Bankrecht

Ansprüche aus Rückabwicklung eines Darlehensvertrags wegen Widerrufs

Aktenzeichen  22 O 4198/19

Datum:
7.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 54482
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 188 Abs. 1 S. 2, § 313, § 314, § 355, § 356b Abs. 1, Abs. 2, § 491 Abs. 1, § 492 Abs. 2, § 495 Abs. 1, § 502 Abs. 2 Nr. 2
EGBGB Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 9, § 6 Abs. 1 S. 1. Nrn. 1 u. 5, § 7 Nr. 3, § 8, § 9, § 10, § 11, § 12, § 13
RL 2008/48/EG Art. 10 Abs. 2 s), Art. 13

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.

Gründe

I. Die Klage ist unbegründet.
Der Klagepartei stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags zu, weil der von der Klagepartei erklärte Widerruf verfristet und damit unwirksam war.
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag um ein Verbraucherdarlehen im Sinne des § 491 Abs. 1 BGB handelt, sodass der Klagepartei ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zusteht.
2. Die Widerrufsfrist war jedoch bei Erklärung des Widerrufs längst abgelaufen. Insbesondere sind die Voraussetzungen des Beginns der Widerrufsfrist gemäß § 356b Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB eingehalten.
2.1. Die Widerrufsinformation der Beklagten, die von der Klagepartei auch nicht angegriffen wird, ist nicht zu beanstanden.
2.2. Die Klagepartei hat auch sämtliche erforderlichen Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6-13 EGBGB ordnungsgemäß erhalten. Die von der Klagepartei gerügten Fehler liegen nicht vor.
2.2.1. Pflichtangaben zu den Auszahlungsbedingungen gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB:
Die Beklagte hat die Auszahlungsbedingungen nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB in ihren AGB Teil I Ziff. 1 b) angegeben, wonach die Auszahlung des Nettokreditbetrages an das Handelsunternehmen erfolgt, über das der Kunde den Kredit beantragt hat, zur Bezahlung der Ware, deren Finanzierung der Kredit dient. Dies entspricht den Vorgaben in BT-Drs. 16/11643 S. 124, wonach auch anzugeben ist, dass der Darlehensbetrag einem Dritten zufließt und der Darlehensnehmer etwas anderes erhält, nämlich das finanzierte Fahrzeug.
2.2.2. Pflichtangaben zum einzuhaltenden Verfahren bei Kündigung des Vertrags gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1. Nr. 5 EGBGB:
Auf das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung des Vertrages gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB wird ordnungsgemäß hingewiesen.
Auf das außerordentliche Kündigungsrecht der Klagepartei nach § 314 BGB wird in Teil I Ziffer 4 lit. c der AGB, die Bestandteil des Darlehensvertrages war, und auf die auf Seite 4 in dem Kasten „Hinweise“ unter der Überschrift „Bitte beachten Sie ferner die Hinweise zu“ ausdrücklich Bezug genommen wurde, deutlich hingewiesen. Dort ist unter der Überschrift „Kündigungsmöglichkeiten“ geregelt:
„(…)
c. Für beide Parteien : Im Falle der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses besteht für beide Parteien das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund (§§ 313, 314 BGB).“
Auf das Textformerfordernis hinsichtlich der (Kündigungs-)Erklärungen und die Kündigungsfrist bei einer außerordentlichen Kündigung war nicht hinzuweisen, weil die Information über das Kündigungsverfahren bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB keine Pflichtinformation im Sinne von § 492 Abs. 2 BGB darstellt und damit für den Beginn der Widerrufsfrist nicht erforderlich ist. Art. 247 EGBGB dient der Umsetzung der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge, deren Ziel darin besteht, für Verbraucherkredite eine vollständige und obligatorische Harmonisierung in Schlüsselbereichen zu erreichen (Erwägungsgrund 7), die als notwendig erachtet wird, um allen Verbrauchern in der Union ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen und um die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten zu gewährleisten (Erwägungsgrund 9). Die Richtlinie sieht keine Mindeststandards vor, sondern bezweckt in ihrem Geltungsbereich die Schaffung einheitlicher Bedingungen für die angeführten Rechtsgeschäfte. Verbraucher und Darlehensgeber sollen davon ausgehen dürfen, dass innerhalb des Regelungsumfanges und Geltungsbereiches der Verbraucherkreditlinie einheitliche Regelungen gelten. Art. 10 Abs. 2 lit. s RiL 2008/48 lautet: Im Kreditvertrag ist in klarer und prägnanter Form Folgendes anzugeben: (…) die einzuhaltenden Modalitäten bei der Ausübung des Rechts auf Kündigung des Kreditvertrags. Diese Regelung erfasst nur das ordentliche Kündigungsrecht des Verbrauchers bei einem unbefristeten Kreditvertrag, nicht aber ein Recht zur fristlosen Kündigung eines Kredites mit begrenzter Laufzeit. Dies ergibt sich zum einen aus Art. 13 der Richtlinie, der lediglich regelt, dass „der