Bankrecht

Unbegründeter Haftungsanspruch wegen vermeintlich fehlerhaften Verkaufsprospektes aufgrund von Verjährung

Aktenzeichen  12 HK O 22087/16

Datum:
5.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 155717
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 199 Abs. 3 Nr. 1, § 242
VerkProG § 11

 

Leitsatz

1 Ein Schaden nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB ist schon dann eingetreten, wenn die Vermögenslage des Geschädigten infolge des schädigenden Ereignisses im Vergleich mit dem früheren Vermögensstand objektiv schlechter geworden ist. Es ist dabei nicht erforderlich, dass der Schaden auch der Höhe nach feststeht oder feststellbar ist oder sich gar konkret ausgewirkt hat. (Rn. 21 – 22) (red. LS Andy Schmidt)
2 Grundsätzlich kann dem Empfänger einer Auskunft oder einer Beratungsleistung nicht vorgeworfen werden, auf die Beratung vertraut zu haben, § 242 BGB. Bei besonderen Umständen bestehen jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz, so zum Beispiel, wenn der Schaden im Bereich der Eigenverantwortung des Geschädigten entstanden ist. (Rn. 25) (red. LS Andy Schmidt)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 529.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I. Zulässigkeit
Das Feststellungsinteresse der Klägerin ist zu bejahen. Diese hat vorgetragen, dass Klagen der Kommanditisten wegen des fehlerhaften Prospektes anhängig gemacht worden seien und noch anhängig seien. Zwar betrifft das Urteil des Oberlandesgerichts München eine Klage gegen einen Treuhänder, doch ist hieraus erst recht zu erwarten dass auch Klagen gegen die Vermittlungsgesellschaft selbst erhoben werden, so dass ein berechtigtes Interesse an der Feststellung besteht, dass Schäden durch die Beklagte übernommen werden müssen.
II. Begründetheit
Die Klage ist jedoch aus mehreren Gründen unbegründet:
1. Verjährung
Ansprüche der Klägerin sind nicht nach § 9 der AGB verjährt, denn herbei handelt es sich bereits nicht um eine Verjährungsvorschrift sondern um Ausschlussfristen. Zudem wäre der Beginn einer Verjährung nicht hinreichend definiert worden.
Jedoch sind die Ansprüche nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB nach Ablauf der 10-jährigen Verjährungsfrist verjährt.
Unstreitig begann die Klägerin bereits im Mai 2006 mit dem Vertrieb der Kommanditanteile unter Verwendung des Prospektes. Dies ist gleichzeitig der Zeitpunkt des Entstehens des Schadens gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB, denn ein Schaden ist schon dann eingetreten, wenn die Vermögenslage des Geschädigten infolge des schädigenden Ereignisses im Vergleich mit dem früheren Vermögensstand objektiv schlechter geworden ist (vgl. BGH IX 9 ZR 82/89). Es ist dabei nicht erforderlich, dass der Schaden auch der Höhe nach feststeht oder feststellbar ist oder sich gar konkret ausgewirkt hat. Hierbei ist der aus einem bestimmten Ereignis erwachsene Schaden verjährungsrechtlich als ein einheitliches Ganzes aufzufassen woraus folgt, dass dann, wenn aufgrund einer Vertragsverletzung einzelne Schäden in zeitlichen Abständen nach und nach entstehen, die Verjährung einheitlich mit dem Eintritt des ersten Schadens, soweit bei dessen Auftreten die später entstehenden Folgen voraussehbar waren, beginnt (BGH a.a.O.). Unter dieser Prämisse verschlechterte sich die Vermögenslage der Klägerin zu dem Zeitpunkt, als sie erstmals unter Zuhilfenahme des Prospektes Kommanditanteile vermittelte, da ab diesem Zeitpunkt damit zu rechnen war, dass Anleger mit der Begründung, dass der Prospekt pflichtwidrig erstellt wurde, Klagen erheben. Somit lief die 10-jährige Verjährung im Mai 2016 ab, so dass die Klageerhebung die Verjährung nicht mehr hemmen konnte.
2. Ausschluss der Haftung durch Nachtrag
