Bankrecht

Überprüfbarkeit der Unabhängigkeit des Treuhänders bei Anpassung der Krankenversicherungsprämie

Aktenzeichen  33 O 125/17

Datum:
4.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 38832
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VAG § 12b
VVG § 157 Abs. 1 S. 1, § 203 Abs. 5, § 215
BGB § 199 Abs. 1, § 242, § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Die Unabhängigkeit des Treuhänders bei der Erhöhung des Beitrags in der privaten Krankenversicherung stellt als gesetzliches Tatbestandsmerkmal eine im Zivilrechtsstreit ohne jede Einschränkung voll zu überprüfende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Beitragsanpassung dar (vgl. aber BGH BeckRS 2018, 33784). (Rn. 40 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine wirksame Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge setzt voraus, dass die Änderungsmitteilung nicht lediglich eine schlichte Wiederholung des Gesetzeswortlauts oder bloße abstrakte formelhafte Ausführungen, sondern Angaben dazu enthält, aufgrund welcher konkreten Umstände genau es überhaupt zur Beitragserhöhung im betroffenen Tarif gekommen ist. (Rn. 32 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Darüber hinaus erfordert eine wirksame Prämienerhöhung die Mitteilung, dass die Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders vorliegt; eine Nachholung dieser Mitteilung wirkt jedenfalls nur für die Zukunft. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungs Nr. … unwirksam sind und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet ist:
a) Im Tarif Vital 750 die Erhöhungen zum 01.01.2011 um 72,57, zum 01.01.2015 um 83,47 € und zum 01.01.2017 um 109,93 €,
b) im Tarif ZPro die Erhöhung zum 01.01.2017 um 12,77 €,
c) im Tarif TV 42 die Erhöhung zum 01.01.2012 um 13,70 € und zum 01.01.2013 um 2,72 €,
d) im Tarif TN 91 die Erhöhung zum 01.01.2013 um 3,73 €,
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.555,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.03.2017 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte,
a) dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie vor dem 01.03.2017 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die unter Ziffer 1 aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b) die nach Ziffer 3 a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.03.2017 zu verzinsen hat.
4. Es wird festgestellt, dass die Erhöhung des Selbstbehalts im Tarif Vital 750 zum 01.01.2015 um 150,00 € unwirksam ist.
5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Auslagen in Höhe von 1.711,70 € freizustellen.
6. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zur vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 22.633,86 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
A.
Die Klage ist zulässig.
I.
Unabhängig davon, ob sich die örtliche Zuständigkeit bereits aus § 215 VVG ergibt, ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Aschaffenburg jedenfalls gemäß § 39 ZPO durch die rügelose Einlassung der Beklagte begründet.
II.
Der Feststellungsantrag in Ziffer 1 und 4 der Klage ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, da der Kläger ein schützenswertes rechtliches Interesse an der Klärung der Höhe seiner Beitragsverpflichtung hat und von der Frage der Wirksamkeit der Erhöhungen auch die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten für die Zukunft vom Kläger verlangten Beträge abhängig ist.
Anders als der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2018 meint, ist der Feststellungsantrag auch in sich schlüssig, da der Kläger hierin lediglich die Feststellung der Unrechtmäßigkeit der Beitragserhöhungen für Vergangenheit und Zukunft festgestellt haben will. Es werden hierin gerade keine Zahlungsansprüche geltend gemacht, die sich letztlich in Ziffer 2 der Klage wiederfinden.
Auch der Feststellungsantrag in Ziffer 3 der Klage ist trotz der grundsätzlich vorrangigen Möglichkeit der Leistungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, da davon auszugehen ist, dass sich die Beklagte als Versicherer einem – etwa rechtskräftig werdenden – Feststellungstitel beugen und entsprechende Nutzungen an den Kläger auskehren wird, ohne dass hierzu ein weiterer Leistungsrechtsstreit erforderlich würde.
B.
Die Klage ist vollumfänglich begründet.
