Bankrecht

Unwirksamer Widerruf eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges

Aktenzeichen  28 O 13993/18

Datum:
25.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 48134
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 314, § 355, § 356b Abs. 1, § 357a, § 491 Abs. 2 S. 1, § 495 Abs. 1
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5, § 7 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1. § 356b Abs. 1 BGB ist genüge getan, wenn dem Darlehensnehmer eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Vertragsantrages zur Verfügung gestellt wird. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die “Abschrift” unterzeichnet ist. (Rn. 34) (red. LS Andy Schmidt)
2. Die Pflichtangaben zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung in einem Darlehensvertrag sind ausreichend dargelegt, wenn der Darlehensnehmer auf die finanzmathematischen Rahmenbedingungen verwiesen wird und die maßgeblichen Faktoren aufgezählt werden. Die Angabe einer konkreten Berechnungsformel ist dagegen nicht erforderlich.  (Rn. 45 – 46) (red. LS Andy Schmidt)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 21.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die Klage ist insgesamt zulässig.
1. Der Klageantrag Ziffer 2 ist zulässig. Es besteht das erforderliche Feststellungsinteresse. Da die Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs in Abrede stellt, berühmt sie sich vertraglicher Erfüllungsansprüche. Die Klagepartei muss sich insoweit nicht grundsätzlich auf den Vorrang der Leistungsklage verweisen lassen. Denn diese bezieht sich allein auf die Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Leistungen, wohingegen sich jedenfalls die begehrte Feststellung, dass die Beklagte danach keine Ansprüche mehr aus dem Darlehensvertrag hat, nicht mit der Leistungsklage abbilden lässt (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2017 – XI ZR 586/15). Letztlich kann dies aber auch dahinstehen, da die Klage jedenfalls in der Sache abzuweisen ist (vgl. Thomas/Putzo, 39. Auflage 2018, § 256 ZPO Rn. 4).
2. Der Klageantrag Ziffer 3 auf Feststellung des Annahmeverzugs ist zulässig. Der Verzug des Schuldners ist zwar grundsätzlich kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO. Die Klage auf Feststellung des Annahmeverzugs bei Leistung Zug um Zug ist jedoch wegen §§ 756, 765 ZPO zulässig. Die Klagepartei hat in Ziffer 1 die Verurteilung zur Leistung Zug um Zug beantragt. Dies genügt. Ob die Leistung tatsächlich Zug um Zug durchsetzbar ist oder sich die Beklagte auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 358 IV 1 i.V.m. § 357 IV BGB berufen kann, betrifft dagegen die Begründetheit der Klage.
II.
Die Klage ist unbegründet. Der Klagepartei stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags zu, weil der von der Klagepartei mit Schreiben vom 04.06.2018 erklärte Widerruf verfristet und damit unwirksam war.
1. Bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag handelt es sich um einen Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 Abs. 2 S. 1 BGB (in der bei Vertragsschluss maßgeblichen Fassung v. 21.03.2016), sodass der Klagepartei ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB (in den Fassungen v. 21.03.2016 bzw. 13.06.2014) zustand.
2. Die Widerrufsfrist war bei Erklärung des Widerrufs jedoch längst abgelaufen. Insbesondere sind die Voraussetzungen des Beginns der Widerrufsfrist gemäß § 356b Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB (in der maßgeblichen Fassung v. 21.03.2016) eingehalten.
a) Die Voraussetzung des § 356b Abs. 1 BGB ist erfüllt, weil die Klagepartei mit dem in der Anlage K1a vorgelegten, ihr unstreitig ausgehändigten und von ihr unstreitig unterzeichneten Schriftstück eine Abschrift ihres Antrags erhalten hat. Nicht erforderlich ist dabei, dass die Abschrift ihre Unterschrift oder die Unterschrift der Beklagten enthält.
Zwar bezeichnet der Begriff „Vertragsurkunde“ nur das von beiden Vertragsparteien unterzeichnete schriftliche Original des Vertrags (BGH XI ZR 381/16). Diese Voraussetzungen sind hier tatsächlich nicht erfüllt.
Jedoch genügt es ausweislich § 356b Abs. 1 BGB, wenn dem Darlehensnehmer eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Vertragsantrages zur Verfügung gestellt wird. Das der Klagepartei ausgehändigte Exemplar enthält unstreitig den Vertragstext. Entgegen der Ansicht der Klagepartei ist es aber nicht erforderlich, dass die „Abschrift“ unterzeichnet ist.
In den Gesetzesmaterialien (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie v. 21.1.2009, BT-Drs. 16/11643, S. 80) wird hierzu ausgeführt:
„Eine Abschrift ist unabhängig von ihrer Herstellung jedes Dokument, das den Vertragsinhalt wiedergibt, ohne dass es besonderer förmlicher Zusätze, wie beispielsweise einer Unterschrift, bedarf. So ist Artikel 10 Abs. 1 Satz 2 der Verbraucherkreditrichtlinie zu verstehen, der von einer „Ausfertigung“ spricht.“
Im Übrigen hat diese Sichtweise auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 9.11.2016 (Rs. C-42/15, Rz. 36, NJW 2017, 45) bestätigt:
„Zweitens ist zu der Frage, ob ein auf Papier erstellt Kreditvertrag nach den im Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Modalitäten von den Parteien unterzeichnet werden muss, darauf hinzuweisen, dass Art. 10 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2008/48 keinen Verweis auf das innerstaatliche Recht enthält und die Begriffe „auf Papier“ und „dauerhafter Datenträger“ in dieser Bestimmung daher eine eigenständige Bedeutung haben. Ihre Auslegung kann nicht durch innerstaatliche Vorschriften über die Form, die bei der Erstellung von Kreditverträgen zu beachten ist, bestimmt werden… Wie schon aus dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 hervorgeht, bezieht sich der Begriff „auf Papier“ auf das Medium, auf dem der Kreditvertrag erstellt wird, ohne dass die Unterzeichnung dieses Papiers gefordert wird.“
