Bankrecht

Bestimmung der Höhe der Beteiligung zu dem nach § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG maßgebenden Stichtag

Aktenzeichen  7 K 2605/17

Datum:
11.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2020, 476
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
KStG § 8b Abs. 4
BGB § 323 Abs. 2,§ 398,§ 413
AO § 39
FWU AG § 5
AktG § 133 Abs. 1
FGO § 135 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Bescheid über Körperschaftsteuer für 2014 vom 24. Mai 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. September 2017 wird dahingehend geändert, dass Bezüge in Höhe von … € bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben und 5% der Bezüge als Ausgaben berücksichtigt werden, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen.
2. Die Berechnung der steuerlichen Auswirkungen wird dem Beklagten übertragen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Klägerin ist eine GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist … Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin ist A.
Die Klägerin schloss am 16. Dezember 2013 einen Kauf- und Übertragungsvertrag mit B (Verkäufer) über 50 Stückaktien an der Gesellschaft C-AG (§ 1 Abs. 1 des Kauf- und Übertragungsvertrages). Die Aktien waren nicht verbrieft (vgl. Präambel des Vertrages). Der Kaufpreis betrug insgesamt … € und war am 16. Dezember 2013 fällig (§ 2 Abs. 1 des Vertrages). Er war auf ein Konto des Verkäufers zu überweisen (vgl. § 2 Abs. 2 des Vertrages). Der Verkäufer trat nach § 3 Abs. 1 des Vertrages “unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises sämtliche Mitgliedschaftsrechte aus den in § 1 Abs. 1 verkauften Aktien nach §§ 413, 398 BGB an den dies hiermit annehmenden Käufer ab“. Des Weiteren wurde geregelt, dass der auf die verkauften Aktien entfallende Gewinn des laufenden Geschäftsjahres sowie ein etwaiger nicht unter die Aktionäre verteilter anteiliger Gewinn früherer Geschäftsjahre allein dem Käufer (der Klägerin) zusteht (§ 1 Abs. 2 des Vertrages).
Die Vertragsparteien waren bei Vertragsschluss beide Aktionäre der C-AG, wobei der Verkäufer Hauptaktionär war. Das Grundkapital der C-AG betrug … Euro und war in 47.060 Stückaktien eingeteilt. Es handelte sich um Namensaktien, die nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragbar waren (vgl. § 5 der Satzung der C-AG). Der Vorstand der C-AG erteilte am 19. Dezember 2013 die Zustimmung zur Übertragung der Aktien auf die Klägerin (vgl. § 4 und Anlage 1 des Vertrages). Vor dem Erwerb der Aktien hielt die Klägerin 4.658 Stückaktien (Beteiligung an der C-AG: 9,898%). Nach Erwerb der 50 Stückaktien hielt sie 4.708 Aktien (Beteiligung: 10,00425%). Der Verkäufer hielt vor Abschluss des Kauf- und Übertragungsvertrages vom 16. Dezember 2013 40.049 Stückaktien der C-AG (Beteiligung von 85,1%). Nach Übertragung der Stückaktien auf die Klägerin hielt er 39.999 Stückaktien und war mit 85% an der C-AG beteiligt.
Die Klägerin nahm am 16. Dezember 2013 die Überweisung des Kaufpreises vor. Diese schlug jedoch fehl, da sie in die falsche Richtung erfolgte (Gutschrift auf dem Konto der Klägerin statt Belastung). Auf den vorliegenden Kontoauszug wird Bezug genommen. Die korrekte Überweisung an den Verkäufer erfolgte erst nach dem 1. Januar 2014.
Die Klägerin bezog im Streitjahr Kapitalerträge (Dividenden) aus der Beteiligung an der C-AG. Nach den vorliegenden Steuerbescheinigungen der C-AG wurden im Jahr 2014 lt. Beschlüssen vom 22. Januar 2014 und vom 8. Dezember 2014 Kapitalerträge in Höhe von … € für den Zeitraum 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012 und … € für den Zeitraum 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013 an die Klägerin ausgeschüttet. Die Klägerin erklärte die Kapitalerträge in Höhe von insgesamt … € in der Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr als steuerfreien Bezug nach § 8b Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG). Nicht abziehbare Ausgaben von 5% nach § 8b Abs. 5 KStG wurden in Höhe von … € erklärt.
