Bankrecht

Handelsvertretervertrag, Wegfall der Geschäftsgrundlage, Kündigungserklärung, Außerordentliche Kündigung, Auftragsbestätigung, Provisionsansprüche, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kündigungsrecht, Vertragsverhältnisse, Ausgleichsanspruch, Anspruch auf Buchauszug, Handelsvertreterverhältnis, Gerichtsstandsvereinbarung, Klageantrag, Vertriebsrecht, Auskunftserteilung, Stufenklage, Kommanditgesellschaft, Vertragsanpassung, Kündigung aus wichtigem Grund

Aktenzeichen  15 HK O 17105/19

Datum:
15.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 47723
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Buchauszug gemäß § 87 c Abs. 2 HGB über alle hinsichtlich der unter der Marke … getätigten Geschäfte zu erteilen, welche die Beklagte in der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 31.08.2019 mit Kunden im Gebiet des Freistaates Bayern getätigt hat, wobei der Buchauszug in übersichtlicher und aus sich selbst heraus verständlicher Weise die folgenden Informationen hat:
• Name des Kunden mit Anschrift
• Datum des Auftrages
Inhalt eines jeden Auftrages (bestellte Teile, Preise, Auftragswert, Lieferkonditionen)
• genauer Inhalt der entsprechenden Auftragsbestätigung
• Datum und Inhalt der jeweiligen Rechnung bzw. der Rechnungen (soweit ein Auftrag in mehreren Teilen ausgeführt und berechnet worden ist)
• Datum der Kundenzahlung
• Höhe des gezahlten Betrages
• Datum einer Lieferung
• bestellte, jedoch nicht gelieferte Teile (Produktbezeichnung und Auftragswert)
• Gründe für etwaige Nichtauslieferungen
• vom Kunden zurückgesandte Ware (Produktbezeichnung und Gutschriftsbetrag)
• Gründe für etwaige Retouren.
Im Übrigen wird der Klageantrag Ziffer I. abgewiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 10.000,- vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.
Der Kläger hat gemäß § 87 c Abs. 2 HGB einen Anspruch gegen die Beklagte auf einen Buchauszug, jedoch nur für die bis zum 31.08.2019 getätigten Geschäfte. Der Antrag auf Buchauszug über den 31.08.2019 hinaus war daher als unbegründet abzulehnen.
1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Buchauszug gemäß § 87 c Abs. 2 HGB in dem geltend gemachten Umfang zu. Soweit die Beklagte sich dagegen wendet, dass der Buchauszug nicht einen genauen Inhalt der entsprechenden Auftragsbestätigung enthalten solle, da es eine solche schriftlich nicht gegeben habe, war dem Antrag dennoch stattzugeben. Die diesbezügliche Einwendung der Beklagten hat keinen Erfolg, da der Kläger darauf angewiesen ist, zu wissen inwieweit die Kundenaufträge bestätigt wurden oder nicht bzw. mit welchen Maßgaben sie bestätigt wurden. Diese Informationen sind erforderlich um die ihm zustehende Provision von 10 % der Geschäfte berechnen zu können. Soweit die Beklagte ausführt, dass sie keine schriftlichen Auftragsbestätigungen versendet habe und insoweit keine Auskunft erteilen kann, entbindet sie das nicht von der Verpflichtung, eine anderweitige – sei es mündliche oder durch AGB geregelte oder ähnliche – Auftragsbestätigung, die die (Voll/Teil)Annahme des Auftrags erkennen läßt, mitzuteilen.
2. Der klägerische Antrag war abzuweisen, soweit er einen Buchauszug für über den 31.08.2019 hinaus getätigte Geschäfte verlangt, da insoweit Provisionsansprüche des Klägers nicht bestehen. Die von der Beklagten am 27.06.2019 erklärte Kündigung zum 31.08.2019 war als Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 89 a Abs. 1 HGB wirksam.
