Bankrecht

Bankenhaftung: Zurechenbarkeit des als Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft erlangten Wissens des Prokuristen einer Bank; Entbindung des Aufsichtsratsmitglieds von der Schweigepflicht; Befugnis der Hauptversammlung zur Entscheidung über die Offenbarung vertraulicher Angaben und Geheimnisse

Aktenzeichen  XI ZR 110/15

Datum:
26.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2016:260416UXIZR110.15.0
Normen:
§ 166 BGB
§ 241 Abs 2 BGB
§ 280 Abs 1 BGB
§ 93 Abs 1 S 3 AktG
§ 116 S 1 AktG
Spruchkörper:
11. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend OLG München, 24. Februar 2015, Az: 5 U 1448/14, Urteilvorgehend LG München I, 20. Februar 2014, Az: 3 O 5507/13

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Februar 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 20. Februar 2014 wird, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, insgesamt zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung durch Mitarbeiter der inzwischen insolventen A   AG.
2
Die Klägerin beantragte am 8. November 2005 über das Wertpapierhandelshaus D   AG, der Rechtsvorgängerin der A   AG (nachfolgend einheitlich: A AG), bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einer Direktbank (nachfolgend: Beklagte), die während des Revisionsverfahrens auf die Beklagte verschmolzen worden ist, die Eröffnung eines “Depotkontos unter Einschluss eines Finanzdienstleisters” (sog. Zins-Plus-Konto). Am selben Tag unterzeichnete die Klägerin eine Transaktionsvollmacht zugunsten der A AG. Bei dem Zins-Plus-Konto handelte es sich um ein Tagesgeldkonto mit einer über dem jeweiligen Marktzins liegenden jährlichen Verzinsung der Einlage, das zwingend mit einem Depotvertrag zur etwaigen Einbuchung von Wertpapieren verbunden war. Zwischen der A AG und der Beklagten war vereinbart, dass in ihrem Verhältnis die Beklagte lediglich den Marktzins zu zahlen hatte und die A AG die Differenz zu dem an die Kunden zu zahlenden Zins an die Beklagte zahlen musste. Im Kontoeröffnungsantrag vom 8. November 2005 heißt es auszugsweise:
“V. Ausschluß der Anlageberatung
Die … bank   erfüllt lediglich ihre gesetzlichen Aufklärungs- und Erkundigungspflichten und führt Aufträge aus. Die … bank   spricht weder Empfehlungen für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren aus noch bietet die Bank Beratungsleistungen.”
3
In der der A AG eingeräumten Transaktionsvollmacht vom gleichen Tag heißt es weiter:
“1. Ausschluss der Anlageberatung durch die … bank; keine Prüfung von Transaktionen des/der Bevollmächtigten
Im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung erfüllt die … bank   lediglich ihre gesetzlichen Aufklärungs- und Erkundigungspflichten und führt Aufträge aus. Die … bank   gibt weder Empfehlungen für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren noch bietet sie Beratungsleistungen. Auf Beratungsleistungen und Anlageentscheidungen des/der Bevollmächtigte/n hat die … bank keinen Einfluss; die im Rahmen der Rechtsbeziehung Kunde-Bevollmächtigte/r gemachten Angaben und Vorgaben kennt die … regelmäßig nicht. Die … bank kontrolliert daher nicht die Einhaltung von Anlagevorgaben des/der Kunden gegenüber dem/der Bevollmächtigten. Die … bank   ist an Anlageentscheidungen und Vermögensdispositionen nicht beteiligt; sie kann die Einhaltung von Vereinbarungen zur Art und Weise der Vermögensanlage nicht überprüfen.

3. Rechtsstellung des/der Bevollmächtigten
Der/die Bevollmächtigte ist nicht zur Abgabe von Erklärungen im Namen der …  bank berechtigt, er/sie wird nicht im Auftrag der …  bank tätig.”
4
In der Zeit vom 3. Februar 2006 bis zum 28. September 2007 erwarb die Klägerin jeweils nach telefonischer Beratung durch einen Mitarbeiter der A AG Wertpapiere für insgesamt 42.270,45 €, u.a. Inhaber-Genussscheine der S   AG am 28. September 2007 zum Nominalwert von 10.000 € zum Preis von 10.409,51 €. Aus diesen Wertpapieren erhielt die Klägerin 1.398,88 € an Ausschüttungen.
5
Nach zwischenzeitlichem Verkauf eines Teils der Wertpapiere für 15.447,66 € verlangt die Klägerin unter Anrechnung von Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 2.797,76 € im Wege des Schadensersatzes zuletzt noch Zahlung von 24.025,03 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der noch vorhandenen Wertpapiere, die Zahlung entgangener Anlagezinsen in Höhe von 6.531,45 € nebst Zinsen sowie die Feststellung des Annahmeverzugs. Hierbei beruft sie sich auf Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen der A AG, für die die Beklagte ihrer Ansicht nach aus verschiedenen Rechtsgründen einzustehen habe.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 9.010,63 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübertragung der Inhaber-Genussscheine der S   AG verurteilt, den diesbezüglichen Annahmeverzug der Beklagten festgestellt und die Berufung, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, im Übrigen zurückgewiesen.
7
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.


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