Arbeitsrecht

Zurückstufung eines Beamten in die A 6 wegen Überschuldung

Aktenzeichen  M 19L DK 16.188

Datum:
1.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 161882
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 10, Art. 14 Abs. 1 S. 2, Art. 72 Abs. 1 S. 1
StGB § 263 Abs. 1
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 S. 3, § 47 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Dienstpflichtwidrig handelt ein Beamter, der sich in Zusammenhang mit der Eingehung von Verbindlichkeiten einer Straftat schuldig macht, insbesondere wenn er hierbei einen Betrug begeht. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dienstpflichtwirdrig handelt ein Beamter aber auch dann, wenn er bei der Eingehung von Verbindlichkeiten zwar keine Straftat begeht, aber sich leichtfertig verschuldet bzw. wirtschaftlich untragbare Verpflichtungen auf sich nimmt und dabei voraussehbar war, dass die vertraglich vereinbarte Abwicklung gestört wird und damit ein Dritter in seinem Vermögen geschädigt oder zumindest gefährdet wird. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Beide Varianten des pflichtwidrigen Eingehens von Verbindlichkeiten liegen vor, wenn der Beamte aufgrund eines bereits eröffneten Insolvenzverfahrens absehen konnte, dass das Eingehen der dem Diszipinarverfahren zugrundeliegenden Verbindlichkeiten seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigen würde; erschwerend wirkt, wenn er mit seinem Verhalten das besondere Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit von Beamten auch und gerade in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen missbraucht hat. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls (hoher Schaden von knapp 60.000 Euro, strafrechtlicher Tatbestand des Betrugs zugleich mit Pflichtenverstoß, langer Zeitraum, Vielzahl von Verbindlichkeiten) und fehlender Milderungsgründe (keine unverschuldet entstandene, ausweglose existenzielle wirtschaftliche Notlage der Familie, keine psychische Ausnahmesituation) ist eine Zurückstufung eines Obersekretärs (A 7) in die Besoldungsgruppe A 6 gerechtfertigt. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklage wird in das Amt eines Verwaltungssekretärs (Besoldungsgruppe A 6) zurückgestuft.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Gegen den Beklagten wird die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe in das Amt eines Verwaltungssekretärs (Besoldungsgruppe A6) verhängt.
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf.
2. Das Gericht geht in tatsächlicher Hinsicht von dem Sachverhalt aus, den der Kläger dem Beklagten in der Disziplinarklage und der Nachtragsdisziplinarklage zur Last legt.
Der Beklagte hat vielfach ärztliche Leistungen in Anspruch genommen, ohne die hiermit verbundenen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen und dadurch den Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen verursacht. Insbesondere hat er die hierfür erhaltenen Zahlungen der Beihilfestelle nicht bestimmungsgemäß an die behandelnden Stellen weitergeleitet (s.o. laufende Nr. 1 bis 8 und 11). Weiter ist er gegenüber der Firma … … GmbH eine Verpflichtung über Leistungen mit einem Verkaufswert i.H.v. 18.501,28 Euro eingegangen, ohne diese Forderung zu begleichen und hat hierdurch ebenfalls den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ausgelöst (s.o. laufende Nr. 9). Nicht mehr vorgeworfen werden ihm die oben unter Nr. 10 und 12 dargestellten Sachverhalte, weil diese bereits in der Disziplinarklage ausgeschieden wurden (vgl. Art. 21 Abs. 2 Satz 1 und 2 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG). Der Beklagte hat den diesen Vorwürfen zugrunde liegenden Sachverhalt vollumfänglich eingeräumt.
Weiter hat er mit der Auftragserteilung an die Praxis für Physiotherapie, Inhaber E.F., B., den Straftatbestand des Betrugs erfüllt. Nach Art. 55 i.V.m. Art. 25 Abs. 2 BayDG können die im seit 31. Juli 2015 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Laufen getroffenen tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung im Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden. Anlass, von den Feststellungen abzuweichen, besteht nicht, zumal der Beklagte auch diesen Sachverhalt eingeräumt hat.