Insbesondere aufgrund der Abhängigkeit der Treuhänder zur Beklagten sind die jeweiligen Beitragserhöhungen zum 01.01.2011, zum 01.01.2012, zum 01.01.2013, zum 01.01.2015 sowie zum 01.01.2017 in den Tarifen Tarif Vital 750, Tarif ZPro, Tarif TV42 und Tarif TN91 unwirksam. Aus diesem Grund besteht auch keine Verpflichtung des Klägers zur Zahlung der erhöhten Beiträge. Gleiches gilt für die Erhöhung des Selbstbehalts im Tarif Vital 750 zum 01.01.2015. Die diesbezüglich geleisteten Beträge sind dem Kläger zu erstatten; ebenso die Nebenforderungen.
I.
Der Klageantrag ist in Ziffer 1 und 4 der Klageschrift begründet, da sämtliche Beitragserhöhungen zu den jeweiligen Zeitpunkten, d.h. zum 01.01.2011, 01.01.2012, 01.01.3013, 01.01.2015 sowie zum 01.01.2017 unwirksam waren, weshalb eine Verpflichtung des Klägers zur Zahlung der erhöhten Beiträge weder bestand, noch für die Zukunft besteht. Gleiches gilt für die Erhöhung des Selbstbehalts im Tarif Vital 750 zum 01.01.2015.
1. Die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Erhöhungen scheitert zur Überzeugung des Gerichts bereits daran, dass die jeweiligen Beitragserhöhungen nicht ordnungsgemäß begründet wurden gem. § 203 Abs. 5 VVG.
a) § 203 Abs. 5 VVG verlangt letztlich, dass die Mitteilung der Beitragserhöhung, die maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung bzw. Änderung der Beiträge beinhaltet. Eine rein formelhafte Begründung ist hierfür nicht ausreichend, denn der Versicherungsnehmer soll in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Möglichkeit haben, die Gründe für die Beitragsänderung nachzuvollziehen und auf ihre Plausibilität prüfen zu können (vgl. Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 18.01.2018, Az. 14 O 203/16, Seite 8; m.w.N.). Allein aus dem Wortlaut der Norm, dass die „maßgeblichen Gründe“ mitzuteilen sind, ergibt sich zwar, dass keine allumfassende Offenbarungspflicht besteht. Dennoch reicht eine schlichte Wiederholung des Gesetzeswortlauts oder bloße abstrakte formelhafte Ausführungen hierfür letztlich nicht aus (Klimke, VersR 2016, 22). Denn der Versicherungsnehmer kann eine Überprüfung der Plausibilität der Gründe für die Vertragsänderung bzw. die Beitragserhöhung letztlich nur dann vornehmen, wenn ihm ausreichende Gründe mitgeteilt werden, die für ihn schlüssig und nachvollziehbar darlegen, welche Voraussetzungen zur Beitragserhöhung geführt haben.
Diesen Maßgaben genügen die jeweils an den Kläger versandten Änderungsmitteilungen (vgl. Anlagen K2, K4, K6, K8 und K10) nicht. Unabhängig davon, dass z.B. in Anlage K2 hinsichtlich der Beitragserhöhung zum 01.01.2011 im Tarif Vital 750 schon keinerlei konkrete Bezugnahmen bzw. Angaben zu diesem Tarif erkenntlich sind, erschöpfen sich auch die darüber hinaus beigefügten „Informationen zu den Beitragsänderungen zum 01.01.2011“ (Blatt 30 ff. d. A.) in reinen Allgemeinsätzen. Es wird im Wesentlichen lediglich erklärt, dass eine Anpassung anhand der einmal jährlich kalkulierten Leistungsausgaben erforderlich ist, anhand von Alter und Geschlecht für jeden einzelnen Tarif erfolgt und bei Abweichungen von mehr als 10% eine Anpassung erfolgt. Damit enthalten die Änderungsmitteilungen aber keinerlei Angaben dazu, aufgrund welcher konkreten Umstände genau es überhaupt zur Beitragserhöhung im jeweiligen Tarif gekommen ist, die für den Kläger die Anpassung überprüfbar gemacht hätten. Vielmehr werden nur pauschale Erklärungen für alle Tarife der privaten Krankenversicherung abgegeben. Gleiches gilt auch für die „Informationen zu den Beitragsänderungen“ in den übrigen Jahren.
