Bankrecht

Unwirksamer Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages zur Finanzierung eines BMW 435

Aktenzeichen  29 O 6843/19

Datum:
2.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 49719
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 355 Abs. 2, Abs. 4 S. 1, § 356, § 492 Abs. 2, § 495
EGBGB Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11, § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Frage, ob Pflichtangaben in einem Verbraucherdarlehensvertrag für einen Darlehensnehmer “klar und verständlich” formuliert sind, ist aus dem Horizont eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers zu beurteilen (ebenso BGH BeckRS 2016, 06439).  (Rn. 30) (red. LS Andy Schmidt)
2. Dabei müssen die Pflichtangaben nicht notwendig im Darlehensantragsformular selbst enthalten sein. Diese können vielmehr auch “klar und verständlich” in allgemeinen Geschäftsbedingungen erteilt werden (ebenso BGH BeckRS 2017, 120504).  (Rn. 31) (red. LS Andy Schmidt)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 49.990,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Die Klage ist unbegründet. Der von der Klagepartei mit Schreiben vom 23.01.2019 erklärte Widerruf war verfristet und damit unwirksam.
I.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag vom März 2016 um einen Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 Abs. 1 und 2 BGB (in der bei Vertragsschluss maßgeblichen Fassung von 11.06.2010-12.06.2014) handelt, sodass der Klagepartei ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zustand.
II.
Die Widerrufsfrist war jedoch bei Erklärung des Widerrufs längst abgelaufen.
1. Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB 14 Tage. Sie beginnt gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB grundsätzlich mit Vertragsschluss. Gemäß § 356b Abs. 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist auch nicht, bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde, den schriftlichen Antrag des Darlehensnehmers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Antrags zur Verfügung gestellt hat. Weiter setzt der Fristbeginn voraus, dass die dem Darlehensnehmer zur Verfügung gestellte Urkunde die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB enthält. Anderenfalls beginnt die Frist erst mit Nachholung dieser Angaben gemäß § 492 Abs. 6 BGB und beträgt einen Monat, § 356b Abs. 2 S. 1 und 2 BGB.
Die Voraussetzungen für den Fristbeginn waren vorliegend entgegen der Ansicht der Klagepartei erfüllt. Insbesondere wurden der Klagepartei alle erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB in den ihr zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen erteilt.
2. Allgemein fordert das Gesetz für die Information des Verbrauchers über die Pflichtangaben, dass diese im Verbraucherdarlehensvertrag „klar und verständlich“ enthalten sein müssen (§ 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1 EGBGB). Die Frage, ob Pflichtangaben „klar und verständlich“ formuliert sind, ist aus dem Horizont eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers zu beurteilen (BGH, Urteil vom 23.02.2016, XI ZR 101/15, NJW 2016, 1881, Rz. 33 f.).
Dabei müssen die Pflichtangaben nicht notwendig im Darlehensantragsformular selbst enthalten sein. Diese können vielmehr auch „klar und verständlich“ in allgemeinen Geschäftsbedingungen erteilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 4.7.2017, XI ZR 741/16). Vorliegend wurden die ADB der Beklagten als Teil der Vertragsunterlagen (Seiten 10 und 11) ausgehändigt (vgl. Anlage K1). Sie wurden durch die Hinweise auf Seite 5 des Darlehensantrags oben sowie auf Seite 7 direkt oberhalb der Unterschriftszeile auch wirksam in den Vertrag einbezogen.
Die vorgelegten Allgemeinen Darlehensbedingungen sind auch lesbar. Insbesondere ist die Schriftgröße nicht derart klein, dass die Regelungen etwa nur noch mit der Lupe gelesen werden könnten. Auf die streitige Frage, ob die Schriftgröße weniger als 6 Pkt. beträgt bzw. ob die als Anlage K 1 vorgelegte Kopie mit dem ausgehändigten Exemplar identisch ist, kommt es daher nicht an.
