Bankrecht

Ein Beratungsunternehmen hat kein einem Anwalt oder Steuerberater zustehendes Zurückbehaltungsrecht

Aktenzeichen  20 U 3317/16

Datum:
15.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2017, 102680
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 273
BRAO § 50 Abs. 3 S. 1
StBerG § 66 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Bei Buchungsunterlagen im Original, die für die Prüfung etwaiger Gegenansprüche gegen die kreditgebende Bank herangezogen worden sind, besteht in aller Regel kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB. (redaktioneller Leitsatz)
2 Auf das dem Rechtsanwalt (§ 50 Abs. 3 S. 1 BRAO) und dem Steuerberater (§ 66 Abs. 2 S. 1 StBerG) zustehende Zurückbehaltungsrecht, das – anders als § 273 BGB – eine Verwendung der Geschäftsunterlagen des Auftraggebers als Druckmittel zur Begleichung von Honoraransprüchen ermöglicht, kann sich die Beklagte als Beratungsunternehmen nicht berufen. Eine analoge Anwendung dieser nur für die genannten Berufe geltenden Spezialvorschriften scheidet aus.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

42 O 2051/15 2016-07-22 Endurteil LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 22.07.2016, Az. 42 O 2051/15, abgeändert und klarstellend neu gefasst wie folgt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, von dem am 17.12.2014 übergebenen Ordnerkonvolut, bestehend aus den vollständigen Buchhaltungsordnern der Jahre 01.01.2006 – 31.12.2013 (konkrete Beschreibung: dunkelblaue Leitz-Ordner, Größe A 4 breit, welche insbesondere alle Kontoauszüge nebst Rechnung für die vorzunehmenden Buchungen enthalten und für die einzelnen Konten und weitere Kategorien mit Registerblättern getrennt einsortiert sind; auf dem Rücken dieser Ordner ist vermerkt: „Bank, Buchungen vom … – …, Alexander A. zzgl. Adresse dieses“) an den Kläger herauszugeben:
a) die vollständigen Buchhaltungsordner der Jahre 01.01.2006 bis 31.12.2008 ohne Gegenleistung,
b) die vollständigen Buchhaltungsordner der Jahre 01.01.2009 bis 31.12.2013 Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 10.680,34 €.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 5/8, die Beklagte 3/8.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts, soweit die Berufung zurückgewiesen wurde, sind vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Angabe der tatsächlichen Verhältnisse ist nicht erforderlich, weil gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel statthaft ist (§ 540 Abs. 2, § 313 a Abs. 1, § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO).
II. Die Berufung ist nur insoweit begründet, als der Beklagten an den Buchhaltungsunterlagen der Jahre 01.01.2006 bis 31.12.2008 kein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Hinsichtlich der Buchhaltungsunterlagen für die Jahre 2009 bis 2013 kann der Kläger Herausgabe nur Zug um Zug gegen Zahlung des Honorars der Beklagten verlangen, denn insoweit liegen ihm Zweitschriften der Bankbelege vor. Für die Entscheidung kommt es auf den Schriftsatz des Klägers vom 15.02.2017 nicht an.
1. Das Landgericht hat zu Recht die Vergütungsvereinbarung als wirksam angesehen. Wie schon das Landgericht angemerkt hat, ist § 3a RVG auf die Vergütungsvereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten ohnehin nicht anwendbar, weil die Beklagte keine anwaltliche Tätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 RVG ausübt. Auf Vergütungsansprüche der E. L + C Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, für die § 3 a RVG gilt, kommt es hier nicht an.
2. Zutreffend hat das Landgericht einen fälligen Gegenanspruch der Beklagten in Höhe von 10.680,34 € bejaht. Entgegen den Ausführungen des Berufungsklägers hat das Landgericht den Honoraranspruch der Beklagten keineswegs als unstreitig angesehen. Das Landgericht ist vielmehr – wie auf Seite 8 f. der angefochtenen Entscheidung eingehend dargestellt – aufgrund des mit Schreiben vom 11.5.2015 übermittelten Tätigkeitsnachweises zu der Überzeugung gelangt, dass die darin im einzelnen beschriebenen und mit dem jeweiligen Zeitaufwand aufgelisteten Tätigkeiten von der Beklagten erbracht worden sind. Das Landgericht durfte dabei berücksichtigen, dass der Kläger konkrete Einwände nur zur Dauer der Telefonkonferenz am 15.12.2014 erhoben und sich im Übrigen darauf beschränkt hat, den Honoraranspruch der Beklagten pauschal und unsubstantiiert zu bestreiten.
3. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Anspruch des Klägers auf Herausgabe der streitgegenständlichen Unterlagen und der Honoraranspruch der Beklagten auf demselben rechtlichen Verhältnis i. S. d. § 273 BGB beruhen. Gegenstand des Auftrags war die Beratung und Begleitung des Auftraggebers mit dem Ziel, das Schuldverhältnis bei der L. Bank eG möglichst einvernehmlich zu regeln. Die streitgegenständlichen Unterlagen hat der Kläger am 16.12.2014 der Beklagten überbracht, damit diese zu Unrecht berechnete Zinsen und Überziehungszinsen ermitteln konnte (vgl. Klageschrift S. 4). Die Unterlagen wurden folglich der Beklagten aufgrund des im Mai 2014 erteilten Auftrags ausgehändigt. Sowohl der Anspruch des Klägers auf Herausgabe dieser Unterlagen als auch der Anspruch der Beklagten auf Zahlung des vereinbarten Honorars haben ihre Grundlage in dem Auftragsverhältnis gemäß Vereinbarung vom Mai 2014. Dass eine Auswertung der übergebenen Unterlagen durch die Beklagte nicht mehr erfolgt ist, ändert nichts daran, dass die gegenseitigen Ansprüche auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen.