Mangels Mitteilung der maßgeblichen Gründe gemäß § 203 Abs. 5 VVG wurden die Beiträge in den hier streitgegenständlichen Tarifen zu Beginn des zweiten Monats nach Mitteilung nicht wirksam erhöht.
b) Daneben fehlt es den Mitteilungen zu den Beitragsanpassungen im Übrigen auch jeweils an dem Hinweis, dass gemäß § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG die Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders vorliegt. Nachträgliche Mitteilungen sind hierfür letztlich nicht ausreichend. Jedenfalls kann die Nachholung der in § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Angaben durch Schreiben vom 24.01.2017 jedenfalls nur für die Zukunft wirken.
2. Unabhängig davon, dass bereits aufgrund mangelhafter Begründung die jeweiligen Beitragserhöhungen unwirksam sind, fehlt es daneben den jeweiligen Beitragserhöhungen – sowohl in den Tarifen Tarif Vital 750, Tarif ZPro, Tarif TV42 und Tarif TN91, als auch beim Selbstbehalt im Tarif Vital 750 – jedenfalls an der Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders.
Vorliegend hat die Beklagte zwar für die jeweiligen Beitragserhöhungen Zustimmungserklärungen der Treuhänder K sowie G vorgelegt, die Treuhänder waren allerdings bei Abgabe ihrer Zustimmungserklärungen jeweils nicht unabhängig.
Gemäß den §§ 203 Abs. 2 Satz 1 VVG und 157 Abs. 1 VAG (bzw. für die Erhöhungen vor 2016 nach der wortgleichen Regelung des § 12 b Abs. 3 Satz 1 VAG a.F., der bis zum 31.12.2015 galt), muss der zustimmende Treuhänder von dem Versicherungsunternehmen unabhängig sein. Hieran sind nach allgemeiner Meinung strenge Anforderungen zu stellen, da die Zustimmung des Treuhänders die früher erforderliche aufsichtsbehördliche Genehmigung ersetzt und durch den Treuhänder die Wahrung der Belange der Versicherten durch einen neutralen Dritten gewährleistet sein soll (vgl. u.a. AG Potsdam, Urteil vom 18.10.2016, Az.: 29 C 122/16, S. 5, m.w.N.).
Für das Vorliegen der Unabhängigkeit der Treuhänder Kund G ist letztlich die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Den Nachweis, dass die Treuhänder bei Abgabe der jeweiligen Zustimmungserklärungen unabhängig waren, kann die Beklagte allerdings nicht führen. Vielmehr erweckt die dienstvertragliche Verbindung der Treuhänder mit der Beklagten den Anschein, dass diese gerade nicht unabhängig waren / sind.
a) Die Frage der Unabhängigkeit des Treuhänders stellt dabei eine im Zivilrechtsstreit ohne jede Einschränkung voll zu überprüfende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Beitragsanpassung dar. Den Ausführungen der Beklagten, dies sei nur eingeschränkt durch die Zivilgerichte überprüfbar, da die Unabhängigkeit bereits durch die Bestellungsbehörde (BaFin) geprüft würde, weshalb letztlich nur abzustellen sei auf die Zustimmung eines „formal bestellten“ Treuhänders, kann nicht gefolgt werden.
Der Einwand erschließt sich bereits deshalb für das Gericht nicht, da schon aus dem Wortlaut des § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG eindeutig hervorgeht, dass die Wirksamkeit der Beitragsanpassung nicht etwa von der Zustimmung eines nur „formal bestellten“ Treuhänders, sondern ausdrücklich von der Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders abhängig gemacht wird.
Denn gemäß § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG „ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehende Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Verrechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat“ (vgl. hierzu auch Urteil des LG Berlin vom 10.01.2018, Az.: 23 O 264/16, S.9ff, m.w.N.; Anlage K28).
