Arbeitsrecht

Zurückstufung des Disziplinarbeklagten

Aktenzeichen  M 13 DK 15.2656

Datum:
5.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 132196
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 10 Abs. 1 S. 1, Art. 14 Abs. 1
BeamtStG § 34 S. 3, § 47 Abs. 1 S. 2
AO § 370

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Beklagte wird in das Amt eines Steuerinspektors (Besoldungsgruppe A 9) zurückgestuft. 
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässig erhobene Disziplinarklage führt in Anwendung von Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) i.d.F. d. Bek. vom 24. Dezember 2005 (GVBl S. 665; BayRS 2031-1-1-F) zur Zurückstufung des Beklagten in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt.
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Vom Beklagten wurden keine Verfahrensmängel geltend gemacht, sie sind auch sonst nicht erkennbar. Der Beklagte wurde zu allen Verfahrensschritten und nach der Durchführung der Ermittlungen abschließend angehört. Der Bezirkspersonalrat wurde antragsgemäß beteiligt.
II.
Gegenstand der disziplinarrechtlichen Würdigung im vorliegenden Verfahren ist der Sachverhalt, der vom Kläger im Einzelnen in der Disziplinakte vom 19. Juni 2015 (dort zu Ziffer III., S. 6 mit S. 10) dargelegt worden ist.
Das Gericht folgt in vollem Umfang den vom Kläger in der Disziplinarklage vom 19. Juni 2015 getroffenen Feststellungen zum Sachverhalt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß Art. 3 BayDG i.V.m. § 117 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) darauf im Einzelnen verwiesen.
Dieser Sachverhalt steht in allen Punkten fest durch die Ermittlungen des Klägers im Verfahren, die als Inhalt der Disziplinarakte dem Gericht zur eigenen Überzeugungsfindung (Art. 3 BayDG i.V.m. § 108 Abs. 1 VwGO) vorgelegen haben. Der Beklagte hat diesen Sachverhalt im behördlichen Disziplinarverfahren nicht bestritten, er stimmt im Übrigen auch mit den vom Beklagten in der steuerrechtlichen Selbstanzeige vom 28. Januar 2014 gemachten Angaben überein.
Der Beklagte hat steuerlich erhebliche Tatsachen im Rahmen des Erwerbs von im Ausland vorhandenem Barvermögen nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1995, des Erwerbs von (ausländischem) Barvermögen durch die Schenkung seiner Mutter im Jahr 2005, durch den Erwerb von (ausländischem) Barvermögen nach dem Tod seiner Mutter im Jahr 2008 sowie die aus den ausländischem Barvermögen fließenden Kapitalerträge ab dem Veranlagungszeitraum 1995 gegenüber dem Finanzamt falsch oder unvollständig angegeben. Durch diese unzutreffenden bzw. unterlassenen Angaben hat er Steuern im Gesamtumfang von mindestens 106.111,53 EUR – soweit nicht für die in Bezug auf den Erbfall 1995 angefallene Erbschaftssteuer und die Einkommenssteuerbeträge vor dem Jahr 2002 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war – hinterzogen.
III.
Durch diese außerdienstlich (dazu nachfolgend zu 1.) begangene Straftat (Steuerhinterziehung i.S.v. § 370 Abs. 1 Abgabenordnung – AO) hat der Beklagte gegen die ihm aus § 34 Satz 3 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten der Länder (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) i.d.F. d. Bek. vom 17. Juni 2010 (BGBl I S. 1010) obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen (dazu nachfolgend zu 2.). Die durch die wirksame Selbstanzeige eingetretene Straffreiheit (§ 371 AO) lässt die Dienstpflichtverletzung unberührt (dazu nachfolgend zu 3.).