Entgegen der Ansicht der Klagepartei ist es weiter auch ausreichend, wenn Pflichtangaben in der „Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite“ enthalten sind, wenn diese – wie hier – als Teil der Darlehensvertragsurkunde ausgehändigt wird, was ausweislich Erwägungsgrund Nr. 30 der Richtlinie 2008/48/EG vom 23. April 2008 ausdrücklich zulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Einheit einer Urkunde gewahrt, wenn eine fortlaufende Paginierung vorliegt (BGH, Urteil vom 24.9.1997 – XII ZR 234/95, DStR 1997, 1980). Und eben dies ist, wie die Anlage K1 zeigt, durch die erfolgte fortlaufende Paginierung („Darlehensnehmer: Seite 1 von 11“ etc.) vorliegend der Fall. Die Angaben liegen also keineswegs nur in (separaten) vorvertraglichen Informationen oder in sonstigen Dokumenten vor, sondern sie sind in der Vertragsurkunde selbst enthalten. Dies ist zwischen den Parteien auch letztlich unstreitig, auch wenn die Klagepartei zunächst vorgetragen hat, die Europäische Standardinformation sei vorvertraglich ausgehändigt worden. Die Klagepartei hat den Vortrag der Beklagten, wonach die Vertragsunterlagen aus insgesamt 11 Seiten bestanden, nicht nur nicht bestritten, sondern selbst die Vertragsunterlagen als 11 fortlaufend paginierte Seiten als Anlagen K1 und K2 vorgelegt.
Die Frage der Einbeziehung ist demgegenüber eine rechtliche Wertung. Entgegen der Ansicht der Klagepartei handelt es sich hier aber gerade nicht um nur separate vorvertragliche Informationen im Sinne des § 491 a BGB, welche nicht in den Vertrag einbezogen worden wären. Sie sind vielmehr – wie gezeigt – Teil der Vertragsurkunde. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall aber von der gleichzeitigen Übersendung eines separaten Merkblatts, wie es offenbar in dem von der Klagepartei zitierten Urteil des OLG Karlsruhe (17 U 58/16) der Fall war. Dem Informationszweck wird durch den Abdruck der „Europäischen Standardinformation“ auf den Seiten 1 bis 3 der Vertragsunterlagen, also gleich zu Beginn und damit unübersehbar, auch ohne weiteres Genüge getan. Insbesondere kann der Verbraucher durchaus damit rechnen, dass sich auf den Seiten 1 bis 3 der ihm ausgehändigten Vertragsunterlagen die gesetzliche Widerrufsfrist auslösende Informationen befinden (wiederum im Gegensatz zu dem Fall des OLG Karlsruhe, 17 U 58/16, juris, Rn. 32). Zudem wird unter den „Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag“ auf Seite 4 der Vertragsunterlagen gleich zu Beginn nochmals ausdrücklich auf die „Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite“ Bezug genommen.
3. Die Beklagte hat die erforderlichen Pflichtangaben gemäß Art. 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB ordnungsgemäß erteilt. Die einzelnen Rügen der Klagepartei greifen nicht durch.
a) Art des Darlehens, Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB
Die Beklagte hat die Art des Darlehens ausreichend gemäß Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB angegeben. Zum einen befindet sich die Angabe – wie die Klagepartei selbst vorträgt – bereits auf Seite 1 der Vertragsunterlagen in der Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite, dort unter Ziffer 2 „Kreditart“ (siehe Anlage K2). Die Angabe befindet sich außerdem auf Seite 4 in den „Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag“ unter Ziffer 1 (vgl. Anlage K2). Wie oben ausgeführt, wurden diese Unterlagen als Bestandteile des Vertrags ausgehändigt, es handelt sich gerade nicht um nur separate vorvertragliche Informationen.