Bei der Unabhängigkeit des Treuhänders handelt es sich damit um eine tatbestandlich, gesetzlich normierte Voraussetzung für die Wirksamkeit der Beitragsanpassung, die – da zwischen den Parteien streitig – im hiesigen Zivilrechtsstreit in vollem Umfang zu überprüfen ist.
Auch der Umstand, dass gem. § 12 b Abs. 4 VAG a.F. (jetzt § 157 Abs. 2 VVG) die BaFin als Aufsichtsbehörde in die Bestellung der jeweiligen Treuhänder eingebunden ist, kann an diesem Umstand nichts ändern. Eine sachliche Prüfung der für die Beitragserhöhungen notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen wäre unter Hinweis auf die aufsichtsrechtliche Genehmigung ansonsten jeglicher wirkungsvollen gerichtlichen Kontrolle auf Veranlassung und unter Mitwirkung des Versicherungsnehmers entzogen (vgl. Urteil des Landgerichts Potsdam vom 27.09.2017, Az.: 6 S 80/16).
Dies widerspräche nicht nur der Entscheidung des BVerfG – noch zu der alten Gesetzesfassung – vom 28.12.1999 (Az.: 1 BvR 2203/98); auch der BGH ist offensichtlich der Ansicht, dass eine Überprüfung dieses Tatbestandsmerkmals erforderlich ist, da ganz offenkundig in dessen Urteil vom 21.10.2015 (Az.: IV ZR 162/03 – Rdnr. 34) und dem dort entschiedenen Rechtsstreit nähere Ausführungen zur Unabhängigkeit des Treuhänders lediglich deshalb nicht vorgenommen werden, da der dortige Kläger „insoweit keine konkreten, auf die Person des Treuhänders bezogenen Bedenken erhoben“ hatte. Was letztlich im Umkehrschluss bedeutet, wären Bedenken erhoben worden, hätte auch eine Überprüfung der Unabhängigkeit stattfinden müssen (vgl. auch Urteil des Landgerichts Berlin vom 10.01.2018, Az. 23 O 264/16, S.9 unten; Anlage K28).
b) Weder der Treuhänder K noch der Treuhänder G waren im Sinne des § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG bzw. gemäß dem § 12 b Abs. 3 VAG a.F. (welcher bis zum Jahre 2016 Gültigkeit hatte) unabhängig.
Zwar ist zugegebenermaßen umstritten, was unter der Unabhängigkeit des Treuhänders letztlich zu verstehen ist, sofern eine gewisse Branchennähe des Treuhänders bereits als Parameter für seine Abhängigkeit gesehen wird, da Branchenferne eher für fehlende Sachkunde sprechen dürfte. Als Regelfall einer Abhängigkeit verweist aber insbesondere der § 157 Abs. 1 Satz 1 VAG – welcher explizit Regelungen zu den Treuhändern in der Krankenversicherung enthält -auf einen „Anstellungsvertrag oder sonstigen Dienstvertrag mit dem Versicherungsunternehmen oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen“ (Langheid/Rixecker/Muschner VVG, § 203 Rndr. 27).
Mit diesen für die § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG bzw. § 12 b Abs. 3 und Abs. 1 VAG a.F. geltenden Ausschlusskriterien, werden letztendlich nicht nur aufsichtsrechtliche Ausschlusskriterien formuliert, sondern diese Kriterien beanspruchen ebenfalls im Wege der Auslegung des Begriffs der Unabhängigkeit des Treuhänders in der zivilrechtlichen Frage der Wirksamkeit der Beitragsanpassung Geltung.