1. Die vom Beklagten durch die unzutreffenden Angaben in den von ihm abgegebenen Steuererklärungen begangene Steuerhinterziehung stellt eine außerhalb des Dienstes begangene Pflichtverletzung dar.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Abgrenzung zwischen inner- und außerdienstlichen Dienstpflichtverletzungen nicht nach der formalen Dienstbezogenheit des Handelns des Beamten vorzunehmen. Vielmehr kommt es auf die materielle Dienstbezogenheit an. Stellt sich das Verhalten des Beamten bei dieser materiellen Betrachtung als das eines Privatmanns dar, so ist es als außerdienstlich zu werten (BVerwG, U.v. 20.2.2001 – 1 D 55/99 – BVerwGE 114, 37/48 = juris Rn. 57).
b) Die unzutreffenden Angaben des Beklagten in seinen Steuererklärungen und die dadurch verwirklichte Steuerhinterziehung weist nach diesen Kriterien keine materielle Dienstbezogenheit auf.
Das Handeln des Beklagten erfolgte ausschließlich im Zusammenhang mit seinen als privater Steuerpflichtiger abzugebenden Steuererklärungen und steht nicht in einem inneren Tätigkeitszusammenhang mit seiner dienstlichen Stellung als Finanzbeamter. Die Steuerhinterziehung durch die unzutreffenden Angaben in den jeweiligen Steuerklärungen des Beklagten hätte so auch von jeder anderen Privatperson begangen werden können, ein funktionaler Zusammenhang zu dem vom Beklagten bekleideten Amt bestand nicht.
Dass der Beklagte als Finanzbeamter in besonderer Weise für eine ordnungsgemäße Steuererhebung verantwortlich ist, lässt an dieser Beurteilung des Handelns des Beklagten als außerdienstlicher Dienstpflichtverletzung keinen durchgreifenden Zweifel aufkommen. Denn insoweit mag zwar die Stellung des Beklagten als Finanzbeamter die Bewertung der Schwere der Dienstpflichtverletzung beeinflussen. Eine materielle Dienstbezogenheit des Handelns des Beklagten begründet sie allerdings nicht (VGH BW, U.v. 27.1.2011 – DL 13 S 2145/10 – juris Rn. 28; ebenso ohne weitere Begründung: OVG SH, U.v. 21.9.2015 – 14 LB 2/15 – juris Rn. 26; ohne nähere Begründung a.A.: Lucks, Zur disziplinarrechtlichen Beurteilung von Steuerhinterziehung, NZWehrR 2016, 66/69 zu Fn. 15).
2. Diese außerhalb des Dienstes begangene Straftat des Beklagten stellt nur dann eine disziplinarrechtlich zu ahndende Pflichtverletzung dar, wenn dieses Verhalten „nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigten“ (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG).
a) Der Beklagte im behördlichen Disziplinarverfahren (Schreiben vom 29. April 2015, Bl. 64 ff. der Disziplinarakte) und sein Bevollmächtigter im vorliegenden Verfahren haben zur Auslegung des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG jeweils die Auffassung vertreten, dass wegen der Wirkungen der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO die vom Beklagten begangene Steuerhinterziehung keine erhebliche Vertrauensbeeinträchtigung begründet. Denn die besonderen Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG sind nicht bereits im Falle des Verlustes des Ansehens des Berufsbeamtentums allgemein erfüllt. Vielmehr erfordert die Regelung des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG einen konkreten Amtsbezug der außerdienstlichen Straftat. Aufgrund einer strafbefreiend wirkenden Selbstanzeige sei eine Vertrauensbeeinträchtigung in diesem engeren Sinn jedoch ausgeschlossen, da gerade die wirksame Selbstanzeige ein zukünftiges rechtstreues Verhalten in Bezug auf die Ausübung des von dem Beamten inngehabten Amtes erwarten lasse (so ausführlich Jehke/Gallert, Disziplinarrechtliche Konsequenzen von Steuerhinterziehung und Selbstanzeige durch Beamte, DStR 2014, S. 1476/1478 f.).
b) Dieser Auffassung der Beklagtenseite folgt das Disziplinargericht nicht.
aa) Soweit die Beklagtenseite unter Bezug auf den vorgenannten Aufsatz von Jehke/Gellert eine „Strafbarkeitslücke“ in § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG bei außerdienstlichen Steuerhinterziehungsstraftaten sieht, da nach dieser Vorschrift eine Vertrauensbeeinträchtigung nicht bereits durch einen (allgemeinen) Verlust des Ansehens des Beamtentums erfolgen kann (so ausdrücklich VG Berlin, U.v. 21.2.2012 – 80 K 61/10 OL – juris Rn. 29 ff.; dem mit ausführlicher Begründung folgend Jehke/Gellert, a.a.O., S. 1478 f.), so überzeugt dies nicht.