Der Beklagte (das Finanzamt) folgte dem nicht und berücksichtigte die Kapitalerträge in voller Höhe bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin. Zur Begründung führte es an, dass die Beteiligung der Klägerin an der C-AG zu Beginn des Kalenderjahres 2014 weniger als 10% betragen habe. Nach § 8b Abs. 4 KStG seien die Kapitalerträge bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen. Der Körperschaftsteuerbescheid für 2014 erging am 24. Mai 2016.
Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 15. September 2017). Das Finanzamt hielt an seiner Auffassung fest, dass die Beteiligung der Klägerin an der C-AG zu Beginn des Kalenderjahres 2014 weniger als 10% des Grundkapitals betragen habe. Es gelte ein strenges Stichtagsprinzip. Maßgebend sei das zivilrechtliche Eigentum. Ansonsten werde missbräuchlichen Gestaltungen Tür und Tor geöffnet, wenn z.B. der Steuerpflichtige abweichend von der zivilrechtlichen Rechtslage durch vertragliche Bestimmungen selbst auf seine Beteiligungsquote zum maßgeblichen Stichtag Einfluss nehmen könnte. Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums sei daher nicht entscheidungserheblich. Daher könne im Streitfall dahingestellt bleiben, wann das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien auf die Klägerin übergegangen ist. Aufgrund der Kaufpreiszahlung im Jahr 2014 sei das zivilrechtliche Eigentum nicht mehr im Jahr 2013 übergegangen, sodass die Beteiligung der Klägerin weniger als 10% betragen habe und die Dividenden in voller Höhe bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen seien.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin verweist auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach im Rahmen des § 8b KStG auf den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums abzustellen sei. Auch für die Beteiligungsgrenze von 10% des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG sei nicht der Übergang des zivilrechtlichen Eigentums, sondern die Verschaffung des wirtschaftlichen Eigentums maßgeblich.
Sie habe bereits mit Abschluss des Kauf- und Übertragungsvertrages am 16. Dezember 2013 ein Anwartschaftsrecht an sämtlichen Mitgliedschaftsrechten aus den verkauften Aktien erlangt. Mit Abschluss des Vertrages habe sie als Käuferin im Hinblick auf den Erwerb der Aktien eine rechtlich geschützte Position erlangt, die ihr gegen ihren Willen nicht mehr entzogen werden konnte. Ihre Erwerbsposition sei zu diesem Zeitpunkt so gefestigt gewesen, dass der Verkäufer den Erwerb der Aktien nicht mehr einseitig habe verhindern können. Der Eintritt der aufschiebenden Bedingung sei nur noch von der Zahlung des Kaufpreises abhängig gewesen.
Das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien sei bereits mit Abschluss des Kauf- und Übertragungsvertrages übergegangen. In § 1 Abs. 2 des Vertrages sei vereinbart worden, dass der auf die verkauften Aktien entfallende Gewinn des laufenden Geschäftsjahres – d.h. des Geschäftsjahres 2013 – sowie ein etwaiger nicht unter den Aktionären verteilter Gewinn früherer Geschäftsjahre allein der Klägerin zusteht. Damit sei zum Ausdruck gebracht worden, dass der mit den Aktien verbundene Anspruch auf Gewinnauszahlungen und damit das Recht zur Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg der C-AG ausschließlich der Klägerin zustehen sollte. Anders als die dingliche Abtretung der Aktien, sei die Übertragung der Ansprüche auf den Gewinn aus dem Geschäftsjahr 2013 und den früheren Geschäftsjahren mit sofortiger Wirkung zum 16. Dezember 2013 erfolgt. Dies dokumentiere den Willen der Parteien, dass die Aktien der Klägerin wirtschaftlich zum 16. Dezember 2013 zugeordnet sein sollten.
Für eine Regelung bezüglich der Ausübung von Stimmrechten habe aus Sicht der Parteien keine Notwendigkeit bestanden, da sie sich einig gewesen seien, dass die Aktien auch mit dinglicher Wirkung noch im Dezember 2013 auf die Klägerin übergehen sollten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über Körperschaftsteuer für 2014 vom 24. Mai 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. September 2017 dahingehend zu ändern, dass Bezüge in Höhe von … € bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben und 5% der Bezüge als Ausgaben berücksichtigt werden, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bringt ergänzend vor, dass nach dem Gesamtbild auch das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien nicht im Jahr 2013 auf die Klägerin übergegangen sei. Sie habe keine rechtlich geschützte, nicht entziehbare Position erworben und aufgrund des nicht vorhandenen Stimmrechts keine Möglichkeit zur effektiven Durchsetzung ihrer Rechte gehabt.
Aus der Regelung des § 1 Abs. 2 des Kaufvertrages – wonach der Klägerin der auf die Aktien entfallende Gewinn des laufenden Geschäftsjahres sowie etwaige nicht verteilte Gewinne früherer Geschäftsjahre zustehen – lasse sich nicht ohne weiteres ableiten, dass das wirtschaftliche Eigentum bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses übergegangen sei. Ein Anwartschaftsrecht der Klägerin sei durch die fehlerhafte Kaufpreiszahlung und damit durch die Nichterfüllung der Bedingung nach § 3 Abs. 1 des Kaufvertrags erloschen, da ein wesentlicher Punkt der zum Erwerb der Aktienanteile erforderlichen rechtlichen Teilakte nicht vollzogen worden sei. Hinsichtlich des Stimmrechts sehe der Vertrag keine Regelung vor, so dass es nicht auf die Klägerin übergegangen sei.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegten Akten und Unterlagen, sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
II.
Die Klage ist begründet. Das Finanzamt hat zu Unrecht die Anwendung der Steuerbefreiung für die Kapitalerträge aus der Beteiligung an der C-AG versagt.
1. Nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bleiben Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes bei der Ermittlung des Einkommens außer Betracht. Von den Bezügen im Sinne des Absatzes 1, die bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben, gelten 5 Prozent als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen (§ 8b Abs. 5 Satz 1 KStG). § 3 c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ist nicht anzuwenden (§ 8b Abs. 5 Satz 2 KStG). Nach § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG sind Bezüge im Sinne des Absatzes 1 abweichend von Absatz 1 Satz 1 bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 Prozent des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Für die Ausnahme des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG gilt das strenge Stichtagsprinzip. Spätere Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse sind prinzipiell unbeachtlich (Gosch, Körperschaftsteuergesetz, 3. Auflage, § 8b Rz. 288d).
2. Für die Bestimmung der Höhe der Beteiligung zu dem gemäß § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG maßgebenden Stichtag ist entscheidend, wem die betreffenden Anteile an einer Kapitalgesellschaft zuzurechnen sind.
a) § 39 Abgabenordnung (AO) regelt, nach welchen Kriterien ein Wirtschaftsgut einem Besteuerungssubjekt steuerlich zuzurechnen ist. Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter dem (zivilrechtlichen) Eigentümer zuzurechnen. Abweichend hiervon regelt § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO die Zuordnung des Wirtschaftsguts aufgrund wirtschaftlichen Eigentums.
b) Die Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO dadurch gekennzeichnet, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Unter diesen Voraussetzungen können auch Rechte, also auch Kapitalgesellschaftsanteile, Gegenstand des wirtschaftlichen Eigentums sein. Nach ständiger Rechtsprechung geht das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil auf einen Erwerber über, wenn dieser
(1) aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und
(2) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie
(3) das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.
(vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 2006 VIII R 32/04, BStBl II 2007, 296 m.w.N.; BFH-Urteil vom 22. Juli 1988 IX R 74/06, BStBl II 2009, 124 zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Aktien).
Bei Prüfung dieser Merkmale ist zu berücksichtigen, dass der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen ist. Eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts kann deshalb auch anzunehmen sein, wenn die vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind. Zu berücksichtigen ist ferner, dass es für die Besteuerung nicht auf die äußere Rechtsform, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt. Demgemäß ist auch bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend (BFH-Urteile vom 11. Juli 2006 VIII R 32/04, BStBl II 2007, 296 und vom 15. Februar 2001 III R 130/95, BFH/NV 2001, 1041 m.w.N.).
c) Diese Grundsätze sind auch für die Bestimmung der Höhe der Beteiligung i.S. des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG heranzuziehen. Auch für diese Bestimmung ist das wirtschaftliche Eigentum maßgebend (Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 8b Rz. 258). Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 8b Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 KStG auf diejenige Beteiligung abhebt, die zu den Bezügen i.S. des § 8b Abs. 1 KStG führt (vgl. Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/ Neumann, KStG, 1. Auflage 2015, § 8b Rz. 438). Einkünfte i.S. des § 8b Abs. 1 KStG bezieht unstreitig auch der wirtschaftliche Eigentümer von Anteilen einer Körperschaft. Das vom Finanzamt angeführte Urteil des Finanzgerichts Köln vom 9. Juni 2016 (Az.: 10 K 1128/15, EFG 2016, 1542) ist zu einem anderen Sachverhalt ergangen und nicht auf den Streitfall übertragbar.
3. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Streitfall war die Klägerin Anfang des Kalenderjahres 2014 wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien, die Gegenstand des Kauf- und Übertragungsvertrages vom 16. Dezember 2013 waren.
a) Unstreitig war das zivilrechtliche Eigentum an den Aktien zu Beginn des Kalenderjahres 2014 noch nicht auf die Klägerin übergegangen. Nach § 3 Abs. 1 des Kauf- und Übertragungsvertrages erfolgte die Abtretung der Mitgliedschaftsrechte nach §§ 413, 398 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises (§ 158 Abs. 1 BGB). Da die Kaufpreiszahlung tatsächlich erst nach dem 1. Januar 2014 erfolgte, war die dingliche Rechtsänderung – Erwerb des unbedingten Eigentums – zu Beginn des Kalenderjahres 2014 noch nicht eingetreten.
b) Die Klägerin hatte jedoch nach Abschluss des Kauf- und Übertragungsvertrages am 16. Dezember 2013 eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Eigentums der Aktien gerichtete Position erworben, die ihr gegen ihren Willen nicht mehr entzogen werden konnte und zum maßgeblichen Stichtag 1. Januar 2014 auch noch fortbestand.
aa) Aufgrund der aufschiebend bedingten Übertragung der Mitgliedschaftsrechte erwarb die Klägerin zivilrechtlich ein Anwartschaftsrecht auf endgültigen Rechtserwerb (vgl. hierzu Armbrüster in Erman, BGB, 15. Auflage 2017, § 158 Ziff. 3). Dabei konnten die (nicht verbrieften) Mitgliedschaftsrechte gemäß §§ 398, 413 BGB durch formlose Abtretungsvereinbarung übertragen werden. Zum Übergang des vollen Eigentumsrechts, bedurfte es keiner weiteren Übertragungshandlung mehr. Die in § 68 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG) zulässige Übertragung von Namensaktien durch Indossament ist nur fakultativ vorgesehen und kam im Streitfall mangels Verbriefung der Aktien ohnehin nicht in Betracht (vgl. hierzu BGH-Urteil vom 20. September 2004 ZR 288/02, DB 2004, 2415).
bb) Während des Schwebezustandes bis zum Eintritt der Bedingung (Kaufpreiszahlung) hatte die Klägerin als bedingt Berechtigte eine gesicherte Rechtsposition (vgl. hierzu Armbrüster in Erman, BGB, 15. Auflage 2017, § 158 Ziff. 3; BFH-Urteil vom 10. März 1988 IV R 226/85, BStBl II 1988, 832). Der Veräußerer konnte während der Schwebezeit Dritten das Eigentum an den Aktien bzw. der Mitgliedschaft nicht mehr verschaffen. Nach § 161 Abs. 1 BGB wäre jede Verfügung des Veräußerers nach Abschluss des Kauf- und Übertragungsvertrages unwirksam gewesen. Zwar finden nach § 161 Abs. 3 BGB die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, entsprechende Anwendung. Ein gutgläubiger Erwerb eines nicht verbrieften Mitgliedschaftsrechts vom Nichtberechtigten bzw. demjenigen, der über dieses bereits bedingt verfügt hat, ist jedoch nicht möglich.
cc) Das Anwartschaftsrecht der Klägerin ist vor dem Stichtag 1. Januar 2014 auch nicht deswegen weggefallen, weil die Klägerin den Kaufpreis bei Fälligkeit (16. Dezember 2013) nicht bezahlt hat, sondern zu einem späteren Zeitpunkt. Das Anwartschaftsrecht fällt weg, wenn feststeht, dass die vereinbarte Bedingung nicht mehr eintritt, insbesondere dann, wenn der Verkäufer vom Vertrag zurücktritt (vgl. hierzu Armbrüster in Erman, BGB, 15. Auflage 2017, § 449 Ziff. 4). Dieser Tatbestand liegt im Streitfall nicht vor. Ein Wegfall des Anwartschaftsrechts durch Rücktritt des Verkäufers vom Vertrag (§ 323 BGB) oder durch Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung des Kaufpreises (§§ 280, 281 BGB) ist nicht erfolgt. Die Parteien haben vielmehr an dem Rechtsgeschäft festgehalten. Mit Zahlung des Kaufpreises später im Jahr 2014 ist die Bedingung eingetreten und die Klägerin hat zu diesem Zeitpunkt das unbedingte zivilrechtliche Eigentum an den Aktien erworben.
dd) Allein die rechtliche Möglichkeit einer Rückabwicklung des Vertrages durch Rücktritt vom Vertrag durch den Verkäufer wegen nicht oder nicht vertragsgemäßer Leistung (Kaufpreiszahlung) führt nicht dazu, dass der Klägerin das Anwartschaftsrecht bzw. ihre gesicherte Rechtsposition gegen ihren Willen entzogen werden konnte. Denn der Gläubiger kann regelmäßig nur dann vom Vertrag zurücktreten, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung bestimmt hat (Nachfrist). Der Schuldner soll die Chance erhalten, vertragsmäßig zu erfüllen. Anhaltspunkte dafür, dass die Setzung einer Nachfrist im Streitfall entbehrlich war (§ 323 Abs. 2 BGB) bestehen nicht. Insbesondere hat die Klägerin die Leistung des Kaufpreises nicht ernsthaft oder endgültig verweigert. Sie hat glaubhaft dargelegt, dass die Kaufpreiszahlung zum Fälligkeitszeitpunkt erfolgen sollte, jedoch aufgrund der fehlgeschlagenen Buchung, die zunächst nicht bemerkt wurde, gescheitert ist. Aufgrund dieser Umstände und der Tatsache, dass der Kaufpreis später tatsächlich gezahlt wurde, ist davon auszugehen, dass die Klägerin durchgehend leistungsbereit war. Sie hätte es auch bei Setzung einer Nachfrist weiterhin in der Hand gehabt, durch Zahlung des Kaufpreises einem Rücktritt des Verkäufers zu verhindern und unbedingtes Eigentum an den Aktien zu erwerben.
ee) Schließlich stand dem Bestehen einer gesicherten Rechtsposition der Klägerin Anfang des Kalenderjahres 2014 auch nicht die Vinkulierung der veräußerten Aktien entgegen (vgl. § 68 Abs. 2 Satz 1 AktG). Denn der Vorstand der AG hatte am 19. Dezember 2013 der Übertragung der Aktien auf die Klägerin zugestimmt.
c) Das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung war bereits mit Abschluss des Kauf- und Übertragungsvertrages auf die Klägerin übergegangen, da die Parteien einen festen Kaufpreis vereinbart hatten.
d) Dagegen waren die Rechte der Mitgliedschaft an der AG nicht mit Abschluss des Kauf- und Übertragungsvertrages auf die Klägerin übergegangen.
aa) Da im Streitfall sämtliche Mitgliedschaftsrechte aufschiebend bedingt abgetreten wurden (§ 3 Abs. 1 des Kauf- und Übertragungsvertrages), waren auch die wesentlichen Verwaltungs- und Vermögensrechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) Anfang des Kalenderjahres 2014 noch nicht auf die Klägerin übergegangen. Die vertragliche Regelung des § 3 Abs. 1 steht im Einklang mit dem Abspaltungsverbot des § 8 Abs. 5 AktG. Demnach ist die Übertragung einzelner oder mehrerer Verwaltungs- und Vermögensrechte – ohne Übertragung der Mitgliedschaft als solcher – unzulässig. Unzulässig ist also z.B. die Übertragung des Gewinnbezugsrechts, nicht aber die des konkreten Gewinn- oder Dividendenanspruchs, da dieser ein Gläubigerrecht ist, das selbständig übertragen werden kann (Ziemons in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 8 Rz. 27ff m.w.N.).