Diesen Kriterien zuwider verpflichteten sich aber sowohl der Treuhänder K als auch der Treuhänder G in ihren jeweiligen Treuhändervereinbarungen Ziffern 4 bzw. 3 (siehe Anlagen BLD 45 und 54) gegenüber der Beklagten dazu, über die eigentliche Treuhändertätigkeit hinaus, auch die Prüfung der Rechnungsgrundlagen bzw. Kalkulationen von neu entwickelten Tarifen zu übernehmen. Hierdurch haben beide Treuhänder mit der Beklagten jeweils einen „sonstigen Dienstvertrag“ abgeschlossen, wodurch sie dann letztlich aufgrund der oben genannten Regelungen nach VVG i.V.m. VAG als vom Beklagten abhängig anzusehen sind und damit von einer Treuhändertätigkeit ausgeschlossen waren (vgl. hierzu auch Urteil des Landgerichts Berlin vom 10.01.2018, Az. 23 O 264/16; Anlage K28, S. 12 f.).
Allein aus dieser über den Treuhändervertrag hinausgehenden dienstvertraglichen Vereinbarung zwischen den Treuhändern und der Beklagten ergibt sich für einen objektiven Dritten nämlich der Anschein, dass die Treuhänder jeweils gerade nicht unabhängig die Beitragsanpassungen überprüfen, sondern aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses zur Beklagten über dienstvertragliche Verpflichtungen ein Interessenkonflikt besteht, was für den Anschein des Nichtvorliegens der Unabhängigkeit der Treuhänder bereits ausreichend ist.
Dies gilt im Übrigen völlig losgelöst davon, dass – wie die Beklagte anführt – der Treuhänder K1. hier keine Überprüfung der Erstkalkulationen für die hier maßgeblichen Beitragsanpassungen des Klägers vorgenommen hat. Es geht schlicht darum, dass dem Treuhänder als neutralem Dritten, die Wahrung der Rechte der Versicherungsnehmer obliegt und dass aus objektiver Sicht des Versicherungsnehmers bei etwaigen dienstvertraglichen Verbindungen des Treunhänders – über den Treuhandvertrag hinaus – mit der Versicherung der Anschein eines Interessenkonflikts besteht.
Das Gericht hat dabei auch keinen Zweifel daran, dass es sich in den genannten Regelungen in den jeweiligen Treuhändervereinbarungen um Abreden über Dienstverträge im Sinne des § 611 ff. BGB handelt. Denn die Treuhänder haben darin jeweils die Obliegenheit übernommen, gegen Honorar auch die Angemessenheit bzw. die Rechnungsgrundlagen von neu einzuführenden Tarifen zu überprüfen. Hierbei handelt es sich klar um eine über die grundsätzliche Treuhändertätigkeit hinausgehende Tätigkeit im Sinne eines Dienstvertrages, da sie der jeweiligen Treuhändertätigkeit im Sinne der Überprüfung der Beitragserhöhungen bereits zeitlich versetzt vorweg geht. Es ist schlicht realitätsfern, dass die Treuhänder bei Überprüfung der Beitragsanpassung im Nachhinein ihre bereits selbst geprüften Berechnungsgrundlagen nachträglich bemängeln oder in irgendeiner Weise beanstanden würden und damit ihre (getrennt) abgerechneten Dienstleistungen selbst in Frage stellen würden.
Der Bewertung als „sonstigen Dienstvertrag“ steht auch nicht entgegen, dass die Regelung gleichzeitig mit der Treuhändervereinbarung abgeschlossen wurde. Denn allein die einheitliche Vertragsurkunde, welche neben der Treuhändervereinbarung auch „sonstige dienstvertragliche Vereinbarungen“ enthält, steht dem Vorliegen eines „sonstigen“ Dienstvertrages nicht entgegen. Es trifft, wie bereits ausgeführt, auch nicht zu, dass es sich bei der insoweit vertraglich niedergelegten Verpflichtung um einen Bestandteil der originären Treuhändertätigkeit handelt. Dies folgt -neben dem Umstand, dass die Dienstleistung bereits zeitlich versetzt der Treuhändertätigkeit vorweg geht – schon aus der Formulierung des Treuhändervertrages selbst, denn darin heißt es, dass: „darüber hinaus vereinbart wird“ bzw. der Treuhänder sich „über seine Treuhändertätigkeit hinaus“ bereit erklärt, die dort niedergelegten Tätigkeiten zu leisten (siehe Anlage BLD 45 und 54). Hierdurch bringen sowohl die Beklagte, als auch der Treuhänder sehr deutlich zum Ausdruck, dass es sich hierbei um Leistungen handelt, die eben gerade nicht von der Treuhändertätigkeit umfasst sind. Folgerichtig wurden die jeweiligen dienstvertraglichen Tätigkeiten der Treuhänder auch gesondert gegenüber der Beklagten abgerechnet.
