Bankrecht

Verschmelzungsrechtlicher Squeeze-out in virtueller Hauptversammlung während der COVID-19-Pandemie

Aktenzeichen  7 AktG 4/21

Datum:
28.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MDR – 2021, 1205
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
COVMG § 1 Abs. 2 S. 1, Abs. 6
AktG § 53a, § 118 Abs. 1 S. 2, § 243 Abs. 4, § 246a, § 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3, § 327e Abs. 2
UmwG § 62
GG Art. 76 Abs. 2

 

Leitsatz

1. § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG, der die Durchführung einer Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre erlaubt, ist weder verfassungs- noch europarechtswidrig. (Rn. 69 – 78) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein verschmelzungsrechtlicher Squeeze-out, der im Zusammenhang mit einer ausdrücklich beabsichtigten Umstrukturierung steht und dem Interesse der Muttergesellschaft als Hauptaktionärin dient, die Konzernstruktur zu ordnen und zu vereinfachen sowie die Unternehmensleitung zu vereinheitlichen, ist grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich. (Rn. 87) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre gilt nach § 53a AktG nur im Verhältnis von Gesellschaft zu Aktionär, nicht jedoch im Verhältnis zwischen Aktionären. (Rn. 91) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Erhebung der Klagen der Antragsgegner beim Landgericht München I, Az. 5 HK O 3712/21 gegen den in der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 19.02.2021 unter dem einzigen Tagesordnungspunkt gefassten Beschluss mit folgendem Wortlaut:
„Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der N. I. Aktiengesellschaft mit Sitz in M. werden gemäß § 62 Absatz 5 Umwandlungsgesetz in Verbindung mit §§ 327a ff. Aktiengesetz gegen Gewährung einer von der NIAG SE mit Sitz in M. (Hauptaktionär) zu zahlenden angemessenen Barabfindung in Höhe von EUR 822,00 je auf den Inhaber lautender Stückaktien der N.  I. Aktiengesellschaft auf die NIAG SE übertragen.“
der Eintragung dieses Beschlusses in das Handelsregister nicht entgegensteht.
2. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe

