Bankrecht

Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeugkaufvertrages

Aktenzeichen  22 O 11454/19

Datum:
13.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6327
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 488 Abs. 1 S. 2, § 494 Abs. 3, § 495, § 502 Abs. 3
EGBGB Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 256 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Vertragsbedingungen zum Anspruch des Kreditinstituts auf Vorfälligkeitsentschädigung genügen den Anforderungen des Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB, wenn der Verbraucher diesen Angaben entnehmen kann, welche Faktoren bei der Berechnung der Entschädigung berücksichtigt werden; die Angabe einer konkreten Berechnungsformel ist nicht erforderlich. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dies gilt insbesondere, wenn das Kreditinstitut die Vorschrift des § 502 Abs. 3 BGB in ihren Darlehensvertragsunterlagen zutreffend wiedergegeben hat, so dass der Darlehensnehmer seine maximale Belastung zuverlässig abschätzen kann. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Hat das Kreditinstitut in der Vertragsurkunde den Effektivzinssatz falsch angegeben, lässt dies den Lauf der Widerrufsfrist unberührt und kann allenfalls gemäß § 494 Abs. 3 BGB dazu führen, dass sich der Sollzinssatz um den Prozentsatz vermindert, um den der effektive Jahreszins zu niedrig angegeben wurde. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Kreditnehmer muss nach der Konzeption des Gesetzgebers nicht ein Dokument in den Händen halten, welches die Unterschrift beider Parteien – also auch seine eigene Unterschrift – enthält. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.