3. Aufgrund der unter B. I. 1. und 2. dargelegten Gründe kommt es auch nicht mehr maßgeblich darauf an, dass sich die Abhängigkeit des Treuhänders K ggf. auch aus der Gesamtschau der Höhe der von ihm aus seiner Tätigkeit für die Beklagte erzielten Einkünfte und aus der mit Exklusivität verbundenen Dauerhaftigkeit seiner Tätigkeit als Treuhänder für die Beklagte, ableiten lässt. Es kann demnach dahingestellt bleiben, ob – wie teilweise in der Rechtsprechung vertreten – die für die Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer geltende Regelung im Sinne des § 319 Abs. 3 Nr. 5 HGB, wonach sich aus einer langjährigen Überschreitung eines 30%igen Anteils der Einkünfte aus einem immer gleichen Mandat ein Indiz für fehlende Unabhängigkeit ergeben kann, auf die Tätigkeit eines Treuhänders entsprechend Anwendung findet.
II.
Aufgrund der Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen der Beklagten zum 01.01.2011, zum 01.01.2012, zum 01.01.2013, zum 01.01.2015, zum 01.01.2017 sowie der Anhebung des Selbstbehalts zum 01.01.2015 steht dem Kläger – wie geltend gemacht in Klageziffer 2 – gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB im Wege der Leistungskondiktion die Rückzahlung der von ihm aufgrund der Erhöhungen gezahlten Beiträge auf die Versicherungsnummer 000879481B in den Tarifen Tarif Vital 750, Tarif ZPro, Tarif TV42 und Tarif TN91 sowie bezüglich des Selbstbehalts im Tarif Vital 750 bezahlten Beiträge in unstreitiger Höhe von 9.555,48 € zu. Der Anspruch auf anteilige Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.03.2017 ergibt sich aus § 288 Abs. 1, 286 BGB.
Der Kläger hat die entsprechenden Prämiendifferenzen aus den oben unter Ziffer I. 1. und 2. ausgeführten Gründen ohne rechtlichen Grund geleistet mit der Folge, dass der Beklagte die Rückerstattung schuldet.
Die gegen den Rückzahlungsanspruch des Klägers gerichteten Einwände der Beklagten greifen nicht durch.
Insbesondere ist der Rückzahlungsanspruch aufgrund Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen weder ganz noch teilweise verjährt.
Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis hätte erlangen müssen.
Unabhängig davon, dass die Rückzahlungsansprüche aus § 812 Abs. 1 BGB jeweils bereits mit der an die Beklagte bewirkten Beitragszahlung entstanden sind, ist damit weiter erforderlich, dass der Kläger im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes der jeweiligen Beitragszahlung hatte oder ihm insoweit grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Entscheidend ist dabei folglich, wann der Kläger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen die zur Unwirksamkeit der Beitragserhöhung geführt haben, d.h. hier die mangelhafte Begründung der streitigen Beitragserhöhungen sowie die fehlende Unabhängigkeit der Treuhänder, erlangt hat bzw. hätte erlangen müssen. Die Darlegungs- und Beweislast für den Beginn der Verjährung und damit auch für die Kenntnis der Tatsachen trägt die Beklagten.
a) Soweit die Beklagte hierzu einwendet, dass der Kläger bereits jeweils bei Erhalt der nach seiner Ansicht „mangelbehafteten Beitragserhöhungsmitteilungen“ aufgrund seines „Spezialwissens“ als selbstständiger Versicherungsmakler, Kenntnis bzw. jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis vom Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt hätte und damit der Rückzahlungsanspruch verjährt sei, greift dieser Einwand – unabhängig davon, dass dieser bereits nicht für alle geltend gemachten Rückzahlungsansprüche aus den jeweiligen Beitragserhöhungen Geltung beanspruchen könnte – nicht durch.
