Bankrecht

Kündigungsrecht von Bausparkassen gem. § 489 Abs. 1 S. 2 BGB

Aktenzeichen  63 O 1317/15

Datum:
4.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 104584
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 489 Abs. 1 S. 2
BauSparkG § 1 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Bausparkassen können einen Bausparvertrag nach Ablauf von zehn Jahren gem. § 489 Abs. 1 S. 2 BGB nach dem vollständigen Empfang und der Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen. § 489 BGB gilt für alle Arten von Darlehensverträgen und demzufolge auch für Bausparverträge, die sich in der Ansparphase befinden. § 489 ist nicht auf Verbraucher beschränkt. Es handelt sich vielmehr um eine vom Gesetzgeber in das allgemeine Darlehensrecht und nicht in die Verbraucherkreditregelungen aufgenommene Schuldnerschutzbestimmung ohne Einschränkung des personellen Anwendungsbereichs. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Kündigungsrecht der Bausparkasse ist nicht nach § 9 Abs. 1 ABB der Beklagten ausgeschlossen. Zwar kann die Bausparkasse den Bausparvertrag gem. § 9 Abs. 1 ABB nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Diese Vorschrift betrifft jedoch allenfalls das Kündigungsrecht der Bausparkasse nach § 488 Abs. 3 BGB und nicht das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, da dieses gem. § 489 Abs. 4 S. 1 BGB zwingend ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.635,42 festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Den Klägern steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Feststellung dahingehend zu, dass die Bausparverträge mit den Nrn. … und … über den 20.08.2015 hinaus fortbestehen und die Kündigung der Beklagten vom 16.02.2015 unwirksam ist, denn die Beklagte hat die streitgegenständlichen Verträge wirksam gem. § 489 I Nr. 2 BGB zum 20.08.2015 gekündigt.
1. Grundsätzlicher Zweck des Bausparvertrages ist nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens, § 1 I ABB (vgl. Anlage B 4 der Akte). Es handelt sich um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Zunächst wird vom Bausparer bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben angespart. Hierfür erhält er die vereinbarte Guthabensverzinsung. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen. Der Bausparer ist jedoch nicht verpflichtet, nach Zuteilung das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen. Während der Ansparphase handelt es sich um einen Darlehensvertrag, in welchem der Kläger Darlehensgeber und die Beklagte Darlehensnehmerin ist. Es wird einheitlich die Meinung vertreten, dass in dem Bausparvertrag ein einheitlicher Darlehensvertrag dahingehend zu sehen ist, dass die Bausparkasse und der Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen. Die Einlagen des Bausparers stellen daher ein Darlehen an die Beklagte dar, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist.
Somit unterliegt der Bausparvertrag – unter Berücksichtigung von vertragsspezifischen Besonderheiten – den darlehensvertraglichen Bestimmungen der §§ 488 ff BGB. Das Gericht schließt sich der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung an, dass für die beklagte Bausparkasse das Kündigungsrecht nach § 489 I S. 2 BGB gilt. Nach dieser Norm kann der Darlehensnehmer einen Darlehensbetrag mit gebundenem Sollzins in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang und der Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen. Der Zweck der Vorschrift liegt im Interessenausgleich und im Schutz des Darlehensnehmers. Durch die Vorschrift sollen marktgerechte Zinsen ermöglicht werden. Die Vorschrift gilt für alle Arten von Darlehensverträgen, demzufolge auch für das hier vorliegende Darlehen aus dem Bausparvertrag. Die Vorschrift des § 489 I Nr. 2 BGB ist nicht auf Verbraucher beschränkt. Sie steht vielmehr auch anderen Darlehensnehmern und mithin auch der Beklagten zu. Denn § 489 BGB enthält keine Einschränkungen in personeller Hinsicht. Es handelt sich vielmehr um eine vom Gesetzgeber in das allgemeine Darlehensrecht und nicht in die Verbraucherkreditregelungen aufgenommene Schuldnerschutzbestimmung ohne Einschränkung des personellen Anwendungsbereichs (vgl. hierzu insbesondere OLG Koblenz, Beschluss v. 18.01.2016, Az: 8 U 1064/15; Beschluss des OLG Hamm v. 30.12.2015, Az: 31 U 191/15 mit weiteren dort genannten Nachweisen).
Das Kündigungsrecht der Beklagten ist auch nicht nach § 9 I ABB der Beklagten ausgeschlossen. Zwar kann die Bausparkasse den Bausparvertrag gem. § 9 I ABB nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Diese Vorschrift betrifft jedoch allenfalls das Kündigungsrecht der Beklagten nach § 488 III BGB. Denn das Kündigungsrecht nach § 489 I Nr. 2 BGB ist nicht abdingbar. Vielmehr ist die betreffende Vorschrift zwingend. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig. Dies folgt aus § 489 IV S. 1 BGB. Darin heißt es, dass das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach Abs. I und II nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden kann (vgl. hierzu insbesondere OLG Koblenz, Beschluss v. 18.01.2016, Az: 8 U 1064/15; Beschluss des OLG Hamm v. 30.12.2015, Az: 31 U 191/15 mit weiteren dort genannten Nachweisen).
2. Die Voraussetzungen des § 489 I Nr. 2 BGB sind vorliegend gegeben; insbesondere ist der vollständige Empfang der Darlehensvaluta im Sinne des § 489 I Nr. 2 BGB gegeben.
In einem Bausparfall steht der vollständige Empfang der Darlehensvaluta im Sinne des § 489 I Nr. 2 BGB der eingetretenen Zuteilungsreife gleich. Bereits mit erstmäligem Eintritt der Zuteilungsreife ist das für den Bausparvertrag charakteristische Ziel der Vertragsparteien erreicht; gem. § 1 II S. 1 BauSparkG erwirbt der Bausparer nach Leistung von Bauspareinlagen, also durch einseitiges Tun, einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens. Zweck des Bausparvertrages ist es folglich nicht, die dauerhafte zinsgünstige Anlage von Geld, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens. Mit erstmaligen Eintritt der Zuteilungsreife ist es dem Bausparer überlassen und es liegt allein in seiner Hand, seinen Anspruch auf Erhalt der Bausparsumme geltend zu machen. Für die Beklagte realisiert sich im Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilungsreife das durch § 489 I Nr. 2 BGB geschützte Risiko der Bindung an den vereinbarten Zinsen über die Dauer von zehn Jahren. Der Bausparer ist zwar zur Inanspruchnahme des Bauspardarlehens nicht verpflichtet; des Weiteren kann er seinen Bausparvertrag trotz Zuteilungsreife fortsetzen und weiter besparen. Wie oben angegeben, entspricht die „überlange“ Besparung eines Bausparvertrages jedoch nicht dem Zweck des Bausparvertrages, nämlich der Erlangung eines (aus Sicht bei Vertragsabschluss zinsgünstigen) Darlehens. Demzufolge kann die Dauer der Ansparphase nicht in das uneingeschränkte Belieben des Bausparers gestellt werden. Damit könnte er in Niedrigzinsphasen den Bausparvertrag zweckentfremden, nämlich ihn dazu nutzen, die bei Abschluss des Vertrags versprochenen, nicht mehr marktgerechten Zinsen für die einbezahlte Valuta für eine von ihm zu bestimmende Zeit zu generieren.
Unter Berücksichtigung des vorgenannten Zwecks des § 489 I S. 2 BGB, bei dem es sich um eine Schuldnerschutzvorschrift zu Gunsten des Darlehensnehmers, hier der beklagten Bausparkasse, handelt, ist es interessengerecht, auf den Zeitpunkt des Eintritts der Zuteilungsreife als den „vollständigen Empfang“ des Darlehens durch die Bausparkasse abzustellen (vgl. hierzu insbesondere OLG Koblenz, Beschluss v. 18.01.2016, Az: 8 U 1064/15; Beschluss des OLG Hamm v. 30.12.2015, Az: 31 U 191/15 mit weiteren dort genannten Nachweisen).
Nach alledem sind die geltend gemachten Feststellungsanträge unbegründet. Gleiches gilt für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufig Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
III.
Der Streitwert wird auf 10.635,42 € festgesetzt. Der Wert einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung bemisst sich nach dem objektiv zu ermittelnden wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Fortführung des Vertrages. Bei der vorliegenden Klage auf Feststellung des Fortbestehens des Bausparvertrages kommt es dabei zum einen maßgeblich auf den Wert der Leistung an, welche der Kläger sich damit erhalten will; mithin die zu erwartende Verzinsung, die in Anlehnung an § 9 Abs. 1 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezugs einzusetzten ist (730,34 € (Vertrag 1) + 241,57 € (Vertrag 2) + 1.325,40 € (Vertrag 3) = 2.297,31 €). Zum anderen aber auch mit dem Wert des Bauspardarlehens, welches die Klägerin bei Fortbestehen des Darlehensvertrages in Anspruch nehmen könnte (3.270,19 € (Vertrag Nr. 1) + 2.352,04 € (Vertrag Nr. 2) + 2.715,88 (Vertrag Nr. 3) = 8.338,11 €) (vgl. u.a. LG Ellwangen (Jagst), Urteil vom 12.10.2015, 5 O 222/15).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze bemisst sich der Streitwert auf 2.297,31 € + 8.338,11 € = 10.635,42 €.


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