Bankrecht

Selbstverwaltungsgarantie; Aufgabenwahrnehmung durch privatrechtliche Gesellschaft

Aktenzeichen  8 B 91/09

Datum:
26.2.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
Art 28 Abs 2 GG
§ 39a GemO ND
Spruchkörper:
8. Senat

Verfahrensgang

vorgehend OVG Lüneburg, 3. Juni 2009, Az: 10 LC 217/07, Urteil

Gründe

1
Die Beschwerde, die allein die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend macht, hat keinen Erfolg.
2
Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Dazu genügt nicht, geltend zu machen, das Berufungsgericht habe bei der Auslegung und Anwendung des irrevisiblen § 39a NGO Bundesrecht verletzt. Vielmehr muss die Beschwerde darlegen, dass gerade die angeblich verletzte bundesrechtliche Regelung rechtsgrundsätzliche Fragen aufwirft (Beschlüsse vom 9. März 1984 – BVerwG 7 B 238.81 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 49 und vom 15. Juni 2009 – BVerwG 6 B 12.09 – Rn. 6). Eine Rechtsfrage revisiblen Rechts ist nicht schon klärungsbedürftig, wenn sie noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung war, sondern nur, wenn ihre Klärung gerade eine solche Entscheidung voraussetzt. Das ist nicht der Fall, wenn die Frage sich anhand der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten lässt (vgl. Beschluss vom 24. August 1999 – BVerwG 4 B 72.99 – BVerwGE 109, 268 = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228).
3
Danach kommt den von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen keine grundsätzliche Bedeutung zu. Soweit sie Fragen des revisiblen Rechts aufwerfen, sind sie teilweise nicht entscheidungserheblich und im Übrigen nicht klärungsbedürftig.
4
Die Frage,
ob die verfassungsrechtliche Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auch die wirtschaftliche Betätigung der WFG erfasst, die Gegenstand der vom Kläger an den Beklagten gerichteten Fragen nach bestimmten Honorarempfängern ist,
lässt sich bereits anhand der bisherigen Rechtsprechung zu Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ohne Weiteres bejahen. Die Garantie kommunaler Selbstverwaltung gewährleistet den Gemeinden die eigenverantwortliche Wahrnehmung aller örtlichen Aufgaben. Dies schließt die Aufgabe der örtlichen Wirtschafts- und Infrastrukturförderung mit ein. Die Gewährleistung umfasst auch die eigenverantwortliche Entscheidung über die Art und Weise der Aufgabenerledigung (BVerfG, Beschlüsse vom 7. Februar 1991 – 2 BvL 24/84 – BVerfGE 83, 363 und vom 19. November 2002 – 2 BvR 329/97 – BVerfGE 107, 1 ). Das schließt die Befugnis ein, die Aufgabenwahrnehmung auf eine privatrechtliche Gesellschaft mit mehrheitlicher oder ausschließlicher gemeindlicher Beteiligung zu übertragen (vgl. Dreier, in: ders., Grundgesetz, Kommentar, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 135 m.w.N.). Die kommunale Aufgabe verliert ihren örtlichen Charakter nicht dadurch, dass die Gemeinde sich zu ihrer Erfüllung im Rahmen der Organisationsprivatisierung einer von ihr beherrschten privatrechtlichen Gesellschaft wie der WFG GmbH bedient. Ob und wie diese die ihr übertragenen kommunalen Aufgaben erfüllt, bleibt daher Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft. Für die Frage, inwieweit Angelegenheiten einer Gesellschaft mit gemeindlicher Beteiligung zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zählen (vgl. ablehnend Thiele, Niedersächsische Gemeindeordnung, Kommentar, 8. Aufl. 2007, § 39a Nr. 4), ist daher nach dem Bezug zur Erledigung kommunaler Aufgaben zu differenzieren. Hier ist dieser Bezug wegen der Genehmigungsbedürftigkeit des Wirtschaftsplans der WFG und der Verpflichtung der Gemeinde, die dort ausgewiesenen, nicht durch Einnahmen gedeckten Kosten einschließlich der Honorarkosten zu übernehmen, gegeben.
5
Die weiter aufgeworfene Frage,
