Bankrecht

Ausschüttungen von Liquiditätsüberschüssen an die Kommanditisten als unverzinsliche Darlehen

Aktenzeichen  8 U 2259/15

Datum:
1.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 20650
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 169 Abs. 1
BGB § 133, § 157, § 305c Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Bestimmung im Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft, dass Ausschüttungen von Liquiditätsüberschüssen an die Kommanditisten unverzinsliche Darlehen darstellen sollen, “solange Verlustsonderkonten (II) bestehen”, genügt den Anforderungen an eine klare und unmissverständliche Regelung der Rückzahlungspflicht der Kommanditisten (vgl. BGH WM 2016, 498) nicht, wenn bei der Beschreibung der Gesellschafterkonten keine “Verlustsonderkonten (II)” beschrieben werden, sondern lediglich “Ergebnissonderkonten (II)”, auf welche u. a. die Verluste gebucht werden sollen, “auch soweit diese das feste Kapitalkonto (I) übersteigen”, und damit unklar ist, unter welchen Umständen Ausschüttungen als Darlehen gewährt sein sollen. (amtlicher Leitsatz)
2. Der Gesellschaftsvertrag ist bei der Geltendmachung von Ausschüttungsrückzahlungen durch die Gesellschaft rein objektiv und nach den für die Auslegung von AGB geltenden Grundsätzen auszulegen, weshalb insbesondere Unklarheiten entsprechend § 305c Abs. 2 BGB zulasten der Gesellschaft gehen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 O 980/15 2015-10-02 Urt LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 02.10.2015, Az. 1 O 980/15, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 6.348,00 € festgesetzt.