Das OVG Berlin-Brandenburg hat als Berufungsgericht zum vorgenannten Urteil des VG Berlin ausführlich dargelegt, dass durch die – im Vergleich zur früheren Gesetzeslage im Wortlaut geänderte – Regelung des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG keine Beschränkung der disziplinarrechtlichen Relevanz außerdienstlichen Verhaltens von Beamten eingetreten ist. Vielmehr ist – trotz des geänderten Wortlauts – das „Ansehen des Berufsbeamtentums“ im Rahmen außerdienstlich begangener Straftaten von Beamten als Maßstab für die Vertrauensbeeinträchtigung weiterhin heranzuziehen (OVG Berlin-Bbg, U.v. 12.2.2015 – OVG 80 D 2/12 – juris Rn. 26 ff.).
Dieser Auffassung schließt sich das Disziplinargericht an. Damit ist für die vorliegende Entscheidung davon auszugehen, dass ein strafrechtlich relevantes außerdienstliches Verhalten des Beamten, das eine nicht nur geringfügige Straftat verwirklicht, geeignet ist, eine im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG bedeutsame Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit dadurch zu begründen, dass dieses außerdienstliche Verhalten des Beamten allgemein das Ansehens des Berufsbeamtentums verletzt (vgl auch BVerwG, B.v. 22.1.2014 – 2 B 102/13 – DokBer 2014, S. 211 Rn. 21 f.).
bb) Unabhängig davon ist vorliegend aber jedenfalls auch zu berücksichtigen, dass dem Beklagten als Finanzbeamten in besonderer Weise eine Pflicht zur Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften obliegt. Die Verletzung dieser Pflicht durch die außerdienstlich begangene Steuerhinterziehung stellt somit – unabhängig von der Beeinträchtigung des Ansehens des Beamtentums im allgemeinen – eine den besonderen Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG genügende Vertrauensbeeinträchtigung dar.
Wie in der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 27. Januar 2011 (DL 13 2154/10) im Einzelnen dargelegt, obliegt es gerade dem im Bereich der Steuererhebung tätigen Beamten in besonderer Weise, durch korrekte steuerliche Angaben die vollständige und ordnungsgemäße steuerliche Veranlagung zu ermöglichen. Die in Bezug auf das innegehabte Amt im statusrechtlichen Sinn (vgl. dazu BVerwG, U.v. 18.5.2015 – 2 C 9/14 – BVerwGE 152, 228 Rn. 16 ff.) dem Finanzbeamten obliegende Aufgabenerfüllung wird in erheblichem Maße gerade durch die (außerdienstliche) Verwirklichung einer Steuerhinterziehung beeinträchtigt. Denn neben der allgemeinen Ansehensschädigung durch die begangene Straftat werden dadurch in besonderer Weise auch Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit eines Finanzbeamten und somit Zweifel an einem Vertrauen in einer für das innegehabte Amt bedeutsamen Weise begründet (ausführlich VGH BW, U.v. 27.1.2011 – DL 13 S 2145/10 – juris Rn. 32; im Ergebnis ebenso Lucks, NZWehrR 2016, 66/69 f zu Fn. 16).
3. Auch die nach § 371 AO strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige des Beklagten lässt die durch die Steuerhinterziehung eingetretene Vertrauensbeeinträchtigung nicht entfallsen.
