Bankrecht

Fristgerechte Ausübung des Widerrufsrechts bei Verbaucherdarlehensvertrag

Aktenzeichen  43 O 69/17

Datum:
11.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 159116
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 355, § 495
EGBGB Art. 247

 

Leitsatz

1. Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses unter Ausschöpfung der Widerrufsfrist auszuüben. Er ist deshalb über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren (Rn. 23). (redaktioneller Leitsatz)
2. Einzelne Bedingungen für den Widerruf können – soweit sie zu Gunsten des Verbrauchers erfolgen – wie z.B. eine Verlängerung der Widerrufsfrist wirksam im Rahmen einer Widerrufsbelehrung vereinbart werden (Rn. 36). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.553,18 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Bayreuth nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig.
II.
Die Klage ist aber unbegründet. Das streitgegenständlichen Vertragsverhältnis besteht fort, da der zwischen den Parteien abgeschlossenen Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen wurde.
Dem Kläger steht zwar grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu (1.), dieses hat er jedoch nicht fristgerecht ausgeübt (2.).
1. Gemäß § 495 Abs. 1 BGB in der Fassung vom 30.07.2010 steht dem Darlehensnehmer bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu. Ein solches Darlehen i.S.d. § 491 Abs. 1 BGB a.F. ist vorliegend auch gegeben, da der Kläger bei Abschluss des Vertrags unstreitig als Verbraucher gehandelt hat.
2. Nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB in der Fassung vom 11. Juni 2010 bis 12. Juni 2014 kann der Verbraucher nur 14 Tage nach Erhalt einer entsprechenden Widerrufsbelehrung seinen Widerruf erklären.
Der Darlehensvertrag zwischen den Parteien wurde am 18.10.2011 geschlossen. Der Widerruf wurde von dem Kläger mit Schreiben vom 04.05.2015 erklärt. Der Widerruf erfolgte damit nicht in der gesetzlich vorgesehenen Frist.
Die Frist wurde vorliegend auch nicht deshalb gewahrt, weil die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß war und die Frist daher nicht nach § 355 Abs. 4 S. 3 BGB a.F. begonnen hatte zu laufen. Die Widerrufsbelehrung war vorliegend nicht fehlerhaft.
Die Widerrufsbelehrung weist hinreichend deutlich auf den Beginn der Widerrufsfrist hin (a.), auch die Belehrung über die Widerrufsfolgen (b.) weist keine Fehler auf, insbesondere wurde die Belehrung nicht fehlerhaft, weil die Beklagte einen Tageszins von 0 € angegeben hat (c.). Letztlich würde aber auch die Gesetzlichkeit der Widerrufsbelehrung nach § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F. vermutet werden (d.).
a. Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses unter Ausschöpfung der Widerrufsfrist auszuüben. Er ist deshalb über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren (BGH, NJW-RR 2009, 709 (710); NJW 2009, 3572 (3573)).
Die vorliegende Widerrufsbelehrung unterrichtete den Kläger ausreichend über den Beginn der Widerrufsfrist.
Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher konnte die Bedingungen, unter denen die Widerrufsfrist anlaufen sollte, aus der von der Beklagten erteilten Widerrufsinformation erschließen. Für sich klar und verständlich ist die Wendung, die Widerrufsfrist beginne „nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB […] erhalten hat“. Die Beklagte übernahm mit der Passage „nach Abschluss des Vertrags“ den Gesetzestext aus § 495 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BGB aF. Eine weitere Präzisierung oder Paraphrasierung des dort gemeinten Zeitpunkts konnte von ihr nicht verlangt werden. Der Unternehmer muss nicht genauer formulieren als der Gesetzgeber selbst (BGH, VuR 2017, 179 (179f.)).
