Bankrecht

III ZR 326/20

Aktenzeichen  III ZR 326/20

Datum:
19.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2022:190522UIIIZR326.20.0
Normen:
§ 823 Abs 2 BGB
§ 27 StGB
§ 257 Abs 1 StGB
§ 263 Abs 1 StGB
§ 92 S 1 InsO
Spruchkörper:
3. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend OLG Frankfurt, 29. Oktober 2020, Az: 3 U 72/20vorgehend LG Frankfurt, 26. Juli 2017, Az: 2-25 O 531/16

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. Oktober 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger nimmt im Zusammenhang mit seiner Investition in ein Kapitalanlagemodell der G.    P.    AG den Beklagten auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung in Anspruch.
2
Zwischen Januar 2013 und Februar 2014 “erwarb” der Kläger von der G.    P.    AG insgesamt 450 Teakbäume auf Plantagen in Costa Rica. Die bereits gepflanzten oder noch zu setzenden Bäume sollten bis zur gewünschten Größe herangezogen und anschließend gefällt werden. Aus dem Verkaufserlös des Holzes sollten die Anleger eine erhebliche steuerfreie Rendite erzielen.
3
Im April 2014 führte eine Strafanzeige zum Ende der Vertriebstätigkeit der G.    P.    AG, über deren Vermögen nachfolgend das – bislang nicht beendete – Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Mit Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. Dezember 2015 – 5/26 KLs 5280 Js 214943/09 (2/15) – wurde der einschlägig vorbestrafte Initiator des Anlagemodells und alleinige Vorstand der Gesellschaft, M.     W.   , wegen gewerbsmäßigen Betrugs in zwei Fällen (betreffend den streitgegenständlichen Vertrieb von Teakbäumen und den von Kautschukbäumen) rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der Beklagte wurde, nachdem er sich im September 2015 schriftlich gegenüber der Staatsanwaltschaft und im April 2016 mit einer vorformulierten “Persönlichen Erklärung” in der Hauptverhandlung eingelassen hatte, wegen (einheitlicher) Beihilfe zu zwei Fällen des Betrugs durch Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. Mai 2016 – 5/26 KLs 7550 Js 246827/14 (13/15) – rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Dabei wurde ihm angelastet, im Wissen um den Betrugs-charakter des Anlagemodells dem Haupttäter W.    zu einer Anschubfinanzierung verholfen, ihm Büroräume zur Verfügung gestellt, ihn beim Vertrieb, bei der Mitarbeitersuche, beim Erwerb und bei der Gründung von in das Geschäft eingebundenen ausländischen Gesellschaften – darunter die schweizerische M.   AG – unterstützt sowie weitere betrügerische Öko-Investments mit ihm geplant zu haben. Ferner wurde festgestellt, dass der 1943 geborene, nicht vorbestrafte Beklagte, den mit dem etwa ein Jahr älteren W.     eine seit mehreren Jahrzehnten bestehende Bekanntschaft mit gelegentlichen Geschäftskontakten verbindet, keine finanziellen Vorteile unmittelbar aus dem Betrug gezogen hat. Die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite beruhten auf den dortigen – nach Auffassung der Strafkammer “geständigen” und durch den Inhalt eines aufgezeichneten Telefonats vom 5. März 2014 und zweier E-Mails vom 25. Mai 2012 und 12. Februar 2014 bestätigten – Einlassungen des Beklagten.
4
Das Landgericht hat den vormaligen Beklagten zu 1, M.    W.    , durch Teilversäumnisurteil antragsgemäß verurteilt, während es die Klage gegen den jetzigen Beklagten, den vormaligen Beklagten zu 2, durch Schlussurteil mit der Begründung abgewiesen hat, der Kläger habe die Voraussetzungen für dessen Haftung aus § 823 Abs. 2, § 830 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1, § 27 StGB (Beihilfe zum Betrug) nicht beweisen können; diese stünden auch nicht aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung fest. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Beklagten als Gesamtschuldner mit W.    antragsgemäß zur Zahlung von 54.735 € verurteilt. Dabei ist es von einer Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 257 Abs. 1 StGB (Begünstigung) ausgegangen.
5
Hiergegen wendet sich der Beklagte, der vorinstanzlich unter Widerruf seines “Geständnisses” aus dem Strafverfahren bestritten hat, den betrügerischen Charakter des Anlagemodells der G.    P.    AG gekannt zu haben, mit seiner vom Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

6
Die zulässige Revision hat Erfolg.
I.
7
Das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob der Beklagte deliktisch wegen Beihilfe zum Betrug hafte, da er sich jedenfalls der Begünstigung schuldig gemacht habe. Denn er habe mit seinen Aktivitäten in Bezug auf die M.   AG dem Haupttäter W.     in der Absicht geholfen, diesem die Vorteile der Betrugstat zu sichern. Er habe bei der Gründung der Gesellschaft, die dazu gedient habe, Anlegergelder in die Schweiz zu transferieren und so dem Zugriff der Geschädigten zu entziehen, sowie bei der Eröffnung von deren Konto Hilfe geleistet. Eine weitere Hilfeleistung liege darin, dass er mittels Scheinrechnungen des von ihm betriebenen Autohandels über angeblich bestellte Porsche Macan vom Gesellschaftskonto 45.000 € erlangt und abzüglich einer “Provision” von 15.000 € an die Ehefrau des zu diesem Zeitpunkt bereits in Untersuchungshaft befindlichen W.     weitergereicht habe. Der Beklagte habe insoweit auch vorsätzlich gehandelt. Denn er habe gewusst, dass die an die M.    AG geflossenen Anlegergelder aus einem Betrug stammen mussten, wobei sein Vorsatz bei der zweiten Hilfeleistung im Hinblick auf die ihm damals schon bekannte Inhaftierung W.   s wegen Betrugs sogar noch eindeutiger sei. Auch habe der Beklagte mit der erforderlichen Vorteilssicherungsabsicht agiert. Dass er gegebenenfalls Gehilfe der Vortat gewesen sei, begründe einen für seine zivilrechtliche Haftung bedeutungslosen persönlichen Strafausschließungsgrund. Seine Begünstigungshandlung habe den klägerischen Schaden adäquat kausal herbeigeführt. Insoweit greife ein Anscheinsbeweis, den der Beklagte nicht entkräftet habe. Nach den im Strafverfahren getroffenen Feststellungen seien nämlich Anlegergelder in Höhe von mindestens 200.000 € ohne Gegenleistung von der G.    P.    AG an die M.   AG überwiesen worden, was die Einlage des Klägers übersteige. Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 5. Mai 2020 (GA III 739 ff) geltend gemacht habe, ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 257 Abs. 1 StGB könne allenfalls den vom Insolvenzverwalter geltend zu machenden sogenannten Quotenschaden erfassen, nicht aber den individuellen Schaden in Höhe der gesamten Beteiligungssumme des Klägers, sei dieser Vortrag nicht nachvollziehbar, da es vorliegend um einen deliktsrechtlichen Anspruch und nicht um einen Anspruch wegen Verminderung der Insolvenzmasse iSd § 92 InsO gehe.
II.
8
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
1. Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht die Vorschrift des § 92 Satz 1 InsO für unanwendbar gehalten hat, die es dem Kläger verwehrt, einen durch die angenommene Begünstigung verursachten Schaden vor Abschluss des noch laufenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen der G.   P.    AG im Prozess geltend zu machen.
10
a) Nach § 92 Satz 1 InsO können Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den diese gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlitten haben (Gesamtschaden), während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Damit wird keine Anspruchsgrundlage normiert, sondern die Einziehung einer aus einer anderen Rechtsgrundlage herrührenden Forderung geregelt. Die Vorschrift erfasst nur Schadensersatzansprüche, die auf einer Verkürzung der Insolvenzmasse beruhen, und bezweckt, eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger aus dem Vermögen des wegen Masseverkürzung haftpflichtigen Schädigers zu sichern (vgl. Senat, Urteil vom 21. März 2013 – III ZR 260/11, BGHZ 197, 75 Rn. 45; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – IX ZR 21/19, juris Rn. 20 und Beschluss vom 14. Juli 2011 – IX ZR 210/10, NJW-RR 2011, 1318 Rn. 6; jeweils mwN). Maßgebliche Voraussetzung des Einziehungsrechts ist folglich eine Verminderung der Insolvenzmasse, die sich in einer Verringerung der Aktiva oder in einer Vermehrung der Passiva manifestieren kann (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011, aaO). Ein Gesamtschaden ist ein Schaden, den der einzelne Gläubiger ausschließlich aufgrund seiner Gläubigerstellung und damit als Teil der Gesamtheit der Gläubiger erlitten hat; die Verkürzung der Masse muss also diese treffen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2018 – IX ZR 66/18, NJW-RR 2019, 491 Rn. 11 und Beschluss vom 14. Juli 2011, aaO Rn. 9). Das schädigende Verhalten, aus dem der Schädiger in Anspruch genommen wird, muss durch die Masseverminderung zu einer geringeren Quote für die (Alt-)Gläubiger geführt haben (sog. Quotenverringerungsschaden; vgl. BGH, Urteile vom 22. April 2004 – IX ZR 128/03, BGHZ 159, 25, 27 ff und vom 13. Dezember 2018, aaO mwN). Der Anspruch kann sich nicht nur gegen Gesellschafter oder Organe der insolventen Schuldnerin, sondern grundsätzlich gegen jeden Dritten richten. Ein Gesamtschaden tritt auch durch eine deliktische Verschiebung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens ein (BGH, Urteile vom 8. Mai 2003 – IX ZR 334/01, NJW-RR 2003, 1042, 1044; vom 8. Februar 2018 – IX ZR 103/17, BGHZ 217, 300 Rn. 76 ff; vom 13. Dezember 2018, aaO und vom 17. Dezember 2020, aaO). Dagegen handelt es sich um einen nicht von § 92 Satz 1 InsO erfassten Einzelschaden, wenn der Gläubiger nicht als Teil der Gläubigergesamtheit, sondern individuell geschädigt wird (BGH, Urteile vom 13. Dezember 2018, aaO und vom 17. Dezember 2020, aaO Rn. 21; Beschluss vom 14. Juli 2011, aaO Rn. 9).
11
b) Die Voraussetzungen des § 92 Satz 1 InsO sind in Bezug auf den vom Berufungsgericht bejahten Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 257 StGB erfüllt, mit der Folge, dass dem Kläger für diesen die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens entzogen ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2003, aaO; MüKoInsO/Gehrlein, 4. Aufl., § 92 Rn. 14 und 25). Während ein Anspruch aus § 823 Abs. 2, § 830 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1, § 27 StGB einen individuellen Schaden des Klägers durch einen zur Zeichnung der Kapitalanlage führenden Eingehungsbetrug zum Gegenstand hat, auf den diese Vorschrift nicht anwendbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020, aaO Rn. 21), handelt es sich bei dem vom Berufungsgericht angenommenen Begünstigungsschaden um einen Gesamtschaden. Denn die dem Beklagten vorgeworfene Verschiebung von Vermögenswerten erst nach Begehung der den Kläger individuell schädigenden Betrugstat hat diesen nur wie jeden anderen Anleger getroffen. Daran ändert der Hinweis in der Revisionserwiderung nichts, der Beklagte habe mit dem ihm vorgeworfenen begünstigenden Verhalten zugleich sukzessive Beihilfe zum vollendeten Betrug geleistet und damit den Individualschaden des Klägers verfestigt, da jedenfalls nach Beendigung der Haupttat, die hier mit der Vereinnahmung der Kaufpreiszahlungen in das Vermögen der G.    P.    AG eingetreten ist, eine nachträgliche Beihilfe ausscheidet (vgl. dazu nur BGH, Beschluss vom 22. Januar 2004 – 5 StR 415/03, juris Rn. 3 mwN).
12
Der von der G.    P.    AG auf die M.   AG verschobene Geldbetrag hat die zur Verfügung stehende Insolvenzmasse insgesamt verkürzt und fehlt damit nicht nur für die Befriedigung des Klägers, sondern für die Entschädigung aller Anleger. Dementsprechend muss nach dem Normzweck des § 92 Satz 1 InsO ein Schadensersatzanspruch wegen der in Rede stehenden Begünstigung nicht nur einem einzelnen Anleger, sondern anteilig allen Insolvenzgläubigern zugutekommen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen des zur Akte gereichten Strafurteils gegen W.    mindestens 763 geschädigte Anleger Teakbäume für insgesamt mehr als 19 Mio. € erworben haben (vgl. Strafurteil vom 18. Mai 2015 S. 20, AB und Anlage K 12, AB Schriftsatz vom 7. Februar 2018) und der Beklagte unstreitig in einer Vielzahl von Parallelverfahren von Anlegern der G.    P.    AG auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, wobei nach seinem insoweit unwidersprochen gebliebenen Revisionsvorbringen in mittlerweile insgesamt 36 Verfahren rund 2,1 Mio. € eingeklagt worden sind. Der nach Auffassung des Berufungsgerichts durch die Begünstigungshandlungen eingetretene Schaden von höchstens 245.000 € bleibt dahinter weit zurück. Er kann vor Abschluss des Insolvenzverfahrens nur durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, mit der Folge, dass der entsprechende Restitutionsbetrag zur Insolvenzmasse gezogen und quotal auf alle Gläubiger verteilt wird.
13
2. Da das angefochtene Berufungsurteil schon aus den vorgenannten Gründen rechtsfehlerhaft ist, sieht der Senat davon ab, auf die weiteren Revisionsangriffe einzugehen.
14
Nach alldem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, da der Rechtsstreit bezüglich einer möglichen Einstandspflicht des Beklagten als Gehilfe eines Betruges nicht entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Soweit es dabei um die Frage geht, ob der Beklagte über den erforderlichen Gehilfenvorsatz verfügt hat, wird das Berufungsgericht die Darlegungs- und Beweislast in der vorliegenden Fallkonstellation zu beachten haben. Seine Auffassung, strafgerichtlichen Feststellungen sei in der Regel zu folgen, sofern nicht gewichtige Gründe für deren Unrichtigkeit vorgebracht werden (BU 20), widerspricht den höchstrichterlichen Grundsätzen zur Bedeutung der strafrechtlichen Verurteilung einer Partei im Zivilprozess (siehe insbesondere Senat, Urteil vom 26. August 2021 – III ZR 189/19, juris Rn. 11 ff).
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