Entgegen der im Aufsatz von Jehke/Gallert, a.a.O. (Bl. 65 ff. der Disziplinarakte), vertretenen Meinung, auf die sich der Beklagte im behördlichen Disziplinarverfahren beruft, ist das Disziplinargericht – in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung – der Auffassung, dass die Erlangung der Straffreiheit durch die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige den disziplinarrechtlich zu beurteilenden Unrechtsgehalt des strafbaren Verhaltens der Steuerhinterziehung unberührt lässt. Auch im Falle der nach § 371 AO eingetretenen Straffreiheit entfällt die Dienstpflichtverletzung des Beamten nicht (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16/10 – BVerwGE 140, 185 Rn. 25; dem ausdrücklich folgend OVG SH, U.v. 21.9.2015 – 14 LB 2/15 – juris Rn. 56; ebenso VGH BW, U.v. 27.1.2011 – DL 13 S 2145/10 – juris Rn. 36).
IV.
Das festgestellte außerdienstliche Dienstvergehen durch die vom Beklagten in mehrfacher Weise begangene Steuerhinterziehung ist nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Dienstvergehens, der sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ergibt, einheitlich zu würdigen.
Dies führt vorliegend gemäß Art. 10 BayDG zur Zurückstufung des Beklagten in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt.
1. Für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist nach Art. 14 Abs. 1 BayDG durch das Gericht „über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. (…) Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten“ (BVerwG, U.v. 29.5.2008 – 2 C 59/07 – juris Rn. 16).
Damit ist maßgebliches Kriterium der Zumessung zunächst die Schwere des Dienstvergehens. Diese ist zum einen nach der Eigenart und der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, nach Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) zu bewerten. Zum anderen sind für die Bewertung die Form und das Gewicht des Verschuldens und die Beweggründe des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) heranzuziehen. Weiter sind die unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich oder für Dritte in den Blick zu nehmen (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 13).
Ist durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren, ist der Beamte gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dazu bedarf es der Prognose über das voraussichtliche künftige dienstliche Verhalten des Beamten. Wenn aufgrund dieser der Schluss zu ziehen ist, dass der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird, ist das Beamtenverhältnis zu beenden (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 18).
Die festgestellten Dienstvergehen sind nach ihrem Gewicht einer der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen. Dabei sind die in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen für bestimmte Regeleinstufungen zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage kommt es dann für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zur Vertrauensbeeinträchtigung, zum Persönlichkeitsbild und zum bisherigen dienstlichen Verhalten im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere Disziplinarmaßnahme als diejenige, die durch die Schwere des Dienstvergehens indiziert ist, notwendig ist (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 20).
2. In Anwendung dieser Grundsätze, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes ohne weiteres auch auf die Rechtslage nach dem Bayerischen Landesrecht übertragbar sind (BayVGH, U.v. 23.9.2009 – 16a D 2355/07 – juris Rn. 48; vgl. zuletzt etwa BayVGH, U.v. 21.1.2015 – 16a D 1904/13 – juris Rn. 80 ff.), ergibt sich vorliegend im Einzelnen die nachfolgende Bewertung:
a) Das zunächst für die Maßnahmenbemessung heranzuziehende Kriterium der Schwere des Dienstvergehens hat vorliegend die vom Beklagten begangene vorsätzliche Steuerhinterziehung als außerdienstlich begangene Dienstpflichtverletzung in den Blick zu nehmen. Dabei ist dem Grund nach davon auszugehen, dass „schwerwiegende Vorsatzstraftaten (…) generell einen Vertrauensverlust“ bewirken, „der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt“ (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – NVwZ 2016, 772 Rn. 14; ebenso BVerwG, U.v. 15.12.2015 – 2 C 50/13 – NVwZ-RR 2016, 421 Rn. 12).
Bei außerdienstlich begangen (Vorsatz-)Straftaten ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bewertung des Ausmaßes des Vertrauensverlustes auf den gesetzlichen Strafrahmen zurück zu greifen. Mit der gesetzlichen Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert des jeweiligen Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung am Strafrahmen ist nämlich, ungeachtet der unterschiedlichen Zweckrichtungen von Straf- und Disziplinarrecht, geeignet, eine gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlichen Straftaten zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – NVwZ 2016, 772 Rn. 17; st. Rspr.).
