Bankrecht

Keine Haftung des Kommanditisten zur Deckung von Masseverbindlichkeiten

Aktenzeichen  1 HK O 1633/18

Datum:
18.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2018, 2664
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 54, § 55
HGB § 128, § 161 Abs. 2, § 171 Abs. 1, Abs. 2, § 172 Abs. 4

 

Leitsatz

Der Forderungseinzug nach §§ 171, 172 HGB darf nicht dazu dienen, Masseverbindlichkeiten zu tilgen. (Rn. 22 – 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der Klägerin steht die begehrte Zahlung nebst Zinsen nicht zu.
Die Klägerin kann die Zahlung des im Antrag geltend gemachten Betrages aus abgetretenem Recht nicht unter dem Gesichtspunkt der gemäß §§ 161 Abs. 2, 128, 171 Abs. 1 und 2, 172 Abs. 4 HGB wiederaufgelebten Haftung verlangen.
Zutreffend weist die Beklagte unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Schleswig (Urt. v. 07.09.2016, Az. 9 U 9/16) darauf hin, dass die Klägerin nach §§ 161 Abs. 2, 128, 171 Abs. 1 HGB nicht zum Einzug von Forderungen aus §§ 54, 55 InsO berechtigt ist. Die Masseunterdeckung darf nicht durch Forderungseinzug nach §§ 171, 172 HGB behoben werden. Erforderlich sind Forderungen der Gläubiger, zu deren Befriedigung entsprechende Zahlungen erforderlich sind.
Die klageseits gewählte Konstruktion einer GbR zum Einzug der Forderungen gemäß §§ 161 Abs. 2, 128, 171 Abs. 1 und 2, 172 Abs. 4 HGB führt indes dazu, dass die von der Klägerin verlangten Zahlungen gerade der Befriedigung von Forderungen aus §§ 54, 55 InsO dienen werden – zumindest hat die Klägerin das nicht qualifiziert in Abrede gestellt.
1. Die Klägerin hat zwar dargetan, dass die Masse zur Begleichung der Massekosten im Insolvenzverfahren über das Vermögen der … GmbH & Co. KG ausreichen wird. In Bezug auf das Insolvenzverfahren über das Vermögen der … UG (haftungsbeschränkt) & Co. R. KG ist das aber gerade nicht der Fall. Hier haben nach dem Vortrag der Klägerin Insolvenzgläubiger Forderungen in Höhe von € 6.943.091,45 zur Insolvenztabelle angemeldet, woraus bislang Forderungen in Höhe von € 1.859.545,30 festgestellt, Forderungen in Höhe von € 278.445,65 bestritten und Forderungen in Höhe von € 4.805.100,50 zurückgenommen worden sind (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 26.04.2018 unter Bezugnahme auf Anlagen K 4 und K 5 – unveränderter Stand zuletzt gemäß Schriftsatz vom 11.10.2018). Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass mit Stand 21.06.2018 eine Insolvenzmasse in Höhe von € 660.807,89 existiert habe (vgl. Schriftsatz vom 19.07.2018); im Schriftsatz vom 11.10.2018 teilt die Klägerin mit, der aktuelle Stand betrage 639.316,30 €. Die voraussichtlichen Masseverbindlichkeiten hat die Klägerin trotz des dahingehenden Hinweises der Kammer mit Verfügung vom 24.07.2018 (vgl. Bl. 83 d. A.) nicht vorgetragen. Es liegt auch nahe, dass die Masse in diesem Insolvenzverfahren gerade nicht zur Befriedigung der Masseverbindlichkeiten ausreichen wird. Denn im Insolvenzverfahren über das Vermögen der … GmbH & Co. KG prognostizierte die Klägerin vorrangig zu begleichenden Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten nach §§ 54, 55 InsO in Höhe von etwa einer Million Euro (vgl. Schriftsatz vom 19.07.2018). Wenn die Masseverbindlichkeiten im Insolvenzverfahren über das Vermögen der … (haftungsbeschränkt) & Co. R. KG auch nur ansatzweise diese Größenordnung erreichen werden, wird die vorhandene Insolvenzmasse in Höhe von € 660.807,89 nicht im Ansatz zur Tilgung der Massekosten ausreichen. Jedenfalls hat die Klägerin nicht qualifiziert in Abrede gestellt, dass die Masse zur Tilgung der Masseverbindlichkeiten gerade nicht ausreichen würde, obwohl ihr nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast der Vortrag hierzu oblag.
2. Die Klage stellt sich auch nicht unter dem Aspekt als begründet oder teilweise begründet dar, dass die Masse zur Begleichung der Massekosten im Insolvenzverfahren über das Vermögen der … GmbH & Co. KG ausreichen wird. Denn die Kläger haben über die GbR ein Konstrukt gewählt, das ihnen die Entscheidung darüber überlässt, welche Gelder für welchen Zielfonds verwendet werden. Es steht konkret im Raum, dass die Kläger die eingenommenen Rückzahlungen der Liquiditätsausschüttungen vorrangig dafür verwenden, um zunächst die Masseverbindlichkeiten beider Zielfonds zu tilgen, und erst danach Gläubiger zu befriedigen. Daran ändert sich entgegen der Auffassung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2018 auch nichts durch die insolvenzgerichtliche Aufsicht über die Gesellschafter der Klägerin. Denn diese beschränkt sich auf die Verwendung derjenigen Gelder, welche die GbR den einzelnen Insolvenzverwaltern zuweist. Auf das Handeln der GbR selbst hat das Insolvenzgericht hingegen keinen Einfluss. Auf Vorhalt der möglichen Verwendung der eingeklagten Rückzahlungen zur Tilgung von Masseverbindlichkeiten erklärte der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2018, dass dies die Beklagte nicht zu interessieren brauche. Sie werde bereits durch eine Zahlung auf eine der von beiden Insolvenzverwaltern vertretenen Gläubigeransprüche an die GbR enthaftet, die Entscheidung über den Einsatz der Gelder obliege dann der GbR. Diese Argumentation geht indes fehl. Die Klägerin kann keine Zahlung beanspruchen, deren Verwendung zu ihrer freien Verfügung steht. Sie kann möglicherweise Zahlungen konkret bezogen auf den Zielfonds verlangen, bei welchem die bereits vorhandene Masse zur Tilgung der Masseverbindlichkeiten ausreicht; nicht aber zu ihrer freien Verwendung. Mit anderen Worten: Ansprüche gegen die Beklagte stehen nur dem Insolvenzverwalter Sch. zu. Dieser kann den Anspruch möglicherweise an Dritte (hier: die Klägerin) abtreten; sofern er aber dabei nicht sicherstellt, dass am Ende die eingenommenen Gelder definitiv dem Zielfonds zugutekommen, welcher tatsächlich aktivlegitimiert ist, eröffnet er der Beklagten die Möglichkeit, sich darauf zu berufen, dass die verlangten Beträge nicht geltend gemacht werden dürfen, um Forderungen aus §§ 54, 55 InsO zu befriedigen – weder bei dem Zielfonds, welcher die Zahlungen beanspruchen kann, und erst recht nicht bei einem anderen. Dies gilt insbesondere, solange die Klägerin im Widerspruch zur Rechtslage auf dem Standpunkt steht, ihre beiden Gesellschafter könnten jeweils die streitgegenständliche Summe beanspruchen.
II.
Die beantragte Frist zur Stellungnahme auf den Schriftsatz der Beklagten vom 10.10.2018 war der Klägerin nicht zu gewähren. Abgesehen davon, dass das dortige Vorbringen ohnehin nicht entscheidungsreif war und in der Entscheidung auch nicht zugrunde gelegt wurde, gestattet § 283 ZPO nur Schriftsatznachlass auf verspätetes Vorbringen des Gegners. Um solches handelte es sich bei dem Schriftsatz der Beklagten vom 10.10.2018 indes nicht. Die Frist des § 132 ZPO war gewahrt. Soweit die Klägerin den Schriftsatz ohne Anlagen erhalten hat, hat die Kammer festgestellt, dass ihr diese ohnehin schon vorlagen mit Ausnahme einer einzelnen Anlage, welche der Beklagtenvertreterin im Termin gem. § 137 Abs. 3 ZPO zurückgegeben wurde (vgl. hierzu Zöller/Greger 32. Aufl. § 132 Rn. 4).
III.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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