Im Übrigen ist dem von der Klagepartei in der Anlage K1 vorgelegten Darlehensantragsformular (Seite 5 der Vertragsunterlagen) zu entnehmen, dass es sich um ein befristetes Darlehen handelt, das in Raten zurückzuzahlen ist. Dies genügt den gesetzlichen Anforderungen.
b) Auszahlungsbedingungen, Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB
Die Auszahlungsbedingungen sind ebenfalls gemäß Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB (in der Fassung vom 21.03.2016 bis 12.01.2018) angegeben. Die Pflichtangabe befindet sich zum einen auf Seite 1 der Vertragsunterlagen in der – als Vertragsbestandteil ausgehändigten – Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite unter Ziffer 2 „Bedingungen für die Inanspruchnahme“. Der Hinweis befindet sich außerdem im Darlehensantragsformular (Seite 5 der Vertragsunterlagen) unter „Wichtige Hinweise“. Die Bedingungen sind dem Darlehensvertrag ebenso zu entnehmen wie die zu bestellende Sicherheit als weitere Auszahlungsbedingung. Dies ist aus Sicht des Gerichts ausreichend.
c) Art und Weise der Anpassung des Verzugszinssatzes, Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB (in der Fassung vom 21.03.2016 bis 12.01.2018)
Entgegen der Ansicht der Klagepartei werden auch die gesetzlichen Anforderungen an die Angabe des Verzugszinssatzes bzw. der Art und Weise seiner Anpassung gemäß Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB (a.F.) eingehalten. Die erforderliche Angabe befindet sich zum einen in der Europäischen Standardinformation unter Ziffer 3 „Kosten bei Zahlungsverzug“ (Seite 2 der Vertragsunterlagen), zum anderen unter Ziffer 5 in den „Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag“ (Seite 4 der Vertragsunterlagen) und nochmals im Darlehensantragsformular selbst unter „Wichtige Hinweise“ (Seite 5 der Vertragsunterlagen). Die Formulierung „gesetzliche Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz“ entspricht schlicht der Formulierung des Gesetzgebers in § 288 Abs. 1 S. 2 BGB und enthält alle für den Verbraucher notwendigen Informationen. Die Angabe einer absoluten Zahl ist weder notwendig noch möglich, da sich der Verzugszins abhängig vom Basiszinssatz künftig ändern kann und bei Vertragsschluss völlig unklar ist, ob überhaupt und zu welchem Zeitpunkt der Darlehensnehmer möglicherweise in Verzug geraten wird. Die Angabe des bei Vertragsschlusses geltenden Verzugszinssatzes hat für den Verbraucher daher schon keinen Informationswert.
d) Einzuhaltendes Verfahren bei Kündigung des Vertrages, Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB
Das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung des Vertrages ist ebenfalls den gesetzlichen Anforderungen entsprechend angegeben worden. Die ADB der Beklagten enthalten in Ziffer 4.4 „Kündigung aus wichtigem Grund“ folgende Angabe: „Das Recht des Darlehensnehmers/Mitdarlehensnehmers zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt… Die Kündigung bedarf der Textform.“ Unabhängig von der teilweise kontrovers diskutierten Frage, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet war, auf das außerordentliche Kündigungsrecht des Darlehensnehmers hinzuweisen, ist daher festzustellen, dass dieser Hinweis hier jedenfalls erfolgt ist. Der Angabe der Vorschrift des § 314 BGB bedurfte es dabei aus Sicht des Gerichts nicht. Der Hinweis auf das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund ist auch ohne Zitat der Vorschrift des § 314 BGB ausreichend und klar verständlich. Zudem ist es ausreichend, wenn sich diese Information (nur) in den – hier ohnehin als Bestandteil der Vertragsurkunde – ausgehändigten ADB befindet (vgl. BGH XI ZR 741/16, Rz. 25, juris, und XI ZR 253/15, Rz. 25, juris).