Damit ist nach der Strafandrohung des § 370 Abs. 1 AO, die für Steuerhinterziehung unabhängig von der Höhe der verkürzten Steuer eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vorsieht, von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die weitere ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung des Beamten auszugehen. Dies beruht vorliegend gerade auch auf der Tatsache, dass der Beklagte als Finanzbeamter tätig ist, so dass auch aus dem außerdienstlichen Verhalten ein hinreichender Bezug zum Amt des Beamten ableitbar ist (vgl. dazu: BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – NVwZ 2016, 772 Rn. 18). Aufgrund dieser Ausgangslage ist von einem Orientierungsrahmen für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszugehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O.; ebenso OVG SH, U.v. 21.9.2015 – 14 LB 2/15 – juris Rn. 64 f.; für sonstige gegen ein „fremdes Vermögen“ gerichtete außerdienstliche Straftaten vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50/13 – NVwZ-RR 2016, 421 Rn. 17 ff, 22).
b) Zur näheren Bestimmung der Höhe der gegen den Beklagten zu verhängenden Disziplinarmaßnahme sind vorliegend zu dessen Lasten zum einen die wiederholten unzutreffenden Angaben in den Steuererklärungen und die lange Dauer der Steuerhinterziehung zu berücksichtigen. Es handelt sich nicht nur um eine einmalige Tat.
Der Beklagte hat über einen Zeitraum von fast 20 Jahren durch die jedes Jahr erfolgten falsche Angaben zu den ausländischen Zinseinkünften im Rahmen der Einkommenssteuererklärung die Straftat (erneut) verwirklicht (VGH BW, U.v. 27.1.2011 – DL 13 S 2145/10 – juris Rn. 35). Auch hinsichtlich der angefallenen Erbschaftssteuer und der Schenkungssteuer im Rahmen des unentgeltlichen Erwerbs von Vermögen von seiner Mutter hat der Beklagte mehrfach falsche Angaben gemacht.
Nach diesen für die Maßnahmenbemessung maßgeblichen objektiven und subjektiven Handlungsmerkmalen ist somit eine erhebliche Schwere der Pflichtverletzungen zu bejahen.
Weiter ist die Höhe der hinterzogenen Steuern in die Maßnahmenbemessung belastend einzustellen.
Da die außerdienstliche Steuerhinterziehung ohne einen unmittelbaren Bezug zum konkret-funktionellen Amt des Beamten eine erhebliche Variationsbreite möglicher Verfehlungen aufweist, hat die Rechtsprechung insoweit darauf abgestellt, dass der Umfang der hinterzogenen Steuern oder die Verwirklichung weiterer Straftatbestände neben der Steuerhinterziehung als für den Beamten belastend als Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme herangezogen wird. Dabei wurde für einen sechsstelligen DM-Betrag von einer „außergewöhnlichen Höhe“ des Hinterziehungsbetrages ausgegangen (BVerwG, U.v 28.7.2011 – 2 C 16/10 – BVerwGE 140, 185 Rn. 34).
Da der Beklagte vorliegend Steuern in einem Gesamtumfang von mehr als 106.000,– EUR hinterzogen hat, ist dies – auch wenn der Beklagte mit seinen falschen Angaben in den Steuererklärungen keine weiteren Straftaten verwirklicht hat – als erschwerend zu berücksichtigen.
c) Die Maßnahmenbemessung hat aber auch die besonderen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten in den Blick zu nehmen. Vor allem bei Delikten, die sich angesichts ihrer möglichen Variationsbreite – wie vorliegend – nicht einer Regeldisziplinarmaßnahme zuordnen lassen, ist diese sorgfältige Würdigung der Einzelfallumstände für die Maßnahmenbemessung geboten. Nur die Betrachtung und Ausschöpfung des Orientierungsrahmens sowohl nach oben wie nach unten unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände wird dem gesetzlichen Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht (BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9/14 – BVerwGE 152, 228 Rn. 35 f.).
