Bankrecht

Täuschung über die Leistungsfähigkeit durch Unterzeichnung eines Vertrages

Aktenzeichen  20 U 2448/17

Datum:
14.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NWB – 2018, 1364
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 2
StGB § 263 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2

 

Leitsatz

Ob der Abschluss eines Vertrages trotz fehlender Leistungsfähigkeit eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB darstellt, kann von weiteren Umständen abhängig sein. Ist mangels Finanzierung die ordnungsgemäße Vertragserfüllung durch eine GmbH nicht gesichert und ist dies dem Vertragspartner bis zum Vertragsschluss bekannt, bedarf es gegebenenfalls des Hinzutretens weiterer Umstände, damit der Unterzeichnung des Vertrages durch den Geschäftsführer der GmbH zugleich die Behauptung der nunmehr eingetretenen Leistungsfähigkeit der GmbH entnommen werden kann. (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

10 O 228/17 2017-06-22 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 22. Juni 2017, Az. 10 O 228/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 90.688,10 festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um das Bestehen von Schadensersatzansprüchen wegen einer behaupteten Täuschung über die Liquidität der vom Beklagten als Geschäftsführer vertretenen Gesellschaft beim Abschluss eines Kaufvertrages.
Der Kläger ist Verwalter in dem mit Beschluss des Amtsgerichts Landshut – Insolvenzgericht – vom 1. Dezember 2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Hans B. Maschinenbau GmbH. Der Beklagte war vom 11. November 2015 bis 22. März 2016 Geschäftsführer mit Einzelvertretungsbefugnis und bis 29. Februar 2016 auch Gesellschafter der mit Gesellschaftsvertrag vom 18. September 2015 gegründeten A. GmbH.
Im Zuge der Bemühungen des Klägers, die Insolvenzschuldnerin oder Teile hiervon zu veräußern, fand zwischen den Parteien am 8. Dezember 2015 ein Gespräch statt, in dessen Rahmen der Beklagte ankündigte, für die A. GmbH ein Angebot über den Erwerb verschiedener Anlagegüter der Insolvenzschuldnerin abgeben zu wollen. Mit Mail vom 10. Dezember 2015 machte der Beklagte ein Angebot zur Übernahme der Insolvenzschuldnerin durch die A. GmbH zu einem Preis von € 185.000,00 (K 6, K 7). Dieses nahm der Kläger an und übersandte den Entwurf eines Übernahmevertrags, den der Beklagte am 18. Dezember 2015 für die A. GmbH unterzeichnete (K 9). Gemäß Ziffer 3.3 der Urkunde war der Kaufpreis mit Unterschrift des Vertrages, also am 18. Dezember 2015, fällig. Stichtag für den Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten war der 1. Februar 2016. Außerdem hatte sich die A. GmbH verpflichtet, die Gehälter der Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin für den Monat Januar 2016 zu zahlen.
Die A. GmbH war nicht in der Lage, den Kaufpreis aufzubringen und bezahlte diesen trotz Mahnung vom 13. Januar 2016 mit Fristsetzung zum 20. Januar 2016 (K 11) nicht. Am 12. Januar 2016 zeigte der Kläger die Masseunzulänglichkeit in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Hans B. Maschinenbau GmbH an und stellte die Arbeitnehmer der Schuldnergesellschaft am 13. Januar 2016 bis auf vier Personen mit sofortiger Wirkung frei. Mit Schreiben vom 22. Januar 2016 kündigte er den 27 Arbeitnehmern der Insolvenzschuldnerin; die Kündigungsfristen für die Arbeitnehmer liefen spätestens zum 30. April 2016 aus. Der Kläger hat gegenüber der A. GmbH mit Schreiben vom 3. Februar 2016 (K 16) den Rücktritt vom Übernahmevertrag erklärt. Den Geschäftsbetrieb der Schuldnergesellschaft mit 8 Arbeitsplätzen hat er mit Wirkung vom 1. Februar 2016 zu einem Kaufpreis von € 20.000,00 auf einen anderen Übernehmer übertragen.
