Bankrecht

Aussonderungsanspruch auf Rückzahlung der Darlehenssumme aus der Ablösesumme einer treuhänderisch verwalteten Grundschuld

Aktenzeichen  24 O 19955/15

Datum:
29.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 150146
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 47

 

Leitsatz

1. Im Falle der Insolvenz des Treuhänders reicht für den Aussonderungsanspruch der Treugeber der Nachweis einer schuldrechtlichen Abrede nicht aus. Maßgeblich ist die dingliche Zuordnung des Treuguts. (Rn. 80) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Treugeber können die Aussonderung eines zur Ablösung der treuhänderisch verwalteten Grundschuld zur Masse gelangten Zahlungsbetrags nicht verlangen, wenn die Zahlung durch den Grundstückseigentümer als Leistung auf die Grundschuld und nicht auf etwaige Darlehen der Treugeber erfolgte. Denn die Grundschuld ist dinglich dem Treuhänder zuzuordnen. (Rn. 81 – 86) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Widerklage des Beklagten zu 1) sowie der Beklagten zu 3) bis 11) und die Widerklage des Beklagten zu 2) werden abgewiesen.
II. Die Beklagten zu 1) sowie zu 3) bis 11) und der Beklagte zu 2) tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf 573.538,00 € festgesetzt.

