Bankrecht

Insolvenzanfechtung, Rückzahlung einer einem Gesellschafterdarlehen gleichgestellten Forderung

Aktenzeichen  23 O 877/12

Datum:
30.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50366
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 39 Abs. 1 Nr. 5
InsO § 135 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Beschließt der Alleingesellschafter einer GmbH, einen festgestellten Gewinn auf neue Rechnung vorzutragen, kann der aus einem später gefassten, auf Ausschüttung des Gewinnvortrags gerichteten Gewinnverwendungsbeschluss folgende Zahlungsanspruch eine wirtschaftlich einem Darlehen entsprechende Forderung darstellen.
2. Eine Behandllung als wirtschaftlich einem Darlehen entsprechende Forderung scheidet aus, wenn bereits zum Zeitpunkt des ersten, auf einen Vortrag des Gewinns auf neue Rechnung gerichteten Gesellschafterbeschlusses eine Gewinnausschüttung nicht vorgenommen werden durfte, weil und soweit die Auszalung zu diesem Zweitpunkt eine Unterbilanz herbeigeführt oder vertieft hätte.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 200.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag von 147.250,00 € seit dem 24.09.2011 und aus einem Teilbetrag von 52.750,00 € seit dem 13.09.2012 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Bayreuth nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und gemäß §§ 12, 13 ZPO örtlich zuständig. Der Insolvenzverwalter war zur Prozessführung kraft Amtes befugt, § 80 Abs. 1 InsO.
Die Klage ist vollumfänglich begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf Zahlung von 200.000 EUR zu.
1. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 08.11.2013 die Anfechtung hinsichtlich der Zahlung vom 09.12.2009 erklärt. Diesen Schriftsatz hat die Beklagte am 20.11.2013 erhalten (Bl. 199 d.A.).
2. Gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder für eine gleichgestellte Forderung Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.
Die Zahlung fällt in den Einjahreszeitraum vor dem Eröffnungsantrag (31.03.2010).
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sind erfüllt.
Die Einzelrichterin schließt sich dabei vollumfänglich den überzeugenden Ausführungen des OLG Koblenz in der rechtskräftigen Entscheidung vom 15.10.2013, Az. 3 U 635/13, an.
a) Bei der streitgegenständlichen Gewinnausschüttung handelt es sich nicht um die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens. Dafür fehlt es an einer Darlehensvereinbarung, § 488 Abs. 1 BGB.
Die Beklagte war zudem zum Zeitpunkt des Gewinnvortrags am 28.09.2009 noch nicht Gläubigerin eines Gewinnausschüttungsanspruchs.
b) Mit der Ausschüttung des Gewinnvortrags der Schuldnerin für das Jahr 2008 an die Beklagte als Gesellschafterin am 09.12.2009 wurde jedoch eine Forderung aus einer Rechtshandlung zurückgewährt, die einem Gesellschafterdarlehen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wirtschaftlich entspricht.
Die Gesetzesbegründung zu § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO enthält zwar keine Konkretisierung möglicher Tatbestände (BT-Drucks. 16/6140 S. 56).
Die Qualifizierung einer Forderung als eine einem Gesellschafterdarlehen gleichgestellte Forderung erfordert nach Ansicht des Gerichts aber eine rein wirtschaftliche Betrachtung. Damit ist der sachliche Anwendungsbereich eröffnet, wenn die Gesellschafter bzw. ein Alleingesellschafter durch einen Gewinnvortrag auf neue Rechnung der Gesellschaft liquide Mittel zur Verfügung stellt. Dies war durch Beschluss der Beklagten vom 28.09.2009 der Fall (B 3).
Das Gericht schließt sich für den stets allein handlungsberechtigten Alleingesellschafter der Ansicht des OLG Koblenz an, dass der Anspruch auf den Bilanzgewinn eine einem Gesellschafterdarlehen gleichgestellte Forderung darstellt, wenn dieser auf der Auflösung einer Gewinnrücklage oder eines Gewinnvortrags besteht. Das Stehenlassen des Gewinns durch Gewinnvortrag der Beklagten am 28.09.2009 ist anfechtungsrechtlich als Gesellschafterdarlehen zu behandeln. Durch den Ergebnisverwendungsbeschluss vom 28.09.2009 verblieb der Gewinn bei der Gesellschaft und ging in den verteilungsfähigen Gewinn über.
Mit der Ausschüttung des Gewinnvortrags an die Beklagte wurde dieser Befriedigung gewährt.
3. An der nach § 129 Abs. 1 InsO erforderlichen Insolvenzgläuberbenachteiligung bestehen keine Zweifel, da sich die Befriedigung ohne Eintritt des rechtlichen Nachteils bei wirtschaftlicher Betrachtung günstiger gestaltet hätte, mithin die Befriedigung durch Auszahlung an die Beklagte vermindert worden ist (vgl. Amtsgericht Amberg, Az. 61 IN 126/10). Damit lagen die Anfechtungsvoraussetzungen vor.
4. Die Verzinsung folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB (K 9 und K 10). Der Rückgewähranspruch wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens (01.06.2010) fällig, weil nach neuerem Verständnis des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.2007, IX ZR 96/14, Rn. 20 m.w.N.) die Insolvenzanfechtung keiner gesonderten Erklärung bedarf. Daher waren die beantragten Zinsen zuzusprechen, § 308 Abs. 1 ZPO.
Damit kommt es auf die durch Sachverständigengutachten erörterte Beweisfrage, ob am 09.12.2009 eine Unterbilanz der Insolvenzschuldnerin vorgelegen hat, nicht an. Der Rechtsstreit war daher entscheidungsreif.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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