Der Kläger hat vor dem Landgericht vorgetragen, dass der Beklagte hätte wissen müssen, dass die A. GmbH nicht über die erforderlichen Mittel verfügte, den Übernahmevertrag zu erfüllen; der Beklagte habe den Kläger über die Bonität der A. GmbH getäuscht. Da die A. GmbH die einzige Übernahmeinteressentin gewesen sei, hätte der Kläger ohne diese Täuschung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits zum 30. November 2015 angeregt und von seinem Sonderkündigungsrecht gemäß § 113 InsO Gebrauch gemacht. Damit wären die verbliebenen Arbeitnehmer spätestens zum 28. Februar 2016 ausgeschieden und die Gehälter, Sozialversicherungsbeiträge und Steuern für März und April 2016 in Höhe von € 70.370,43 nicht angefallen. Außerdem wären keine Kosten aus Prozessen mit Arbeitnehmern, die im Januar 2016 bis zur Freistellung gearbeitet aber kein Gehalt erhalten hatten, in Höhe von € 9.043,49 und auch die Kosten des vorliegenden Verfahrens in Höhe von € 11.274,27 nicht angefallen. Zudem hätte die Masse den Kaufpreis von € 185.000,00 vereinnahmen können und es wären ihr keine Verbindlichkeiten aus Lohn und Gehalt gegenüber den 27 Arbeitnehmern ab Januar 2016 bis zum Auslauf der Kündigungsfristen in Höhe von € 300.886,47 entstanden.
Der Kläger hat in erster Instanz im Wege einer offenen Teilklage beantragt, die A. GmbH und den hiesigen Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, einen Betrag von € 200.000,00 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Februar 2016 an den Kläger zu bezahlen.
Der hiesige Beklagte hat Einwendungen gegen die Formwirksamkeit des Übernahmevertrags erhoben, (ohne nähere Ausführungen) das Vorliegen einer unerlaubten Handlung in Abrede gestellt und Mitverschulden des Klägers geltend gemacht.
Mit Teilversäumnis- und Endurteil vom 22. Juni 2017 hat das Landgericht die A. GmbH im Wege des Versäumnisurteils antragsgemäß verurteilt. Das Verfahren wurde insoweit abgetrennt. Gegen den hiesigen Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass gegen ihn zwar grundsätzlich ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB in Betracht komme. Denn unstreitig habe die A. GmbH nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, um den Übernahmevertrag zu erfüllen. Der Kläger habe unwidersprochen vorgetragen, dass dies dem Beklagten bekannt gewesen sein musste. Dennoch habe der Beklagte in Vertretung der A. GmbH den Übernahmevertrag abgeschlossen und damit den Kläger über die Leistungsfähigkeit der A. GmbH zumindest konkludent getäuscht. Der Kläger habe den Vertrag im Vertrauen auf die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der A. GmbH abgeschlossen. Als Vermögensschaden sei grundsätzlich der Differenzschaden in Form des negativen Interesses zu ersetzen. Einen solchen Schaden habe der Kläger allerdings nicht schlüssig darlegen können, weshalb die Klage als unbegründet abzuweisen gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der die Abänderung des landgerichtlichen Urteils insoweit beantragt, als nunmehr die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von € 90.688,10 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Februar 2016 begehrt werde. Er macht unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags als Schadenspositionen nur noch die für März und April 2016 entstandenen Lohnkosten sowie die bereits erstinstanzlich geforderten Prozesskosten jeweils in voller Höhe geltend.
Der Beklagte wendet sich gegen die Annahme seiner persönlichen Haftung; seine Handlungen seien allein der A. GmbH zuzurechnen. Für eine Täuschung über die Leistungsfähigkeit der GmbH habe der Kläger nie Beweis angeboten, für eine solche Täuschung gebe es auch nicht ansatzweise Anhaltspunkte. Tatsächlich sei es so gewesen, dass der Beklagte vor und anlässlich der Vertragsunterzeichnung mit Sicherheit davon ausgehen konnte, dass einer Zahlung des Kaufpreises keinerlei Hindernisse im Weg stehen würden. Er beantragt die Zurückweisung der Berufung.