Auch wenn der Kläger, der unstreitig selbstständiger Versicherungsmakler ist, sich grundsätzlich mit Versicherungen an sich auskennen dürfte, hat die Beklagte jedenfalls nichts dazu vorgetragen, dass dem Kläger auch speziell die Unzulänglichkeiten der jeweiligen Beitragserhöhungsmitteilungen im Hinblick auf die Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG hätten auffallen und darüber in Kenntnis versetzen müssen, dass mangels Wirksamkeit eine Zahlungsverpflichtung nicht besteht.
Auch wenn der Kläger als selbstständiger Versicherungsmakler tätig ist, war für ihn zur Überzeugung des Gerichts nicht ohne Weiteres erkennbar, dass die jeweiligen Beitragsmitteilungen dem Begründungserfordernis gemäß § 203 Abs. 5 VVG nicht entsprechen. So gehört zur „Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände“ nämlich zunächst auch die Fähigkeit überprüfen zu können, ob die erhaltene Begründung den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG gerecht wird. Dass dem Kläger im konkreten Fall diese Einordnung möglich war, legt die Beklagte nicht dar. Dies kann jedenfalls nicht allein anhand der reinen Behauptung, der Kläger sei Versicherungsmakler und hinsichtlich der gesetzlichen Vorgaben versiert, nachgewiesen werden. Denn dass diese Einordnung im Zweifel schwierig zu treffen ist, zeigt bereits der Umstand, dass über den Wortlaut des § 203 Abs. 5 VVG bezüglich der Mitteilung von den „maßgeblichen Umständen“ und damit den Umfang des Begründungserfordernisses trefflich – wie auch im hiesigen Verfahren – gestritten werden kann. Es versteht sich dann aber auch von selbst, dass mangels Erkennbarkeit, ob der Wirksamkeit der Mitteilung im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG, auch nicht erwartet werden kann, dass diesbezüglich – mangels Problembewusstsein – sofort rechtlicher Rat hierüber eingeholt wird.
Erstaunlich ist diesbezüglich im Übrigen auch der Vortrag der Beklagten, dass die Beklagte einerseits der Ansicht ist, ihre Mitteilungen zu den Beitragserhöhungen würden den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG gerecht, während sie gleichzeitig vom Kläger verlangen will, dass dieser die hierin liegenden Defizite ohne Weiteres bei Erhalt der Mitteilung hätte erkennen und folglich – zur Vermeidung einer möglichen Verjährung – demgemäß hätte handeln können.
b) Unabhängig von den unter Ziffer IV. 1. a) ausgeführten Gründen, hatte der Kläger aber jedenfalls vor dem Schreiben der Beklagten vom 24.01.2017 von der fehlenden Unabhängigkeit der Treuhänder, welche letztendlich bereits für sich die Unwirksamkeit der Beitragerhöhungen – wie unter B. Ziffer I. 2. ausgeführt – begründet, keine Kenntnis. Denn unstreitig hat die Beklagte erst im genannten Schreiben vom 24.01.2017 erstmals die Namen der jeweils den Beitragserhöhungen zustimmenden Treuhändern gegenüber dem Kläger bekannt gegeben.
Es kann folglich dahinstehen, ob man dem Kläger hinsichtlich der Begründungsmängel bei den Erhöhungsmitteilungen zumindest grob fahrlässige Unkenntnis vorwerfen möchte.
2. Der Rückzahlungsanspruch ist auch nicht durch die teils mehrjährig unbeanstandete Beitragszahlung des Klägers verwirkt.
