Arbeitsrecht

Zurückstufung eines Polizeibeamten um eine Stufe wegen ungerechtfertigter Schläge mit dem Einsatzstock bei Eskalation nach Fußballspiel

Aktenzeichen  16a D 16.1928

Datum:
6.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17209
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 10, Art. 14 Abs. 1 S. 2, Art. 25, Art. 55, Art. 63 Abs. 1 S. 1
StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2, § 340 Abs. 1, Abs. 3
BeamtStG § 34 S. 3

 

Leitsatz

1 Der Senat folgt der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung und greift zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten nunmehr auf den Strafrahmen zurück. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Polizeivollzugsbeamter verstößt in grober Weise gegen seinen gesetzlichen Auftrag zur Gefahrenabwehr und verletzt den Kernbereich seiner Dienstpflichten, wenn er in Ausübung seines Dienstes eine vorsätzliche Körperverletzung begeht, ohne dass ein Fall der Notwehr oder Putativnotwehr vorliegt. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3 Als mildernd ist eine Ausnahmesituation, die zu einem Augenblicksversagen des Beamten geführt hat, zu berücksichtigen, in der ein Bedrohungsszenario durch zahlenmäßig überlegene Fans aufgebaut wird, die einen hinreichenden Abstand zur Polizeikette nicht einhalten und verbale Provokationen und Beleidigungen ausstoßen. (Rn. 47 – 50) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 13b D 15.2473 2016-07-18 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 18. Juli 2016 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8) erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg. In Abänderung von Ziff. 1 des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 18. Juli 2016 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe in das Amt eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8) erkannt.
Der Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach Art. 6 BayDG richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.1). Ein Polizeivollzugsbeamter, der in Ausübung seines Dienstes eine vorsätzliche Körperverletzung begeht, ohne dass ein Fall der Notwehr oder Putativnotwehr vorliegt, macht sich in aller Regel untragbar. In diesem Fall ist grundsätzlich die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.2). Im vorliegenden Einzelfall erscheint jedoch die mangels Anschlussberufung des Klägers ohnehin nicht in Betracht kommende Entfernung aus dem Beamtenverhältnis unverhältnismäßig, weil zugunsten des Beklagten mildernde Umstände von einigem Gewicht zu berücksichtigen sind. Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass ein endgültiger Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit noch nicht eingetreten ist. Der Beklagte war daher um eine Stufe in das Amt eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8) zurückzustufen (2.3).
1. Der dem Beklagten zur Last gelegte Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. Juni 2014 zugrunde liegt, steht gemäß Art. 25, 55, 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG für den Senat bindend fest. Danach hat der Beklagte am 21. April 2012 gemäß §§ 340 Abs. 1, Abs. 3, 224 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. StGB eine gefährliche Körperverletzung im Amt begangen, als er nach dem Heimspiel des 1. FC Nürnberg gegen den Hamburger Sportverein einer nicht mehr zu ermittelnden Person dreimal schuldhaft und ohne rechtfertigenden Grund mit dem Einsatzstock in den Rückenbereich schlug. Der Unbekannte erlitt kurz andauernde, aber nicht unerhebliche Schmerzen.
Ein Anlass für eine Lösung von den tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil zum äußeren wie inneren Tatbestand, zur Schuldfähigkeit, zur Schuldform, zum Ursachenzusammenhang sowie zu Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründen besteht nicht. Die Verwaltungsgerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Darüber hinaus entfällt die Bindungswirkung, wenn neue Beweismittel eingeführt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen seine Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen (BVerwG, B.v. 27.12.2017 – 2 B 18/17 – juris Rn. 28 m.w.N.).
Die im Tatbestand wiedergegebenen Feststellungen des Landgerichts Nürnberg-Fürth im Urteil vom 27. Juni 2014 beruhen auf einer umfassenden, ausführlichen und schlüssigen Beweiswürdigung, insbesondere aufgrund des in Augenschein genommenen Polizeivideos. Die Tatsache, dass die Strafkammer aufgrund des äußeren Tatgeschehens das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes verneint hat, stellt keine fehlerhafte Beweiswürdigung dar (OLG Nürnberg, B.v. 27.11.2014 – 2 OLG 2 Ss 284/14 B). Die vom Beklagten behauptete Notwehr bzw. Nothilfesituation konnte der Senat, der das Polizeivideo im Rahmen der mündlichen Verhandlung ebenfalls in Augenschein genommen hat, nicht erkennen. Der Unbekannte leistete weder Widerstand noch griff er (vermeintlich) an. Da sich dieser zum Zeitpunkt der Schläge bereits abgewandt hatte, bestand auch keine Putativnotwehrsituation. Auch insoweit besteht – wie das Verwaltungsgericht zutreffend auf S. 28 seines Urteils angenommen hat – die Bindungswirkung des landgerichtlichen Urteils.