Verbraucher einen unbefristeten Kreditvertrag jederzeit ordentlich kündigen kann, es sei denn, die Parteien haben eine Kündigungsfrist vereinbart“, während nach Absatz 2 die Kündigung eines unbefristeten Vertrages bei entsprechender Vereinbarung durch die Bank in Textform erfolgen kann. Außerdem spricht der Wortlaut des Erwägungsgrunds 33 der RiL 2008/48/EG, wonach die Parteien das Recht haben sollen, „einen Kreditvertrag mit unbefristeter Laufzeit ordentlich zu kündigen“, für eine Beschränkung der Informationspflicht auf ordentliche Kündigungsrechte. Zudem wird im letzten Satz ausdrücklich erklärt, dass diese Richtlinie die innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Vertragsrechts betreffend die Rechte der Vertragsparteien, den Kreditvertrag aufgrund eines Vertragsbruchs zu beenden, nicht berührt. Eine Pflicht zur Angabe des Rechts auf außerordentliche Kündigung lässt sich daher nicht Art. 10 Abs. 2 lit. s RiL 2008/48 entnehmen. Der Wortlaut des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB stellt auf die einzuhaltenden Modalitäten bei der Ausübung des Rechts auf Kündigung des Kreditvertrages ab und entspricht bis auf die Verwendung des Begriffs Verfahren statt Modalitäten der VerbrKrRL. Die Umsetzung in deutsches Recht führt nicht dazu, dass zwingend auch über das Verfahren bei der außerordentlichen Kündigung zu informieren ist. Eine Pflichtinformation über Bestehen und Modalitäten gesetzlicher außerordentlicher Kündigungsgründe wäre mit einer richtlinienkonformen Auslegung des Art. 247 § 6 Nr. 5 EGBGB nicht vereinbar (siehe OLG Köln, Urteil vom 29.11.2018 – 24 U 56/18; Herresthal, ZIP 2018, 756; Schön, BB 2018, 2116, OLG Stuttgart, Urteil v. 29.05.2019, 6 U 78/18 Rn. 72 ff.).
2.2.3. Pflichtangaben zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung gemäß Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB:
Die nach Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB erforderliche Angabe der „Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt“, ist mit Teil I Ziffer 5 der AGB, die Bestandteil des Darlehensvertrages sind, und auf die auf Seite 5 in dem Kasten „Hinweise“ unter der Überschrift „Bitte beachten Sie ferner die Hinweise zu“ ausdrücklich Bezug genommen wurde, erfolgt. Dort wird verwiesen auf die vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen, von denen einige aufgezählt werden, und eine Kappungsgrenze festgelegt.
Zunächst ist es ausreichend, dass die Beklagte hier „nur“ auf die vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen verwiesen und die maßgeblichen Faktoren aufgezählt hat (OLG München, Beschluss vom 30.07.2018, 17 U 1469/18). Die Angabe einer konkreten Berechnungsformel war dagegen nicht erforderlich. Schon dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass hier eine konkrete Formel anzugeben wäre. Gefordert wird vielmehr nur die „Angabe der Berechnungsmethode“. Damit wird dem gesetzgeberischen Ziel, dass der Verbraucher die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nachvollziehen und seine Belastung im Fall einer vorzeitigen Darlehensablösung zutreffend abschätzen kann (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, BT-Drs. 16/11643, S. 87), hinreichend Rechnung getragen. Schließlich heißt es auch in dem Muster nach Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB nur „Festlegung der Entschädigung (Berechnungsmethode) gemäß § 502 BGB“. Von der Beklagten ist aber keine genauere Formulierung als vom Gesetzgeber zu erwarten.
Für den Verbraucher ist aus den Angaben der Beklagten klar ersichtlich, wo die Obergrenze der Vorfälligkeitsentschädigung liegt und nach welchen maßgeblichen Faktoren sie sich berechnet. Dies genügt. Nach der Gesetzesbegründung war erforderlich, dass „der Darlehensnehmer die Berechnung der Entschädigung nachvollziehen und seine Belastungen, falls er sich zur vorzeitigen Rückzahlung entschließt, zuverlässig abschätzen kann“ (BT-Drs. 16/11643, S. 87). Dazu kommt, dass die konkrete mathematische Formel so abstrakt und schwer verständlich ist, dass sie einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher keinen zusätzlichen Informationsgewinn im Vergleich zu dem Hinweis auf die Anwendung der Berechnungsmethode des BGH mit den wesentlichen Parametern bietet (vgl. LG Heilbronn, Urteil v. 24.01.2018, Ve 6 O 311/17). Soweit dies das LG Berlin in der von der Klagepartei zitierten Entscheidung anders gesehen hat, folgt dem das Gericht aus den genannten Gründen nicht.
Im Übrigen ist eine unzureichende Belehrung schon dadurch sanktioniert, dass gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB der Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung entfällt.
Die Klage war daher abzuweisen, über die Aufrechnung und die Hilfswiderklage war nicht zu entscheiden.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben