Bankrecht

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Aktenzeichen  52 O 2784/20

Datum:
28.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53843
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 15.06.2020 ausgesprochene Kündigung des Pauschalpreisvertrages vom 6./10.02.2020 ihrer Rechtsnatur nach eine berechtigte Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 648 a BGB ist.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Klage Antrag 1) und Widerklage sind zulässig, der Klageantrag 2) ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
Dem Einwand der Klägerin, die Widerklage sei in der gestellten Form unzulässig, da mit der zur Entscheidung gestellten abstrakten Rechtsfrage ein zulässiger Streitgegenstand nicht vorliege, kann nicht gefolgt werden. Insoweit ist das Argument der Beklagten zutreffend, wonach die vorliegende Antragstellung dann zulässig ist, wenn – wie vorliegend – sich hieraus in Bezug auf das Rechtsverhältnis eine eindeutige Rechtsfolge ergibt (s. – in BeckOK, Vorwerk/Rolf, 41. Edition, § 256 ZPO, Rn. 3.2b). Im Übrigen steht einer möglichen Umdeutung auch nicht ein identischer Streitgegenstand entgegen. Vielmehr ist die Frage zu diskutieren ob der Klageantrag 2) nach Erhebungen der Widerklage noch zulässig ist. Die Widerklage erschöpft sich nicht in der mit der Klage begehrten Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten, sondern hat darüber hinaus noch zum Gegenstand die Frage, ob (bei vorliegender Wirksamkeit) es sich um eine Kündigung aus wichtigem Grund handelt. Somit stellt sich die Klage zu 2) als mit der Entscheidung über die Widerklage zu beantwortende Vorfrage dar, für deren gesonderte Feststellung ein Rechtsschutzbedürfnis nach deren Erhebung nicht mehr gegeben ist.
II. Die Klage ist, soweit sie nicht bereits unzulässig ist, in Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Dies folgt bereits unabhängig davon, ob der streitgegenständliche Bauvertrag als Verbrauchervertrag im Sinne von § 650 i BGB einzuordnen ist, und somit der Anspruch aus § 650 f BGB auf Stellung einer entsprechenden Sicherheit ausgeschlossen ist, aus den Umständen des Verlangens der Bürgschaft, welches sich als rechtsmissbräuchlich darstellt.
1. Zwar kann die Beklagte einen Anspruch nicht bereits aus der von der Klägerin gesetzten unangemessen kurzen Frist einschließlich Nachfrist hergeleitet werden. Hierbei ist zugrundezulegen, dass hierzu eine Mindestfrist von 7-10 Werktagen, die angesichts der üblichen Banköffnungszeiten nur von Montag bis Freitag zugrunde gelegt werden können, zu beachten ist. Ausgehend von dem zugestandenen Zugang des Schreibens am 02.05.2020 (= Samstag) – einen früheren Zugang hat die Klägerin weder behauptet, noch nachgewiesen – war eine Beantragung der Bürgschaft frühestens am 04.05.2020 möglich, sodass die zugrunde liegenden Mindestfrist jedenfalls bis zum Ablauf des 15.05.2020 gelaufen ist. Diese Mindestfrist berücksichtigt noch nicht einmal die Beeinträchtigungen der Sachbearbeitung der beauftragten Bank infolge der coronabedingten Beeinträchtigungen, wie sie seitens der Bürgin mit dem an die Klägerin weitergeleiteten Schreiben von 05.05.2020 (Anlage B8) geltend gemacht sind und nicht im Einflussbereich der Beklagten stehen. Folge hiervon ist jedoch nicht die Unwirksamkeit der gesetzten Frist, sondern das Inlaufsetzen einer angemessenen Frist, welche jedoch praktisch keine Bedeutung hat, da die Beklagte die beantragte Bürgschaft noch innerhalb der unangemessen kurzen Frist an die Klägerin vorgelegt hat. Hinzu kommt, dass die Beklagte frühest möglich die Vorlage der Bürgschaft angekündigt hat und auch das Bestätigungsschreiben der Bürgin über die Beantragung vom 05.05.2020 an die Klägerin vorgelegt hat. Auch unter diesem Aspekt ist ein früheres Verlangen der Klägerin unangemessen.