2.1 Die Kündigungserklärung ist formgerecht dem Kläger zugegangen. Soweit der Kläger geltend macht, dass in der Adressierung an ihn unter seiner Adresse im Hauptadressfeld neben seinem Namen die Kommanditgesellschaft bezeichnet wurde und er daher nicht als Handelsvertreter, sondern nur als Geschäftsführer seiner Handelsvertretergesellschaft angesprochen worden war, ist dies unbehelflich. Gemäß § 133 BGB galt die Kündigungserklärung ihm. Ihm ist sie auch zugegangen, da der Kläger nicht geltend macht, dass die Geschäftsführerpost nur von jemandem anderen geöffnet wurde und er sie nicht zur Kenntnis genommen habe. Dem Kläger musste auch aus seinem Horizont heraus erkennbar gewesen sein, dass die Beklagte mit der er, sei es selber, sei es über die KG Vertragsverhältnisse zu verschiedenen Marken hatte, bei dem Kündigungsschreiben betreffend der Marke … nur das Vertragsverhältnis mit ihm meinte. Unstreitig besteht nämlich bezüglich der Marke … ein Handelsvertretergeschäftsverhältnis nicht zwischen der … (KG) und der Beklagten, sondern allein zwischen dem Kläger und der Beklagten. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger, der selbst in seiner Klageschrift nur bei der Bezeichnung der Beklagten als Zusatz „… Division“ angegeben hatte und meinte, durch diese Angabe in der Beklagtenbezeichnung ergebe sich, dass der Auskunftsanspruch für alle Geschäfte der Beklagten sich auf die Marke … beschränke, nicht schon erkannt hat, dass die Beklagte mit der Kündigungserklärung zur Marke … (nur) ihn meinte. Es reicht aus, dass aus dem objektiven Empfängerhorizont der objektive Wille der Beklagten zur Kündigungserklärung des Handelsvertretervertrages bezüglich der Marke … erkennbar ist und er nach Treu und Glauben sich dem nicht verschließen durfte, dass er damit gemeint ist. Die Kündigungserklärung war daher formell wirksam dem Kläger zugegangen.
2.2 Die Kündigung ist auch materiell wirksam, da ein wichtiger Grund für die Kündigungserklärung vorliegt. Bei der Frage des wichtigen Grundes war zu berücksichtigen, ob dem Unternehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Handelsvertretervertrages bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Auch Umstände in der eigenen Sphäre des Unternehmers können es für ihn unzumutbar machen, das Vertragsverhältnis fortzuführen, etwa die Aufgabe eines bestimmten Geschäftszweiges (Semler in: Martinek/Semler/Flor, Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Aufl. 2016 § 20 Rdn. 31). In solchen Fällen müssen sich die Parteien zunächst um eine Anpassung des Vertragsverhältnisses nach den Grundsätzen des Wegfalls oder der wesentlichen Änderung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, bemühen. Eine Betriebsumstellung wegen wirtschaftlicher Verluste beim Unternehmen, die seit längerer Zeit vorhersehbar war, kann eine fristlose Kündigung durch den Unternehmer nicht tragen (Baumbach/Hopt/Hopt, 39. Aufl. 2020, HGB § 89 a Rn. 21). Dem Unternehmer ist dann ein Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar (BGH, NJW 1986, 1931, beck-online). Allerdings ergibt sich ein wichtiger Grund für die Kündigungserklärung dann, wenn wegen des Wegfalls der mit der Lizenz einhergehenden Vertriebsmöglichkeit eine Anpassung des Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht anders möglich ist. So hält das OLG Hamm (in Übereinstimmung mit Erwägungen von Schröder, Recht der Handelsvertreter, 5. Aufl. (1973), § 89 a HGB Rdnr. 10 c) eine Anpassung des Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in der Weise für angebracht, daß der Beklagte ein zwar außerordentliches, aber fristgebundenes Kündigungsrecht zuerkannt wird. Ebenso wie die Klageseite die Beklagtenseite nicht an der vollen vertraglichen Kündigungsfrist festhalten lassen kann, kann umgekehrt die Beklagte den Vertrag mit der Klageseite nicht von heute auf morgen fristlos beenden. Eine Lösung muß vielmehr zwischen diesen beiden Extremen liegen (OLG Hamm, NJW-RR 1988, 550, beck-online). Wenn eine Vertragsanpassung nicht möglich oder eine Vertragspartei nicht zumutbar ist, kann die andere Partei den Handelsvertretervertrag daher außerordentlich kündigen.