Ebenso klar und verständlich ist die Bezugnahme der Beklagten auf § 492 Abs. 2 BGB. Eine Verweisung auf eine konkret bezeichnete gesetzliche Vorschrift stellt keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot dar. Das gilt insbesondere dann, wenn der Gesetzestext für jedermann ohne weiteres zugänglich ist. Ohne solche Verweisungen könnten allzu detaillierte, unübersichtliche, nur schwer durchschaubare oder auch unvollständige Klauselwerke entstehen. Es würde die Anforderungen des Verständlichkeitsgebots überspannen, verlangte man den gesonderten Abdruck oder die Aushändigung einer für den Geschäftszweig geltenden Vorschrift, die der Kunde unschwer einsehen kann. Diese im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätze sind auf vorformulierte Widerrufsbelehrungen und Widerrufsinformationen der hier in Rede stehenden Art übertragbar (BGH, VuR 2017, 179 (180.)).
b. Auch die Belehrung über die Widerrufsfolgen war ausreichend.
Insofern entspricht die von der Beklagten erteilte Widerrufsinformation wörtlich der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB in der hier maßgeblichen, zwischen dem 4. August 2011 bis 12. Juni 2014 geltenden Fassung und genügte, ohne dass es auf Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F. ankommt, den gesetzlichen Anforderungen des Art. Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 EGBGB a.F. Auch ohne besondere grafische Hervorhebung war die von der Beklagten verwandte Widerrufsinformation klar und verständlich (vgl. BGH, BKR 2017, 152 (152f.); BeckRS 2016, 19930 OLG Hamm BeckRS 2017, 125269).
Die Widerrufsfolgen werden in der Widerrufsinformation zutreffend und verständlich wiedergegeben. Der gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a. F. gesetzlich geforderte Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Rückzahlung des bereits ausbezahlten Darlehens und zur Vergütung von Zinsen ist ebenso enthalten wie der pro Tag zu entrichtende Zinsbetrag (vgl. OLG Karlsruhe BeckRS 2017, 104898).
Soweit wohl teilweise auch ein Hinweis auf die dem Darlehensnehmer eröffnete Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Gebrauchsvorteils (vgl. § 346 Abs. 2 S. 2 BGB) für erforderlich erachtet wird, ist ein solcher jedenfalls vorliegend nicht erforderlich, da die Parteien sich auf einen Zinsbetrag von 0,00 € geeinigt haben und damit der Gebrauchsvorteil nicht noch geringer ausfallen kann.
Soweit die Klägerseite der Auffassung ist, dass dem Schutzzweck der Regelung, der auch eine Belehrung über die wesentlichen Rechte verlange (BGH, NJW 2013, 155 (158)), mit der Belehrung nicht genüge getan werde, bezog sich diese Rechtsprechung auf einen Haustürwiderruf. Weder § 355 noch § 360 BGB in der Fassung vom 11.06.2010 bis 12.06.2014 sieht einen Hinweis auf die Rechte des Verbrauchers vor. Auch Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a. F. stellt lediglich darauf ab, dass im Vertrag Angaben zur Frist und zu anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten, enthalten sein müssen. Darüber hinaus ist der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag anzugeben. Auf die Rechte des Verbrauchers wird vielmehr nicht Bezug genommen.
Die Belehrung entspricht damit den gesetzlichen Anforderungen. Auf Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F. kommt es insofern gar nicht an.
c. Soweit die Beklagte in der Widerrufsbelehrung angab, dass pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 0,00 € zu zahlen sei, sieht das Gericht weder eine unrichtige Angabe (aa.) noch erkennt es einen entscheidungserheblichen Widerspruch zu den darüber hinaus gemachten Angaben (bb.).
aa. Die Angabe, dass im Fall des Widerrufs pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 0,00 € zu zahlen ist, stellt keine unrichtige Aussage dar, da die Parteien vorliegend wirksam einen solchen Zinsbetrag vereinbart haben.
Indem die Beklagte den konkreten Zinsbetrag von 0,00 € in die Widerrufsbelehrung aufgenommen hat, die Teil des Darlehensvertrag ist, hat der Kläger mit seiner Unterschrift unter den vorformulierten Vertrag ein entsprechendes Angebot unterbreitet, dass entgegen der gesetzlichen Regelung kein Wertersatz für die Gebrauchsvorteile am Darlehen im Fall des Widerrufs zu leisten ist. Dieses hat die Beklagte mit ihrer Unterschrift und konkludent durch Auszahlung angenommen.