2. Inwieweit diese Bürgschaft von der Klägerin zu Recht als ungeeignet zurückgewiesen worden ist, kann letztlich ebenfalls dahingestellt bleiben.
a) Zwar trifft die Behauptung der Beklagten, sie habe eine Befristung bei der Bürgschaft nicht beantragt, so nicht zu. Ausweislich des in Anlage B 15 angehängten Antrags, 10. Zeile von unten, hat dieser die Befristung bis zum 30.09.2020 ausgewiesen, sodass die Ausstellung der Bürgschaft durch die Bürgin antragsgemäß erfolgt ist.
b) Die Klägerin hat von der Beklagten jedoch auch ausweislich des Schreibens der Klägerin vom 29.04.2020 (Anlage K3) keine unbefristete Bürgschaft verlangt. Vielmehr hat die Klägerin in diesem Schreiben allein die Höhe der zu leistenden Bürgschaft berechnet und auf die Anspruchsgrundlage § 650 f BGB verwiesen. Als gesetzliche Anforderung an eine Bauhandwerkersicherungsbürgschaft folgt aus § 239 Absatz 2 BGB lediglich, dass die Bürgschaftserklärung unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage abgegeben werden muss. Sonstige Anforderungen, insbesondere zu einer möglichen Befristung können sich allein aus der entsprechenden Anforderung oder aus den tatsächlichen Umständen ergeben.
c) Unter den gegebenen Umständen führt die enthaltene Befristung jedoch nicht zu einer Untauglichkeit des Sicherungsmittels. Maßgebend ist hierbei, ob nach den Umständen der Klägerin eine geeignete Sicherheit zur Verfügung gestellt worden ist. Abzustellen ist hierbei zunächst auf den Baubeginn, wobei der tatsächliche Baubeginn maßgeblich ist. An dem von der Beklagten vorgetragenen Baubeginn ergeben sich – unabhängig vom vertraglich anvisierten Baubeginn – hier keinerlei Zweifel, zumal die Klägerin selbst unter Anlage B6 eine WhatsApp vorliegt, welche zum 04.04.2020 bereits ein Lichtbild des begonnenen und fortgeschrittenen Kellerbaus enthält. Somit hat die Klägerin den vertraglich vereinbarten Baubeginn, welcher in Ziffer 8 des Bauvertrags gemäß Anlage K2 mit „ca. Ende Mai 2020“ ohnehin nicht konkret vereinbart ist, durch ihr eigenes Handeln dahingehend bestimmt, dass der Baubeginn entsprechend vorgelegt ist. Das Ende der Bauzeit ist an den Baubeginn geknüpft mit 8 Wochen, sodass die vertraglich vereinbarte Bauzeit jedenfalls Ende Mai 2020 bereits geendet hätte, hätte die Klägerin ihre Bauarbeiten nicht eingestellt, wobei zum Zeitpunkt der Einstellung eine Bürgschaft der Beklagten zur Sicherung der Vorleistungen der Klägerin kein Thema gewesen ist. Bis zum Ablauf der Befristung verbleibt somit ein Zeitraum von 4 Monaten, welcher ausreichend Puffer für Bauverzögerungen und das Stellen einer Schlussrechnung einschließlich Prüfung bietet. Aber selbst, wenn man diese Frist als nicht ausreichend ansehen wollte, ist auf jeden Fall zu berücksichtigen, dass die Beklagte nach Kenntnis des Schreibens vom 15.05.2020 (unter Außerachtlassung der darin bereits enthaltenen Kündigung) mit Schreiben vom 27.05.2020 (Anlage B 17) der Klägerin angeboten hat, eine unbefristete Bürgschaft unter Austausch der bereits übergebenen Bürgschaft zu stellen. Auf dieses Angebot hat die Klägerin nicht angemessen reagiert, sodass es treuwidrig ist, soweit sich die Klägerin auf die fehlende Tauglichkeit der Bürgschaft berufen möchte. Die Reaktion der Klägerin auf das Angebot der Beklagten zum Austausch der Bürgschaft in eine unbefristete Bürgschaft war vielmehr die 2. Kündigung der Klägerin vom 05.06.2020. Die Klägerin hat somit von vornherein jede Möglichkeit abgeblockt, dass die Beklagte die gewünschte unbefristete Bürgschaft vor Kündigung des Vertragsverhältnisses vorlegt, sodass unter Würdigung der Umstände der geltend gemachte Kündigungsgrund vorgeschoben und die Kündigungen rechtsmissbräuchlich sind.