Das Auftragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten stellt kein Dauermandat wie das eines ständigen Steuerberaters dar, der über Jahre hinweg für seinen Auftraggeber die laufende Beratung in steuerlichen Angelegenheiten, die Erledigung der Buchhaltung und die Fertigung der Bilanz wahrnimmt. Der Auftrag, den der Kläger der Beklagten erteilt hat, beschränkt sich auf die Regelung des Schuldverhältnisses bei der L. Bank eG. Dass die Beklagte im Rahmen dieses Auftrags über mehrere Monate für den Kläger tätig war, macht aus dem Auftrag kein Dauerschuldverhältnis. Selbst im Rahmen eines solchen dauernden Vertragsverhältnisses beschränkt sich das Zurückbehaltungsrecht des Auftragnehmers nicht auf die Unterlagen für die Abrechnungsjahre, für die offene Gebührenforderungen bestehen (BGH, Urteil vom 17.2.1988, NJW 1988, 2607/2608 lit. 3 d).
4. Ziffer 3 Abs. 4 der AGB, wonach der Auftragnehmer die ihm übergebenen Unterlagen sorgfältig zu verwahren, vor unbefugter Einsichtnahme zu schützen und nach Beendigung des Beratungsvertrages an den Auftraggeber zurückzugeben hat, schließt die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht aus. Wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, gibt diese Regelung nur die bestehende Rechtslage wieder.
5. Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nach § 273 BGB an den ihr überlassenen Buchhaltungsunterlagen der Jahre 2006 bis einschließlich 2008 ist jedoch ausgeschlossen aufgrund der Eigenart des Gegenstandes, der zurückgehalten werden soll.
a) Bei diesen Unterlagen handelt es sich um Buchungsunterlagen des Klägers im Original, die er für die Prüfung etwaiger Gegenansprüche gegen die kreditgebende Bank heranziehen will. An solchen Unterlagen besteht in aller Regel kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB (BGH, Urteil vom 3.7.1997, NJW 1997, 2944/2945 lit. 2a; OLG Saarbrücken, Urteil vom 3.12.2009, juris Rn. 43; Palandt/Grüneberg BGB 76. Aufl. 2017 § 273 Rn. 15). Soweit die Beklagte meint, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs beziehe sich nur auf vollstreckbare Urkunden im Original, trifft das nicht zu. Vielmehr wird ausdrücklich ausgeführt, dass nicht nur vollstreckbare Urkunden – für die das auf der Hand liege – Geschäftspapiere seien, die für die Fortführung der Geschäfte benötigt würden, sondern auch allgemeine Unterlagen (vgl. BGH a. a. O. Ziffer II. 1. a.E.). Besondere Umstände, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Das gilt insbesondere für die Mutmaßung der Beklagten, der Kläger verfüge über Kopien.
b) Auf das dem Rechtsanwalt (§ 50 Abs. 3 Satz 1 BRAO) und dem Steuerberater (§ 66 Abs. 2 Satz 1 StBerG) zustehende Zurückbehaltungsrecht, das – anders als § 273 BGB – eine Verwendung der Geschäftsunterlagen des Auftraggebers als Druckmittel zur Begleichung von Honoraransprüchen ermöglicht (vgl. BGH NJW 1997, 2944/2945), kann sich die Beklagte als Beratungsunternehmen nicht berufen. Eine analoge Anwendung dieser nur für die genannten Berufe geltenden Spezialvorschriften scheidet aus (vgl. OLG Saarbrücken a. a. O. Rn. 46 zu Inkassounternehmen). Nichts anderes gilt für Ziffer 14 Abs. 4 der Allgemeinen Mandatsbedingungen der E. L + C Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die das Zurückbehaltungsrecht des Rechtsanwalts regeln. Der Umstand, dass sowohl die Beklagte als auch die E. L + C Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Auftragnehmer des Klägers waren, führt nicht dazu, dass die Beklagte sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen kann, das nur der Rechtsanwaltsgesellschaft zusteht. Im Übrigen sind die unstreitig dem Geschäftsführer der Beklagten überbrachten Unterlagen nicht Gegenstand des Mandats der E. L + C Rechtsanwaltsgesellschaft mbH geworden, denn bereits am Tag nach Abgabe der Ordner bei der Beklagten wurde der Kläger mit e-mail vom 18.12.2014 darauf hingewiesen, dass bis zu einer einvernehmlichen Regelung oder vollständigen Ausgleich des bis dahin angefallenen Aufwands die Tätigkeit der Beklagten und der E. L + C Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ruhe.
Soweit die Beklagte – wie sie vorträgt – ihrerseits die streitgegenständlichen Unterlagen der E. L + C Rechtsanwaltsgesellschaft mbH übergeben hat, ändert das nichts daran, dass sie zur Herausgabe an den Kläger verpflichtet ist.
c) Für die Unterlagen der Jahre 2009 bis 2013 ist hingegen ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nicht ausgeschlossen, denn für diesen Zeitraum hat der Kläger – wie im Termin unstreitig gestellt – bereits Zweitschriften der Kontoauszüge über die Bank erhalten.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur die Frage, ob dem Herausgabeanspruch des Klägers ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen ihrer Honorarforderung entgegensteht. Der Streitwert entspricht deshalb dem Wert der Gegenleistung, allerdings nur in der Höhe, als sie den Wert des Klageanspruchs nicht übersteigt (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 37. Aufl. 2016 § 3 Rn. 186).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben