Kläger bereit seit dem 17. Februar 2020 bis über den Tag der mündlichen Verhandlung hinaus weiterhin dienstunfähig krankgeschrieben ist. Allein dieser lange krankheitsbedingte Fehlzeitraum führt zu berechtigten Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung des Klägers für das Beförderungsamt. Dieser lange krankheitsbedingte Fehlzeitraum konnte in dem Gutachten vom 12. Februar 2020 denk-notwendig noch keine Berücksichtigung finden, sodass der Zurückstellung von der Beförderung auch über den Februar hinaus nicht entgegensteht, dass das Gutachten vom 12. Februar 2020 davon ausgeht, dass eine Verwendung im Innendienst möglich ist. Aufgrund der langen Erkrankung des Klägers ist es nicht zu beanstanden, die Beförderung bis zu einer endgültigen Klärung über die gesundheitliche Eignung zurückzustellen. Bis zur endgültigen Klärung der gesundheitlichen Eignung besteht kein Anspruch des Klägers, dass neu über seine Beförderung entschieden wird.
Soweit der Kläger beantragt hat, dass über die Beförderung rückwirkend zum 1. Januar 2020 neu entschieden werde solle, so steht dem zudem § 8 Abs. 4 BeamtStG entgegen. Aus § 8 Abs. 4 BeamtStG folgt, dass eine rückwirkende Beförderung unzulässig ist (BayVGH, B.v. 27. März 2015 – 3 ZB 14.727 -, Rn. 6, juris). Wegen der konstitutiven Wirkung der Aushändigung der Urkunde ist die Ernennung erst mit dem tatsächlichen Aushändigen der Urkunde wirksam (vgl. BT-Drs. 16/4027, 23). Ist in der Urkunde gleichwohl ein vor dem Zeitpunkt der Aushändigung liegendes Wirksamkeitsdatum genannt, so ist die Ernennung nur „insoweit“ unwirksam, das heißt sie ist nicht etwa nichtig, sondern wird (erst) ab dem Zeitpunkt der Aushändigung wirksam (BeckOK BeamtenR Bund/Thomsen, 20. Ed. 1.4.2020, BeamtStG § 8 Rn. 29). Sollte sich nach der endgültigen Klärung der gesundheitlichen Eignung herausstellen, dass der Kläger bereits zu einem Zeitpunkt ab dem 1. Januar 2020 für das höherwertige Amt gesundheitlich geeignet war, so bleibt es dem Kläger unbenommen eventuelle Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Für das hiesige Verfahren sind diese jedoch nicht von Bedeutung.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.


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