bb) Jedoch war im Streitfall bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung das Gewinnbezugsrecht jedenfalls seinem wirtschaftlichen Gehalt nach bereits auf die Klägerin übergegangen. Denn nach § 1 Abs. 2 des Kauf- und Übertragungsvertrages stand der auf die Aktien entfallende Gewinn für das laufende Geschäftsjahr – somit das Jahr 2013 – ebenso wie ein etwaiger nicht unter die Aktionäre verteilter anteiliger Gewinn früherer Geschäftsjahre allein der Klägerin zu.
cc) Dagegen wurden keine vertraglichen Vereinbarungen im Hinblick auf die mit den Aktien verbundenen Verwaltungsrechte getroffen (z.B. Vereinbarungen im Innenverhältnis zwischen Verkäufer und Erwerber zur Wahrnehmung von Interessen des Erwerbers bei Ausübung des Stimmrechts). Der Klägerin standen somit zum Stichtag 1. Januar 2014 keine Stimmrechte zu.
e) Bei Würdigung des Gesamtbildes und Gewichtung der einzelnen Kriterien im Rahmen der nach der Rechtsprechung anzustellenden Gesamtbetrachtung, kommt im Streitfall dem Umstand, dass die mit den Aktien verbundenen Verwaltungsrechte zum maßgebenden Stichtag nicht auf die Klägerin übergegangen waren, bei wirtschaftlicher Betrachtung ein geringeres Gewicht zu. Aufgrund ihrer gesicherten Rechtsstellung konnte die Klägerin die mit den Aktien verbundenen Mitgliedschaftsrechte durch Kaufpreiszahlung ohne weiteres “an sich ziehen“. Den mit den erworbenen Aktien verbundenen Stimmrechten kam aufgrund der Mehrheitsverhältnisse an der C-AG auch kein wesentliches wirtschaftliches Gewicht zu, da der Verkäufer vor und nach dem Verkauf der Aktien Mehrheitsaktionär war und ihm somit ein Mehrheitsstimmrecht zukam. Er war vor Verkauf der Aktien mit 85,1% und nach Übertragung der Aktien auf die Klägerin mit 85% an der C-AG beteiligt. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse konnte die Klägerin, die bereits vor Erwerb der Aktien an der C-AG beteiligt war und somit über Mitgliedschaftsrechte verfügte, jedenfalls mit einfacher Mehrheit zu treffende Beschlüsse weder vor noch nach Erwerb der 50 Stückaktien verhindern. Nach § 14 Abs. 3 der Satzung der C-AG bestimmt sich die für eine Beschlussfassung der Hauptversammlung erforderliche Mehrheit nach den gesetzlichen Bestimmungen. Nach § 133 Abs. 1 AktG gilt für Beschlüsse der Hauptversammlung grundsätzlich der Grundsatz der einfachen Stimmenmehrheit. Durch eine Erhöhung des Anteils von 9,898 auf 10% kam der Beteiligung der Klägerin im Hinblick auf das Stimmrecht somit kein wesentlich höherer wirtschaftlicher Gehalt zu (vgl. zu einer Gewichtung: Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 39 Rz. 182 m.w.N.; Dr. Kleinheister/Dr. Schell, DStR 2010, 833; BFH-Urteil vom 11. Juli 2006 VIII R 32/04, BStBl II 2007, 296). Vor diesem Hintergrund hatte die Klägerin aufgrund ihrer gesicherten Rechtsposition bei gleichzeitiger Übertragung der Gewinnansprüche und des Übergangs des Risikos einer Wertminderung bzw. der Chance einer Wertsteigerung bereits das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien erlangt.
4. Die Übertragung der Berechnung der steuerlichen Auswirkungen auf das Finanzamt erfolgt nach § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 711 Zivilprozessordnung.
6. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben