Bankrecht

Schadensersatz, Abtretung, Widerrufsrecht, Widerruf, Widerrufsbelehrung, Vertragsschluss, Beteiligung, Kommanditbeteiligung, Annahmeverzug, Gesellschaft, Vermittler, Auskunft, Zahlung, Anspruch, Zug um Zug, wichtiger Grund, kein Anspruch

Aktenzeichen  28 O 17697/19

Datum:
28.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 57823
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Auf die Widerklage hin wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte € 1.176,36 nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit 30.05.2020 zu bezahlen
3. Auf die Widerklage hin wird der Kläger weiter verurteilt, ab September 2020 weitere Monatsraten in Höhe von jeweils 105 €-mit Fälligkeit jeweils zum Letzten des Monats …

zum Erreichen der gezeichneten Gesamteinlage von 30.000 € zu bezahlen.
4. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet (A.). Die Widerklage ist zulässig und begründet (B.).
A.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte nicht zu. Er hat weder einen Anspruch auf Rückgewähr der Einlagen noch auf die hilfsweise beantragte Erteilung der Auskunft über die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens und im Anschluss Zahlung dieses, noch auf die Feststellung, dass der Beklagten kein Anspruch auf die vertragsgemäße Tilgung zusteht, da die Beteiligung fortbesteht und nicht rückabzuwickeln ist. Auch Annahmeverzug lag insofern nicht vor.
Die Beteiligungserklärung des Klägers und der Beklagten vom 22.02.2010/02.03.2010 ist wirksam. Sie ist weder durch die Ausübung eines gesetzlichen noch eines vertraglichen Widerrufrechts erloschen. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund war genauso wenig möglich.
I.
Dem Kläger stand kein gesetzliches Widerrufsrecht zu, das er wirksam hätte ausüben können.
1. Nach dem Vortrag der Klagepartei kommt insofern nur ein Widerrufsrecht gem. §§ 312 d ff., 312 c BGB in der streitgegenständlichen Fassung mit Geltung bis zum 10.06.2010 (im Weiteren: § 312 d BGB a.F., § 312 c BGB a.F.) in Betracht, welches jedoch vorliegend nicht besteht.
Bei einem Vertrag über eine entgeltliche Leistung zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, bei dem der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gem. §§ 312 d Abs. 1 S. 1, 312 c, 355 BGB a.F. zu, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
Im vorliegenden Fall handelte der Kläger unstreitig als Verbraucher, wohingegen die Beklagte unstreitig Unternehmerin war. Der von § 312 Abs. 1 BGB a.F. geforderte Vertrag über eine entgeltliche Leistung ist auch bei dem Abschluss einer Kapitalanlage anzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 15.04.2010 – C-215/08; Grüneberg in: Palandt, BGB, 71. Aufl., § 312 Rn. 7).
Das Vorliegen eines Fernabsatzvertrags ist jedoch mangels ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zu verneinen. Denn es haben im Rahmen der Vertragsanbahnung und bei Vertragsunterschrift durch den Kläger unstreitig Gespräche mit dem zuständigen Mitarbeiter der Vermittlungsfirma, Herrn … stattgefunden. Dieser war als Verhandlungsgehilfe zu qualifizieren und im Rahmen der Vertragsanbahnung einem Stellvertreter der Beklagten gleichzustellen.
Für das Vorliegen eines Fernabsatzvertrags dürfen sowohl bei den Vertragsverhandlungen als auch beim Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet worden sein.
Dies ist nicht der Fall, wenn der Verbraucher sich wie bei einem Ladengeschäft über den wesentlichen Vertragsinhalt informieren konnte und direkten Kontakt mit dem Unternehmer oder Personen seiner Sphäre hatte, sodass er ggf. nachfragen und die bei Fernabsatzgeschäften typischen Informationsdefizite auf diese Weise beseitigen konnte, etwa wenn ein persönlicher Kontakt zwischen dem Verbraucher und einer vom Unternehmer eingeschalteten Person stattgefunden hat, die in der Lage und damit beauftragt war, dem Verbraucher in einem persönlichen Gespräch nähere Auskünfte über die angebotene Dienstleistung zu geben (Martens in: BeckOK, 55. Edition, Stand 01.08.2020, § 312 c R. 15; OLG Köln WM 2019, 825 Rn. 3 zu § 312 c a.F.). In der Phase der Vertragsanbahnung muss dem Stellvertreter insofern auch der Verhandlungsgehilfe gleichstehen, d.h. eine Person, die aus der Sicht des Verbrauchers ermächtigt ist, verbindliche Informationen über den Inhalt des angebahnten Vertrags zu geben (Wendehorst in: Münchner Kommentar zum BGB, 8. Auflage, § 312 c R. 15).
Dem Vertragsschluss mit dem Kläger sind mehrere Beratungsgespräche mit dem zuständigen Mitarbeiter der Vermittlungsfirma, Herrn … vorausgegangen. Dieser hatte am Tag der Vertragsunterzeichnung durch den Kläger auch eigenhändig auf der Vertragsurkunde unterschrieben. Herr … ist weiterhin bereits nach dem unstreitigen Sachverhalt als Verhandlungsgehilfe zu qualifizieren. Herr … war mit den notwendigen Informationen und Unterlagen ausgestattet, um den Vertragsschluss der Parteien vorzubereiten. Er war autorisiert die persönlichen Daten abzufragen und verbindlich in das Formular einzutragen. Er war darüber hinaus beauftragt und bevollmächtigt dem Kläger das Beteiligungsformular zu übergeben. Nicht notwendig ist es für die Stellung als Verhandlungsgehilfe, dass dieser Einfluss auf die Vertragsannahme durch die Beklagte hatte. Das einzige Beweismittel, welches der Kläger zur Stellung des Herrn … angeboten hat, ist die Anlage K2, in welcher ersichtlich ist, dass die Beklagte das Vertragsangebot zeitlich und örtlich nicht mit dem Kläger gemeinsam abgegeben hat. Dies ist aus Sicht des Gerichts unerheblich für die Annahme eines Verhandlungsgehilfen. Eine Vertragsannahme durch diesen ist nicht erforderlich. Ein weiteres Beweisangebot zur Stellung des Herrn … erfolgte zudem seitens des insoweit beweisbelasteten Klägers nicht.
2. Da kein gesetzliches Widerrufsrecht des Klägers bestand, muss nicht entschieden werden, ob die auf Seite 2 des Zeichnungsscheins verwendete Widerrufserklärung den gesetzlichen Vorgaben entsprach.
II.
Der Kläger konnte seine Beteiligungserklärung auch nicht aufgrund eines vertraglich vereinbarten Widerrufsrechts widerrufen. Aufgrund der Widerrufsbelehrung auf Seite 2 des Zeichnungsscheins (vgl. Anlage K 1) wurde kein voraussetzungsloses vertragliches Widerrufsrecht vereinbart.
1. Nach der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum kann ein Widerrufsrecht nicht nur von Gesetzes wegen bestehen, sondern grundsätzlich auch im Vereinbarungswege festgelegt werden. Danach können Vertragspartner in Ausprägung ihrer Vertragsfreiheit ein Widerrufsrecht auch vertraglich vereinbaren und für die nähere Ausgestaltung auf die gesetzlichen Widerrufsfolgen verweisen. Der BGH führt dazu in seinem Urteil vom 06.12.2011 (BGH, Urteil vom 06.12.2011 – XI ZR 442/10) aus: „Ob immer dann, wenn ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, aus der Erteilung einer Widerrufsbelehrung auf die Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts geschlossen werden kann, erscheint allerdings nicht zweifelsfrei. Dies hätte nämlich zur Folge, dass es auf die Voraussetzungen des gesetzlichen Widerrufsrechts nicht mehr ankäme und die betreffenden Vorschriften letztlich leer liefen. Ein solches Ergebnis dürfte mit Blick auf die gesetzlichen Regelungen des Widerrufsrechts, die an bestimmte tatbestandliche Merkmale anknüpfen, zumindest Bedenken begegnen.“
Die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung (vgl. Anlage K 1) enthält einen Hinweis auf § 312 c Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB Info-V. Die Formulierung der Widerrufsbelehrung wurde mithin an die gesetzlichen Anforderungen dieser Vorschriften in der hier maßgeblichen Fassung angelehnt. Der Bezug zu einem gesetzlichen Widerrufsrecht wird hierdurch transparent (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.12.2015 – I-24 U 70/15). So drängt sich dem durch die Widerrufsbelehrung Unterrichteten – auch in seiner „laienhaften“ Sicht – auf, dass sein Vertragspartner einen gerade geschlossenen Vertrag nicht aus freien Stücken wieder zur Disposition stellen wollte, sondern „lediglich einer (vermeintlich) bestehenden gesetzlichen Pflicht“ nachkomme (OLG München, Urteil vom 28.06.2001 – 24 U 129/00; OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.12.2015 – I-24 U 70/15).
2. Letztlich kann die Entscheidung über die Gewährung eines vertraglichen Widerrufsrechts aber dahinstehen, weil bei der Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts die Anforderungen an die Belehrungen über ein gesetzliches Widerrufsrecht keine Wirkung entfalten und insoweit jedenfalls die eingeräumte Widerrufsfrist von zwei Wochen bereits längstens abgelaufen war.