3. Aber auch aufgrund der weiteren Umstände sind sowohl die Kündigung vom 15.05.2020, als auch die Kündigung vom 05.06.2020 als treuwidrig zu bewerten.
Zunächst hat die Klägerin ihre Bautätigkeit bereits weit vor Verlangen der Bürgschaft mit Schreiben vom 29.04.2020 ohne rechtlich nachvollziehbaren Grund eingestellt. Die Baueinstellung Anfang April ist trotz dessen Bestreitens der Klägerin aus einem Vergleich der Fotos aus Anlage B6 und B6a mit Datum 04./ 05.04.2020 und den Fotos gemäß Anlage K8 vom 16./19.05.2020 eindeutig nachvollziehbar. Diese Fotos weisen aus, dass ein weiterer Baufortschritt seit dem 04.04.2020 nicht vorhanden ist, während das Schreiben mit dem Bürgschaftsverlangen auf 29.04.2020, somit dreieinhalb Wochen später datiert. Das Berufen der Klägerin darauf, vertraglich sei der Baubeginn für Ende Mai 2020 vereinbart, sodass ein Verzug frühestens ab Ende Juli 2020 vorliegen könne, kann den allein von der Klägerin tatsächlich bestimmten Baubeginn nicht negieren und lässt vollständig unberücksichtigt, dass die Baueinstellung seitens der Klägerin ohne einen rechtlich nachvollziehbaren Grund erfolgt ist. Somit war die Klägerin bei ihrem Bürgschaftsverlangen selbst nicht vertragstreu, sodass das Verlangen bereits aus diesem Grund rechtsmissbräuchlich gewesen ist. Dass es der Klägerin letztlich auch nicht auf das Vorliegen einer – auch unbefristeten – Bauhandwerkersicherungshypothek angekommen ist, sondern dieses allein als Vorwand zur Beendigung des Bauvertrages benutzt wurde, folgt bereits daraus, dass die Klägerin einmal die Fristsetzung nicht moniert hat und zur Übergabe der verlangten unbefristeten Bürgschaft keine neue Frist gesetzt hat. Die neue Fristsetzung war der Klägerin aufgrund ihres eigenen Verhaltens ohne jeden Zweifel zuzumuten, da zum Zeitpunkt des Verlangens sie keinerlei Bautätigkeit entwickelte und somit mit ihrer Bauleistung nicht weiter in Vorleistung treten konnte. Stattdessen hat sie die Monierung bereits mit der Vertragskündigung vom 15.05.2020 verbunden und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie an dem Vertrag nicht festhalten wolle. Belegt wird dies dadurch weiter, dass die Klägerin auf die Ankündigung der Beklagten, eine unbefristete Bürgschaft gegen Austausch der übergebenen Bürgschaft zu stellen, lediglich in der Form reagiert hat, dass sie eine 2. Kündigung ausgesprochen hat, die unter den gleichen Voraussetzungen scheitert, wie die 1. Kündigung.