Ein Fehler ergibt sich entgegen der Ansicht der Klagepartei auch nicht daraus, dass es in Ziffer 4.4. der ADB weiter heißt, dass die Kündigung des Darlehensnehmers der Textform bedarf. Dabei kann hier wiederum dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet war, auf die Form der Kündigung hinzuweisen. Das Bestehen einer solchen Pflicht an dieser Stelle unterstellt, wäre ihr mit Ziffer 4.4 der ADB jedenfalls Genüge getan. Dabei ist es zwar zutreffend, dass der Darlehensnehmer grundsätzlich formfrei kündigen kann. Die Parteien haben hier aber im Rahmen des Vertragsschlusses unter Einbeziehung der ADB schlicht eine anderweitige Vereinbarung getroffen. Diese Vereinbarung war vorliegend auch zulässig. Es liegt insbesondere weder ein Verstoß gegen § 309 Nr. 13 BGB noch gegen § 307 BGB vor. Dabei ist zum einen das berechtigte Interesse beider Parteien an der Einhaltung der Textform schon zu Beweiszwecken zu sehen. Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der Darlehensnehmer hierdurch unangemessen benachteiligt werden sollte. Dazu kommt, dass für den Darlehensnehmer keine strengere Form als für den Darlehensgeber, sondern dasselbe Formerfordernis vereinbart wurde. Im Übrigen hätte ein solcher – hier nicht gegebener – Verstoß nur zur Folge, dass die entsprechende Klausel unwirksam wäre, ohne darüber hinaus jedoch Auswirkungen auf den Lauf der Widerrufsfrist zu haben.
Die Beklagte musste darüber hinaus nicht darauf hinweisen, dass die Kündigung erst mit Zugang bei der anderen Partei wirksam wird. Dabei handelt es sich schon nicht um eine Angabe zu dem „einzuhaltende(n) Verfahren bei der Kündigung“ im Sinn des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB.
f) Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB
Die Angaben zur „Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt“ sind entgegen der Rüge der Klagepartei ausreichend unter Ziffer 4 der Europäischen Standardinformation (Seite 3 der Vertragsunterlagen) bzw. Ziffer 4.3 der ADB (Seite 10 der Vertragsunterlagen) erfolgt.
Zunächst ist es ausreichend, dass die Beklagte hier „nur“ auf die vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen verwiesen und die maßgeblichen Faktoren aufgezählt hat. Die Angabe einer konkreten Berechnungsformel war dagegen nicht erforderlich. Schon dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass hier eine konkrete Formel anzugeben wäre. Gefordert wird vielmehr nur die „Angabe der Berechnungsmethode“. Damit wird dem gesetzgeberischen Ziel, dass der Verbraucher die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nachvollziehen und seine Belastung im Fall einer vorzeitigen Darlehensablösung zutreffend abschätzen kann (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, BT-Drs. 16/11643, S. 87) hinreichend Rechnung getragen. Schließlich heißt es auch in dem Muster nach Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB nur „Festlegung der Entschädigung (Berechnungsmethode) gemäß § 502 BGB“. Von der Beklagten ist aber keine genauere Formulierung als vom Gesetzgeber zu erwarten. Für den Verbraucher ist aus den Angaben der Beklagten klar ersichtlich, wo die Obergrenze der Vorfälligkeitsentschädigung liegt und nach welchen maßgeblichen Faktoren sie sich berechnet. Dies genügt. Dazu kommt, dass die konkrete mathematische Formel so abstrakt und schwer verständlich ist, dass sie einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher keinen zusätzlichen Informationsgewinn im Vergleich zu dem Hinweis auf die Anwendung der Berechnungsmethode des BGH mit den wesentlichen Parametern bietet (vgl. LG Heilbronn, Urteil v. 30.01.2018, 6 O 358/17, BeckRS 2018, 738). Soweit dies das LG Berlin in der von der Klagepartei zitierten Entscheidung anders gesehen hat, folgt dem das Gericht aus den genannten Gründen nicht.
