Bankrecht

Anspruch auf Leistung der Einlage aus einem Gesellschaftsvertrag im Liquidationsstadium

Aktenzeichen  13 S 14335/15

Datum:
23.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 130277
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 131, § 149, § 161, § 171
ZPO § 286

 

Leitsatz

1. Der Zahlungspflicht eines Kommanditisten auf einen noch ausstehenden Teil der Einlage steht nicht entgegen, dass sich die Gesellschaft in Liquidation befindet, denn diese besteht fort. Es ändert sich lediglich der Gesellschaftszweck. An die Stelle des auf Betrieb des Handelsgeschäfts gerichteten Zwecks tritt der auf Abwicklung und Vollbeendigung der Gesellschaft gerichtete Zweck. Aufgabe des Abwicklers/Liquidators ist es, offene Forderungen der Gesellschaft einzuziehen und in verteilungsfähiges Vermögen umzuwandeln, in dem der Schuldner auf Leistung an die Gesellschaft in Anspruch genommen wird. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist die Leistung ausstehender Beiträge seitens des einzelnen Gesellschafters nur noch dann geschuldet, wenn sie zur Verwirklichung des neuen Gesellschaftszwecks, d.h. der Liquidation, notwendig sind. (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Abwicklungsstadium trifft den auf Zahlung rückständiger Beiträge in Anspruch genommenen Gesellschafter die Darlegungslast und Beweislast dafür, dass der eingeforderte Betrag für die Durchführung der Abwicklung nicht benötigt wird. Der Liquidator/Abwickler hat jedoch die insoweit bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