4. Aber selbst wenn man von einem zulässigen Verlangen der Bauhandwerkersicherungsbürgschaft ausgehen wollte, stellen sich die beiden von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungen auch unter weiteren Gesichtspunkten als treuwidrig dar.
a) Hierbei ist hinsichtlich der 1. Kündigung vom 15.05.2020 einmal zu berücksichtigen, dass die Beklagte keinesfalls untätig geblieben ist, wie es der Klägervortrag zum Ausdruck bringen möchte; vielmehr hat die Beklagte unverzüglich am nächstmöglichen Banktag mit ihrer Bank Kontakt aufgenommen und die Klägerin unter Vorlage der entsprechenden Schreiben auch laufend informiert. Aus objektiver Sicht bestand daher für die Klägerin nicht der geringste Anlass, davon auszugehen, dass sie eine Bürgschaft nicht erhalten würde. Des Weiteren ist zu sehen, dass zum Zeitpunkt des Verlangens der Bürgschaft die Klägerin keinerlei eigene Tätigkeit entfaltet hat, sodass das Risiko, mit einer zwischen Verlangen und Vorliegen der Bürgschaft erbrachten Vorleistung nicht vergütet zu werden, faktisch ausgeschlossen gewesen ist. Die Kündigung vom 15.05.2020 war jedenfalls auch insoweit verfrüht, als der Klägerin vor Ausspruch der Kündigung keine Gelegenheit gegeben wurde, die vorher nicht verlangte unbefristete Bürgschaft vorzulegen.
b) Auch die Kündigung vom 05.06.2020 war letztlich treuwidrig. Obwohl die Klägerin bereits mit der Kündigung vom 15.05.2020 zum Ausdruck gebracht hat, das Vertragsverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, hat die Beklagte mit Schreiben vom 27.05.2020 den Austausch der Bürgschaft angeboten. Dieses Angebot hat die Klägerin mit der Kündigung vom 05.06.2020 beantwortet, ohne dass aus objektiver Sicht ein nachvollziehbares Sicherungsinteresse der Klägerin beeinträchtigt gewesen wäre, nachdem sie ihre Bautätigkeit unstreitig immer noch nicht aufgenommen hatte. An der Zumutbarkeit, eine angemessene Frist zum Austausch der Bürgschaften zu setzen, bestehen daher auch zu diesem Zeitpunkt keinerlei Zweifel.
III. Die Widerklage ist begründet. Wirksame vorgehende Kündigungen des Vertragsverhältnisses der Klägerin liegen nicht vor. Die Klägerin hat unstreitig trotz der Aufforderung der Beklagten mit Schreiben vom 27.05.2020 die Bautätigkeit nicht wieder aufgenommen, sondern stattdessen das Vertragsverhältnis erneut gekündigt. Ein Leistungsverweigerungsrecht hat der vorleistungspflichtigen Klägerin nicht zur Seite gestanden. Zum Zeitpunkt der Baueinstellung Anfang April 2020 war keine Bauhandwerkersicherungsbürgschaft verlangt, auch ist nicht ersichtlich, dass eine berechtigt gestellte Abschlagsrechnung nicht innerhalb einer gesetzten Frist bezahlt worden wäre. Innerhalb einer nach den vorliegenden Umständen zugrundezulegenden Frist nach Monierung der Befristung der – fristgemäß (!) – vorgelegten Bürgschaft hat die Beklagte deren Ersetzung angeboten, dieses Angebot hat die Klägerin jedoch nicht angenommen und mit erneuter Kündigung beantwortet. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung ist aufgrund der unberechtigten Baueinstellung der Klägerin somit aus wichtigem Grund im Sinne von § 648 a BGB erfolgt, ohne dass es auf die weiteren Umstände, wie die behauptete Mangelhaftigkeit der Leistung der Klägerin ankommt.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.


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