Dabei sind die den Beamten entlastenden Umstände, die als Milderungsgründe ein Abweichen vom Orientierungsrahmen nach unten begründen, in Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ bereits dann zu berücksichtigen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für deren Vorliegen gegeben sind, ohne dass diese tatsächlich aufgeklärt werden können (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16/10 – BVerwGE 140, 185 Rn. 30).
aa) In der Rechtsprechung ist es als geklärt anzusehen, dass die strafbefreiend wirkende Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO dann als Milderungsgrund anzuerkennen ist, wenn in diesem Verhalten ein zu berücksichtigendes positives Moment des Bemessungskriteriums „Persönlichkeitsbild“ liegt (vgl. zum Folgenden: BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16/10 – BVerwGE 140, 185 Rn. 35 ff.; ebenso OVG SH, U.v. 21.9.2015 – 14 LB 2/15 – juris Rn. 66; VGH BW, U.v. 27.1.2011 – DL 13 S 2145/10 – juris Rn. 36 f.).
Der Beamte, der durch eine vollständige, sämtliche Steuerschulden umfassende Erklärung zur Steuerehrlichkeit zurückkehrt, bringt damit seine Bereitschaft zum Ausdruck, sich künftig rechtstreu zu verhalten. Damit ist auch die Erwartung gerechtfertigt, dass zum einen die mit der Verwirklichung der vorsätzlichen (außerdienstlichen) Straftat verbundene Ansehensbeeinträchtigung geheilt werden kann. Gleichzeitig kann aber zugunsten des Beamten aufgrund der vom Disziplinargericht zu treffenden Prognose über dessen zukünftiges dienstliches Verhalten nach einer wirksamen Selbstanzeige auch von einem berechtigten Vertrauen in eine zukünftig ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung ausgegangen werden.
Diese zugunsten des Beamten wirkende positive Bewertung des Persönlichkeitsbildes setzt allerdings voraus, dass die Selbstanzeige „aus freien Stücken“ erfolgt, d.h. nur wenn sie ohne Furcht vor konkreter Entdeckung der Steuerstraftat vom Steuerpflichtigen abgegeben worden ist.
bb) Vorliegend geht das Disziplinargericht zugunsten des Beklagten davon aus, dass dessen Selbstanzeige nicht durch die Furcht vor der Entdeckung der Steuerhinterziehung bedingt war.
(1) Zwar ist dem Kläger insoweit Recht zu geben, dass der Zeitpunkt der vom Beklagten abgegebenen Selbstanzeige im Januar 2014 durch eine intensive Medienberichterstattung über die Frage des Ankaufs von sog. Steuer-CD‘s aus der Schweiz gekennzeichnet war und diese in der Öffentlichkeit geführte Diskussion den Eindruck eines erhöhten Risikos der Entdeckung von Steuerstraftaten hervorgerufen hat. Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ kann jedoch trotz dieser Situation zu Lasten des Beklagten nicht unterstellt werden, dass der Beklagte die Selbstanzeige aus Furcht vor der Entdeckung der bei einer S2. Bank vorhandenen Vermögenswerte abgegeben hat. Für diese Annahme des Klägers bestehen keine tatsächlichen Anhaltspunkte, aus denen sich ableiten lässt, dass der Beklagte die Selbstanzeige nicht ohne äußeren Druck abgegeben hat.
(2) Hinzu kommt, dass das vom Beklagten im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor der Disziplinarbehörde nachvollziehbar geschilderte Verhältnis zu seinen Eltern und der Art und Weise des Erwerbs des ausländischen Vermögens bzw. den Umständen von dessen Aufbewahrung im Ausland zu seinen Gunsten gewertet werden muss.