Auch die zusätzliche Angabe, dass die Entschädigung pauschal 75,- € beträgt, macht die Darstellung nicht insgesamt unklar oder unverständlich. Für den durchschnittlich verständigen Verbraucher ist aus der Formulierung ohne weiteres ersichtlich, dass er im Fall der vorzeitigen Rückzahlung grundsätzlich eine pauschale Vorfälligkeitsentschädigung von 75,- € schuldet. Dass diese den Verwaltungsaufwand umfasst, ergibt sich schon aus den oberen Angaben zur Berechnungsmethode, wo der Verwaltungsaufwand ausdrücklich als Parameter für die Berechnung aufgeführt wird. Im Übrigen sind die Ausführungen zur Berechnungsmethode schlicht der Tatsache geschuldet, dass nach Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung anzugeben ist. Die folgenden Ausführungen tragen dann der Vorgabe des § 309 Nr. 5b BGB Rechnung, wonach dem Darlehensnehmer der Nachweis zu gestatten ist, dass dem Kreditgeber kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden ist. Aus der weiteren Darstellung ergibt sich wiederum, dass der Betrag der Vorfälligkeitsentschädigung ggf. noch auf den niedrigeren der beiden folgenden Beträge reduziert wird, wobei die Beklagte hier die Vorgaben des § 502 Abs. 3 BGB umgesetzt hat. Zudem wird hierdurch sichergestellt, dass die Pauschale den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden nicht übersteigt, § 309 Nr. 5 a BGB. Letztlich führt die zusätzliche Angabe der Pauschale dazu, dass dem Verbraucher die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung sehr viel klarer vor Augen geführt wird, als durch die bloße Angabe der Berechnungsmethode. Die weiteren Ausführungen dienen schlicht der Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben.
g) Zugangsvoraussetzungen zu außergerichtlichem Beschwerdeverfahren, Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB
Die Darlehensvertragsunterlagen enthalten zudem auf Seite 5 unter „Wichtige Hinweise“ die erforderlichen Angaben zu den Zugangsvoraussetzungen zu außergerichtlichen Beschwerdeverfahren. Die Angaben informieren klar und verständlich gemäß Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB über den Zugang des Darlehensnehmers zum Ombudsmannverfahren. Nicht erforderlich war eine Belehrung über die Voraussetzungen der Zulässigkeit eines solchen Verfahrens. Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB fordert im Einklang mit Art. 10 Abs. 2 s) der Verbraucherkreditrichtlinie, dass „gegebenenfalls“ die Voraussetzungen des Zugangs zu dem Verfahren aufgeführt werden. Da für die Schlichtung vorliegend keine besonderen Zugangsvoraussetzungen bestehen, sondern diese jedem Verbraucher offen steht, war kein weitergehender Hinweis erforderlich. Insbesondere ist hier zwischen Zugang zu einem Beschwerdeverfahren und Zulässigkeit eines Beschwerdeverfahrens zu unterscheiden.
h) Barzahlungspreis, Art. 247 § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a) EGBGB
Die Beklagte hat den Barzahlungspreis, wie die Klagepartei selbst vorträgt, in der Europäischen Standardinformation unter Ziffer 2 mitgeteilt. Dies genügt, da die europäische Standardinformation, wie oben bereits ausgeführt, als Bestandteil des Vertrags ausgehändigt wurde.
i) Für den Darlehensgeber zuständige Aufsichtsbehörde, Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB
Soweit die Klägerseite die Auffassung vertritt, die Beklagte habe entgegen Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGBGB fehlerhaft die EZB als weitere Aufsichtsbehörde nicht genannt, kann dem bereits deswegen nicht gefolgt werden, weil die Beklagte auf Seite 5 der Darlehensunterlagen unter „Aufsichtsbehörden“ ausdrücklich neben der erforderlichen und insoweit auch bereits ausreichenden Erwähnung der BaFin (vgl. BeckOGK/Knops, Stand 01.09.2018, § 492 Rn. 18) zusätzlich überdies ausdrücklich die EZB erwähnt hat. Damit dürfte hier von Seiten der Klägervertreter ein Textbaustein falsch eingefügt worden sein.