Er handelte auch schuldhaft, nämlich jeweils vorsätzlich. Hinsichtlich der in der Disziplinarklage unter Nr. 1 bis 9 und 11 dargestellten Taten hat er billigend in Kauf genommen, dass er die eingegangenen Zahlungsverpflichtungen aufgrund seiner desolaten finanziellen Lage möglicherweise nicht erfüllen kann und hierdurch seine Pflichten als Beamter verletzt (vgl. Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2016, MatR/II Rn. 485). Gleiches gilt für den ihm mit der Nachtragsdisziplinarklage vorgeworfenen Betrug. Für eine Schuldunfähigkeit i.S.v. § 20 StGB ergeben sich keine Anhaltspunkte.
Nicht angelastet werden kann dem Beklagten allerdings, auch mit den unter Nr. 1 bis 9 und 11 dargestellten Taten den Betrugstatbestand des § 263 Abs. 1 StGB verwirklicht zu haben. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er bereits bei Eingehung dieser Verbindlichkeiten die Absicht hatte, sie nicht zu erfüllen.
Auch die unterlassene Weiterleitung von Leistungen der Beihilfe an die behandelnden Stellen erfüllt keinen Straftatbestand. Insbesondere liegt insoweit keine Unterschlagung nach § 246 StGB vor, weil die Beihilfezahlungen in das allgemeine Vermögen des Beamten fallen. Beihilfeansprüche sind nur insoweit dem Leistungserbringer rechtlich „zugeordnet“, als ausschließlich der Gläubiger des sich auf eine konkrete beihilfefähige Maßnahme beziehenden Vergütungsanspruchs im Pfändungswege auf den hierdurch ausgelösten, noch nicht erloschenen Beihilfeanspruch zugreifen kann (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 3 Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV). Hat der Dienstherr die Beihilfe demgegenüber bereits ausbezahlt, ist der konkrete Beihilfeanspruch durch Zahlung erloschen und hat sich die Zweckbindung dieses Anspruchs erledigt (BayVGH, U.v. 11.8.2010 – 16a D 09.1161 – juris Rn. 106).
3. Durch die dem Beklagten zur Last gelegten Taten hat dieser außerdienstlich ein einheitliches Dienstvergehen begangen, weil er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat.
Durch sein Verhalten hat er gegen seine Pflicht, die Gesetze zu beachten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB), und gegen seine Pflicht, sich dem Beruf entsprechend achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG), verstoßen.
Im vorliegenden Fall liegt ein außerdienstliches Fehlverhalten des Beklagten vor. Dieses war weder formell in das Amt des Beamten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 29; BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 16b D 14.2351 – juris Rn. 66).
Die außerdienstliche Pflichtverletzung stellt auch ein Dienstvergehen dar. Als Dienstvergehen ist außerdienstliches Fehlverhalten von Beamten nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dabei nur dann zu qualifizieren, wenn es nach den besonderen Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen der Bürger in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Davon ist hier auszugehen. Zwar wird von einem Beamten im privaten Bereich kein wesentlich anderes Sozialverhalten erwartet als von jedem anderen Bürger (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 31 ff.). Hier übersteigt das Fehlverhalten des Beklagten jedoch das jeder außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Mindestmaß an disziplinarischer Relevanz deutlich und erfüllt damit die besonderen Anforderungen an ein Dienstvergehen. Dies gilt sowohl für den Betrug als auch für den hier erfüllten Tatbestand der jedenfalls leichtfertigen Überschuldung.
Im Rahmen einer Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Eingehung von Verbindlichkeiten ist zu unterscheiden:
– Schwer dienstpflichtwidrig handelt ein Beamter, der sich in Zusammenhang mit der Eingehung von Verbindlichkeiten einer Straftat schuldig macht, was insbesondere dann der Fall ist, wenn er hierbei einen Betrug begeht. Diese Art der Verfehlung liegt hier vor hinsichtlich des in der Nachtragsdisziplinarklage vorgeworfenen Sachverhalts. Nach der Rechtsprechung löst ein außerdienstliches Fehlverhalten, das keinen Bezug zur Dienstausübung aufweist, regelmäßig ein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis aus, wenn es sich dabei um eine Straftat handelt, deren gesetzlicher Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren reicht und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering wiegt (BVerwG, U.v. 18.6.2014 – 2 B 55.13 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 5.2.2014 – 16a D 12.2494 – juris Rn. 35). Dies ist im Fall des hier vorliegenden Betrugs, für den § 263 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vorsieht, zu bejahen (BayVGH, U.v. 11.8.2010 – 16a D 09.1161 – juris Rn. 92).
