Bankrecht

Pflichtangaben in Verbraucherdarlehensvertrag

Aktenzeichen  5 U 3796/19

Datum:
16.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46322
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 314, § 492 Abs. 2
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5

 

Leitsatz

Die Information über das Kündigungsverfahren bei der gesetzlichen außerordentlichen Kündigung des Darlehensnehmers stellt bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB keine Pflichtinformation iSv § 492 Abs. 2 BGB dar. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

35 O 16724/18 2019-04-29 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 29.04.2019, Aktenzeichen 35 O 16724/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.341,29 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche nach Widerruf eines Darlehensvertrags, den sie zur Finanzierung eines Pkws geschlossen hatte, geltend.
Der Darlehensvertrag datiert vom 28.10.2015 (vgl. Anl. K 1), der Widerruf erfolgte am 30.03.2018 (Anl. K 3). Wegen der weiteren Einzelheiten, auch der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Widerruf sei verfristet gewesen, da die Widerrufsfrist im Zeitpunkt des Widerrufs bereits gewesen abgelaufen sei. Die Klägerin habe alle gemäß § 492 Abs. 2 BGB a.F. erforderlichen Pflichtangaben erhalten. Die Widerrufsinformation, insbesondere auch im Punkt „Widerrufsfolgen“, sei ordnungsgemäß. Der Klägerin sei eine Abschrift ihres schriftlichen Antrags zur Verfügung gestellt worden.
Gegen dieses Urteil, das ihr am 21.06.2019 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Klägerin, die sie am 16.07.2019 eingelegt und mit am 20.08.2019 eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und führt aus, ihr seien die Vertragsunterlagen nicht zur Verfügung gestellt worden. Die Widerrufsbelehrung sei auch fehlerhaft, weil die Angabe des Tageszinses von 0,00 € für den Fall des Widerrufs verwirrend sei. Auf die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion des Musters könne sich die Beklagte nicht berufen. Die Beklagte habe unzureichend über Pflichtangaben belehrt. Dem Darlehensnehmer werde die Prüfung auferlegt, ob er Verbraucher sei oder nicht. Der Darlehensvermittler sei nicht genannt. Die Angaben zum Verzugszinssatz seien unzureichend. Eine Methode zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung und die zuständige Aufsichtsbehörde seien nicht bzw. fehlerhaft angegeben. Die Beklagte habe auch ein unzulässiges Aufrechnungsverbot in ihren AGB vereinbart. Der Darlehensvertrag sei nicht klar und verständlich.
Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I, Az.: 35 O 16724/18 zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 25.280,71 nebst 5,0%-Punkte Zinsen p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs … mit der Fahrgestellnummer … von der Klägerin an die Beklagte.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs … mit der Fahrgestellnummer … in Verzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe EUR 1.430,38 nebst 5,0%-Punkte über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 26.08.2019 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da das Landgericht zu Recht von einer im Zeitpunkt des Widerrufs bereits abgelaufenen Widerrufsfrist ausgegangen sei.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.09.2019 jeweils unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens eingewandt, dass das OLG Stuttgart und das OLG Köln in Parallelverfahren die Revision zugelassen hätten. Sie beantrage daher ausdrücklich nochmals die Zulassung der Revision. Die Pflichtangabe des Verzugszinssatzes und der Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sei mit dem Hinweis „Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten“ nicht ausreichend. Auch das Landgericht München I folge inzwischen dieser Auffassung. Dieses habe ferner entschieden, dass auch die Belehrung über das Kündigungsrecht nicht ausreiche. Die Revision sei zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer Einheitlichkeit der Rechtsprechung zuzulassen.
Zur Ergänzung wird auf das landgerichtliche Urteil, den Hinweisbeschluss des Senats sowie die im Berufungsrechtszug eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.04.2019, Aktenzeichen 35 O 16724/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Die zulässige Berufung ist offensichtlich unbegründet. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt der Widerrufserklärung die Widerrufsfrist bereits abgelaufen war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Hinweisbeschluss vom 26.08.2019 Bezug genommen. Die weiteren Ausführungen der Klägerin mit Schriftsatz vom 05.09.2019 führen zu keiner geänderten Beurteilung.
1. Es trifft nicht zu, dass der Verzugszinssatz mit der (in der Tat bedenklichen und wohl unrichtigen) lapidaren Formulierung „Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten“ angegeben wäre. Vielmehr lautet die Formulierung: „Ausbleibenden Zahlungen können schwerwiegende Folgen für den Darlehensnehmer/Mitdarlehensnehmer haben (z.B. Zwangsverkauf) und die Erlangung eines Kredits erschweren.
Für ausbleibende Zahlungen werden die gesetzlichen Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr sowie ggf. Mahn-/Rücklastschriftgebühren gemäß dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank berechnet“ (vgl. Anl. K 1, Seite 5 von 11). Diese Darstellung entspricht, wie im Hinweisbeschluss des Senats bereits im einzelnen ausgeführt ist, dem Gesetzeswortlaut und ist nicht zu beanstanden.
2. Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Norm des § 314 BGB nicht ausdrücklich genannt werden muss, wenn – wie hier – auf das zusätzliche Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund hingewiesen wird (Ziff. 4.4 der ADB auf Seite 10 von 11, auf welche auf Seite 5 von 11 ausdrücklich Bezug genommen wird, sowie Ziff. 6 der „Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag“ auf Seite 4 von 11). Der Darlehensnehmer wird dadurch darüber informiert, dass ihm ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund zusteht. Auf den Umstand, dass eine solche Kündigung „fristlos“ wäre, musste die Beklagte nicht hinweisen. Es handelt sich hierbei nicht um eine einzuhaltende Modalität oder ein einzuhaltendes Verfahren, sondern um eine Rechtsfolge, nämlich dass eine Kündigung sofortige Wirkung entfalten würde (vgl. MüKoBGB/Gaier, 7. Aufl. 2016, § 314 BGB Rn. 22). Insbesondere handelt es sich nicht um die (Verfahrens-)Frage, innerhalb welcher Frist die Kündigungserklärung abzugeben wäre. Im Übrigen ist der Senat auch der Auffassung, dass über das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 314 BGB nicht belehrt werden muss. Die Information über das Kündigungsverfahren bei der gesetzlichen außerordentlichen Kündigung des Darlehensnehmers stellt bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB keine Pflichtinformation im Sinne von § 492 Abs. 2 BGB dar und ist damit – unabhängig davon, ob fehlerhafte Pflichtinformationen fehlenden gleichzustellen sind – für den Beginn der Widerrufsfrist nicht erforderlich. Art. 247 EGBGB dient der Umsetzung der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge, deren Ziel darin besteht, für Verbraucherkredite eine vollständige und obligatorische Harmonisierung in Schlüsselbereichen zu erreichen (Erwägungsgrund 7), die als notwendig erachtet wird, um allen Verbrauchern in der Union ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen und um die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten zu gewährleisten (Erwägungsgrund 9). Die Richtlinie sieht keine Mindeststandards vor, sondern bezweckt in ihrem Geltungsbereich die Schaffung einheitlicher Bedingungen für die angeführten Rechtsgeschäfte. Verbraucher und Darlehensgeber sollen davon ausgehen dürfen, dass innerhalb des Regelungsumfanges und Geltungsbereiches der Verbraucherkreditlinie einheitliche Regelungen gelten. Art. 10 Abs. 2 lit. s RiL 2008/48 lautet: Im Kreditvertrag ist in klarer und prägnanter Form Folgendes anzugeben: (…) die einzuhaltenden Modalitäten bei der Ausübung des Rechts auf Kündigung des Kreditvertrags. Diese Regelung umfasst nur das ordentliche Kündigungsrecht des Verbrauchers bei einem unbefristeten Kreditvertrag, nicht aber ein Recht zur fristlosen Kündigung eines Kredites mit begrenzter Laufzeit. Dies ergibt sich zum einen aus Art. 13 der Richtlinie, der lediglich regelt, dass “der Verbraucher einen unbefristeten Kreditvertrag jederzeit ordentlich kündigen kann, es sei denn, die Parteien haben eine Kündigungsfrist vereinbart”, während eine außerordentliche Kündigung des Vertrages darin keine Erwähnung findet. Ferner spricht der Wortlaut des Erwägungsgrunds 33 der RiL 2008/48/EG, wonach die Parteien das Recht haben sollen, „einen Kreditvertrag mit unbefristeter Laufzeit ordentlich zu kündigen”, für eine Beschränkung der Informationspflicht auf ordentliche Kündigungsrechte. Zudem wird im letzten Satz ausdrücklich erklärt, dass diese Richtlinie die innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Vertragsrechts betreffend die Rechte der Vertragsparteien, den Kreditvertrag aufgrund eines Vertragsbruchs zu beenden, nicht berührt. Eine Pflicht zur Angabe des Rechts auf außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrages lässt sich daher nicht Art. 10 Abs. 2 lit. s RiL 2008/48 entnehmen. Der Wortlaut des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB stellt auf die einzuhaltenden Modalitäten bei der Ausübung des Rechts auf Kündigung des Kreditvertrages ab und entspricht bis auf die Verwendung des Begriffs Verfahren statt Modalitäten der VerbrKrRL. Die Umsetzung in deutsches Recht führt nicht dazu, dass zwingend auch über das Verfahren bei der außerordentlichen Kündigung des Darlehensnehmers zu informieren ist. Eine Pflichtinformation über Bestehen und Modalitäten gesetzlicher außerordentlicher Kündigungsgründe wäre mit einer richtlinienkonformen Auslegung des Art. 247 § 6 Nr. 5 EGBGB nicht vereinbar (siehe OLG Köln, Urteil vom 29.11.2018 – 24 U 56/18; Herresthal, ZIP 2018, 756; Schön, BB 2018, 2116, OLG Stuttgart, Urteil v. 29.05.2019, 6 U 78/18 Rn.72 ff). Den Ausführungen der von der Klägerin zitierten landgerichtlichen Entscheidungen vermag sich der Senat daher nicht anzuschließen.
3. Dem Antrag der Klägerin auf Zulassung der Revision war nicht zu entsprechen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Umstand, dass eine Vielzahl von gleichgelagerten Klagen gegen die Beklagte anhängig gemacht wurden, gibt der Sache ebenso wenig grundsätzliche Bedeutung wie die Revisionszulassung durch andere Oberlandesgerichte. Es liegt auch kein Fall der Divergenz vor. Rechtskraftfähige Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte, von denen der Senat abweichen würde, sind hier nicht bekannt und auch nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt und wie hingewiesen in der Höhe des Nettodarlehensbetrags zuzüglich der Anzahlung festgesetzt.


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