j) Gesetzlichkeitsfiktion, Art. 247 § 6 Abs. 2, § 12 Abs. 1 Nr. 2 b) EGBGB
Die von der Beklagten verwendete Widerrufsinformation genügt schließlich den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 EGBGB bzw. § 12 Abs. 1 Nr. 2 b) EGBGB. Die Beklagte kann sich hier jedenfalls nach Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3, § 12 Abs. 1 S. 3 EGBGB auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsinformation berufen, da sie in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form ein Formular verwendet hat, das dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB vollumfänglich und exakt entspricht. Der Gestaltungshinweis Nr. 3 sieht nur vor, dass der genaue Zinsbetrag in Euro pro Tag einzufügen und dabei Centbeträge als Dezimalstellen anzugeben sind. Dem wird auch mit der Angabe von „4,35 Euro“ Genüge getan.
Die Frage, ob die Einwände der Klagepartei zur fehlerhaften Belehrung über die Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Rückzahlung des Darlehens und zur Zahlung von Zinsen durchgreifen, muss vorliegend nicht entschieden werden. Die Beklagte kann sich hier jedenfalls auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsinformation berufen, da sie in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form ein Formular verwendet hat, das dem Muster in der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB vollumfänglich und wortwörtlich entspricht.
Zwar weist die Klagepartei zutreffend darauf hin, dass Ziffer 10.3 der ADB eine unwirksame AGB-Klausel darstellt (BGH, Urteil vom 20.03.2018, XI ZR 309/16, Rn. 14-21), das hat aber keinen Einfluss auf die Beurteilung der Widerrufsinformation (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 03.07.2018, XI ZR 758/17; wie hier OLG München, Beschluss vom 05.09.2018, Gz. 5 U 2413/18, Seite 2). Denn die in Ziffer 10.3. der ADB enthaltene Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit auf unbestrittene bzw. rechtskräftige Forderungen bezieht sich (anders als z.B. die Nennung von Pflichtangaben) nicht auf die Widerrufsinformation, sondern kommt nur in den Fällen zum Tragen, in denen der Darlehensnehmer mit eigenen Forderungen aufrechnen möchte. Dies kann sich im Falle eines Widerrufs erst nach erfolgter Widerrufserklärung auswirken. Dass ein verständiger Darlehensnehmer sich dadurch von einem Widerruf abhalten lassen würde, sieht das Gericht nicht.
III.
Das Gericht hat – entsprechend der Vorgabe des BGH, wonach die Übereinstimmung von vorformulierten Widerrufsbelehrungen mit höherrangigem Recht eine Rechtsfrage ist und ohne Bindung an das Parteivorbringen zu untersuchen ist (BGH, Urteil vom 20.06.2017 – XI ZR 72/16, BeckRS 2017, 120503) – die streitgegenständliche Widerrufsinformation auch über die von dem Kläger beanstandeten Passagen hinaus überprüft, indes keinen, den Lauf der Widerrufsfrist hindernden Fehler feststellen können. Nach alledem ist die streitgegenständliche Widerrufsinformation nicht zu beanstanden, so dass der Klage kein Erfolg beschieden ist.
Auf die Frage, ob Verwirkung eingetreten ist bzw. sich das Verhalten der Klagepartei als rechtsmissbräuchlich darstellt, kommt es nach den obigen Ausführungen nicht mehr an.
IV.
Mangels Begründetheit der Klage war über den nur hilfsweise gestellten Widerklageantrag der Beklagten nicht mehr zu entscheiden.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
C.
Der Streitwert wurde entsprechend dem wirtschaftlichen Interesse der Klagepartei an dem Rechtsstreit, also anhand der Nettodarlehenssumme, festgesetzt.


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