Gründe

A)
Nachdem die ursprünglich erhobene negative Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, war nunmehr über die Widerklagen zu entscheiden. Diese waren zwar zulässig, jedoch im Ergebnis unbegründet.
I.
Den Beklagten zu 1) bis 11) steht kein Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensbeträge gem. § 47 InsO zu.
a) Die Beklagten zu 1) bis 11) haben mit der Treuhänderin jeweils einen Treuhandvertrag sowie einen Darlehensvertrag mit der Insolvenzschuldnerin abgeschlossen.
b) Zwar wurde durch die Klagepartei vorgetragen, dass mit Ausnahme des Treuhandvertrages (Anlage K5) sowie des Treuhandvertrages (Anlage K8) und des Darlehensvertrags Bause (Anlage K7) der zwischen der Beklagten zu 1) und der GmbH am 05./11.08.2010 abgeschlossen wurde, keine weiteren Treuhandverhältnisse bzw. Darlehensverträge bestünden.
c) Allerdings ist es nach Sachvortrag der Klagepartei unstreitig so, dass die Geschäftsführerin der GmbH in einer Nachricht dem Kläger eine Übersicht sämtlicher Darlehensgeber zukommen ließ, woraus sich ergibt, dass die hiesigen Beklagten zu 1) bis einschließlich 11) bzw. im Fall der Beklagten zu 9) ihr Rechtsvorgänger, angabegemäß Darlehen in der dort jeweils ausgewiesenen Höhe an die GmbH ausgereicht haben.
d) Im übrigen hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung für sämtliche Beklagten Dokumente vorgelegt die als „Darlehensvertrag zum I“ betitelt wurden. Eine Unterzeichnung des Vertragspartners, fehlt zum Teil. Allerdings geht das Gericht aufgrund der Tatsache, dass sämtlichen Beklagten jeweilige Vertragsdokumente übermittelt wurden und diese anschließend entsprechende Einlagen tätigen, sowie aufgrund der vorgenannten Umstände davon aus, dass entsprechende Darlehensverträge abgeschlossen wurden. Jedenfalls hat die Kammer aufgrund des Umstandes, dass sich die Beklagten tatsächlich in der von ihn geforderten Höhe mit einer Einlage an dem Investment betätigten, keine vernünftigen Zweifel daran, dass es aufgrund der vorgelegten Dokumente tatsächlich zu einem Vertragsschluss mit der Insolvenzschuldnerin gekommen ist. Die Darlehen ergeben nominal einen Gesamtbetrag von 500.000,00 € und entsprechen dem Betrag, der von den hiesigen Widerklägern als Hauptsachebetrag mit der Widerklage geltend gemacht wird. Im Übrigen ist die Liste der Darlehensgeber, welche die Klagepartei als Anlage K10 vorlegt, personenidentisch mit den Beklagten zu 1) bis 11).
Die Kammer hat daher im Wege freier richterlicher Überzeugung keine vernünftigen Zweifel daran, dass von den jeweiligen Beklagten zu 1) bis 11) Darlehensbeträge valutiert worden sind und entsprechende Vergleichsschlüsse zwischen den einzelnen Beklagten und der GmbH getätigt wurden sowie des Weiteren, dass Treuhandverträge mit der Insolvenzschuldnerin existieren, welche über die Anlagen K5 und K8 hinausgehen (§ 286 ZPO). An der Aktivlegitimation der Beklagten und Widerkläger bestehen daher keine vernünftigen Zweifel.
2. Die Beklagten und Widerkläger haben jedoch keinen Anspruch auf Aussonderung der im Einzelnen in den Klageanträgen dargestellten Darlehensbeträge, da die Voraussetzungen des § 47 InsO nicht vorliegen.
a) Wer aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, hat einen Anspruch auf Aussonderung der Gegenstände.
b) Gegenstände die Kraft dinglicher Surrogation an die Stelle eines ursprünglichen Aussonderungsgegenstands getreten sind, sind ihrerseits wieder aussonderungsfähig. Aus der Insolvenzmasse sind körperliche und unkörperliche Gegenstände, die nicht dem Insolvenzschuldner gehören sondern aufgrund eines persönlichen Rechts auf Herausgabe oder dinglichen Rechts einem Dritten zustehen, auszusondern, sobald auch die übrigen Voraussetzungen des § 47 InsO erfüllt sind. Hierzu reicht der Nachweis einer schuldrechtlichen Abrede in Form einer Treuhandabrede der Beklagten zu 1) bis 11) nicht aus. Denn im Treuhandverhältnis verhält es sich so, dass der Treugeber den Treuhänder zur Ausübung im Außenverhältnis einen Vermögensgegenstand überträgt. Im Außenverhältnis ist der Treuhänder Gläubiger und handelt im eigenen Namen. Im Übrigen beruhen die Rechtsverhältnisse zwischen einem Treuhänder und einem Treugeber auf einem Auftrag oder einem Geschäftsbesorgungsvertrag. Hat sich zum Beispiel der Geschäftsbesorger im Auftrag des Geschäftsbesorgungsvertrages von Dritten Geldbeträge, die letztendlich dem Auftraggeber zustehen sollen, auf sein Bankkonto überweisen lassen, so steht die Forderung aus der Gutschrift zunächst rechtlich und wirtschaftlich allein dem Geschäftsbesorger zu. Auch wenn der Auftraggeber möglicherweise die Herausgabe dieser erhaltenen Zahlung verlangen kann, begründet ein solcher schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch noch kein Aussonderungsrecht. Vielmehr ist jeweils die dingliche Zuordnung des Treugutes maßgeblich.
c) Nach dem Unmittelbarkeitsgrundsatz besteht ein Anspruch auf Aussonderung nur dann, wenn nach dinglichen Gesichtspunkten feststeht, dass der umstrittene Gegenstand zum Vermögen des Treugebers zählt.
d) Damit besteht die Treuhand aus zwei Komponenten, einer schuldrechtlichen und einer quasi dinglichen, welche zusammengehören. Für die schuldrechtliche Seite steht die Treuhandabrede, die besagt, dass ein bestimmter Vermögenswert wirtschaftlich dem Vermögen des Treugebers zuzuordnen ist. Darüber hinaus muss das Treugut auch dem Vermögen des Treuhänders zugeordnet werden können.