In seiner informatorischen Anhörung vor dem Senat in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2017 hat der Beklagte angegeben, dass er während der Vertragsverhandlungen mit dem Kläger darauf hingewiesen habe, dass die Kreditverhandlungen mit der H. bank liefen, aber noch nicht zum Abschluss gekommen seien. Bei Vertragsunterzeichnung am 18. Dezember 2015 habe er über eine mündliche Kreditzusage verfügt. Der Kläger habe über diese Umstände Bescheid gewusst. Die Klagepartei hat dieses Vorbringen nicht bestritten, lediglich darauf hingewiesen, dass anlässlich der Vertragsverhandlungen klargestellt worden sei, dass das Geld auch fließen müsse. Es sei dem Kläger bekannt gewesen, dass die Beklagte von ausländischen Investoren finanziert werde; er sei davon ausgegangen, dass der Kaufpreis jedenfalls bis Ende des Jahres fließen würde.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2017 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage gegen den Beklagten im Ergebnis mit Recht abgewiesen.
Nach dem neuen Vorbringen des Beklagten in seiner mündlichen Anhörung in der Berufungsinstanz sind die Voraussetzungen für das Eingreifen einer – hier allein in Betracht kommenden – deliktischen Haftung des Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 Abs. 1 StGB nicht mehr gegeben. Dieser neue Vortrag unterfällt, da unstreitig geblieben, auch nicht der Präklusionsvorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO und muss bei der Entscheidung deshalb berücksichtigt werden (Zöller, ZPO, § 531 Rn. 20 mwN).
Eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB besteht in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Der Täter muss einem anderen eine nicht bestehende Tatsache als bestehend zur Kenntnis bringen oder das tatsächliche Gesamtbild durch Hinzufügen oder Fortlassen einzelner Elemente verfälschen. Unterdrücken einer wahren Tatsache bedeutet ein Handeln, durch das eine Tatsache der Kenntnis einer anderen Person vorenthalten wird (Schönke/Schröder, StGB, § 263 Rn. 6).
Derartige Handlungen des Beklagten im Hinblick auf seine Darstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit der A. GmbH hat der Kläger hier nicht nachgewiesen. Zwar verfügte die GmbH unstreitig weder zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen noch bei Vertragsabschluss über die für eine Vertragserfüllung erforderlichen finanziellen Mittel, sondern bedurfte der Finanzierung durch „ausländische Investoren“ bzw. einer Kreditgewährung. Dies war – ebenfalls unstreitig – sämtlichen Beteiligten allerdings positiv bekannt.
Soweit der Kläger vorbringt, er sei bei Vertragsunterzeichnung davon ausgegangen, dass die erforderlichen Zusagen vorlägen, scheidet auch insoweit eine Täuschung durch schlüssiges Verhalten durch den Beklagten aus. Dies gilt unabhängig davon, ob der Beklagte – wie er behauptet – mitgeteilt hat, dass bislang (nur) eine mündliche Kreditzusage vorliege. Denn bis zur Vertragsunterzeichnung war dem Kläger unstreitig positiv bekannt, dass die Finanzierung der Vertragsdurchführung nicht gesichert war. In diesem Fall stellt allein die Unterzeichnung des Vertrages ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht gleichzeitig die positive Behauptung einer nunmehr eingetretenen Leistungsfähigkeit der A. GmbH dar. Dies gilt umso mehr, als auch der Kläger nicht davon ausgegangen ist, dass die A. GmbH bei Vertragsunterzeichnung bereits über die notwendigen Mittel verfügen konnte. Denn der Kläger hat zu diesem Zeitpunkt nach eigenem Vorbringen nur erwartet, dass der Kaufpreis (abweichend von den vertraglichen Fälligkeitsbestimmungen) „jedenfalls bis Ende des Jahres“ fließt.
Jedenfalls aber sind dem Beklagten, der unstreitig im Vertrauen darauf gehandelt hat, dass es tatsächlich zu einer Finanzierung von dritter Seite kommen würde, bei dieser Sachlage vorsätzliches Handeln und Bereicherungsabsicht nicht nachzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen; es handelt sich um die Entscheidung eines Einzelfalls.


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