A.
Die Antragstellerin begehrt die Feststellung nach §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG, dass die Erhebung der Klagen der Antragsgegner gegen die Wirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre vom 19.02.2021 der Eintragung im Handelsregister nicht entgegensteht.
Die Antragstellerin ist eine seit 30.06.2017 nicht mehr börsennotierte Aktiengesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in M., eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB …55. Ihr Grundkapital von 561.960,00 € ist eingeteilt in 561.960,00 auf den Inhaber lautende Stückaktien mit einem Anteil am Grundkapital von jeweils 1,00 €. Die Aktien der Antragstellerin sind in einer Globalurkunde verbrieft. Hauptaktionärin der Antragstellerin ist die NIAG SE, die am 07.10.2020 505.921 Aktien und damit 90,03% der Aktien der Antragstellerin hielt. Hauptaktionärin der NIAG SE ist die von F. Hauptverwaltung GmbH, deren alleiniger Gesellschafter F. ist.
Geschäftsgegenstand der Antragstellerin ist der Erwerb, die Entwicklung, die Verwaltung, die Verwertung, die Veräußerung und die Vermittlung von Grundstücken und anderen Immobilien.
§ 5 der Satzung der Antragstellerin lautet:
„(1) Die Aktien lauten auf den Inhaber.
(2) (…)
(3) Anstelle von Aktienurkunden über eine Aktie kann die Gesellschaft Urkunden über mehrere Aktien (Sammelaktien) ausgeben. Der Anspruch auf Einzelverbriefung der Aktien ist ausgeschlossen.“
§ 16 der Satzung der Antragstellerin lautet:
„(1) Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind nur diejenigen Aktionäre berechtigt, die ihre Aktien bei einem deutschen Notar, bei einer zur Entgegennahme der Aktien befugten Wertpapiersammelbank oder bei den sonst in der Einberufung bezeichneten Stellen hinterlegen und bis zur Beendigung der Hauptversammlung dort belassen. Die Hinterlegung gilt auch dann als bei einer der genannten Stellen bewirkt, wenn Aktien mit Zustimmung einer Hinterlegungsstelle für sie bei einem Kreditinstitut bis zur Beendigung der Hauptversammlung gesperrt gehalten werden.
(2) Die Hinterlegung hat so zeitig zu erfolgen, daß zwischen dem Tag der Hinterlegung und dem Tag der Hauptversammlung mindestens drei Werktage freibleiben. Ist der letzte Tag für die Hinterlegung ein Sonnabend, ein Sonntag, ein am Hinterlegungsort staatlich anerkannter Feiertag oder ein Tag, an dem die Kreditinstitute geschlossen sind, so tritt an dessen Stelle der vorangehende Werktag.
(3) Im Falle der Hinterlegung bei einem deutschen Notar oder bei einer Wertpapiersammelbank ist die von diesen auszustellende Hinterlegungsbescheinigung spätestens am nächsten Werktag nach Ablauf der Hinterlegungsfrist bei der Gesellschaft einzureichen.
(…)
(5) Sind Aktienurkunden nicht ausgegeben, so ist bei der Einladung zur Hauptversammlung bekanntzugeben, unter welchen Voraussetzungen die Aktionäre zur Teilnahme an der Hauptversammlung zugelassen werden.“
Am 13.12.2017 verkaufte die Antragstellerin das Anwesen P.str. 5 / R.straße 9, … M. mit einer vermietbaren Fläche von 4.770 qm zum Preis von 97 Mio € (entsprechend einem Preis von 20.335 € pro qm Nutzfläche) an die A. AG, eine Schwestergesellschaft der Antragstellerin. Die Nachbarimmobilie (P.str. 7) steht bereits seit 2013 im Eigentum der A. AG. Die A. AG hatte beim Erwerb dieser Nachbarimmobilie mit einer vermietbaren Fläche von rund 2.200 qm rund 54 Mio. € an den Verkäufer bezahlt (entsprechend einem Preis von 24.545 € pro qm Nutzfläche).
Die Erdgeschossflächen des Anwesens P.str. 5 / R.straße 9 sind derzeit an die S.-L. GmbH verpachtet, die sie wiederum an die R. GmbH & Co KG unterverpachtet hat, die dort eine Gaststätte betreibt. Dieser Pachtvertrag hat eine Laufzeit bis 31.12.2022.
Im Zusammenhang mit dem Verkauf des Anwesens P.str. 5 / R.str. 9 hat das Landgericht München I auf einen am 24.07.2020 gestellten Antrag des Antragsgegners zu 1) mit Beschluss vom 08.02.2021 laut Anl. Ast 31 (Az. 17 HK O 9479/20) einen Sonderprüfer bestellt. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 08.02.2021 wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 06.07.2021, Az. 31 Wx 236/21, aufgehoben, da der vom Antragsgegner zu 1) gestellte Sonderprüfungsantrag rechtsmissbräuchlich gewesen sei.
Am 19.07.2017, 21.02.2018, 31.08.2018 und 13.03.2020 gab die Hauptaktionärin der Antragstellerin jeweils ein öffentliches Kaufangebot ab (Anl. Ast 11). Am 25.08.2020 veröffentlichte die von F.Hauptverwaltung GmbH eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten an die Aktionäre der Antragstellerin, in der sie bekanntgab, dass sie bereit sei, Stückaktien der Antragstellerin zum Preis von 1.150,00 € je Aktie zu erwerben (vgl. Anl. K 37 im beigezogenen Verfahren 5 HK O 3712/21).
Mit Schreiben der NIAG SE vom 07.10.2020 unterrichtete diese den Vorstand der Antragstellerin über ihre Verschmelzungsabsicht und richtete ein erstes vorläufiges Verlangen iSd. §§ 327a Abs. 1 S. 1 AktG i.V.m. § 62 Abs. 1, 5 UmwG an die Antragstellerin. Am 27.11.2020 schlossen die Antragstellerin und die NIAG SE einen Verschmelzungsvertrag unter der Bedingung eines Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin. Die Hauptaktionärin legte die angemessene Barabfindung auf 813,00 € je Stückaktie fest. Sie stützte sich dabei auf eine gutachterliche Stellungnahme der K. V. S. GmbH zum Unternehmenswert der Antragstellerin (Anl. K 38 im beigezogenen Verfahren 5 HK O 3712/21, dort S. 65), in dem der u.a. vom Antragsgegner zu 1) behauptete Schadensersatzanspruch mit 1,00 € als Merkposten bewertet wurde. Mit Schreiben vom 14.12.2020 richtete die Hauptaktionärin ein zweites konkretisiertes Verlangen an die Antragstellerin und bat letztere um Einberufung einer Hauptversammlung. Am 04.01.2021 fasste der Vorstand der Antragstellerin den Beschluss, die Hauptversammlung auf den 19.02.2021 einzuberufen (Anl. Ast 18). Der Aufsichtsrat stimmte diesem Beschluss noch am gleichen Tag zu (Anl. Ast 19).