– Fällt dem Beamten bei der Eingehung von Verbindlichkeiten keine Straftat zur Last, sondern muss er sich nur vorhalten lassen, sich leichtfertig verschuldet bzw. wirtschaftlich untragbare Verpflichtungen auf sich genommen zu haben, so liegt darin allein noch kein disziplinarrechtlich relevanter Pflichtenverstoß. Disziplinarrechtlich bedeutsam wird ein solches Verhalten erst dann, wenn die vertraglich vereinbarte Abwicklung nach den Umständen voraussehbar gestört wird (vgl. BayVGH, U.v. 11.8.2010 – 16a D 09.1161 – juris Rn. 93). Ein Beamter verhält sich grundsätzlich achtungs- und vertrauensunwürdig, wenn er Verbindlichkeiten eingeht, deren Erfüllung seine finanzielle Leistungsfähigkeit bewusst oder zumindest erkennbar übersteigt und damit ein Dritter in seinem Vermögen geschädigt oder zumindest gefährdet wird (Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, a.a.O., MatR/II Rn. 481). Auch dies ist hier zu bejahen. Der Beklagte, gegen den bereits im Jahr 2006 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, konnte bei Eingehung der in der Disziplinarklage aufgelisteten Verbindlichkeiten absehen, dass diese seine finanzielle Leistungsfähigkeit – insgesamt betrachtet und ohne auf die jeweilige Erstattungsleistung der Beihilfe abzustellen – übersteigen würden. Hinzu kommt, dass er mit seinem Verhalten das besondere Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit von Beamten auch und gerade in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen missbraucht hat (vgl. BayVGH, U.v. 11.8.2010 – 16a D 09.1161 – juris Rn. 110; Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, a.a.O., MatR/II Rn. 481). Weiter hat er bei der Abwicklung der Schulden nicht die gebotene Anstrengung zur Tilgung gezeigt. Vielmehr hat er auf Mahnungen nicht reagiert, die jeweiligen Gläubiger in die Situation gebracht, dass sie ihre Forderung nur noch mittels Pfändungs- und Überweisungsbeschluss durchsetzen konnten und so erhebliche weitere gegen ihn gerichtete Forderungen produziert.
4. Das festgestellte Dienstvergehen wiegt schwer und führt bei einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände zur Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe (Art. 10 BayDG).
Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 36).
Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach den Höhe des entstandenen Schadens (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 16b D 14.2351 – juris Rn. 73).
Setzt sich das Dienstvergehen aus mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammen, bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2016 a.a.O. Rn. 74). Dies ist hier der außerdienstliche Betrug, weil allein durch diesen ein Straftatbestand erfüllt wird.
Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahmebemessung bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen ist in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung zum Umfang des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, U.v. 23.2.2012 – 2 C 38.10 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 25.10.2016 a.a.O. Rn. 75).
Für die disziplinarrechtliche Ahndung von außergerichtlichen Straftaten mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren – wie bei dem hier verwirklichten Betrug – ist für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Dienstentfernung abzustellen (vgl. BVerwG, B.v. 23.1.2014 – 2 B 52.13 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 25.10.2016 a.a.O. Rn. 76).
Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt nur in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht. Delikte, die – wie gegen fremdes Vermögen gerichtete Straftaten – angesichts ihrer möglichen Variationsbreite der Vorgabe einer Regeldisziplinarmaßnahme nicht zugänglich sind, bedürfen einer sorgsamen Würdigung der Einzelfallumstände. Ein wie immer gearteter Schematismus verbietet sich hier in besonderer Weise (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 17 m.w.N.; BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 16b D 14.2351 – juris Rn. 77).
Zur Bestimmung der Schwere des im Einzelfall begangenen Dienstvergehens kann im Fall einer außerdienstlich begangenen Straftat auf einer zweiten Stufe zunächst indiziell auf die von den Strafgerichten ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 18). Ist von den Strafgerichten bei einem außerdienstlich begangenen Dienstvergehen lediglich auf eine Geldstrafe erkannt worden, kommt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 13; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 38, BayVGH, U.v. 25.10.2016 a.a.O. Rn. 78). Hier hat das Amtsgericht Laufen eine Geldstrafe i.H.v. 150 Tagessätzen zu je 30,– Euro (insgesamt 4.500,– Euro) gegen den Beklagten verhängt.
Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist hier die Kürzung der Dienstbezüge (Art. 9 BayDG). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls, die der Beklagte nicht bestritten hat, hat er der Physiotherapiepraxis E.F. in B*. vor Mai 2012 den Auftrag erteilt, seine Tochter physiotherapeutisch zu behandeln. Die Behandlungen erfolgten zwischen Mai 2012 und Februar 2013. Das hierfür angefallene und mit zwölf Rechnungen geltend gemachte Entgelt hat er nicht bezahlt. Der Gesamtschaden aus diesem Sachverhalt beläuft sich auf 3.065,– Euro. Erschwerend fällt der Umstand ins Gewicht, dass der Beklagte durch seine Stellung als Beamter ein besonderes Vertrauen des Dienstleisters in seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit in Anspruch genommen und dieses letztendlich missbraucht hat. Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung für den lediglich einmalig außerdienstlich verwirklichten Betrugstatbestand mit einem Schaden i.H.v. 3.065,– Euro, wegen dem lediglich eine Geldstrafe gegen den Beklagten verhängt wurde, ist daher die Kürzung der Dienstbezüge.
Zu Lasten den Beklagten ist jedoch zu berücksichtigen, dass er durch die unter Nr. 1 bis 9 und 11 dargestellten Taten zusätzlich den Tatbestand der jedenfalls leichtfertigen Überschuldung verwirklicht hat. Durch die vorwerfbare Begründung und Nichterfüllung von Verbindlichkeiten hat er seine außerdienstlichen Pflichten in schwerwiegender Weise verletzt. Diese erschwerend zu berücksichtigenden Umstände führen dazu, dass gegen den Beklagten die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung (Art. 10 BayDG) zu verhängen ist. Für die Maßnahmebemessung im Fall allein vorgeworfener Überschuldung besteht keine Regelmaßnahme. Verstöße im Zusammenhang mit dem eigenen Vermögensverfall können von sehr unterschiedlichem Gewicht sein. Besonders gravierend erscheint der gleichzeitig verwirklichte Verstoß gegen strafrechtliche Vorschriften. In besonders schwerwiegenden Fällen kann die Verhängung der Höchstmaßnahme geboten sein, so wenn der Beamte in besonderem Ausmaß oder wiederholt gezeigt hat, dass er aus eigennützigen Motiven zum Schaden Dritter in Geldangelegenheiten völlig unzuverlässig ist. Erziehungsmaßnahmen kommen in den Fällen vorsätzlicher oder leichtfertiger Verstöße in Betracht, in denen der Beatme trotz seine Verhaltens noch tragbar erscheint, andererseits aber eine Ahndung erforderlich ist, um ihn künftig zu ordnungsgemäßem Verhalten anzuhalten (vgl. Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, a.a.O., MatR/II Rn. 486). Zu Ungunsten des Beklagten fällt hier ins Gewicht, dass er über einen langen Zeitraum eine Vielzahl von Verbindlichkeiten eingegangen ist, ohne die Forderungen letztendlich zu begleichen. Die früheste Rechnung (… … GmbH, Nr. 9) datiert vom 11. April 2010, die letzte vom 4. Mai 2012 (Dr. …, Nr. 8). Der Beklagte hat also über einen Zeitraum von gut zwei Jahren Leistungen überwiegend medizinischer Art in Anspruch genommen, ohne für diese zu bezahlen. Zu seinen Ungunsten spricht weiter der hohe Schaden von insgesamt knapp 60.000,– Euro, der seinen Gläubigern durch die nicht beglichenen Forderungen entstanden ist. Als gegen den Beklagten zu verhängende Disziplinarmaßnahme ergibt sich damit die Zurückstufung.
Anerkannte Milderungsgründe kommen ihm nicht zugute. Bei seinem Verhalten handelt es sich nicht um ein Handeln in einer unverschuldet entstandenen, ausweglosen existenziellen wirtschaftlichen Notlage. Insoweit kann – trotz der äußerst schwierigen familiären Situation des Beklagten – weder von einem unverschuldeten Entstehen der Notlage ausgegangen werden, noch war diese existenziell, d.h. hat ihn von den für den notwendigen Lebensbedarf erforderlichen Leistungen abgeschnitten (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.2003 – 1 D 30.02 – juris Rn. 25). Vielmehr hat er das Geld insbesondere für einen Umzug, Urlaub und Familienfeste ausgegeben. Weiter liegt auch kein Handeln in einer psychischen Ausnahmesituation vor, weil es an einem plötzlichen unvorhergesehenen Eintritt eines Ereignisses fehlt, das nach seiner Bedeutung für die besonderen Lebensverhältnisse des Beamten bei diesem einen seelischen Schock auslöst, der seinerseits kausal zu der Begehung des Dienstvergehens führt (vgl. BVerwG, U.v. 3.5.2007 – 2 C 30.05 – juris Rn. 38). Die beim Beklagten vorliegende schwierige familiäre Situation hat sich vielmehr über viele Jahre hinweg aufgebaut. Ebenso zu verneinen ist der Milderungsgrund einer Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase. Dieser setzt außergewöhnliche Umstände voraus, die für die Begehung der konkreten Tat ursächlich geworden, aber inzwischen überwunden sind (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 36). Zum Zeitpunkt der Taten war der Beklagte aber nicht „vorübergehend aus der Bahn geworfen“, weil sich die Eingehung der Forderungen über den Zeitraum von mehreren Jahren hinzog. Zudem kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er die negative Lebensphase inzwischen überwunden hat, weil in den Folgejahren weitere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse hinzu kamen und nach dem Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung eine inzwischen vorgenommenen Ordnung seiner finanziellen Verhältnisse nicht vorliegt.
Zu Gunsten des Beklagten ist zu berücksichtigen, dass er disziplinar- und strafrechtlich nicht vorbelastet ist. Zu seinen Gunsten spricht weiter seine außerordentlich schwierige familiäre Situation, in der er durch die Krankheit seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder eine hohe Belastung erfahren hat, sowie seine eigene angegriffene Gesundheit.
Der Milderungsgrund der erheblich verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB steht dem Beklagten nicht zur Seite. Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung i.S.v. § 20 StGB bei der Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte (BayVGH, U.v. 28.9.2016 – 16a D 13.2112 – juris Rn. 60). Für das Vorliegen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit bei dem Beklagten liegen hier keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, ebenso wenig für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage. Das Landratsamt Berchtesgadener Land kommt mit „Amtsärztlichem Zeugnis“ vom 24. Januar 2014 zu dem Ergebnis, dass der Beklagte an „Erkrankungen des Nervensystems“ leide, nicht jedoch an einer Störung i.S.v. § 20 StGB. Auch das Amtsgericht Laufen nimmt im Strafbefehl vom 31. Juli 2015 keine erheblich verminderte Schuldfähigkeit an. Selbst der Beklagte macht in seinem Vorbringen im Disziplinarverfahren und gegenüber dem Verwaltungsgericht in erster Linie seine familiären Umstände für die Begehung der Taten verantwortlich, trotz ausdrücklicher Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht aber seinen in psychischer Hinsicht angeschlagenen gesundheitlichen Zustand. Hinzu kommt, dass die Verpflichtung zur Begleichung von Forderungen und zur Erbringung einer Gegenleistung für in Anspruch genommene Leistungen eine leicht einsehbare Pflicht von grundlegender Bedeutung betrifft (vgl. Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, a.a.O., MatR/I Rn. 46). Im Hinblick auf eine als selbstverständlich geforderte und im Alltagsleben kontinuierlich praktizierte Verhaltensweise wird von einem Beamten erwartet, dass er auch in einer schwierigen psychischen Situation noch ausreichend Standfestigkeit aufbietet, um entsprechenden Tatanreizen zu widerstehen. Die besonderen Umstände, die für die erhebliche Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit vorliegen müssen, sind deshalb hier zu verneinen.
Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände unter Einbeziehung der Schwere des Dienstvergehens und des hierdurch eingetretenen Vertrauensschadens sowie aller zu Gunsten und zu Lasten des Beklagten sprechenden Umstände ergibt, dass die Zurückstufung um eine Stufe die erforderliche und angemessene Maßnahme ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.


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