Bankrecht

12 U 224/21

Aktenzeichen  12 U 224/21

Datum:
9.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt 12. Zivilsenat
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend LG Dessau-Roßlau, 2. November 2021, 4 O 87/21, Urteil

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 2. November 2021 verkündete Einzelrichterurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 in Verbindung mit § 313 a ZPO verzichtet.
B.
Die gemäß § 511 ZPO statthafte und zulässige, insbesondere gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Berufung ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Entscheidungserhebliche Rechtsfehler im Sinne des § 520 Abs. 3 ZPO sind nicht ersichtlich und werden von der Berufung auch nicht aufgezeigt.
Das Landgericht Dessau-Roßlau hat die Klage zurecht abgewiesen.
I. Das Landgericht hat zurecht den Klageantrag zu 1) (Leistungsantrag) mangels örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Für die Entscheidung über die Leistungsklage ist nach den §§ 12 und 17 Abs. 1 ZPO ebenso wie nach § 29 Abs. 1 ZPO das Landgericht Darmstadt örtlich zuständig, weil der Erfüllungsort hinsichtlich der von der Beklagten im Falle eines wirksamen Widerrufes geschuldeten Geldleistungen durch ihren Sitz in N.-I. bestimmt wird.
Der Erfüllungsort (Leistungsort) i. S. d. § 29 Abs. 1 ZPO bestimmt sich nach dem materiellen Recht. Gemäß § 269 BGB ist der Leistungsort für jede einzelne Verpflichtung aus einem Schuldverhältnis gesondert zu ermitteln und im Zweifel am Sitz des Schuldners anzusiedeln, sofern nichts anderes vereinbart wurde oder sich aus den Umständen ergibt (Palandt/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 269, Rn. 7, § 270, Rn. 1). Im Falle eines Finanzierungsleasingvertrages sind die aus einem solchen Vertrag entstehenden Verpflichtungen des Kreditinstituts grundsätzlich an dessen Sitz zu erfüllen (so, allerdings für die Rückabwicklung eines Darlehensvertrages, bereits OLG Naumburg, Urteil vom 9. September 2020, Az. 5 U 77/20).
Der Umstand, dass der Leasingvertrag widerrufen wurde und der Leasingnehmer zugleich die Rückabwicklung des Vertrages begehrt, gibt keinen Anlass, einen gemeinsamen Erfüllungsort am Sitz des Leasingnehmers anzunehmen. Eine Spaltung des Leistungsortes bei zweiseitigen, insbesondere bei synallagmatischen Verträgen, versuchte die Rechtsprechung allerdings oft zu vermeiden. Um der erstrebten Einheitlichkeit des Leistungsortes willen wurde nicht selten nach einem Schwerpunkt des Schuldverhältnisses gesucht. Dabei müssen nach der inzwischen restriktiveren Rechtsprechung allerdings über die vertragstypische Leistung hinaus weitere Umstände festgestellt werden, die einen Schwerpunkt begründen können. Denn andernfalls läge bei praktisch jedem Vertragstyp ein einheitlicher Erfüllungsort auch für die untypische Zahlungspflicht vor (Staudinger/Bittner/Kolbe, BGB, 2019, § 269, Rn. 20).
Soweit nach der Rechtsprechung bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen über bewegliche Sachen aufgrund Rücktritts, Widerrufs oder Anfechtung ein einheitlicher Erfüllungsort und damit ein Gerichtsstand nach § 29 ZPO an dem Ort anzunehmen ist, an dem sich die Sache zum Zeitpunkt der Rückgängigmachung des Kaufvertrages vertragsgemäß befindet (Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Auflage, § 29, Rn. 25), was auch bei Verbindung von Rücktritt und Schadensersatz, bei Geltendmachung des sogenannten „großen“ Schadensersatzes gem. §§ 437 Nr. 3, 280, 281 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB sowie für Klagen auf Verwendungsersatz und für Klagen auf Rückzahlung des Kaufpreises, wenn die Sache untergegangen, versteigert und der Erlös an ihre Stelle getreten ist oder schon an den Verkäufer zurückgegeben worden ist, gilt (Zöller/Schultzky, a.a.O., Rn. 25, m. w. N.), war maßgebliches Argument, dass der Verkäufer die Gründe für die Rückabwicklung zu vertreten hat und die gegenseitigen Leistungen ohnehin Zug um Zug am Sitz des Käufers auszutauschen sind. Derartige, eine Begünstigung des Leasingnehmers rechtfertigende Gründe für die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes bestehen im Falle des Widerrufs des hier streitigen Kilometerleasingvertrages nicht.