Die Übertragung der Vertriebsrechte von der Beklagten auf die … LLC bewirkte für die Parteien einen Wegfall der Geschäftsgrundlage für den Handelsvertretervertrag. Zwar führt diese Übertragung nicht automatisch dazu, dass die weitere Durchführung des Vertrages der Beklagten unmöglich wurde. Die Beklagte hätte sicherstellen können, dass der Kläger über die … für eine angemessene Übergangszeit zu den früheren Konditionen beliefert werde.
Der Verlust des Betriebsrechts steht zur Überzeugung des Gerichts gemäß § 286 ZPO fest. Zu dem Umstand, dass die Beklagte die Vertriebsrechte verloren hat, hat sich der Kläger zwar mit Nichtwissen erklärt. Aus der vorgelegten Erklärung des Managing Directors der Beklagten, Anlage K 4, ergibt sich jedoch, dass dieses Vertriebsrecht übergegangen ist und ihm wurde mit der Unterschrift von … LLC ein Vertragsangebot unterbreitet. Die Richtigkeit dieser Erklärungen hat die Klageseite nicht bestritten. Diese Erklärungen zu Grunde gelegt, war daher davon auszugehen, dass ein solcher Vertriebsrechtsübergang bzw. – verlust (bezogen auf die Beklagte) stattgefunden hat. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage führte jedoch dazu, dass der Vertrag zwischen den Parteien den neuen Gegebenheiten angepasst werden musste. Einer Übertragung des Vertrages auf die übernehmende Firma hat der Kläger nicht zugestimmt. Eine anderweitige Anpassungsmöglichkeit ist nicht ersichtlich. Der Beklagten entstand damit eine Kündigungsmöglichkeit gemäß § 89 a HGB i.V.m. § 313 Abs. 3 BGB. Hierbei war zwischen den Interessen der Parteien abzuwägen. Auf der einen Seite war zu berücksichtigen, dass der Beklagten die kaufmännische Dispositionsfreiheit nicht genommen wird. Die Beklagte hatte dem Kläger gegenüber die Möglichkeit zu geben, sich auf die veränderte Situation einzustellen. Der Kläger hatte zwar ein besonderes Interesse daran, zu erfahren, wie es mit dem Handelsvertretervertrag weiterging. Nach den Angaben in der Klageschrift wurde ihm jedoch bereits Ende des vergangenen Jahres, d.h. Ende 2018 mitgeteilt, dass die Beklagte die Marke … an eine andere Gesellschaft abgeben wolle, wobei ihm weitere Details zunächst nicht mitgeteilt wurden. Es war deshalb beiden Parteien zumutbar, das Vertragsverhältnis nicht allein vor dem Hintergrund des gefährdeten Vertriebsrechts bereits zu kündigen, sondern zunächst abzuwarten, ob der Handelsvertretervertrag nicht auch von der neuen Firma 1 : 1 übernommen würde und der Kläger diese Chance für sich wahrnehmen wolle. Es wäre der Beklagten unzumutbar gewesen, allein vor dem Hintergrund eines geplanten Verlustes des Vertriebsrechts vorsorglich dem Kläger zu kündigen ohne ihm die Möglichkeit zu eröffnen, sein Handelsvertretervertragsverhältnis mit einem neuen Vertragspartner in gleichem Umfang fortzusetzen. Dass die Beklagte das unterschriftsreife Angebot für den Kläger ihm vor dem 4. Juni 2019 hätte unterbreiten können, ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich. Die Verkürzung des 6-monatigen Kündigungsrechts als ordentliches Kündigungsrecht auf zwei Monate als außerordentliche Kündigung i.S.d. § 313 Abs. 3 BGB ist daher berechtigt.
Die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung vom 04. Juni 2019 zum 31.08.2019 ist – nach dem Scheitern einer Vertragsanpassung durch die anderweitige Vertragsfortsetzung mittels Vertragsübernahme – als Kündigung aus wichtigem Grund angesichts des Verlustes des Vertriebsrechtes zum 01.09.2019 gemäß § 89 a Abs. 1 HGB wirksam.
B.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


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