Gründe

II. Die – zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte – Berufung ist begründet und führt zur Abänderung des angegriffenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Ausschüttungen nicht zu, insbesondere nicht in Form eines Darlehensrückzahlungsanspruchs nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB. Entgegen der Ansicht des Landgerichts enthält der streitgegenständliche Gesellschaftsvertrag keine hinreichend deutliche Vereinbarung, dass die nicht durch Gewinne gedeckten Auszahlungen als Darlehen gewährt werden.
1. Die Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft können vereinbaren, dass an die Kommanditisten nicht nur – entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 169 Abs. 1 Satz 2 HGB – ihnen zukommende Gewinnanteile ausbezahlt werden, sondern unabhängig von einem erzielten Gewinn Ausschüttungen aus der überschüssigen Liquidität der Gesellschaft erfolgen (BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 – II ZR 348/14 – WM 2016, 498, juris Tz. 9 m. w. N.). Obwohl solche Ausschüttungen wegen der Minderung der geleisteten Hafteinlage zu einem Aufleben der Außenhaftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB führen können, sind sie im Innenverhältnis nur dann rückforderbar, wenn sich ein Rückforderungsanspruch aus einem besonderen Rechtsgrund, insbesondere aus einer entsprechenden vertraglichen Abrede, ergibt (BGH a. a. O. juris Tz. 10 f.).
2. Der Gesellschaftsvertrag kommt als Grundlage einer solchen vertraglichen Abrede dann in Betracht, wenn sich aus diesem hinreichend klar und unmissverständlich ergibt, dass die ausgeschütteten Liquiditätsüberschüsse den Kommanditisten als Darlehen zur Verfügung gestellt worden und deswegen zurückzuzahlen sind (BGH WM 2016, 498 juris Tz. 12). Dabei ist der Gesellschaftsvertrag rein objektiv und nach den für die Auslegung von AGB geltenden Grundsätzen auszulegen, weshalb insbesondere Unklarheiten entsprechend § 305c Abs. 2 BGB zulasten der Gesellschaft gehen (BGH a. a. O. juris Tz. 13 ff.). Eine Rückzahlungspflicht besteht daher etwa dann nicht, wenn der Gesellschaftsvertrag lediglich vorsieht, dass eine Ausschüttung auf ein Darlehenskonto gebucht wird und dass bei einem Verzicht des Gesellschafters auf diese Entnahmen die Bildung einer Darlehensverbindlichkeit entfällt (BGH, Urteil vom 12. März 2013 – II ZR 73/11 – WM 2013, 1167, juris Tz. 16 ff.; BGH, Versäumnisurteil vom 1. Juli 2014 – II ZR 72/12 – juris Tz. 18 ff.). Dasselbe gilt, wenn sich aus den Regelungen im Gesellschaftsvertrag nicht hinreichend deutlich ergibt, wie die Ausschüttungen auf den Gesellschafterkonten zu verbuchen sind und die Ausschüttungen nicht im Falle aller demnach denkbaren Buchungsmöglichkeiten als Darlehen zu qualifizieren und zurückzahlbar wären (BGH WM 2016, 498, juris Tz. 16 ff.).
3. Im Streitfall kann der Anleger den Regelungen im Gesellschaftsvertrag nicht hinreichend deutlich entnehmen, unter welchen Umständen Ausschüttungen als Darlehen gewährt sein sollen.
a) Der streitgegenständliche Gesellschaftsvertrag (Anlage K1, nachfolgend: GV) enthält insofern die Regelung, dass Liquiditätsausschüttungen Darlehen an die Gesellschafter darstellen sollen, „solange Verlustsonderkonten (II) bestehen“ (§ 12 Nr. 4 Abs. 2 Satz 3 GV). In § 15 Nr. 3 werden die Gesellschafterkonten beschrieben. Dies sind nach § 15 Nr. 3a GV zunächst das feste „Kapitalkonto (I)“ sowie nach § 15 Nr. 3b Abs. 1 GV das „Ergebnissonderkonto (II)“, auf welches die Verluste gebucht werden sollen, „auch soweit diese das feste Kapitalkonto (I) übersteigen“, sowie die Gewinne. Nach § 15 Nr. 3b Abs. 2 GV sollen Liquiditätsausschüttungen „auf gesonderten unverzinslichen Darlehenskonten der Gesellschafter zu erfassen“ sein. Zu den Voraussetzungen und Modalitäten einer Rückforderung enthält der GV keine Bestimmungen.
b) Dies reicht nicht aus, um klar und unmissverständlich eine Rückzahlungspflicht hinsichtlich der Liquiditätsausschüttungen festzulegen.
1) So kann der Anleger dem Wortlaut der Bestimmung in § 12 Nr. 4 Abs. 2 Satz 3 GV nicht entnehmen, dass Liquiditätsausschüttungen in jedem Fall als Darlehen – und damit unter dem Vorbehalt der Rückforderung (vgl. BGH WM 2016, 498, juris Tz. 17) – gewährt sein sollen. Vielmehr soll eine Gewährung als Darlehen nur dann vorliegen, „solange Verlustsonderkonten (II) bestehen“. Was diese „Verlustsonderkonten (II)“ sein sollen und unter welchen Umständen diese „bestehen“ können, wird aus der Sicht eines verständigen Publikumspersonengesellschafters weder aus Wortlaut noch aus Zusammenhang und Zweck der Bestimmungen (vgl. BGH WM 2016, 498, juris Tz. 12) hinreichend deutlich.