ob und inwieweit eine Auskunftspflicht der Geschäftsführer einer GmbH über interne Angelegenheiten der Gesellschaft gegenüber dem Bürgermeister als gesetzlichem Vertreter der Gemeinde als Gesellschafter besteht, damit der Bürgermeister z.B. den Wirtschaftsplan der Gesellschaft betreffende Fragen eines Ratsmitgliedes beantworten kann,
ist zu wenig bestimmt und wäre auch, soweit die Beschwerdebegründung sie durch Bezugnahme auf die gesetzliche Beschränkung des Auskunftsanspruchs nach § 51a Abs. 2 GmbHG präzisiert, in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Nach den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Regelung nicht vor, weil nicht davon auszugehen ist, dass die Stadt Wilhelmshaven die Informationen zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird. An diese nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gebunden.
6
Die Frage,
ob und inwieweit ein Ratsmitglied bei einem solche Angelegenheiten einer (kommunalen) Gesellschaft betreffenden Auskunftsverlangen einen Informations- bzw. Funktionsbezug geltend machen muss, weil anderenfalls der Bürgermeister als gesetzlicher Vertreter der Gesellschafterin Gemeinde keinen Auskunftsanspruch oder kein Einsichtsrecht gemäß § 51a GmbHG hat,
betrifft irrevisibles Recht, da sie auf Einschränkungen des landesrechtlichen Auskunftsanspruchs durch bestimmte Darlegungsanforderungen gerichtet ist.
7
Soweit der Beklagte darüber hinaus geklärt wissen möchte, ob die von ihm postulierten Darlegungsanforderungen sich aus der revisiblen Vorschrift des § 51a GmbHG herleiten lassen, fehlt eine Klärungsbedürftigkeit der Frage. Sie ist nach Wortlaut und Systematik der Regelung ohne Weiteres zu verneinen. § 51a Abs. 1 GmbHG gibt jedem Gesellschafter ein umfassendes Auskunfts- und Einsichtsrecht in allen Angelegenheiten der Gesellschaft, ohne dass es darauf ankäme, ob ein Bezug zu bestimmten, über die Beteiligung an der Gesellschaft hinausgehenden Angelegenheiten des Gesellschafters besteht. Verweigert werden darf die Erfüllung des Anspruchs nach Absatz 2 der Vorschrift unter den dort aufgeführten Voraussetzungen, die nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen hier nicht vorliegen.
8
Die für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage,
ob und inwieweit das Gebot der Homogenität gemäß Art. 28 Abs. 1 GG verlangt, den Status der Mitglieder der Volksvertretung auf kommunaler Ebene, also etwa der Gemeinderatsmitglieder, entsprechend der Rechtsstellung der Abgeordneten des Bundestages oder Landtages zu regeln,
würde sich in einem Revisionsverfahren so nicht stellen, weil sie auf einen umfassenden Vergleich der Rechtsstellung kommunaler und parlamentarischer Mandatsträger, und nicht konkret auf die Klärung der Reichweite des aus dem Mandatsrecht folgenden Auskunftsanspruchs gegenüber der Exekutive zielt. Auch im Sinne dieser Präzisierung verstanden, wäre sie in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Sollte die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung des § 39a Satz 2 NGO nicht durch den Homogenitätsgrundsatz des Art. 28 Abs. 1 GG geboten sein, wäre sie danach jedenfalls zulässig, weil die bundesverfassungsrechtliche Garantie eines demokratischen Mindeststandards die landesrechtliche Begründung oder Herleitung weitergehender Mandatsrechte nicht ausschließt. Im Übrigen beruht das angegriffene Urteil auch nicht auf der Annahme, der Landesgesetzgeber habe den Auskunftsanspruch der Ratsmitglieder wegen des verfassungsrechtlichen Homogenitätsgebots entsprechend der Rechtsstellung der Abgeordneten regeln müssen. Das Berufungsgericht leitet zwar aus dem jeweiligen Mandatsrecht ein Recht auf Auskunft ab, behauptet aber weder eine völlige Gleichheit parlamentarischer und kommunaler Mandatsrechte, noch einen identischen Anspruchsumfang, sondern schränkt den Anspruch nach § 39a Satz 2 NGO hinsichtlich der möglichen Auskunftsgegenstände ein.


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