Eine Verwirkung entspringt letztlich dem Grundsatz von Treu und Glauben, gemäß § 242 BGB, im Sinne einer illoyalen, verspäteten Rechtsausübung. Eine Verwirkung kommt aber bereits dann, mangels Vorliegen des notwendigen „Umstandsmoments“, nicht in Betracht, wenn sich der Schuldner seinerseits bereits unredlich verhält. Hiervon könnte man allerdings ausgehen, da sich die Beklagte bei den jeweiligen Beitragserhöhungen und den hierfür notwendigen Zustimmungen eines nicht unabhängigen Treuhänders bedient hat, folglich die hier streitigen Beitragserhöhungen selbst bereits nicht rechtskonform bzw. wirksam waren. Dies kann aber am Ende offen bleiben, da eine Verwirkung von bereicherungsrechtlichen Ansprüchen wegen der Schutzwirkung des § 818 Abs. 3 BGB sowieso nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Da nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte sich derart auf das Bestehen des Versicherungsvertrages auf Basis der Beitragserhöhungen eingestellt hat, dass ihr eine Rückzahlung nicht zumutbar ist, liegt ein Ausnahmefall für die Annahme einer Verwirkung nicht vor (vgl. hierzu Landgericht Potsdam vom 27.09.2017, Az.: 6 S 80/16, S.17, m.w.N.; Anlage K 20).
Soweit die Beklagte sich daneben auf eine BGH-Entscheidung (BGH-Urteil vom 14.03.2012 -Az.: VIII ZR 113/11) zu Energielieferungsverträgen beruft, lässt sich die besondere Situation der Energielieferungsverträge nicht auf die hiesigen Fälle der Versicherungsverträge übertragen, wie auch bereits das Landgericht Potsdam in seinem Urteil vom 27.09.2017 (Az. 6 S 80/16, S. 16; Anlage K20) überzeugend ausführt und dem sich das Gericht vollumfänglich anschließt. Denn anders als bei den Energielieferungsverträgen erfolgt bei Versicherungsverträgen gerade kein ständiger und vollwertiger Austausch von Leistungen, dessen Verhältnis – ggf. unter Anwendung des Instituts der Verwirkung – im Gleichgewicht zu halten ist.
III.
Aufgrund der unzureichenden Begründungen sowie der mangelnden Unabhängigkeit der Treuhänder und der hierdurch bedingten unwirksamen Beitragserhöhungen – wie unter Ziffer I. ausgeführt – ist auch der Anspruch des Klägers auf Feststellung gemäß Klageziffer 3, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie vor dem 01.03.2017 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die unter Ziffer 1 der Klage aufgeführten Beitragserhöhungen bezahlt hat, sowie der Anspruch dass die insoweit herauszugebenden Nutzungen mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.03.2017 zu verzinsen sind, begründet.
Der Anspruch aus Klageziffer 3 ergibt sich aus § 818 Abs. 1 BGB. Denn hiernach schuldet die Beklagte zusätzlich zur Rückzahlung der Beitragdifferenzen auch die von ihr tatsächlich aus diesen Differenzen gezogenen Zinsnutzungen nebst Verzugszinsen.
IV.
Der Anspruch auf die Befreiung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 257 BGB.
Der Kläger kann sich aufgrund der durch die Beklagte gegenüber dem Kläger begangenen Vertragspflichtverletzungen, durch die unwirksamen Beitragserhöhungen aufgrund der Zustimmung nicht unabhängiger Treuhänder, zur Abwehr anwaltlicher Hilfe bedienen. Gegen die Höhe der in der Klageschrift vom 03.04.2017 (Blatt 22 der Akte) niedergelegten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.711,70 € bestehen keine Bedenken. Insbesondere bestehen, angesichts der Bedeutung des Streitfalls für den Kläger, der Mehrzahl (hier insgesamt acht) der hier angegriffenen Erhöhungen und der Tatsache, dass es sich um eine versicherungsrechtliche Spezialmaterie handelt, keine Bedenken dahingehend, dass eine Geschäftsgebühr von 1,8 abgerechnet wird.
Eine Entscheidung über den Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 3 S. 1 GVG wie beklagtenseits beantragt, kann aufgrund Entscheidungsreife des Rechtsstreits und damit mangels weiterer mündlicher Verhandlung dahinstehen.
D.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 ZPO.


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