Eine solche Vereinbarung war im Rahmen der Widerrufsbelehrung möglich. Diese stellt einen Teil des Darlehensvertrags dar, wird insbesondere von den Unterschriften umfasst. So können einzelne Bedingungen für den Widerruf – soweit sie zu Gunsten des Verbrauchers erfolgen – wie z.B. eine Verlängerung der Widerrufsfrist wirksam im Rahmen einer Widerrufsbelehrung vereinbart werden (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 709 (710)). Dann muss dies auch für die Zinserhebung im Fall des Widerrufs gelten.
Auch wenn die Vereinbarung den gesetzlichen Vorgaben widerspricht, konnten sich die Parteien wirksam darüber einigen, da die Regelung für den Verbraucher vorteilhaft ist (MüKoBGB-Fritsche, 7. Aufl. 2016, § 355 Rn. 5). Es entspricht dem Interesse des Verbrauchers bei Widerruf keinen Wertersatz für Gebrauchsvorteile leisten zu müssen.
bb. Die Widerrufsbelehrung wird dadurch auch nicht unklar. Der Eindruck der Widersprüchlichkeit, der sich für den Darlehensnehmer aus dem Zusammenspiel zwischen Satz 1 und Satz 3 ergeben kann, wenn nämlich der Darlehensnehmer unter dem vereinbarten Sollzins den außerhalb der Widerrufskonstellation vereinbarten Sollzins versteht und dessen Festsetzung für den Fall des Widerrufs auf 0,00 € nicht nachvollziehen mag, ergibt sich für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher schon nicht. Diesem ist bewusst, dass es sich vorliegend um eine Musterbelehrung handelt, die bei zahlreichen Darlehensverträgen verwendet wird, und sich daher im Einzelfall gewisse Unschärfen ergeben können. Gleichzeitig ist für ihn erkennbar, dass unabhängig von der Musterbelehrung vorliegend für seinen konkreten Fall ein bestimmter Betrag eingesetzt wurde, den er im Fall des Widerrufs als Wertersatz zahlen muss. Für einen verständigen Verbraucher ist aufgrund der Gesamtumstände ersichtlich, dass dieser konkrete Betrag geltend soll und die weiteren Ausführungen insbesondere Satz 1 und 4 dem Muster geschuldet sind.
Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass die Beklagte vorliegend die gesetzliche Musterbelehrung wörtlich übernommen hat, damit ihr deren Gesetzlichkeitsfiktion zu Gute kommt. Den durch sie zugunsten des Darlehensnehmers beabsichtigen Verzicht auf Wertersatzleistungen im Widerrufsfall hat sie in der einzig möglichen Weise in die Belehrung eingefügt, nämlich indem sie entsprechend dem Gestaltungshinweis 5 den genauen Zinsbetrag mit 0,00 € angegeben hat. Eine eventuelle Widersprüchlichkeit ist daher darauf zurückzuführen, dass die gesetzliche Musterbelehrung keine Möglichkeit für den Darlehensgeber geschaffen hat, Satz 1 der Darstellung der Widerrufsfolgen entfallen zu lassen. Mit dem durch das Verbraucherwiderrufsrecht bezweckten Schutz des Darlehensnehmers wäre es aber nicht vereinbar, wenn der Darlehensgeber an der Vereinbarung von Vertragsbedingungen zugunsten des Darlehensnehmers gehindert wäre, weil ihm dann der Schutz der Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 Abs. 2 S. 3 AGBGB a.F. verloren ginge.
d. Selbst wenn die verwendete Widerrufsbelehrung der Beklagten nicht hinreichend deutlich wäre, würde ihre Gesetzlichkeit nach Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB A.F. fingiert werden.
Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung entspricht unter Berücksichtigung der Gestaltungshinweise [3], [4], [4a], [8], [8a], [8b], [8e] und [8f] mit Ausnahme der teilweisen Anpassung der Anrede (statt Darlehensnehmer „Sie“ etc.) wörtlich dem Muster der Anlage 6 zu Art. 247 EGBGB a.F.
Soweit die Klägerseite ausführt, dass die Beklagte sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen könne, weil die Beklagte auf die nach dem Muster im Gestaltungshinweis 3 verbindlich vorgegebenen ladungsfähigen Anschrift verzichtet hat (vgl. BGH, BKR 2016, 463 (465)), kann das Gericht dem nicht folgen. In der Widerrufsinformation wird gerade keine Postfachadresse genannt, sondern vielmehr als ladungsfähige Anschrift aufgeführt: H.-E.-Platz …, … D.
3. Da bereits der Hauptantrag nicht durchdringt, sind auch Zinsansprüche und Ansprüche auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nicht gegeben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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