Bankrecht

Rückzahlung des Reisepreises mangels wirksamen Abschlusses eines Reisevertrages bei fehlender Einigung über den Abfahrtsort und den Zustiegspunkt

Aktenzeichen  262 C 2407/18

Datum:
6.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 10880
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 651a

 

Leitsatz

Haben die Parteien eines Reisevertrags weder einen Abfahrtsort, noch wenigstens einen ungefähren Zustiegszeitpunkt vereinbart, fehlt es an zwei für einen Reisevertrag unabdingbaren Regelungen, da es einen erheblichen Unterschied macht, wie weit man zum Zustiegszeitpunkt anreisen muss und ob man tagsüber oder über Nacht fährt. Ein Vertrag zwischen den Parteien ist dann nicht wirksam zustande gekommen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.254,60 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.12.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin durch Zahlung von 201,71 EUR von außergerichtlichen Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte … freizustellen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.254,60 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Hierüber war ohne Veranlassung zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung aufgrund des nicht nachgelassenen Schriftsatzes der Beklagtenseite vom 4.6.2018 zu entscheiden.
Die Klägerin kann von der Beklagten Rückzahlung des Reisepreises verlangen.
Dies ergibt sich schon daraus, dass ein wirksamer Reisevertrag zwischen den Parteien nicht geschlossen wurde.
Eine Einigung zwischen den Parteien über Abfahrtsort und -zeit hat nicht stattgefunden.
Diesbezüglich ist der zweiten Seite der Anlage K 2 zu entnehmen, dass Zustiegsmöglichkeiten „in der Nähe“ des Wohnorts des Kunden geschuldet sein sollten. Was unter „Nähe“ zu verstehen ist, bleibt unklar. Die Buchungsbestätigung enthält hierzu „Zustieg von PLZ Kreis 35 xxxD-35xxx-Gießen“.
Der Postleitzahlenbereich der mit 35 beginnt, erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung über mehr als 100 Kilometer und in Ost-West-Richtung auf zumindest 70 Kilometer.
Weder Letzteres noch die Bezeichnung „in der Nähe ihres Wohnorts“ ist ausreichend konkret, um Grundlage einer verbindlichen, vertraglichen Vereinbarung sein zu können.
Ebenso fehlt es an einer Bestimmung des Abreisezeitpunktes. Diesbezüglich findet sich weder im Prospekt der Beklagten, noch in der Buchungsbestätigung eine Regelung.
Da zwischen den Parteien weder Abfahrtsort, noch wenigstens ein ungefährer Zustiegszeitpunkt vereinbart waren, und es einen erheblichen Unterschied macht, wie weit man zum Zustiegszeitpunkt anreisen muss und ob man tagsüber oder über Nacht fährt, fehlt es an zwei für einen Reisevertrag unabdingbaren Regelungen, mit der Folge, dass ein Vertrag zwischen den Parteien nicht wirksam zustande gekommen ist.
Hieran ändert auch nichts, wenn der Prospekt der Beklagten die gemäß § 4 der BGB-InfoVO erforderlichen Angaben enthält, denn diese besagt nichts darüber, was Gegenstand korrespondierender Willenserklärungen sein muss, damit ein Vertrag wirksam zustande kommt.
Selbst wenn man das Zustandekommen eines Vertrages als wirksam ansehen und der Beklagten ein Bestimmungsrecht hinsichtlich des Abfahrtsortes und der Abfahrtszeit zubilligen wollte, wäre dieses Recht dies nicht wirksam ausgeübt.
Eine Zustiegsstelle an einer Tankstelle in einer Entfernung von mehr als 20 Kilometern vom Wohnort der Klägerin entfernt, kann nicht mehr als in deren Nähe angesehen werden. Auch der Zeitpunkt um 23.45 Uhr liegt außerhalb eines eventuellen Ermessensspielraumes.
Auch wäre es nicht zumutbar, dort ein Fahrzeug über längere Zeit abstellen zu müssen.
Im Prospekt der Beklagten ist an keiner Stelle darauf hingewiesen, dass die Anreise über Nacht erfolgen sollte, mit der zwingenden Folge, dass die Reisenden nicht in den Genuss kämen, während der Anreise die Landschaft genießen zu können. Darüber hinaus wären sie gezwungen, die weite Anfahrt von Wetzlar an die Cote d’Azur nachts in einem Reisebus zu verbringen.
Es mag sein, dass diese Art und Weise zu Reisen bei gesunden, jungen und sparsamen Menschen beliebt ist, um Übernachtungskosten zu sparen. Für ältere Herrschaften, wie die Klägerin und ihren Ehemann, stellt dies häufig eine Zumutung dar.
Ohne einen – nicht erfolgten – deutlichen Hinweis auf diese Art der Reisegestaltung darf der durchschnittliche Reisende erwarten, nicht auf diese Art und Weise transportiert zu werden.
Dass diese Gestaltung der Reise nicht deutlich gemacht und allenfalls durch Schlussfolgerungen von potenziellen Vertragspartnern erkannt werden konnte, stellt einen Mangel des Prospekts dar. Dieser ist als Verschulden der Beklagen bei Vertragsschluss anzusehen und wie ein Mangel der Reise zu bewerten, der zur Kündigung berechtigte.
Dies gilt umso mehr, als auf der dritten Seite des Prospekts der Beklagten unter „1. Tag: Anreise“ am Ende vermerkt ist:
„In einem schönen Küstenort nahe San Remo verbringen wir die ersten vier Nächte.“
Tatsächlich war jedoch geplant, die erste Nacht im Bus der Beklagten zu verbringen.
Dem klägerischen Rückzahlungsanspruch steht auch kein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 214 Abs. 1 BGB zu.
Da ein wirksamer Vertrag nicht vorliegt, sind auch die ARB der Beklagten nicht zu berücksichtigen, mit der Folge, dass es bei der Verjährungsregelung des § 195 BGB von drei Jahren verbleibt, die nicht abgelaufen ist, ohne dass es auf die Wirksamkeit der durch die Beklage in den ARB vorgenommene Verkürzung der Verjährung ankäme.
Die Beklagte schuldet daher Rückzahlung des restlichen Reisepreises.
Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf §§ 286, 288 BGB, die über die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf § 280 Abs. 1 BGB, weil die Beklagte dadurch, dass sie durch das Insistieren auf dem unzumutbaren Zustiegszeitpunkt und -ort eine Pflicht verletzt hat, die Einschaltung des klägerischen Anwaltes verschuldet hat.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.
Streitwert: § 3 ZPO.


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