Hierzu führt der Bundesgerichtshof (BGH Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 148/11) aus:
„Ein vernünftiger Empfänger der Erklärung der Beklagten konnte den Formulierungen der Widerrufsbelehrung nicht entnehmen, dass die Beklagte sich für den Fall, dass ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, verpflichten wollte, dem Anleger vertraglich ein unbefristetes Widerrufsrecht einräumen zu wollen, wenn die von ihr in der Widerrufsbelehrung genannten Voraussetzungen des Widerrufsrechts nicht den vom Gesetz für ein gesetzliches Widerrufsrecht aufgestellten Anforderungen genügten.“
Dem schließt sich das Gericht vollumfänglich an.
III.
Der Kläger hat seine Beteiligung nicht wirksam außerordentlich gekündigt. Ihm stand kein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund gem. § 243 HGB, § 723 BGB zu. Ein zur Kündigung berechtigender wichtiger Grund liegt in einer Gesellschaft insbesondere vor, wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt hat oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird. Der Begriff des in § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB geregelten wichtigen Grundes wird zudem gewöhnlich dahingehend umschrieben, dass dem Kündigenden nach Lage des Falles eine Fortsetzung der Gesellschaft bis zum Vertragsende oder zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin nicht zugemutet werden kann, weil das Vertrauensverhältnis grundlegend gestört oder ein gedeihliches Zusammenwirken nicht mehr möglich ist (Schäfer in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 723 Rn. 28).
Ein solcher wichtiger Grund, der den Kläger zur außerordentlichen Kündigung berechtigt hätte, ist nicht dargelegt und bewiesen worden.
V.
Der Kläger stehen keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu. Die Voraussetzungen hierfür wurden weder vorgetragen noch sind sie aus dem vorgetragenen Sachverhalt ersichtlich.
VI.
Zwar ist die Bedingung für den Hilfsantrag zu 4. eingetreten, dieser ist jedoch ebenfalls unbegründet, da der Beteiligungsvertrag fortbesteht und insofern kein Auskunftsanspruch über die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens besteht.
B.
Die zulässige Widerklage ist begründet.
Dem Kläger stehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Beteiligung an der Beklagten keine Ansprüche und Gestaltungsrechte wie z.B. gesetzliche oder vertragliche Widerrufsrechte oder Kündigungsrechte gegen die Beklagte zu. Insofern wird auf die Ausführungen unter A. verwiesen.
Die Einlageraten sind gemäß § 5 Ziff (3) lit. c) des Gesellschaftsvertrags zu leisten. Die letzte Einlagerate wurde im September 2019 geleistet, so dass für den Zeitraum September 2019 bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 17.08.2020 11 Raten zu je 105,00 € geschuldet werden.
Die Rücklastschriftgebühren i.H.v. 21,36 € sind vom Kläger gemäß §§ 280, 286 Abs. 2 Nr. 1, 249 BGB zu erstatten.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 ZPO.
2. Der Beteiligungsvertrag besteht fort und dem Kläger stehen im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Beteiligung an der Beklagten keine Ansprüche und Gestaltungsrechte wie z.B. gesetzliche oder vertragliche Widerrufsrechte oder Kündigungsrechte gegen die Beklagte zu, so dass ab September 2020 bis zum Erreichen der gezeichneten Gesamteinlage i.H.v. 30.000,00 € die monatlichen Raten zu je 105,00 € zu entrichten sind.
III.
Mangels wirksamen Widerrufs bzw. wirksamer Kündigung ist die Bedingung für die Hilfswiderklage nicht eingetreten, so dass über diese nicht zu entscheiden ist.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO, 45 S. 3 GKG.
Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO auf 30.000,00 € festgesetzt (Wert der Nominalbeteiligung des Klägers).
Die Widerklage und die Klage gegen den Beklagten sind als wirtschaftlich identisch anzusehen, § 45 Abs. 1 S. 3 GKG, so dass eine Zusammenrechnung der Werte der Klage und der Widerklage unterblieb.
D.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.


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