Bankrecht

Unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen

Aktenzeichen  19 U 3979/15

Datum:
28.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 355 Abs. 2 S. 1
ZPO ZPO § 138 Abs. 4, § 522 Abs. 2

 

Leitsatz

Gründe

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 22.10.2015, Az. 24 O 1194/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
1. Die These der Berufung, es könne davon ausgegangen werden, dass die Darlehensunterlagen den Klägern postalisch zugesandt worden seien (BB S. 4), ist nicht haltbar. Sie trägt selbst vor, dass das Darlehensangebot „vorliegend in der Bank“ unterzeichnet worden sei (BB S. 3). Soweit die Berufung die Annahme des Landgerichts, den Klägern seien alle Unterlagen bei Darlehensunterzeichnung am 15.4.2009 in den Geschäftsräumen der Beklagten ausgehändigt worden, als „nicht erwiesen“ rügt, verkennt sie – unbeschadet der Frage, ob sie damit die Grenzen der Wahrheitspflicht noch wahrt – zweierlei:
– Das Landgericht hat seine Annahme nicht allein auf ein unzulässiges Bestreiten entsprechenden Beklagtenvortrags mit Nichtwissen gestützt, sondern sich ausweislich der Urteilsgründe anhand der vorgelegten Anlagen B2 und K1 eine eigene Überzeugung verschafft. Dem vom Landgericht aus den genannten Dokumenten gezogenen und möglichen Schluss setzt die Berufung nichts entgegen.
– Zutreffend hat das Landgericht das klägerische Bestreiten mit Nichtwissen als unzulässig qualifiziert. Verfahrensfehler in diesem Zusammenhang macht die Berufung nicht geltend, sie trägt im Übrigen auch jetzt nichts vor, was über ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen hinausgeht („bleibt bestritten“). Nach der Vorschrift des § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung sind. Für die
– Beurteilung, ob ein Bestreiten mit Nichtwissen zulässig ist, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt an, in dem sich die Partei im Prozess zu erklären hat. Zwar ist es bei einem lange zurückliegenden (Alltags-)Vorgang zulässig, diesen mit Nichtwissen zu bestreiten, wenn – nach der Lebenserfahrung glaubhaft – hieran keine Erinnerung mehr besteht (BGH NJW-RR 2002, 612, 613 mwN). Vorliegend handelt es sich indes nicht um einen solchen lange zurückliegenden Alltagsvorgang, jedenfalls haben die Kläger nicht dargelegt, dass der Abschluss von Immobilienfinanzierungskrediten in der streitgegenständlichen Größenordnung für sie alltäglich wäre. Zudem treffen die Kläger in diesem Zusammenhang Erkundigungs- und Informationsobliegenheiten. Hat eine Partei zum behaupteten Vorgang kein aktuelles Wissen, so muss sie ihr Gedächtnis – soweit möglich und zumutbar – etwa anhand eigener Unterlagen auffrischen (Musielak, ZPO, 12. Aufl., § 138 Rdn. 17 mwN). Dass die Kläger dieser Pflicht nachgekommen wären, behauptet auch die Berufung nicht.
2. Wegen hier nicht zu beanstandenden Widerrufsbelehrung erweist sich der erklärte Widerruf als verspätet und damit wirkungslos (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. iVm Art. 229 § 9 Abs. 1 S. 1, § 22 Abs. 2 EGBGB).
Zutreffend beurteilt das Landgericht die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung am Maßstab von § 355 BGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung. Die Frage, ob die Belehrung derjenigen nach der BGB-Muster-Info-Verordnung entsprach, ist nur relevant, falls die Belehrung gesetzlichen Anforderungen nicht genügt.
Die Formulierung der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung führt nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt (s.o.) nicht dazu, dass die Kläger über den Beginn der für sie maßgeblichen Widerrufsfrist im Unklaren hätten bleiben können. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen in den Entscheidungen des OLG Düsseldorf vom 27.2.2015 – 17 U 125/14 und des OLG Karlsruhe vom 1.6.2016 – 17 U 204/14 (Anlage B3) vollinhaltlich an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug.
II. Bei dieser Sachlage wird schon aus Kostengründen empfohlen, die Berufung zurückzunehmen. Im Falle der Berufungsrücknahme vor Eingang der Berufungsbegründung bei Gericht ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 1,0 Gebühren (vgl. Nr. 1221 des Kostenverzeichnisses zum GKG) und nach deren Eingang von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Zu diesen Hinweisen kann der Berufungsführer binnen 3 Wochen ab Zugang Stellung nehmen. Der Senat soll nach der gesetzlichen Regelung die Berufung unverzüglich durch Beschluss zurückweisen, wenn sich Änderungen nicht ergeben. Mit einer einmaligen Verlängerung dieser Frist um maximal weitere 3 Wochen ist daher nur bei Glaubhaftmachung konkreter, triftiger Gründe zu rechnen (vgl. OLG Rostock, OLGR 2004, 127 ff.). Eine Fristverlängerung um insgesamt mehr als einen Monat ist daneben entsprechend § 520 II 3 ZPO nur mit Zustimmung des Gegners möglich.


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