Dies wurde ebenso vom BGH in dessen Urteil vom 27.02.2018, XI ZR 160/17, Rz. 30, NJW 2018, 1387, bestätigt, in dem der Senat wie folgt ausführte:
„Weil nach § 355 II 3 BGB a.F. die Abschrift der Vertragserklärung des Verbrauchers genügt, muss das ihm belassene Exemplar nicht von ihm unterzeichnet oder mit dem Abbild seiner Unterschrift versehen sein.“
Nach alledem sind die Voraussetzungen des § 356b Abs. 1 BGB gewahrt.
b) Die Klagepartei hat auch sämtliche erforderlichen Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6-13 EGBGB ordnungsgemäß erhalten. Die von der Klagepartei gerügten Fehler liegen nicht vor. Soweit die Klagepartei hierzu wiederholt Auszüge aus verschiedenen Gerichtsentscheidungen kopiert oder auf diese verweist, sei angemerkt, dass diese schon nach ihrem eigenen Vortrag auch Verträge anderer Banken betreffen und damit nicht ohne weiteres übertragbar sind (vgl. Seite 19 der Klage = Bl. 19 d.A.).
aa) Pflichtangabe über das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB
Das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung des Vertrages ist ebenfalls den gesetzlichen Anforderungen entsprechend angegeben worden. Die Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten enthalten in Ziffer 4.4 „Kündigung aus wichtigem Grund“ folgende Angabe: „Das Recht des Darlehensnehmers/Mitdarlehensnehmers zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. (…) Die Kündigung bedarf der Textform.“ Unabhängig von der teilweise kontrovers diskutierten Frage, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet war, auf das außerordentliche Kündigungsrecht des Darlehensnehmers hinzuweisen, ist daher festzustellen, dass dieser Hinweis hier jedenfalls erfolgt ist. Der Angabe der Vorschrift des § 314 BGB bedurfte es dabei aus Sicht des Gerichts nicht. Der Hinweis auf das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund ist auch ohne Zitat der Vorschrift des § 314 BGB ausreichend und klar verständlich.
Ein Fehler ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht daraus, dass es in Ziffer 4.4. der ADB weiter heißt, dass die Kündigung des Darlehensnehmers der Textform bedarf. Dabei kann hier wiederum dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet war, auf die Form der Kündigung hinzuweisen. Das Bestehen einer solchen Pflicht an dieser Stelle unterstellt, wäre ihr mit Ziffer 4.4 der ADB jedenfalls Genüge getan. Dabei ist es zwar zutreffend, dass der Darlehensnehmer grundsätzlich formfrei kündigen kann. Die Parteien haben hier aber im Rahmen des Vertragsschlusses unter Einbeziehung der ADB schlicht eine anderweitige Vereinbarung getroffen. Diese Vereinbarung war vorliegend auch zulässig. Es liegt insbesondere weder ein Verstoß gegen § 309 Nr. 13 BGB noch gegen § 307 BGB vor. Dabei ist zum einen das berechtigte Interesse beider Parteien an der Einhaltung der Textform schon zu Beweiszwecken zu sehen. Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der Darlehensnehmer hierdurch unangemessen benachteiligt werden sollte. Dazu kommt, dass für den Darlehensnehmer keine strengere Form als für den Darlehensgeber, sondern dasselbe Formerfordernis vereinbart wurde. Im Übrigen hätte ein solcher – hier nicht gegebener – Verstoß nur zur Folge, dass die entsprechende Klausel unwirksam wäre, ohne darüber hinaus jedoch Auswirkungen auf den Lauf der Widerrufsfrist zu haben.
Die Beklagte musste darüber hinaus nicht darauf hinweisen, dass die Kündigung erst mit Zugang bei der anderen Partei wirksam wird. Dabei handelt es sich schon nicht um eine Angabe zu dem „einzuhaltende(n) Verfahren bei der Kündigung“ im Sinn des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB.
Der von der Klagepartei bemängelte angeblich fehlende Hinweis auf die Form der Kündigung durch den Darlehensgeber befindet sich in Ziffer 5.3 der ADB der Beklagten.
Mangels Formmängeln ist § 494 Abs. 7 BGB vorliegend nicht einschlägig.
bb) Pflichtangabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB
Die Angaben zur „Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt“ sind entgegen der Rüge der Klagepartei ausreichend unter Ziffer 4 der Europäischen Standardinformation (Seite 3 der Vertragsunterlagen) bzw. Ziffer 4.3 der ADB (Seite 10 der Vertragsunterlagen) erfolgt.
Zunächst ist es ausreichend, dass die Beklagte hier „nur“ auf die vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen verwiesen und die maßgeblichen Faktoren aufgezählt hat. Die Angabe einer konkreten Berechnungsformel war dagegen nicht erforderlich. Schon dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass hier eine konkrete Formel anzugeben wäre. Gefordert wird vielmehr nur die „Angabe der Berechnungsmethode“. Damit wird dem gesetzgeberischen Ziel, dass der Verbraucher die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nachvollziehen und seine Belastung im Fall einer vorzeitigen Darlehensablösung zutreffend abschätzen kann (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, BT-Drs. 16/11643, S. 87) hinreichend Rechnung getragen. Schließlich heißt es auch in dem Muster nach Anlage 3 zu Art. 247 § 2 EGBGB nur „Festlegung der Entschädigung (Berechnungsmethode) gemäß § 502 BGB“.


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