Gründe

I. Die Klage ist jedenfalls in den Klageanträgen Ziffern 2.) bis 4.) zulässig.
Ob hinsichtlich des Klageantrags Ziffer 1.) ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 ZPO besteht, kann dahinstehen, weil der Antrag jedenfalls unbegründet ist und das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nur für ein stattgebendes Urteil Sachurteilsvoraussetzung ist (vgl. BGH IX ZR 24/10 Rn. 14; BGH IV ZR 121/57).
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag um Verbraucherdarlehen handelt, da die Klagepartei Verbraucher gemäß § 13 BGB ist, sodass ihr ein Widerrufsrecht gemäß §§ 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 Abs. 1 BGB zustand.
2. Die 14 tägige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB war jedoch bei Darlehenswiderruf im März 2018 bereits abgelaufen, da der Vertragsabschluss bereits im September 2014 erfolgte.
3. Gemäß § 492 Abs. 2 BGB muss der Vertrag die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des EGBGB enthalten. Enthält bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag die dem Darlehensnehmer Verfügung gestellte Urkunde die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB nicht, beginnt die Frist erst mit Nachholung dieser Angaben (§ 492 Abs. 6 BGB), wobei die Widerrufsfrist dann einen Monat beträgt.
Vorliegend enthielten die der Klagepartei zur Verfügung gestellten Darlehensvertragsurkunden die in Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB und Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 vorgeschriebenen Pflichtangaben.
3.1. Allgemein fordert das Gesetz für die Information des Verbrauchers über die Pflichtangaben, dass diese im Verbraucherdarlehensvertrag „klar und verständlich“ enthalten sein müssen (§ 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1 EGBGB). Die Frage, ob Pflichtangaben „klar und verständlich“ formuliert sind, ist aus dem Horizont eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers zu beurteilen (BGH, Urteil vom 23.02.2016, XI ZR 101/15, NJW 2016, 1881, Rn. 33 f.).
Der Vertrag besteht vorliegend aus 13 Seiten, die fortlaufend nummeriert sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Einheit einer Urkunde selbst bei fehlender körperlicher Verbindung gewahrt, wenn eine fortlaufende Paginierung vorliegt (BGH, XII ZR 234/95, juris). Damit sind auch die „Vertragsbedingungen der …“ Vertragsbestandteil.
Zudem müssen die Pflichtangaben nicht notwendig im Darlehensantragsformular selbst enthalten sein. Sie können vielmehr auch „klar und verständlich“ in allgemeinen Geschäftsbedingungen erteilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 4.7.2017, XI ZR 741/16). Die ADB, die hier ohnehin Bestandteil der Vertragsurkunde sind, sowie die „Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite“ und di Erläuterungen gemäß § 491 a Abs. 3 BGB wurden zudem durch den ausdrücklichen Hinweis unmittelbar vor der Unterschriftzeile auf Seite 4 in den Vertrag einbezogen, § 305 Abs. 2 BGB.
3.2. Entgegen der Ansicht des Klägers genügen die Ausführungen der Beklagten unter Teil I Ziffer 5 der Vertragsbedingungen unter „Vorzeitige Kreditrückzahlung“ zum Anspruch der Beklagten auf Vorfälligkeitsentschädigung den Anforderungen des Art. 247 § 7 I Nr. 3 EGBGB. Der Verbraucher kann diesen Angaben entnehmen, welche Faktoren bei der Berechnung der Entschädigung berücksichtigt werden. Daneben war die Angabe einer konkreten Berechnungsformel nicht erforderlich. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass hier eine konkrete Formel anzugeben wäre, vielmehr ist nur die „Angabe der Berechnungsmethode“ vorgeschrieben. Danach ist es ausreichend, dass die Beklagte in ihrem Vertrag auf die vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen verwiesen hat. Zudem ergibt sich die maximale Belastung des Darlehensnehmers aus der Berechnungsmethode des § 502 III BGB. Diese Vorschrift hat die Beklagte in ihren Darlehensvertragsunterlagen zutreffend wiedergegeben, so dass der Darlehensnehmer seine maximale Belastung zuverlässig abschätzen kann. Eine weitergehende Berechnungsmethode oder eine Berechnungsformel enthält § 502 III BGB nicht. Von der Beklagten kann nicht gefordert werden, dass sie Angaben macht, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen.
Die von der Klageseite geforderte Nennung einer konkreten Berechnungsmethode würde für den Verbraucher zudem keinen zusätzlichen Gewinn an Erkenntnissen bringen. Die überwiegend verwendete Aktiv-Passiv-Methode ist eine finanzmathematische Berechnungsformel, die den finanziellen Nachteil als Differenz zwischen den Zinsen, die der Darlehensnehmer bei Abnahme des Darlehens tatsächlich gezahlt hätte, und der Rendite darstellt, die sich aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der freigewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln ergibt. Der Differenzbetrag ist um die ersparte Risikovorsorge und die ersparten jährlichen Verwaltungsaufwendungen jeweils zu kürzen (vgl. BGH NJW 2018, 1812, Rn. 37). Der durchschnittliche Verbraucher ist nicht in der Lage, auf Grundlage dieser Formel Berechnungen durchzuführen. Dies gilt schon deshalb, weil die Formel Parameter, wie sichere Kapitalmarkttitel, enthält, die ständigen Marktschwankungen unterliegen.