Gemäß dem zum Vertragsgegenstand gemachten IDW Standard ES 4 Ziffer 8 entsteht mit einem Nachtrag zum Verkaufsprospekt gemäß § 11 VerkProG ein neuer Verkaufsprospekt. Der Anbieter des Prospektes hat daraufhin den Wirtschaftsprüfer hierüber zu informieren und darf das bisherige Prospektgutachten nicht weiter verwenden. Diese Bestimmung hat die Beklagten auch in den Prüfbericht aufgenommen. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin sich nicht mehr auf den Prüfbericht der Beklagten berufen kann, denn ein solcher Nachtrag wurde zum streitgegenständlichen Verkaufsprospekt hinzugefügt. Dass es sich um einen Nachtrag im Sinne dieser Best mmung handelt, folgt bereits aus der Überschrift des Nachtrags, der ausdrücklich auf § 11 VerkProG Bezug nimmt. Auch inhaltlich handelt es sich um einen derartigen Nachtrag, denn nach § 11 VerkProG sind Veränderungen in einen Nachtrag aufzunehmen, d e für die Beurteilung der Vermögensanlagen von wesentlicher Bedeutung sind. Um eine solche Veränderung handelt es sich hier, denn mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, wonach geschlossene Immobilienfonds zur Altersversorgung nicht geeignet sind, handelt es sich um eine Aussage, die das gesamte Fondskonzept in Frage stellte. Hierüber war wie dies auch die Fondsgesellschaft gesehen hat, der potenzielle Anleger zu informieren.
Die Fondsgesellschaft hat es jedoch nicht dabei belassen, auf dieses Urteil hinzuweisen. Vielmehr fügte sie eine eigene Einschätzung der Sach- und Rechtslage bei, die der Beurteilung des Oberlandesgerichts Düsseldorf diametral entgegenstand. Die Beklagte wiederum hatte keine Gelegenheit, ihren Prüfbericht hierauf erneut abzustimmen. Vielmehr enthielt der Prospekt nunmehr nicht nur nicht den empfohlenen deutlichen Hinweis an die Anleger sondern im Gegenteil die Einschätzung der Fondsgesellschaft, dass die Entscheidung des OLG Düsseldorf keine Relevanz für die Anlage habe. Hieraus wird der Sinn des Ausschlusses der Haftung durch Nachtrag besonders deutlich, denn der Prüfbericht basierte auf einem Prospekt, der zum Thema Altersvorsorge noch eine andere, nämlich undifferenzierte, Aussage beinhaltete hatte, als der dan i durch den Nachtrag ergänzte Prospekt.
3. Mitverschulden
Schließlich muss sich die Klägerin auch ein zu 100 % überwiegendes Mitverschulden zurechnen lassen. Zwar ist der Klägerin insoweit Recht zu geben, dass grundsätzlich dem Empfänger einer Auskunft oder einer Beratungsleistung nicht vorgeworfen werden kann, auf die Beratung vertraut zu haben, § 242 BGB. Jedoch lässt die Rechtsprechung bei besonderen Umständen Ausnahmen von diesem Grundsatz zu (BGH NJW 1982, 1095, 1096), so zum Beispiel, wenn der Schaden im Bereich der Eigenverantwortung des Geschädigten entstanden ist (BGH IV ZR 153/16). Um einen vergleichbaren Fall handelt es sich hier. Aus dem Prüfbericht einerseits und dem den Prüfbericht relativierenden Nachtrag andererseits war für die Klägerin bei Verwendung des Prospektes erkennbar, dass sich die Fondsgesellschaft bei der Erstellung des Nachtrages über die Empfehlung der Beklagten hinweggesetzt hat. Offensichtlich hatte die Fondsgesellschaft die Absicht, ihr Konzept der Werbung für eine Altersvorsorge retten zu wollen. Dies war für die Klägerin erkennbar. Sie hat den Prospekt mit dem Nachtrag bei der Werbung der Anleger weiterhin verwendet, obwohl nunmehr der Prospekt gerade keinen besonders deutlichen Hinweis an die Anleger auf mögliche negative Auswirkunge i auf den Aufbau ihrer Altersvorsorge, so wie von der Beklagten empfohlen, enthielt, sondern im Gegenteil die – wie sich nachträglich herausgestellt hat falsche – Einschätzung des Prospektherausgebers, dass eine solche Gefahr nicht bestünde. Wenn die Klägerin in dieser Situation den Prospekt weiter verwendet, übernimmt sie eine eigene Veranwortung für die Richtigkeit des Prospektinhaltes, welches zu einem zu 100 % übenviegendes Mitverschulden führt.
Nach alledem ist somit die Klage als unbegründet zurückzuweisen.
III. Nebenentscheidungen:
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.
Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO.


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