So enthält der GV keine Bestimmung, die erklärt, was „Verlustsonderkonten (II)“ sein sollen und unter welchen Umständen solche „bestehen“ oder geführt werden. Selbst wenn der Anleger – etwa aus dem Zusatz „(II)“ und den Bestimmungen zur Verbuchung von Verlusten – erkennt, dass es sich dabei um die in § 15 Nr. 3b Abs. 1 GV genannten „Ergebnissonderkonten (II)“ handeln soll, bleibt unklar, unter welchen Umständen diese als „Verlustsonderkonten“ anzusehen sein sollen. Eine solche Bezeichnung ist sowohl unter der Voraussetzung denkbar, dass der Saldo des Kontos negativ ist, aber auch unter der Voraussetzung, dass auf den Konten überhaupt Verluste gebucht sind, oder unter der Voraussetzung, dass dort Verluste gebucht sind, die sich in einer bestimmten Höhe zum Stand des „Kapitalkontos (I)“ verhalten (vgl. § 15 Nr. 3b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GV).
Auch wird aus der Anknüpfung an den „Bestand“ der Verlustsonderkonten nicht klar, ob es ausreicht, dass solche Konten überhaupt von der Gesellschaft geführt werden, oder ob diese nur dann in diesem Sinne „bestehen“, wenn sie einen bestimmten Saldo ausweisen. Der Anleger kann daher auf Grundlage der Bestimmungen im GV selbst dann nicht sicher erkennen, ob er Ausschüttungen gegebenenfalls zurückzuzahlen hat, wenn er den Stand seiner Gesellschafterkonten kennt.
Diese Unklarheiten gehen entsprechend § 305c Abs. 2 BGB zulasten der Klägerin.
2) Keinen weiteren Erkenntniswert bringt insofern die Bestimmung in § 15 Nr. 3b Abs. 2 GV, dass die Ausschüttungen auf „Darlehenskonten“ zu erfassen sein sollen (BGH WM 2013, 1167, juris Tz. 16 ff.; BGH, Versäumnisurteil vom 1. Juli 2014 – II ZR 72/12 – juris Tz. 18 ff.).
3) Die beschriebene Unklarheit wird noch verstärkt durch das Fehlen jeglicher Bestimmungen zu den Voraussetzungen der Kündigung und Rückforderung etwaiger Darlehen (vgl. BGH WM 2016, 498 juris Tz. 37; BGH WM 2013, 1167, juris Tz. 16).
Sollten die Bestimmungen im GV so zu verstehen sein, dass die Ausschüttungen stets insoweit als Darlehen gewährt sein sollen, als diese nicht durch entsprechende Gewinne gedeckt sind, so würde ein Rückgriff auf die gesetzlichen Regelungen zur jederzeitigen Rückforderbarkeit binnen drei Monaten gemäß § 488 Abs. 3 BGB dem Wesen der Liquiditätsausschüttung und damit dem Willen der Gesellschafter nicht gerecht (BGH a. a. O.). Das von der Klägerin in der Berufungserwiderung angesprochene Bedürfnis, ausgeschüttete Liquidität erforderlichenfalls kurzfristig wieder zurückzuführen, bestand in den vom BGH entschiedenen Fällen in gleicher Weise, ist vom BGH aber gerade nicht als Grund für die Geltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist anerkannt worden. Daher deutet auch das Fehlen von Bestimmungen zu den Voraussetzungen der Kündigung und Rückforderung darauf hin, dass die Bestimmung über die Gewährung als Darlehen in § 12 Nr. 4 Abs. 2 Satz 3 GV enger zu verstehen sein soll, und nicht sämtliche nicht durch Gewinne gedeckten Ausschüttungen als Darlehen anzusehen sein sollen.
Dahinstehen kann daher, ob – wie vom Beklagten vertreten – eine wirksame Vereinbarung einer Rückzahlungspflicht im Gesellschaftsvertrag zwingend die Regelung der Voraussetzungen und Modalitäten der Kündigung und Rückforderung bedingt.
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus zwei Entscheidungen des OLG Hamm (Urteile vom 9. Februar 2015 – 8 U 104/14 und 8 U 103/14 – juris), die vom BGH durch Nichtzulassung der Revision gebilligt wurden.
Das OLG Hamm hatte insofern andere gesellschaftsvertragliche Bestimmungen zu beurteilen. Anders als im Streitfall war in den dort zu beurteilenden Bestimmungen bereits die Qualifikation als Darlehen – einschränkend – von der Begründung einer Außenhaltung nach § 172 Abs. 4 HGB abhängig gemacht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 9. Februar 2015 – 8 U 104/14 – juris Tz. 69 f.). Darüber hinaus enthielt der dort zu beurteilende Gesellschaftsvertrag eine Bestimmung, nach der die Rückforderung von der Liquiditätslage der Gesellschaft abhängig sein sollte (OLG Hamm a. a. O. Tz. 72).
4. Dahinstehen kann daher, ob für die Rückforderung ein Gesellschafterbeschluss erforderlich gewesen wäre (vgl. dazu OLG Hamm Urteile vom 9. Februar 2015 – 8 U 104/14 und 8 U 103/14 – juris Tz. 78 bzw. 80).
III. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
IV. Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Der Senat hat die Auslegung des Gesellschaftsvertrages unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgenommen. Eine Abweichung von den zitierten Entscheidungen des OLG Hamm (Urteile vom 9. Februar 2015 – 8 U 104/14 und 8 U 103/14) liegt nicht vor, da abweichende gesellschaftsvertragliche Regelungen zu beurteilen waren. Auch im Übrigen ist keine obergerichtliche Entscheidung bekannt, die sich zum streitgegenständlichen Gesellschaftsvertrag oder zu vergleichbaren Bestimmungen verhält.


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