Im Übrigen wird diesbezüglich auf die Entscheidungen des BGH vom 05.11.2019, Az. XI ZR 650/18 und XI ZR 11/19, verwiesen, wonach es im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode genügt, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt.
3.3. Auf das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung des Vertrages gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB wird ordnungsgemäß hingewiesen.
Auf das außerordentliche Kündigungsrecht der Klagepartei nach § 314 BGB wird in Teil I Ziffer 4 lit. c der AGB, die Bestandteil des Darlehensvertrages war, und auf die auf Seite 5 in dem Kasten „Hinweise“ unter der Überschrift „Bitte beachten Sie ferner die Hinweise zu“ ausdrücklich Bezug genommen wurde, deutlich hingewiesen. Dort ist unter der Überschrift „Kündigungsmöglichkeiten“ geregelt:
„(…)
c. Für beide Parteien: Im Falle der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses besteht für beide Parteien das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund (§§ 313, 314 BGB).“
Ein Hinweis auf die Formerfordernisse der Kündigungserklärung des Darlehensgebers und das Wirksamwerden der Kündigung mit Zugang der Kündigungserklärung war nicht erforderlich. Insoweit wird ebenfalls auf die Entscheidungen des BGH vom 05.11.2019, Az. XI ZR 650/18 und XI ZR 11/19, verwiesen.
3.4. Es kann dahinstehen, ob der Effektivzinssatz falsch angegeben ist, denn entscheidend ist nach den oben genannten Grundsätzen lediglich, dass die Informationen des Verbrauchers über die Pflichtangaben im Verbraucherdarlehensvertrag „klar und verständlich“ enthalten sein müssen (§ 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1 EGBGB). Soweit dies – wie hier – der Fall ist, ist ihre inhaltliche bzw. rechnerische Richtigkeit unbeachtlich. Denn dies kann allenfalls gemäß § 494 Abs. 3 BGB dazu führen, dass sich der Sollzinssatz um den Prozentsatz vermindert, um den der effektive Jahreszins zu niedrig angegeben wurde.
4. Die Voraussetzungen des § 356b Abs. 1 BGB sind ebenfalls erfüllt. Nach § 356b Abs. 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist nicht, bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde, den schriftlichen Antrag des Darlehensnehmers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Antrags zur Verfügung gestellt hat.
Zwar bezeichnet der Begriff „Vertragsurkunde“ nur das von beiden Vertragsparteien unterzeichnete schriftliche Original des Vertrags (BGH, Urteil vom 21.02.2017 – XI ZR 381/16). Nach § 356b Abs. 1 BGB genügt es jedoch für den Fristlauf, wenn dem Darlehensnehmer eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Antrags zur Verfügung gestellt worden ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass auch die „Abschrift“ unterzeichnet ist. In den Gesetzesmaterialien (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie v. 21.1.2009, BT-Drs. 16/11643, S. 80) wird hierzu ausgeführt:
„Eine Abschrift ist unabhängig von ihrer Herstellung jedes Dokument, das den Vertragsinhalt wiedergibt, ohne dass es besonderer förmlicher Zusätze, wie beispielsweise einer Unterschrift, bedarf. So ist Artikel 10 Abs. 1 Satz 2 der Verbraucherkreditrichtlinie zu verstehen, der von einer „Ausfertigung“ spricht.“
Das der Klagepartei ausgehändigten Exemplar der Vertragsunterlagen stellt eine Abschrift der Vertragserklärung der Klagepartei dar. Es gib unstreitig den Vertragstext wieder, welcher von der Klagepartei unterzeichnet worden ist. Nach Unterschriftsleistung der Klagepartei auf der für die Beklagte bestimmten Vertragserklärung dokumentiert das der Klagepartei überlassene Exemplar aber ihre Vertragserklärung und wird damit zur Abschrift ihres Vertragsantrags (vgl. BGH, Urteil vom 27.02.2018 – XI ZR 160/17). Der Kreditnehmer muss nach der Konzeption des Gesetzgebers nicht ein Dokument in den Händen halten, welches die Unterschrift beider Parteien – also auch seine eigene Unterschrift – enthält (vgl. OLG München, Beschluss vom 30.07.2018 – 17 U 1469/18).
5. Das Gericht hat – entsprechend der Vorgabe des BGH, wonach die Übereinstimmung von vorformulierten Widerrufsbelehrungen mit höherrangigem Recht eine Rechtsfrage ist und ohne Bindung an das Parteivorbringen zu untersuchen ist (BGH, Urteil vom 20.06.2017 – XI ZR 72/16) – die streitgegenständliche Widerrufsinformation auch über die von dem Kläger beanstandeten Passagen hinaus überprüft, indes keinen, den Lauf der Widerrufsfrist hindernden Fehler feststellen können.
Nach alledem ist die streitgegenständliche Widerrufsinformation nicht zu beanstanden, so dass der Klage kein Erfolg beschieden ist.
II. Kosten: § 91 ZPO.
III. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 S. 1 und 2 ZPO.


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