II. Hinsichtlich des Feststellungsantrages hat das Landgericht in überzeugender Weise zutreffend dargelegt, warum es diesen für unbegründet hält, und die Klage zu Recht mangels Bestehens eines Widerrufsrechts abgewiesen.
1. Der Kläger hat kein Widerrufsrecht aus § 506 BGB: Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 24. Februar 2021 – Az. VIII ZR 36/20 – ist höchstrichterlich geklärt, dass bei Leasingverträgen mit Kilometerabrechnung dieses gesetzliche Widerrufsrecht nicht besteht. Mit dem Bundesgerichtshof, dessen eingehender Argumentation sich der Senat anschließt, geht der Senat davon aus, dass dem Kläger weder ein gesetzliches Widerrufsrecht gemäß §§ 506 Abs. 1, 495 BGB zustand (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2021 – VIII ZR 36/20 -, Rn. 20 ff. juris), noch, dass ein solches – mangels planwidriger Regelungslücke – aus einer analogen Anwendung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB auf Kilometerleasingverträge hergeleitet werden könnte (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 37 ff.). Nicht zuletzt stellt der Abschluss eines Leasingvertrags mit Kilometerabrechnung kein Umgehungsgeschäft nach § 512 BGB dar, das zu einer Anwendung des § 506 Abs. 1 BGB und damit zu einem Widerrufsrecht des Verbrauchers führen würde (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 67,).
2. Zu Recht hat das Erstgericht auch ein vertragliches Widerrufsrecht verneint.
a. In Anlehnung an die eingehende Argumentation des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, aaO., Rn. 68 ff., juris) ist die Erteilung der mit “Widerrufsinformation“ überschriebenen vorformulierten Widerrufsbelehrung auch vor dem Hintergrund des in der Widerrufsinformation zu den Widerrufsfolgen angeführten Zinsbetrags von 0,22 € pro Tag und die auf Seite 4 des Leasingvertrags (Anlage K 1) angeführten Folgen eines Widerrufs kein Angebot der Beklagten auf Gewährung eines (vorbehaltlosen) vertraglichen Widerrufsrechts, das der Kläger mit Vertragsabschluss hätte annehmen können. Der “Widerrufsinformation” kommt kein rechtsgeschäftlicher Erklärungsinhalt zu (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2021, a.a.O., Rn. 68 ff., siehe insbesondere Rn. 73, 74, 76). Für einen durchschnittlichen Leasingnehmer, der sich von der Sichtweise verständiger und redlicher Vertragsparteien unter Abwägung der Interessen der beteiligten Verkehrskreise leiten lässt, ergibt sich aus dem Inhalt der Erklärungen und der damit korrespondierenden Überschrift, dass die dort aufgeführten Angaben lediglich gesetzliche Vorgaben erfüllen, damit aber nicht – im Vertrag selbst nicht vorgesehene – rechtsgeschäftliche Erklärungen abgegeben werden sollten (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2021, a.a.O., Rn. 71).
b. § 305c Abs. 2 BGB ist gerade nicht anwendbar, da dies voraussetzte, dass nach objektivem Empfängerhorizont eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB gegeben wäre. Gerade dies ist mangels rechtsgeschäftlichen Erklärungsinhalts der “Widerrufsinformation” nicht der Fall. Selbst wenn man den vorgenannten Unterlagen einen rechtsgeschäftlichen Erklärungsinhalt nicht absprechen und sie als Allgemeine Geschäftsbedingung behandeln wollte, würde ihr jedenfalls nicht der Inhalt zukommen, dem Kläger ein vertragliches Widerrufsrecht einzuräumen, sondern sie würde sich darin erschöpfen, ihm ein (tatsächlich) gesetzlich vorgesehenes Widerrufsrecht (bestätigend) zuzugestehen und die hierfür erforderlichen Voraussetzungen und sich daraus ergebenden Rechtsfolgen anzuführen. Eine vorformulierte Widerrufsbelehrung, die um eine vermeintliche gesetzliche Pflicht zu erfüllen oder rein vorsorglich erteilt wird, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, ist bei der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht als Angebot auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts zu verstehen (BGH, Urteil vom 24. Februar 2021, a.a.O, Rn. 72 m.w.N.). Bei der gebotenen objektiven Auslegung ist nach Auffassung des Senats unmissverständlich zu entnehmen, dass ein eigenständiges, von den gesetzlichen Vorgaben losgelöstes vertragliches Widerrufsrecht nicht begründet werden sollte. Hierfür streitet auch die fehlende Benennung der Modalitäten als “essentialia negotii”. Vor diesem Hintergrund kommt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB vorliegend nicht zur Anwendung.