Der Beklagte hat durch sein Verhalten gegen seine Pflicht zur Achtung der Gesetze und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 340 Abs. 1 StGB, § 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – juris Rn. 11 m.w.N.).
2. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG und der dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelung des Disziplinargesetzes des Bundes ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – ZBR 2016, 254 – juris Rn. 12 m.w.N.).
2.1 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für seine Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – ZBR 2016, 254 – juris Rn. 16).
Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten nunmehr auf den Strafrahmen zurück und folgt damit der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – ZBR 2016, 254; B.v. 05.7.2016 – 2 B 24/16 – juris Rn. 14).
Vorliegend stellt die dienstpflichtverletzende Handlung eine sehr schwere Dienstpflichtverletzung dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass für Straftaten der gefährlichen Körperverletzung im Amt nach §§ 340 Abs. 1, 224 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe besteht. Begeht ein Beamter wie vorliegend innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren – hier sind es sogar bis zu zehn Jahre – vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 18.6.2015 a.a.O. juris Rn. 33 m.w.N.).
Bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen, bei dem der Beamte gerade nicht wie jeder andere Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung und damit als Garant einer unparteilichen und gesetzestreuen Verwaltung betroffen ist, kommt dem abgeurteilten Strafmaß (hier: acht Monate) entgegen der Auffassung des Beklagten bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme keine „indizielle“ oder „präjudizielle“ Bedeutung zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24/16 – juris Rn. 15), zumal das Landgericht die Anwendung des für einen minder schweren Fall vorgesehenen Ausnahmestrafrahmens (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. StGB: drei Monate bis fünf Jahre) nicht für geboten hielt.
2.2 Ausgangspunkt für die Maßnahmebemessung im vorliegenden Fall war zunächst die Höchstmaßnahme, also die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gemäß Art. 11 BayDG.
Der Beklagte hat in Ausübung seines Dienstes eine vorsätzliche Körperverletzung begangen, ohne dass ein Fall der Notwehr oder Putativnotwehr vorlag, und damit als Polizeivollzugsbeamter in grober Weise gegen seinen gesetzlichen Auftrag zur Gefahrenabwehr verstoßen und den Kernbereich seiner Dienstpflichten verletzt. Durch sein Verhalten hat der Beklagte die ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben verliehenen Machtbefugnisse missbraucht, das in ihn vom Dienstherrn gesetzte Vertrauen in seine dienstliche Zuverlässigkeit erschüttert und in erheblichem Maße das Ansehen der Polizei beeinträchtigt. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen, sie genießen in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Das zur Ausübung dieser Ämter erforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Straftaten begehen. Die Allgemeinheit kann und darf mit Recht erwarten, dass das allgemeine strafgesetzliche Verbot, andere körperlich zu verletzen, gerade von Polizeibeamten befolgt wird, zu deren Kernpflichten es gehört, die Einhaltung dieses Verbots zu überwachen und Verstöße hiergegen zu unterbinden und zu verfolgen. Das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) besitzt einen besonders hohen Rang (BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 16a D 14.1992 – juris Rn. 49 m.w.N.; BayVGH, U.v. 12.7.2017 – 16a D 15.368 – juris Rn. 53).
2.3 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des Art. 14 BayDG führt dazu, dass der Beklagte um eine Stufe in das Amt eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8) zurückzustufen ist. Der Ausspruch dieser Maßnahme ist im Hinblick auf die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen und das Maß der Schuld unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten zur Überzeugung des Senats ausreichend, aber auch erforderlich.
Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens nur in Betracht kommt, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16.10 – juris Rn. 29). Delikte, die angesichts ihrer möglichen Variationsbreite der Vorgabe einer Regeldisziplinarmaßnahme nicht zugänglich sind, bedürfen einer sorgsamen Würdigung der Einzelfallumstände. Die Disziplinargerichte müssen für eine solche Betrachtung und Ausschöpfung des Orientierungsrahmens – nach oben wie nach unten – unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände offen sein (BVerwG, U.v. 23.7.2013 – 2 C 63.11 – juris Rn. 13). Ein wie auch immer gearteter Schematismus verbietet sich in besonderer Weise (BVerwG, U.v. 18.6.2015 a.a.O. – juris Rn. 36).