e) Voraussetzung für einen Aussonderungsanspruch ist daher die Berücksichtigung des sog. Unmittelbarkeitsprinzips, welches vorliegend nicht gegeben ist. Denn die Zahlung des Notars …| erfolgte, nachdem der Kläger am 31.07.2015 in grundbuchrechtlicher Form eine Löschungsbewilligung – bezogen – auf die auf seinen Namen lautende Grundschulderteilt hat. Infolge der Erteilung der Löschungsbewilligung wurde ein Ablösebetrag in Höhe von 573.538,00 € auf das Insolvenzkonto eingezahlt.
f) Unzutreffend ist insbesondere die Annahme der Beklagten und Widerkläger, dass in der streitgegenständlichen Überweisung des Notars …| vom 10.08.2015 zugleich eine Darlehensrückführung im Hinblick auf die beklagtenseits benannten Darlehensverträge läge. Die Zahlung erfolgte durch die Grundstückseigentümerin. Eigentümerin der streitgegenständlichen Grundstücke war die aus Die Grundstückseigentümerin war aber nicht zugleich auch die Darlehensnehmerin, diese war die …B GmbH.
Die Grundstückseigentümerin hatte aber die streitgegenständliche Grundschuld bestellt. Da sie nicht zugleich die Darlehensnehmerin war, war sie Drittsicherungsgeber. Wird in solch einer Situation ein belastetes Grundstück veräußert, ist im Verhältnis zum Grundstücksgläubiger, hier also im Verhältnis zum Kläger, Zahlender der Ablösezahlung im Sinne von § 366 Abs. 1 BGB weder der Darlehensnehmer noch der Käufer, sondern der Eigentümer des verkauften Grundstücks. Denn es erfolgt die Ablösezahlung insoweit als Leistung auf die Grundschuld und nicht auf das Darlehen (Schimansky/Bunte/Lwowski/Epp, Bankrechts-Handbuch, 4. Auflage 2011, § 94, Rn 450). Die Ablösezahlung von der Grundstückseigentümerin an den Kläger zur Ablöse der auf dem Grundstück lastenden Grundschuld erfolgte somit nicht, um etwaige Darlehensansprüche der Beklagten zu befriedigen.
g) Die Zahlung aufgrund Überweisung des Notars … vom 10.08.2015 war nicht eine Zahlung der Anleger, mithin nicht der Widerkläger, sondern eine Zahlung der Grundstückseigentümerin zur Ablösung des Grundpfandrechts, welches zugunsten der Insolvenzschuldnerin bestellt war. Insofern muss nach dem vorstehend dargelegten Unmittelbarkeitsprinzip berücksichtigt werden, dass eine Aussonderungsbefugnis ausscheidet, wenn die sich auf den jeweiligen Treuhandkonten befindlichen Geldbeträge nicht von den Treugebern stammen, und von diesen auch nicht direkt eingezahlt worden sind. Bezug genommen wird insofern auf das vom Beklagten zu 2) zitierte Urteil des BGH vom 10.02.2011, Az. IX ZR 49/10, welches in einem vergleichbaren Fall hinsichtlich sog. Broker-Konten das Recht der Aussonderung ablehnte, weil die auf ihm befindlichen Guthaben weder unmittelbar von den Anlegern stammten, noch auf Forderungen der Anleger direkt eingezahlt worden waren. So verhält es sich hier, da die Ablösezahlung von der Grundstückseigentümerin zur Ablöse der Grundschuld erfolgt war und mit den Darlehensverträgen nichts zu tun hatte. Bei dem eingegangenen Geldbetrag handelte es sich um ein Surrogat, welches anstelle der Löschung im Grundbuch eingegangen ist. An diesem Surrogat aber steht den Beklagten und Widerklägern kein Aussonderungsrecht zu (Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 1, 2. Auflage, Rn 31 zu § 47) im Falle sämtlicher Beklagter, einschließlich des Beklagten zu 2). Der Kläger hatte die Löschungsbewilligung nur unter der treuhänderischen Auflage an den beurkundenden Notar gereicht, dass für die betroffene Grundschuld eine Ablösezahlung auf das vom Kläger eingereichte Insolvenzkonto erfolgt. Die Überweisung erfolgte also zu Ablösung der Grundschuld in Erfüllung des vom Kläger dem beurkundenden Notar mit Schreiben vom 03.08.2015 erteilten Treuhandauftrags (Anlage K16). Mithin fehlt es im Falle sämtlicher Beklagter und zugleich Widerkläger einschließlich des Beklagten zu 2) am Unmittelbarkeitserfordernis im Hinblick auf die hier begehrte Aussonderung. Daher waren beide Widerklagen im Ergebnis als unbegründet abzuweisen.
Die Kammer sah auch keine Veranlassung, den Antrag der Klagepartei auf Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 ZPO vom 02.03.2017 (Blatt 179 d. A.) stattzugeben. Denn die Ausführungen des Beklagten zu 2) in dem Schriftsatz vom 15.02.2017 enthielten im wesentlichen rechtliche Ausführungen zu der Frage des Bestehens eines Ersatzaussonderungsrechts im Hinblick auf die Anlegergelder. Diese Rechtsfragen bilden keinen Grund zur Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung, abgesehen davon, dass der Schriftsatz vom 15.02.2017 keine wesentlichen und entscheidungserheblichen neuen Sachvortrag enthielt. Die Kammer hat den dortigen Sachvortrag nicht zu ihrer Entscheidungsgrundlage gemacht, sodass auch keine Veranlassung zur Wiedereröffnung bestand.
B)
I.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 91a Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der negativen Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten den Beklagten zu 1) bis 11) gesamtschuldnerisch aufzuerlegen. Denn hier war unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen davon auszugehen, dass die Klagepartei mit ihrer Feststellungsklage obsiegt hätte. Das mit der ursprünglich eingereichten Klage verfolgte Ziel der Klägerin festzustellen zu lassen, dass den Beklagten zu 1) bis einschließlich 11) kein Aussonderungsrecht an den 537.538,00 € zusteht war im Ergebnis begründet. Insofern wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in der Widerklage verwiesen.
II.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 ZPO.
III.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.


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