Bankrecht

Abweichungen von der Musterwiderrufsbelehrung

Aktenzeichen  22 O 380/15

Datum:
18.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 06927
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Hof
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 355
BGB-InfoV aF § 14

 

Leitsatz

1. Die Fußnote „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ stellt offensichtlich eine Anweisung an den Sachbearbeiter dar und steht der Gesetzlichkeitsfiktion einer Widerrufsbelehrung deshalb nicht entgegen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch eine Sammelbelehrung stellt keine relevante Abweichung vom Verordnungsmuster dar (hier: finanzierte Geschäfte). (redaktioneller Leitsatz)
3. Entspricht eine Widerrufsbelehrung der Musterbelehrung, durfte und darf sich der Unternehmer auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV aF verlassen. Auch wenn die höchstrichterlichen Anforderungen an die Zulässigkeit von Abweichungen von der Musterbelehrung streng sind und insbesondere nicht in jedem Fall darüber gestritten werden soll, ob Abweichungen nun zulässig sind oder nicht, führen gleichwohl nicht jegliche Abweichungen zum Entfall der Schutzwirkung. Entscheidend ist letztlich, ob eine inhaltliche Bearbeitung vorgenommen wurde oder nicht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 115.209,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Ein Widerruf war dem Kläger nicht mehr möglich, da sich die Beklagte auf die Schutzwirkung des § 14 I BGB-InfoV a. F. berufen kann.
1. Es ist unstreitig, dass die genutzte Widerrufsbelehrung bzgl. des Fristbeginns des Widerrufes nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach.
2. Hieraus folgt aber nicht in jedem Fall, dass ein – losgelöst von einer Verwirkung oder eines Rechtsmissbrauches – unbefristetes Widerrufsrecht besteht.
Entspricht die Widerrufsbelehrung der Musterbelehrung, durfte und darf sich die Beklagte auf die Schutzwirkung des § 14 I BGB-InfoV a. F. verlassen (BGH NJW 14, 2022). Auch wenn die höchstrichterlichen Anforderungen an die Zulässigkeit von Abweichungen von der Musterbelehrung streng sind (vgl. z. B. BGH NJW 14, 2022; NJW-RR 12, 183) und insbesondere nicht in jedem Fall darüber gestritten werden soll, ob Abweichungen nun zulässig sind oder nicht, führen gleichwohl nicht jegliche Abweichungen zum Entfall der Schutzwirkung (BGH NJW 14, 2022). Entscheiden ist letztlich, ob eine inhaltliche Bearbeitung vorgenommen wurde oder nicht.
Ist dem – wie hier – nicht der Fall, beginnt die Widerrufsfrist trotz evtl. Fehler der Belehrung zu laufen.
3. Vorliegend ist von der Musterbelehrung nicht in einem solchen Maße abgewichen worden, als dass ein Entfall der Schutzwirkung gegeben wäre.
a. Soweit eine Fußnote mit dem Text „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ gesetzt wurde, handelt es sich offensichtlich um eine Anweisung an den Sachbearbeiter der Beklagten, die nicht an den Kläger gerichtet ist und diesen auch nicht irritiert. Der durch den Widerruf bezweckte Schutz des Verbrauchers an einer umfassenden, unmissverständlichen und eindeutigen Belehrung ist nicht betroffen (vgl. insoweit OLG Bamberg, Urteil vom 26.01.2016, Az. 5 U 90/15, a.A. OLG Nürnberg, Urteil vom 11.11.2015, Az. 14 U 2439/14).
Die Fußnote kann insb. nicht so verstanden werden, dass aus Sicht eines unbefangenen sowie rechtsunkundigen Lesers und Durchschnittsverbrauchers dieser die Frist auf deren Richtigkeit überprüfen solle.
Von Bedeutung ist – neben dem reinen Textverständnis – hierbei auch der Umstand, dass sich die Fußnote außerhalb der umrandeten Widerrufsbelehrung befindet.
b. Auch soweit im Abschnitt „Finanzierte Geschäfte“ Satz 2 nicht ersetzt, sondern mehrere Varianten im Text belassen wurden, gilt nichts anderes.
Der Umstand, dass in den Text mehrere Belehrungen („Sammelbelehrung“) aufgenommen wurden, stellt ebenfalls keine – relevante – inhaltliche Veränderung der Musterbelehrung dar. Auch insoweit ist von einem unbefangenen durchschnittlichen und rechtunkundigen Verbraucher zu erwarten, dass es diesem trotz fehlender Rechtskunde gelingt, aus mehreren Varianten die für ihn zutreffende herauszulesen (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 26.01.2016, Az. 5 U 90/15 m. w. N.).
4. Mithin hat die Frist im Jahr 2006 zu laufen begonnen und konnte nach Ablauf von mehr als zwei Wochen im Jahr 2014 nicht mehr widerrufen werden.
Auf die Fragen der Verwirkung bzw. eines Rechtsmissbrauches kommt es mithin ebenso wenig an wie auf die Frage, ob bei einem wirksamen Widerruf die Grundschuld auch den Rückzahlungsanspruch absichern würde, wie bzw. welche Nutzungen bei der Beklagten ggfs. angefallen sind und ob ein Schaden bzgl. einer Refinanzierung ausreichend schlüssig dargelegt wurde.
5. Die Klage war folglich abzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I S. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.


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