Arbeitsrecht

Zuständigkeit für Betriebsprüfung

Aktenzeichen  L 14 R 5201/16

Datum:
15.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30486
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VI § 28p, § 125
SGB X § 66 Abs. 1 S. 1, § 98 Abs. 2
VwVG § 6 Abs. 1, § 11, § 13
BVV

 

Leitsatz

Die Bestimmung des für die Betriebsprüfung zuständigen Rentenversicherungsträgers anhand einer abstrakten, einzelfallunabhängigen Vereinbarung, wonach sich die Zuständigkeit nach dem Sitz und der Prüfziffer der Abrechnungsstelle, bzw der Endziffer der Betriebsnummer richtet ist nicht willkürlich und mit höherrangigem Recht vereinbar.

Verfahrensgang

S 6 R 793/15 2016-10-25 Urt SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichtes Würzburg vom 25. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5000 Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat kann den anhängigen Rechtsstreit durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Die Beteiligten wurden auf die Aussichtslosigkeit der Berufung hingewiesen und zur Entscheidung durch Beschluss angehört.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Gemäß § 125 Abs. 1 SGB VI werden die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung (allgemeine Rentenversicherung und knappschaftliche Rentenversicherung) von den Regionalträgern und Bundesträgern wahrgenommen. Der Name der Regionalträger der gesetzlichen Rentenversicherung besteht aus der Bezeichnung Deutsche Rentenversicherung und einem Zusatz für ihre jeweilige regionale Zuständigkeit. Nach § 125 Abs. 2 SGB VI sind Bundesträger die Deutsche Rentenversicherung Bund sowie die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Die Deutsche Rentenversicherung Bund nimmt auch die Grundsatz- und Querschnittsaufgaben und die gemeinsamen Angelegenheiten der Träger der Rentenversicherung wahr.
Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a) mindestens alle vier Jahre.
Nach § 28p Abs. 2 SGB IV richtet sich die örtliche Zuständigkeit im Bereich der Regionalträger nach dem Sitz der Lohn- und Gehaltsabrechnungsstelle des Arbeitgebers. Die Träger der Rentenversicherung stimmen sich darüber ab, welche Arbeitgeber sie prüfen; ein Arbeitgeber ist jeweils nur von einem Träger der Rentenversicherung zu prüfen.
Das Gericht hat keine Zweifel an der Vereinbarkeit von § 28p SGB IV sowie § 125 SGB VI mit höherrangigem Recht. Das System der Rentenversicherungsträger im Bereich der Bundesrepublik Deutschland war bereits Gegenstand einer Vielzahl von höchstrichterlichen Entscheidungen und hält sich hinsichtlich Organisation, Aufbau und Zuständigkeit im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. u. a. zuletzt Beschluss des BSG vom 10.10.2017, Az.: B 12 KR 119/16 B).
Soweit die Klägerin die Wirksamkeit und das ordnungsgemäße Zustandekommen des SGB IV sowie des SGB VI aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu den negativen Stimmgewichten bei Überhangsmandaten vom 25.07.2012 (Az.: 2 BvE 9/11, 2 BvF 3/11, 2 BvR 2670/11) in Zweifel zieht, ergeben sich für den Senat insoweit keine Bedenken. In der Entscheidung zum Bundeswahlgesetz vom 25.07.2012 weist das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich darauf hin, dass die Entscheidung keine Rückwirkung aufweist, nachdem das Bundesverfassungsgericht das zuvor gesetzlich vorgesehene Sitzzuteilungsverfahren zwar in wesentlichen Teilen ebenfalls für verfassungswidrig erklärt hatte, hierfür jedoch die weitere Anwendbarkeit der gesetzlichen Vorschriften bis zum Ablauf einer Übergangsfrist mit Urteil vom 03.07.2008 (Az.: 2 BvC 1/07) eingeräumt hat.
