Bankrecht

Kein Rückabwicklungsanspruch hinsichtlich der Finanzierung eines BMW X1 sDrive wegen unwirksamen Widerrufs des Darlehensvertrages

Aktenzeichen  29 O 7151/19

Datum:
25.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 48113
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 355, § 356b Abs. 2 S. 1, § 491 Abs. 1, § 492 Abs. 2, § 495 Abs. 1
EGBGB Art. 247 § 2, § 7 Nr. 3
RL 2008/48/EG Art. 5 Abs. 1, Art. 10

 

Leitsatz

1. Die verwendeten “Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite” sind als Teil des Darlehensvertrags in der Vertragsurkunde selbst enthalten. Sie befanden sich  für den Verbraucher leicht auffindbar und übersichtlich gestaltet gleich auf den ersten Seiten der Vertragsunterlagen, sodass der Voraussetzung einer “klaren und verständlichen” Angabe Genüge getan ist.  (Rn. 26 – 27) (red. LS Andy Schmidt)
2. Der Verbraucher wurde ausreichend auf die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung hingewiesen. Die Angabe einer konkreten Berechnungsformel ist neben der Nennung einer Obergrenze nicht erforderlich. Dem Gesetz selbst ist nicht zu entnehmen, dass eine konkrete Formel anzugeben wäre. Gefordert wird vielmehr die “Angabe der Berechnungsmethode”. Maßgeblich ist dabei nach dem Willen des Gesetzgebers, dass der Verbraucher die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nachvollziehen und seine Belastung im Fall einer vorzeitigen Darlehensablösung zutreffend abschätzen kann. Nach diesen Grundsätzen ist es ausreichend, wenn ein Darlehensgeber in seinem Vertrag auf die vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen verweist und die für eine Berechnung maßgeblichen Faktoren aufzählt.  (Rn. 30 – 33) (red. LS Andy Schmidt)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 73.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht München I ist infolge des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Wuppertal zuständig, § 281 ZPO.
I.
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag vom Oktober 2016 um Verbraucherdarlehen im Sinne des § 491 Abs. 1 BGB (in der bei Vertragsschluss maßgeblichen Fassung v. gültig ab 21.03.2016 bis 09.06.2017) handelt, sodass der Klagepartei ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB (in der entsprechenden Fassung) zustand.
2. Die Widerrufsfrist war jedoch bei Erklärung des Widerrufs längst abgelaufen.
Soweit sich die Klagepartei darauf beruft, dass sich ein Widerrufsrecht daraus ergebe, dass weder über das Widerrufsrecht noch die Pflichtangaben in deutlicher Form belehrt worden sei, folgt ihr das Gericht nicht.
Die „Europäische Standardinformation für Verbraucherkredite“ sowie die „Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag“ (Anlage K 1) wurden hier als Teil des Darlehensvertrags ausgehändigt und sind damit selbst Bestandteil dieses Vertrages. Dies ist schon klar aus der Durchnummerierung der Seitenangaben erkennbar. Dass die Klagepartei den Darlehensvertrag nur auszugsweise vorlegt und sich insoweit darauf beruft, dass nur der Darlehensantrag den eigentlichen Vertrag darstelle, da nur dieser unterschrieben sei, ist unschädlich. Die Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite, Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag als auch die ADB sind Bestandteil des Darlehensvertrages und durch die fortlaufende Nummerierung fest mit dem Darlehensantrag verbunden. Der Umstand, dass die vorvertraglichen Informationen oder die ADB nicht unterschrieben sind, ist unschädlich. Die Angaben liegen daher keineswegs nur in (separaten) vorvertraglichen Informationen oder in sonstigen Dokumenten vor, sondern sie sind in der Vertragsurkunde selbst enthalten. Sie befinden sich zudem für den Verbraucher leicht auffindbar und übersichtlich gestaltet gleich auf den ersten Seiten der Vertragsunterlagen, sodass der Voraussetzung einer „klaren und verständlichen“ Angabe Genüge getan ist. Die Ausführungen des EuGH in der Rs. C-42/15 sind daher hier schon gar nicht einschlägig, da sie sich auf die Erteilung von Angaben in separaten Dokumenten beziehen (siehe dort Rn. 33 sowie die Schlussanträge der Generalanwältin, Rn. 52).
Insoweit schließt sich die Einzelrichterin auch den Ausführungen des 19. Senats des OLG München, Beschluss v. 07.11.2018, Az. 19 U 2893/18 an:
„Der Senat hat bereits dargelegt, dass Europäische Standardinformationen,
Darlehensantrag, Widerrufsinformation und allgemeine Darlehensbedingungen Bestandteil des streitgegenständlichen Darlehensvertrages i.S.d. §§ 356 b Abs. 2 S. 1, 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 §§ 6 -13 EGBGB a.F. geworden sind (Hinweis vom 01.10.2018, [..]), worauf die Gegenerklärung indes nicht weiter eingeht. Das Argument der Gegenerklärung, das Muster für die ‘Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite’ sei als Muster für die vorvertragliche Information entworfen worden und dürfe deshalb nicht als Erfüllung vertraglicher Informationspflichten herangezogen worden geht fehl und liefe auf reine Förmelei hinaus. Zwar ist das Muster ‘Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite’ grundsätzlich für die Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflichten gedacht (§ 491 a Abs. 1 BGB, Art. 247 § Art. 1f EGBGB i.Vm. Musteranlage 4 zu Art. 247 EGBGB § 2 a.F. bzw. Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 23. April 2008). Dies hinderte die Beklagte jedoch nicht daran, seinen Inhalt und die darin erteilten Angaben zur Vermeidung von Doppelungen durch Integration in den späteren Darlehensvertrag auch zum Inhalt desselben zu machen und damit ihre Pflichten nach § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 §§ 6-13 EGBGB a.F. zu genügen (so offensichtlich auch: OLG Braunschweig, Beschluss vom 19.07.2017 – 9 U 105/16). Dem stehen auch nicht die Regelungen der Art. 5, 10 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 entgegen (vgl. Auch Erwägungsgründe 19 ff., 31) “ (Anlage B 23).
Soweit die Klagepartei geltend macht, es seien zwar die Allgemeinen Darlehensbedingungen (ADB), jedoch nicht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ausgehändigt worden, fehlt es an jeglichem Vortrag, welche weiteren maßgeblichen Klauseln sich in diesen AGB befinden sollen. Derartige AGB sind auch sonst nicht ersichtlich, insbesondere fehlt es in den Vertragsunterlagen an jeglicher entsprechender Bezugnahme. Die Überreichung sämtlicher etwaiger seitens der Beklagten verwendeten AGB war in keinem Fall erforderlich.
a) Die Klagepartei hat auch sämtliche erforderlichen Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6-13 EGBGB a.F. ordnungsgemäß erhalten. Die von der Klagepartei gerügten Fehler liegen nicht vor.
aa) Die Beklagte hat ordnungsgemäß auf das Recht zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehensbetrages und die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung hingewiesen, Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB a.F.. Die erforderlichen Angaben befinden sich unter Ziffer 4 der „Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite“ (Anlage B 3). Sie befinden sich weiter unter Ziffer 4.3 der ADB der Beklagten, auf welche im Darlehensantragsformular auf Seite 5 unter „Ausbleibende Zahlungen“ auch ganz konkret hingewiesen wird.
Für den Verbraucher ist aus diesen Angaben deutlich ersichtlich, wo die Obergrenze für eine mögliche Vorfälligkeitsentschädigung liegt. Von der Klagepartei wurde nicht vorgetragen und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass diese pauschalierte Obergrenze den Verbraucher unangemessen benachteiligen würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach dem Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie die Vorfälligkeitsentschädigung unter anderem einen Schadensersatzanspruch des Kreditgebers erfasst, den er dadurch erleidet, dass er Kosten zur Refinanzierung des Darlehens hat, ihm aber Zinsansprüche, auf die er bei Darlehen mit fester Laufzeit und gebundenem Sollzinssatz vertrauen durfte, entgehen. Zusätzlich sollen durch die Vorfälligkeitsentschädigung auch die Bearbeitungsgebühren, die dem Darlehensgeber durch die vorzeitige Rückzahlung entstehen, abdeckt sein (vgl. BT-Drs. 16/11643, S. 87). Die im Vertrag genannte Pauschale in Höhe von 75,00 EUR bezieht sich offensichtlich auf sämtliche Ersatzansprüche, die die Beklagte im Zusammenhang mit der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens geltend machen kann. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass die im Vertrag genannte Obergrenze in Höhe von 75,00 EUR unangemessen wäre. Sie ist daher auch nicht geeignet, den Verbraucher falsch zu informieren und ohne Grund von der Ausübung seines Rechts auf vorzeitige Darlehensrückführung abzuhalten. Zudem steht es dem Darlehensnehmer nach den Angaben im Vertrag auch offen, einen geringeren Betrag nachzuweisen.
Die Angabe einer konkreten Berechnungsformel war neben der Nennung einer Obergrenze hingegen nicht erforderlich. Schon dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass hier eine konkrete Formel anzugeben wäre. Gefordert wird vielmehr nur die „Angabe der Berechnungsmethode“. Maßgeblich ist dabei nach dem Willen des Gesetzgebers, dass der Verbraucher die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nachvollziehen und seine Belastung im Fall einer vorzeitigen Darlehensablösung zutreffend abschätzen kann (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, BT-Drs. 16/11643, S. 87). Nach diesen Grundsätzen ist es ausreichend, dass die Beklagte in ihrem Vertrag auf die vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen verwiesen und die für eine Berechnung maßgeblichen Faktoren aufgezählt hat. Für den Verbraucher ist aus den Angaben der Beklagten klar ersichtlich, welche Faktoren bei der Berechnung der Entschädigung von Bedeutung sind und wo die Obergrenze der Vorfälligkeitsentschädigung liegt. Er kann daher seine maximale finanzielle Belastung für den Fall der vorzeitigen Darlehensrückführung zuverlässig abschätzen.
Die Beklagte kann sich zudem auf den Musterschutz gemäß Art. 247 § 2 Absatz 1, Absatz 3 Satz 1 i.V.m. Anlage 3 bzw. Anlage 4 EGBGB a.F. berufen. Sie hat den Gestaltungshinweis in Ziffer 4 des Musters der Anlage 3 bzw. Anlage 4 zu Art. 247 § 2 Abs. 1 EGBGB a.F. richtig umgesetzt. Dort heißt es, dass die Festlegung der Entschädigung (Berechnungsmethode) gemäß § 502 BGB einzufügen ist. Insoweit hat die Beklagte den von ihr geforderten Entschädigungsbetrag in Höhe von 50,00 bzw. 75,00 EUR korrekt eingesetzt. Zudem hat sie erläutert, dass sich der Betrag auch noch unter den Voraussetzungen des § 502 Abs. 3 BGB reduzieren könne, wobei sie die dort dargestellte Berechnungsmethode korrekt wiedergegeben hat. Eine weitergehende Berechnungsmethode enthält § 502 BGB nicht. Von der Beklagten kann nicht gefordert werden, dass sie Angaben macht, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen.
bb) Der streitgegenständliche Darlehensvertrag enthält die nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB erforderlichen Angaben zur Art des Darlehens. Die Beklagte hat im Rahmen der erteilten Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite (Anlage B 3, S. 1) unter Punkt 2, Stichpunkt Kreditart mitgeteilt, dass es sich vorliegend um einen Ratenkredit mit gleichbleibenden Monatsraten, erhöhter Schlussrate und festem Zinssatz handelt. Dieser Hinweis entspricht dem Muster aus Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB. Der Hinweis war schon vor diesem Hintergrund ausreichend. Daneben finden sich unter Punkt 1 und 3 auf S. 4 der Darlehensunterlagen unter dem Punkt „Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag“ weitere Angaben (Anlage K 1, S. 4). Weitere Angaben waren entgegen des Klägers nicht erforderlich.
3. Auf die Fragen des Rechtsmissbrauchs und der Verwirkung sowie einer etwaigen Wertersatzpflicht der Klagepartei kommt es daher schon nicht mehr an.
Verzug der Beklagten scheidet schon mangels wirksamen Widerrufs der Klagepartei aus.
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
III.
Über die Hilfswiderklage war mangels Bedingungseintritt nicht zu entscheiden.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
V.
Der Streitwert wurde gemäß §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO in Höhe des Nettodarlehensbetrages zuzüglich dem Wert der Anzahlung festgesetzt. Die Klagepartei begehrt, so gestellt zu werden, als hätte sie den finanzierten Autokaufvertrag niemals abgeschlossen.


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