Das Disziplinargericht ist aufgrund dieser Schilderung und den Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2017 davon überzeugt (Art. 3 BayDG i.V.m. § 108 Abs. 1 VwGO), dass ihm eine frühere Rückkehr zur Steuerehrlichkeit aus „Loyalität“ zu seinen Eltern nicht möglich gewesen ist. Auch wenn seine Mutter bereits im Sommer 2008 verstorben war und es damit noch etwa weitere fünf Jahre gedauert hat, bis sich der Beklagte zur Nachholung der notwendigen Erklärungen im Rahmen der Erbschaft, der Schenkung des ausländischen Barvermögens und der Zinseinkünfte aus diesem Vermögen entschlossen hat, so ist es für das Disziplinargericht aufgrund der besonderen familiären Situation des Beklagten erklärbar, dass ihm eine Selbstanzeige im unmittelbaren Zusammenhang mit dem endgültigen Erwerb des ausländischen Barvermögens nach dem Tod seiner Mutter nicht möglich war.
Insoweit sind die aufgrund der glaubhaften Schilderungen des Beklagten vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte für dieses Verhalten geeignet, zu seinen Gunsten im Rahmen der Maßnahmenbemessung eine – wenn auch spät, aber trotzdem ohne Furcht vor Entdeckung – freiwillige Selbstanzeige zu bejahen.
cc) Entgegen der Auffassung seines Bevollmächtigten ist dem Beklagten die nur noch kurze Zeit im aktiven Dienst nicht im Rahmen der Maßnahmenbemessung positiv zuzurechnen. Dem Beklagten obliegt es als Beamten, sich innerhalb und außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass er dadurch der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Die Erfüllung dieser Dienstpflicht ist nicht an die aktive Ausübung des Dienstes geknüpft, sie obliegt dem Beamten auch nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst. Auch wenn sich für die Frage der Dienstpflichtverletzung nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG der Maßstab für Beurteilung des außerdienstlichen Verhaltens des Beamten verschiebt, ist dies für die Maßnahmenzumessung bei zuvor liegender Bejahung einer Dienstpflichtverletzung (dazu oben zu III.2) nicht zugunsten des Beklagten positiv zu berücksichtigen.
d) Vom Orientierungsmaßstab einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. im Einzelnen oben zu a)) ist unter Berücksichtigung des Milderungsgrundes der freiwilligen Selbstanzeige und dem dadurch in positiver Weise beeinflussten Persönlichkeitsbild des Beklagten (vgl. im Einzelnen oben zu c)) sowie die insgesamt über die gesamte Dienstzeit hinweg erfolgte äußerst positive Einschätzung des dienstlichen Verhaltens des Beklagten für die Maßnahmenbemessung von einem Abweichen vom Orientierungsrahmen um eine Maßnahmenstufe nach unten auszugehen (ebenso OVG SH, U.v. 21.9.2015 – 14 LB 2/15 – juris Rn. 65 ff.).
Da andererseits aber die hinterzogenen Steuern eine „außergewöhnliche Höhe“ im Bereich von über 100.000,– EUR erreicht haben, ist eine weitere Milderung der disziplinarrechtlich gebotenen Maßnahme nicht sachgerecht. Anders als es der Bevollmächtigte des Beklagten in seiner Klageerwiderung vom 16. März 2016 für geboten hält (Schriftsatz vom 16.3.2016, S. 7 f; Bl. 39/45 f. der Gerichtsakte), ist auch unter Berücksichtigung des positiven Persönlichkeitsbildes des Beklagten ein nochmaliges Abweichen vom Orientierungsrahmen nach unten nicht notwendig. Der Bevollmächtigte des Beklagten geht insoweit vom unzutreffenden Orientierungsrahmen aus, da für die vom Beklagten begangene außerdienstliche Steuerhinterziehung aufgrund des Bezugs zum Statusamt des Beklagten (vgl. im Einzelnen oben zu III.2) im Ausgangspunkt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und nicht die vom Bevollmächtigen für zutreffend gehaltene Zurückstufung sachgerecht ist.
In Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist damit eine Zurückstufung des Beklagten in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayDG geboten aber auch ausreichend. Der bisher nach Besoldungsgruppe A 10 besoldete Beklagte war um eine Besoldungsstufe in das Eingangsamt der Laufbahn (vgl. Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayDG) zurückzustufen.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.


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