3. Dem Kläger steht auch kein Widerrufsrecht gemäß § 312g BGB zu:
a. Gemäß § 312c Abs. 1 BGB sind Fernabsatzverträge Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden. Der zwischen den Klägern und der Beklagten geschlossene Leasingvertrag kam nicht unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande. Denn unmittelbar vor dem Vertragsschluss ließ der Kläger sich von einem für die Beklagte tätigen Vermittler – dem Autohändler in Dresden – bzgl. seines Leasingwunsches persönlich beraten und füllte – wie sich aus der Anlage K1 ergibt (Anlagenband, Bl. 19) ergibt – auch den Leasingantrag mit ihm aus. Denn in dem Formular heißt es:
„Hiermit bestätige ich (Händler), dass ich den Kunden (…), vorab darüber informiert habe, dass seine Vertragsdaten zum Zwecke der Prüfung eines Antrags auf Abschluss eines Leasingvertrages an die P. Bank (…) übermittelt werden.“
Der Händler handelte, wie sich ebenfalls aus der Anlage K1 ergibt (a.a.O.) als Handelsvertreter der Beklagten. Dies genügt um das Vorliegen eines Fernabsatzvertrages abzulehnen. Gemäß § 312c Abs. 1 BGB ist nicht nur der Vertragsschluss als solcher, sondern auch die Phase der Vertragsanbahnung in die Beurteilung der Frage, ob eine ausschließliche Verwendung vorliegt, einzubeziehen. Bereits nach dem Wortlaut des § 312c Abs. 1 BGB ist es nicht notwendig, dass es sich bei einer für den Unternehmer handelnden Person um einen in dessen Namen handelnden bevollmächtigten Vertreter im Sinne des §§ 164 BGB handeln muss, es kann sich durchaus auch um eine (sonstige) in seinem Auftrag handelnde Person handeln. Soweit der Kläger in seiner Berufung der Auffassung ist, dass nur dann kein Fernabsatzgeschäft vorliege, wenn es einen persönlichen Kontakt durch eine vom Unternehmen eingeschaltete Person mit dem Verbraucher gab und diese Person entweder ein Mitarbeiter des Unternehmens oder ein bevollmächtigter Vertreter im Sinne des § 164 BGB war, entspricht dies nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 312b Abs. 1 ff. a.F. erst recht nicht der vorstehend zitierten neuen Fassung des § 312 Abs. 1 BGB. Entsprechend dem zu § 312b Abs. 1 und 2 BGB a. F. ergangenen Urteils des Bundesgerichtshof vom 21. Oktober 2004 (Az. III ZR 380 / 03, juris) wird die Annahme eines Fernabsatzvertrages zwar nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass bei Vertragsschluss oder –anbahnung ein Bote beauftragt wird, der zwar dem Verbraucher in unmittelbaren persönlichen Kontakt gegenübertritt, jedoch über den Vertragsinhalt und insbesondere über die Beschaffenheit der Vertragsleistung des Unternehmens keine Auskünfte geben kann und soll. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die eingeschaltete Person nicht darauf beschränkt ist, Willenserklärungen und Waren zu überbringen und entgegenzunehmen, sondern vielmehr – wie hier als Handelsvertreter – in der Lage und damit beauftragt ist, dem Verbraucher in einem persönlichen Gespräch nähere Auskunft über die angebotene Ware oder Dienstleistung – hier dem Leasingvertrag – zu geben. Im vorliegenden Fall hat der Autohändler ausweislich der Anlage K1 mit dem Kläger über den Abschluss eines Leasingvertrages gesprochen und offenbar auch die Antragsdaten fachkundig für die Übermittlung an die Beklagte erfasst. Er war somit mehr als ein bloßer Erklärungsbote, sondern agierte frei in seinem und im Interesse der Beklagten.
b. Letztlich wäre ein Widerrufsrecht gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 BGB auch längst erloschen, gewesen. Der Widerruf wurde erst deutlich nach Ablauf von einem Jahr und 14 Tagen nach dem für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblichen Zeitpunkt erklärt. § 356 Abs. 3 S. 3 BGB findet, wie das Landgericht ausführlich und zutreffend begründet, hier keine Anwendung, weil ein Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung keine Finanzdienstleistung Sinne von § 356 Abs. 3 S. 3 BGB darstellt.
C.
Die Kostenscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzung für die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor.


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