Bankrecht

Grenzziehung zwischen absoluter und relativer Sicherheit einer Kapitalanlage

Aktenzeichen  17 U 132/16

Datum:
7.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 129796
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2 S. 4

 

Leitsatz

Eine Einstufung der empfohlenen Anlagen durch den Berater als “sicherer” im Vergleich zu bisher gezeichneten Schiffsfonds besagt für einen durchschnittlichen Anleger erkennbar nichts über die absolute Sicherheit der Beteiligung. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

22 O 25161/14 2015-12-10 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 10.12.2015, Aktenzeichen 22 O 25161/14, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 25.000,00 festgesetzt.

Gründe

Die Parteien streiten um die wirtschaftliche Rückabwicklung zweier vom Kläger aufgrund von Aktivitäten der Beklagten am 01.06.2010 und 26.02.2011 gezeichneter Schiffsfonds wegen angeblicher Fehlberatung durch die Beklagte.
Hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf das klageabweisende Endurteil des LG München I vom 10.12.2015 (Bl. 88/107 d. A.), hinsichtlich des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und bezüglich der Berufungsanträge auf den Schriftsatz des Klägers vom 16.03.2016 (Bl. 124/125 d. A.) verwiesen.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München vom 10.12.2015, Aktenzeichen 22 O 25161/14, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 522 Abs. 2 ZPO hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats im Beschluss vom 21.04.2016 (Bl. 136/141 d. A.) Bezug genommen.
Der Schriftsatz vom 31.05.2016 gibt zu folgenden Anmerkungen Anlass:
1. Wie unter Ziffer 1 des Senatsbeschlusses vom 21.04.2016 ausgeführt, kommt es für die Entscheidung auf die Einordnung als Auskunfts- oder Beratungsvertrags nicht an.
2. Ein begonnener Turnaround ist, auch für den durchschnittlichen Anleger ohne weiteres erkennbar, kein vollendeter. Wenn man sich dies einmal grafisch vorstellt, dann flacht die ursprünglich abwärts zeigende Kurve bei einem beginnenden Turnaround langsam ab, weist aber immer noch nach unten. Wenn die Beklagte davon ausgeht, man werde dies (Zeitpunkt: Mai 2010) in drei bis sechs Monaten in der Zeitung lesen können, bedeutet dies von der Aussage her bestenfalls, dass gerade der Tiefpunkt durchschritten wurde (der Kläger konzediert in der Klage (Bl. 11 d. A.) einen Anstieg der … von 317 zum Jahresbeginn 2010 auf 392 Punkte im März 2010), eine Aufwärtsbewegung also allein in der Zukunft liegt, und es sich damit um eine Prognose handelt.
3. Eine Einstufung der Anlagen als sicherer im Vergleich zu bisherigen Schiffsfonds besagt, für einen durchschnittlichen Anleger ebenfalls erkennbar, nichts über die absolute Sicherheit. Sehr wohl kann vom durchschnittlichen Kleinanleger aber erwartet werden, dass er den ihm übersandten Prospekt liest. In demjenigen über den MLSchiffsinvest 1 (Anlage B 1) finden sich die Risiken bis zum Totalverlustrisiko auf den Seiten 15 bis 21, in demjenigen über den MLSchiffsinvest 2 (Anlage B 2) auf den Seiten 18 bis 25.
4. Der Kläger verwechselt wahrscheinlich die Begriffe „rechtmäßiges Alternativverhalten“ mit „aufklärungsgerechtem Verhalten“ bzw. „beratungsgerechtem Verhalten“, Die Frage des aufklärungsgerechten Verhaltens des Klägers stellt sich ebenfalls erst, wenn nicht widerlegt ist, dass Auskunfts-, Aufklärungs- oder/und Beratungsfehler ursächlich für den Anlageentschluss des Klägers waren. Genau diese Ursächlichkeit hat das Erstgericht jedoch aufgrund der Anhörung des Klägers zutreffend verneint. Auf Ziffer 4 a des Senatsbeschlusses vom 21.04.2016 wird verwiesen.
5. Strikt zu trennen ist darüber hinaus die Frage der Fehlerhaftigkeit der Auskunft, Aufklärung oder/und Beratung von der Frage der Ursächlichkeit etwaiger Fehler hierbei für den Anlage-entschluss. Ferner ist das Erstgericht zu der Überzeugung gelangt (diesbezügliche Fehler zeigt der Kläger nicht auf und sind auch nicht ersichtlich), dass allein die relative Sicherheit der Anlage und die Renditeprognose für die Anlageentscheidung des Klägers ursächlich waren. Damit konnte das Erstgericht fehlerfrei sämtliche möglichen übrigen Auskunfts-, Aufklärungs- oder/und Beratungsfehler als nicht ursächlich für die Anlageentscheidung und damit nicht relevant einstufen. Inwieweit damit dem Erstgericht eine Gehörsverletzung unterlaufen sein soll, erschließt sich dem Senat nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils und dieses Beschlusses erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 708 Nr. 10 analog, § 711 ZPO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13.11.2014, NJW 2015, 77, 78, Randziffer 16).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der § 63 Abs. 2 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG; § 4 Abs. 1 ZPO in Übereinstimmung mit dem Erstgericht bestimmt.


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