Hiervon ausgehend ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das Fehlverhalten des Beklagten zwar schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG wiegt, der Beklagte insbesondere unter Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes und seines bisherigen dienstlichen Verhaltens das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit jedoch noch nicht endgültig verloren hat und eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis vorliegend weder als verhältnismäßig noch als erforderlich anzusehen wäre. Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist vorliegend wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens nicht geboten.
2.3.1 Zu Lasten des Beklagten spricht, dass er dreimal mit dem Einsatzstock vorsätzlich und ohne rechtfertigenden Grund auf den Rücken des Unbekannten geschlagen hat, von dem zum Zeitpunkt der Anwendung des Einsatzstockes ersichtlich keine Gefahr mehr ausgegangen ist. Der Beklagte schlug „gezielt und mit voller Wucht“ (Bl. 476 der Strafakte) und musste vom Kollegen T… von weiteren Schlägen abgehalten werden (Bl. 476 der Strafakte). Negativ zu werten ist auch, dass der Beklagte dem Unbekannten folgte und auf den Rücken schlug, wobei dieser zum Zeitpunkt der letzten beiden Schläge bereits auf dem Boden kauerte. Insoweit ist auch die gerichtliche Feststellung, dass eine „erhebliche Überschreitung der polizeilichen Befugnisse“ (Bl. 485 der Strafakte) vorlag, zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen.
2.3.2 Zu Gunsten des Beklagten greifen vorliegend jedoch beträchtliche Milderungsgründe, die dazu führen, dass zur Ahndung der einmaligen Verfehlung eine einfache Zurückstufung als ausreichend anzusehen ist.
Es kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Verhalten des Beklagten durch die äußeren Umstände maßgeblich beeinflusst war. Die Stimmung war – wie auch im Strafverfahren festgestellt – „aufgeheizt“, die Beamten der Polizei zahlenmäßig unterlegen: Zehn bis zwölf Beamte bildeten die Polizeikette und standen 30 bis 40 Fans gegenüber. Diese waren gewaltbereit. Es kam zu Schmähungen wie „Jetzt hauen wir den Bullen so richtig auf die Fresse“ und „Scheiß Bullen“ (Bl. 474 der Strafakte). Überdies bewegten sich die Fans unmittelbar vor dem Vorfall „in Form einer ungeordneten Meute (Bl. 475 der Strafakte) auf die Polizeikette zu. Vor allem das Bedrohungsszenario, das die Fans bereits durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit und das Nicht-Einhalten eines hinreichenden Abstands zur Polizeikette aufbauten, sowie der verbalen Provokationen und Beleidigungen seitens der Fans lassen das Verhalten des Beklagten als weniger schwerwiegend erscheinen.
Das Dienstvergehen erscheint auch deswegen weniger gravierend, weil zu Gunsten des Beklagten davon auszugehen ist, dass das spätere Opfer einen kleineren Gegenstand in Richtung der Polizeibeamten warf (Bl. 475 der Strafakte), was eine zusätzliche Bedrohung bzw. Provokation darstellte.
Dem Senat ist zwar bewusst, dass der Beklagte als Polizeivollzugsbeamter bzw. als Mitglied einer geschlossenen Polizeieinheit mit solchen besonderen Situationen vertraut ist. Gleichwohl hält der Senat dem Beklagten eine Ausnahmesituation zum Tatzeitpunkt mildernd zu Gute, die zu einem Augenblicksversagen des Beklagten geführt hat, der sich von dem Fehlverhalten des früheren Kollegen R…, das die Eskalation der Situation maßgeblich befördert hat, hat anstecken lassen.
Zu Gunsten des Beklagten spricht auch, dass er bisher (bis auf die zugrunde gelegte Verurteilung) weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten ist und er mehrfach Leistungsprämien erhalten hat. Zudem zeigen die bisherigen dienstlichen Beurteilungen, bei denen der Beklagte 2008 und 2011 jeweils 10 Punkte erreichte, dass der Beklagte gute Leistungen erbringt. Bestätigt wird dieser positive Eindruck durch die Persönlichkeitsbilder vom 4. Mai 2015 und vom 5. Juni 2018, die ihm ein „tadelloses Verhalten“ vor und nach dem Vorfall bescheinigen.
2.3.3 Im Rahmen der Gesamtschau der den Beklagten be- und entlastenden Umstände ist deshalb – auch unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beklagten – eine deutliche Pflichtenmahnung in Form der Zurückstufung des Beklagten um eine Stufe geboten. Diese Disziplinarmaßnahme ist aufgrund der erheblichen Milderungsgründe schuldangemessen und im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens und den damit einhergehenden Vertrauensschaden verhältnismäßig.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).


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