Die Beklagte hat die Anordnung der Betriebsprüfung auch entsprechend der gesetzlichen Vorgaben vorgenommen.
Eine willkürliche Überschreitung des gesetzlich eingeräumten Entscheidungsspielraumes ist nicht gegeben.
Der Gesetzgeber hat in § 125 SGB VI eine Mehrfachzuständigkeit ausdrücklich normiert. Für Betriebsprüfungen wird dies in § 28p Abs. 2 SGB IV insoweit einschränkend geregelt, als verständlicherweise ein Arbeitgeber jeweils nur von einem Träger der Rentenversicherung zu prüfen ist, so dass es zu Mehrfachprüfungen für den gleichen Zeitraum nicht kommen kann. Die Träger der Rentenversicherung haben sich darüber abzustimmen, welcher Arbeitgeber durch sie geprüft wird. Diese Abstimmung ist vorliegend durch eine abstrakte, einzelfallunabhängige Vereinbarung der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt, indem sie einvernehmlich geregelt haben, dass sich zunächst die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers nach dem Sitz und der Endziffer (Prüfziffer) der Abrechnungsstelle richtet. Sollte eine Abrechnungsstelle nicht vorhanden sein, ergibt sich die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers aus der Endziffer der Betriebsnummer des zu prüfenden Betriebes. Diese Zuständigkeitsregelung folgt rein sachlichen Überlegungen und objektiv nachprüfbaren Kriterien und ist daher nicht als willkürlich anzusehen.
Bei der Berufungsklägerin wurde diese Regel auch entsprechend angewandt. Eine Abrechnungsstelle war zu dem Zeitpunkt der Ankündigung der Betriebsprüfung der Beklagten nicht mehr bekannt, wohl auch aufgrund der Verlegung des Betriebssitzes der klägerischen GmbH nach A-Stadt. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG Würzburg hat der Vertreter der Beklagtenseite nachvollziehbar dargelegt, dass zwischen den Prüfstellen sowie den Abrechnungsstellen technische Verbindungen bestehen, aus denen die Beklagte ersehen kann, ob eine Abrechnungsstelle existiert. Insoweit ist die Annahme der Beklagten zum Zeitpunkt des Erlasses der Prüfungsanordnung, dass die Klägerin keine Abrechnungsstelle mehr besitze, nicht zu beanstanden, zumal die Klägerseite auf entsprechende Nachfragen nach einem Steuerberaterbüro auch nicht reagiert hat. Die Auswahl des Rentenversicherungsträgers, der für die Prüfung bei der Klägerseite nach dem Umzug nach A-Stadt zuständig ist, erfolgte daher ausschließlich nach objektiven Kriterien (nach der Endziffer der Betriebsnummer), eine willkürliche Entscheidung unter bewusster Umgehung der oben geschilderten Zuständigkeitsvereinbarung ist insoweit offensichtlich nicht gegeben.
Die getroffene Prüfanordnung sowie die damit einhergehende Zwangsgeldandrohung nach § 66 Abs. 1 S. 1 SGB X iVm §§ 6 Abs. 1, 11, 13 VwVG sind daher nicht zu beanstanden, insbesondere durfte die Beklagte zur Durchsetzung der Mitwirkungspflicht bzw der Pflicht des Arbeitgebers zur Prüfhilfe ( §§ 98 Abs. 2 SGB X, 28 p Abs. 5 S.1 SGB IV, hier konkret der Pflichten aus §§ 7 bis 11 bzw 13 der Beitragsverfahrensverordnung, BVV) eine Prüfungsanordnung mittels Verwaltungsaktes erlassen, nachdem der Kläger eine Mitwirkungsverweigerung angekündigt hatte (vgl. Beschluss des LSG Baden-Württemberg v. 23.10.2013, Az L 4 R 4066/13 ER-B, sowie Urteil d. BSG v. 16.08.1989 Az 7 Rar 82/88).
Die Kostenentscheidung nach § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO berücksichtigt, dass die Berufung erfolglos geblieben ist.
Die Festsetzung der Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG)


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