242 C 3419/15 2015-07-22 Endurteil AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 22.07.2015, Az. 242 C 3419/15, abgeändert:
Der Beklagte hat an die Klägerin EUR 2.700,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.06.2016 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wen nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.700,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochten Endurteil wird Bezug genommen.
2. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klagepartei den erstinstanzlichen Klageantrag weiter, der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung erweist sich bis auf einen Teil der Nebenforderung als begründet.
1. Der Klagepartei steht ein unmittelbarer Anspruch gegen den Beklagten zu.
Dies ergibt sich aus den maßgeblichen Regelungen im Gesellschafts- und Treuhandvertrag, die die Annahme rechtfertigen, dass die Treuhandkommanditisten den Kommanditisten gleichgestellt sind und der Anspruch auf Leistung der Einlage der Klägerin und nicht der Treuhandkommanditistin zusteht.
Ausdrücklich regelt § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages, dass die Regelungen „analog“ auch für Anleger gelten, die sich als Treugeberkommanditisten beteiligen. Zwar obliegt die Verwaltung der Anteile der mittelbaren Gesellschafter gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 des Gesellschaftsvertrages dem Treuhänder, gemäß § 3 des Treuhandvertrages handelt der Treuhänder jedoch nach Weisung des Treugebers. Dass der Treuhänder gegenüber der Gesellschaft die aus der Beteiligung erwachsenen Gesellschafterrechte im eigenen Namen ausübt und es sich um ein optionales Weisungsrecht der Treugeber handelt, begründet keine besonders starke Stellung des Treuhänders. Auch die Regelung des § 4 Abs. 2 des Treuhandvertrages, wonach der Treugeber berechtigt ist, die dem Treuhänder nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Kontrollrechte selbst auszuüben, spricht für eine Gleichstellung der Treugeber mit unmittelbaren Gesellschaftern. Dass die unmittelbare Ausübung der Kontrollrechte durch den Treugeber eine Vollmacht des Treuhänders voraussetzt, gibt keinen Anlass zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung der Gesellschafterstellung, da sich aus den Regelungen ergibt, dass der Treuhänder zur Erteilung der Vollmacht verpflichtet ist. Zudem regelt die Beitrittserklärung nebst Zusatzvereinbarung die Zahlungsverpflichtung des Beklagten gegenüber der Klägerin ausdrücklich. Ausweislich der Zusatzvereinbarung zur Beitrittserklärung sind Vertragspartner die Klägerin einerseits und der Beklagte anderseits. In der Zusatzvereinbarung sind die geschuldeten Zahlungen bzw. die Zeichnungssummen dargelegt. Dass die Zahlungen auf das Konto der Treuhänderin zu leisten sind, steht der Annahme eines Zahlungsanspruches der Klägerin nicht entgegen. Die Regelung ist vielmehr auch im Hinblick auf § 5 des Treuhandvertrages so zu verstehen, dass eine unbedingte Zahlungsverpflichtung des Beklagten in dem Sinne besteht, dass zunächst der Beklagte als Treugeber zur Zahlung der vereinbarten Beiträge an den Treuhänder verpflichtet ist und der Treuhänder nachfolgend die geleisteten Zahlungen bei der Klägerin einzubringen und hierdurch seinen Kommanditanteil entsprechend zu Gunsten des Beklagten zu erhöhen hat. Der Treuhänder fungiert insoweit als Einziehungsermächtigter, die Forderung selbst verbleibt bei der Gesellschaft.
2. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts München steht der Zahlungspflicht des Beklagten schließlich nicht entgegen, dass sich die Klägerin in Liquidation befindet. Trotz Eintritt der Liquidation besteht die Klägerin als Gesellschaft fort (Staub/Habersack, HGB, 5. Auflage, § 145 Rdn. 13). Es ändert sich lediglich der Gesellschaftszweck. An die Stelle des auf Betrieb des Handelsgeschäfts gerichteten Zwecks tritt der auf Abwicklung und Vollbeendigung der Gesellschaft gerichtete Zweck (Staub/Habersack, a.a.O., Rdn. 16). Aufgabe des Abwicklers/Liquidators ist es, offene Forderungen der Gesellschaft einzuziehen und in verteilungsfähiges Vermögen umzuwandeln, in dem – wie hier – der Schuldner auf Leistung an die Gesellschaft in Anspruch genommen wird (Staub/Habersack, a.a.O., § 149 Rdn. 18).
Allerdings ist die Leistung ausstehender Beiträge seitens des einzelnen Gesellschafters nur noch dann geschuldet, wenn sie zur Verwirklichung des neuen Gesellschaftszwecks, d.h. der Liquidation, notwendig ist (Staub/Habersack a.a.O., § 149 Rdn. 21).
Dies ist hier der Fall:
Im Abwicklungsstadium trifft den auf Zahlung rückständiger Beiträge in Anspruch genommenen Gesellschafter die Darlegungslast und Beweislast dafür, dass der eingeforderte Betrag für die Durchführung der Abwicklung nicht benötigt wird. Der Liquidator/Abwickler hat jedoch die insoweit bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen (BGH-Urteil vom 03.07.1978, II ZR 54/77).
Dies ist jedenfalls mit der Liquidationseröffnungsbilanz zum 06.10.2011, die zum 09.03.2015 erstellt wurde, geschehen. Darin ist unter „III. Angaben zur Bilanz“ zu ausstehenden Einlagen auf das gezeichnete Kapital ausgeführt:
Zum 06.10.2011 waren Einlagen in Höhe von EUR 1.950.670,00 ausstehend. Zum Zeitpunkt der Aufstellung der Liquidationseröffnungsbilanz ist es nachweislich (negatives Reinvermögen, siehe IV. und V.), dass diese noch erbracht werden müssen, um eine ordnungsgemäße Liquidation zu gewährleisten. Weil jedoch zahlreiche gerichtliche Verfahren zur Einlageverpflichtung anhängig sind, können diese Verpflichtungen momentan nicht als werthaltig betrachtet werden. In der Konsequenz wurde deshalb eine individuelle Saldierung mit dem jeweils gezeichneten Kommanditkapital durchgeführt.
Unter „Sonstige Vermögensgegenstände“ werden die Rückstellungen im Einzelnen erläutert; insoweit wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 14.06.2016 Bezug genommen. Das erläuterte Eigenkapital ist als Fehlbetrag auf der Passivseite bilanziert.
Soweit die beklagte Partei dagegen einwendet, dass Rückstellungen nur für zum Erstellungsstichtag anhängige Klageverfahren und nur insoweit zu berücksichtigen sind, wenn mit dem negativen Ausgang der Verfahren zu rechnen ist, kann dem nicht gefolgt werden.
Auch die mit der Liquidation und der folgenden Geschäftseinstellung verbundenen Verbindlichkeiten sind zu berücksichtigen (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Hellmann, HGB, 3. Auflage, § 154 Rdn. 14). Die Verbindlichkeit muss bis zum Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht sein. Wirtschaftliche Verursachung ist ein Merkmal, das nur bei künftig entstehender, nicht aber dem Grunde nach bereits bestehender Verpflichtung gilt (Baumbach, Hopt, Merkt, HGB, 36. Auflage, Rdn. 2 m.w.N.). Nur bei Verbindlichkeiten, die rechtlich noch nicht entstanden sind und denen somit zum Bilanzstichtag nicht bereits der (unbedingte) Anspruch eines Gläubigers auf ein bestimmtes Tun oder Unterlassen des Kaufmanns gegenübersteht, ist das Kriterium der wirtschaftlichen Verursachung zu prüfen (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Bücking-Groß, HGB, 3. Auflage, § 249 Rdn. 25 m.w.N.). Die Beurteilung erfolgt auf Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen nach Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns unter Berücksichtigung der betriebsindividuellen und branchenüblichen Erfahrungen. Wird die Bilanz einige Jahre später erstellt, ist maßgeblich, welche Tatsachen am Bilanzstichtag vorlagen und bis zu dem Zeitpunkt erkennbar waren, zu dem die Bilanz spätestens aufzustellen war (Baumbach, Hopt, Merkt, a.a.O.).
Die Liquidationseröffnungsbilanz begründet nicht den Schluß, die Einlageforderung würde (auch) zum Zweck des Ausgleichs zwischen den Gesellschaftern eingefordert. Darauf kommt es indes streitentscheidend nicht an. Vielmehr ist insoweit dem Oberlandesgericht Stuttgart (zuletzt Urteil vom 19.4.2016, 6 U 155/15) zuzustimmen, dass sich die Befugnisse des Abwicklers aus dem Zweck der Liquidation ergeben. Die Anordnung der BAFin vom 6.10.2011 erfolgte gerade auch, um im Interesse der Gesellschafter der Klägerin sicherzustellen, dass eine ordnungsgemäße Abwicklung erfolgt. Unter den Bedingungen einer Publikumsgesellschaft, an der eine Vielzahl von persönlich nicht verbundenen Gesellschaftern beteiligt sind, kann dieser Zweck nicht erreicht werden, wenn der Innenausgleich den Gesellschaftern überlassen wird, ohne dass noch ein geschäftsführendes Organ vorhanden wäre. Deshalb muss es zumindest in einer Konstellation wie der vorliegenden zu den Aufgaben des Abwicklers gehören, auch den Ausgleich unter den Gesellschaftern herbeizuführen und die dafür erforderlichen Mittel einzufordern.
Soweit im Urteil des Amtsgerichts Simmern/Hunsrück vom 31.3.2016, 31 C 292/15 schließlich die Möglichkeit einer (zwischenzeitlichen) abweichenden wirtschaftlichen Entwicklung angesprochen wird, sind derartige Überlegungen – zumal ohne jeglichen Parteivortrag – nicht Grundlage gerichtlicher Entscheidungen.
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass die Klagepartei im Rahmen der forwährend geführten Prozesse ausstehende Einlagen eintreibt und eingetrieben hat, so dass innerhalb von den nunmehr nahezu vergangenen fünf Jahren eine erhebliche Mehrung des Kapitals stattgefunden hat und sich letztendlich zwangsläufig die Passivseite der Liquidationsbilanz zugunsten der Klagepartei geändert hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Es steht im Ermessen des Abwicklers, in welcher Weise er den zur Abwicklung benötigten Betrag realisiert und in welchem Umfang er gegenüber den einzelnen Gesellschaftern rückständige Einlageforderungen geltend macht. Insbesondere muss der Liquidator die Gesellschafter nicht gleichmäßig in Anspruch nehmen, vielmehr hat er sich daran auszurichten, dass die Aktiva der Gesellschaft möglichst schnell und ungehindert flüssig gemacht werden, damit die Gläubiger befriedigt und mögliche weiter Ansprüche von der Gesellschaft abgewendet werden. Der Umstand, dass sich die Liquidität der Gesellschaft im Verlauf des Rechtsstreits durch die Zahlungen anderer Gesellschafter verbessert hat, führt nicht dazu, dass die Klage unbegründet wird, jedenfalls dann, wenn nicht feststeht, dass dem Anleger ein Abfindungsguthaben in Höhe der rückständigen Einlage zusteht (OLG Stuttgart v. 6.4.2016 – 14 U 2/15 und zuletzt OLG Stuttgart v. 19.4.2016 – 6 U 155/15). Da die mit Einleitung des Mahnverfahrens am 19.03.2014 getroffene Entscheidung der Klägerin, den Beklagten in Anspruch zu nehmen, nach dem damaligen Kenntnisstand nicht zu beanstanden war, kann der Beklagte folglich aus dem Umstand, dass die Situation jetzt anders zu beurteilen ist, keine Einwendungen gegen seine Inanspruchnahme herleiten. Das ihm ein Abfindungsguthaben in Höhe der rückständigen Einlage zusteht, ist nicht ersichtlich (OLG Stuttgart vom 19.4.2016 – 6 U 155/15).
3. Die Nebenforderung rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs.
Wie bereits dargelegt, kann im Rahmen der Liquidation, anders als bei der werbenden Gesellschaft die Geltendmachung ausstehender Einlagen nur erfolgen, wenn dies für den Liquidationszweck erforderlich ist. Es kann dabei dahinstehen, ob der Jahresabschluss 2012 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde. Die erforderlichen Rückstellungen sind hierin jedenfalls nicht näher erläutert.
Verzug kann danach erst ab Kenntnis von der Erforderlichkeit der weiteren Einlage im Rahmen der Liquidation angenommen werden. Da die mit Schriftsatz vom 13.04.2015 übersandte Liquiditationseröffnungsbilanz unvollständig war und keine Erläuterungen zu den erforderlichen Rückstellungen enthielt, wurde auf den Zeitpunkt der Zustellung der Liquidationseröffnungsbilänz als Anlage zum Schriftsatz vom 14.06.2016 an die beklagte Partei am 24.06.2016 abgestellt.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708, 711 ZPO.
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen angesichts der durch das Oberlandesgericht Zweibrücken in einer Parallelsache erfolgten Zulassung vor.


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