Unter dem 05.01.2021 erstattete die IVA V. A. AG, die gemäß §§ 62 Abs. 5 S. 8 UmwG, 327 c Abs. 2 S. 3 AktG mit Beschluss des Landgerichts München I vom 12.10.2020, Az 5 HK O 13182/20, mit der Prüfung der Angemessenheit der von der Hauptaktionärin festgesetzten Barabfindung bestellt worden war, ihren Bericht, wonach die festgesetzte Barabfindung von 813,00 € je Stückaktie angemessen sei (Anl. Ast 13).
Die Antragstellerin veröffentlichte am 14.01.2021 im Bundesanzeiger die Einladung laut Anl. Ast 20 zu einer außerordentlichen Hauptversammlung am 19.02.2021. In der Einladung war zu den „Voraussetzungen für die Ausübung der Aktionärsrechte in Bezug auf die virtuelle Hauptversammlung“ folgendes ausgeführt:
„Zur Verfolgung der virtuellen Hauptversammlung im Aktionärsportal der Gesellschaft sowie zur Ausübung der weiteren Aktionärsrechte in Bezug auf die virtuelle Hauptversammlung, insbesondere des Stimmrechts, sind nach § 16 Abs. 1 und 2 der Satzung der Gesellschaft nur diejenigen Aktionäre berechtigt, die ihre Aktien spätestens am Montag, 15. Februar 2021, bei einem deutschen Notar oder bei einer zur Entgegennahme der Aktien befugten Wertpapiersammelbank hinterlegt haben und dort bis zum Ende der Hauptversammlung belassen.
Die Hinterlegung gilt nach § 16 Abs. 1 S. 2 der Satzung der Gesellschaft auch dann als bei einer der genannten Stellen ordnungsgemäß bewirkt, wenn die Aktien mit Zustimmung einer Hinterlegungsstelle für sie bei einem anderen Kreditinstitut bis zur Beendigung der Hauptversammlung gesperrt gehalten werden. Als Nachweis genügt eine in Textform (§ 126b BGB) in deutscher oder englischer Sprache erstellte Depotbestätigung des depotführenden Instituts mit entsprechendem Sperrvermerk, die der Gesellschaft unter einer der folgenden Kontaktmöglichkeiten übermittelt wird: (…)
Im Falle der Hinterlegung bei einem deutschen Notar oder bei einer Wertpapiersammelbank bitten wir, die von diesen ausgestellte Bescheinigung über die erfolgte Hinterlegung nach § 16 Abs. 3 der Satzung der Gesellschaft spätesten am Dienstag, 16. Februar 2021, bei der Gesellschaft unter einer der unmittelbar vorstehenden Kontaktmöglichkeiten einzureichen. (…)“
In der Einladung laut Anl. Ast 20 wurde darüber hinaus u.a. darauf hingewiesen, dass die Hauptversammlung am 19.02.2021 als virtuelle Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten (mit Ausnahme der von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter) durchgeführt werde. Eine physische Teilnahme der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten, mit Ausnahme der von der Gesellschaft benannten weisungsgebundenen Stimmrechtsvertreter, vor Ort sei ausgeschlossen.
Aktionäre, die ihre Aktien ordnungsgemäß hinterlegt hätten, oder ihre Bevollmächtigten könnten die Bild- und Tonübertragung der gesamten Hauptversammlung über das Aktionärsportal der Gesellschaft verfolgen. Sie könnten darüber hinaus persönlich oder durch ordnungsgemäß Bevollmächtigte ihr Stimmrecht per Briefwahl oder durch die Bevollmächtigung eines von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter ausüben sowie über das Aktionärsportal der Gesellschaft Fragen stellen und einen Widerspruch gegen Beschlüsse der Hauptversammlung erklären. Eine darüber hinausgehende Ausübung von Aktionärsrechten sei in der virtuellen Hauptversammlung nicht möglich.
Aktionäre, die ihre Aktien ordnungsgemäß hinterlegt hätten, hätten die Möglichkeit, Fragen im Wege der elektronischen Kommunikation zu stellen. Der Vorstand habe mit Zustimmung des Aufsichtsrats der Gesellschaft aus organisatorischen Gründen entschieden, dass Fragen spätestens bis zum Ablauf des 16. Februar 2021, 24:00 Uhr (MEZ), über das Aktionärsportal einzureichen seien. Eine Beantwortung der eingereichten Fragen erfolge nach freiem, pflichtgemäßem Ermessen des Vorstands. Der Vorstand sei nicht verpflichtet, alle Fragen zu beantworten. Den Aktionären stehe weder das Auskunftsrecht gemäß § 131 AktG noch ein Rede- oder Fragerecht in und während der virtuellen Hauptversammlung zu.
Einziger Tagesordnungspunkt der Hauptversammlung vom 19.02.2021 war die „Beschlussfassung über die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der N. I. Aktiengesellschaft mit Sitz in M. auf die NIAG SE mit Sitz in M. (Hauptaktionär) gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung gemäß § 62 Absatz 1 und 5 Umwandlungsgesetz in Verbindung mit §§ 327a ff. Aktiengesetz (verschmelzungsrechtlicher Squeezeout)“.
Der in der Einladung wiedergegebene Beschlussvorschlag des Vorstands und des Aufsichtsrats lautete:
„Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der N. I. Aktiengesellschaft mit Sitz in M. werden gemäß § 62 Absatz 5 Umwandlungsgesetz in Verbindung mit §§ 327a ff. Aktiengesetz gegen Gewährung einer von der NIAG SE mit Sitz in M. (Hauptaktionär) zu zahlenden angemessenen Barabfindung in Höhe von EUR 813,00 je auf den Inhaber lautender Stückaktien der N. I. Aktiengesellschaft auf die NIAG SE übertragen.“
Hinsichtlich der weiteren in der Einladung enthaltenen Hinweise und des Wortlauts aller Hinweise wird auf die Anlage laut Ast 20 Bezug genommen.
Unter dem 19.02.2021 erstattete die IVA AG einen erneuten Prüfbericht über die Angemessenheit der Barabfindung zum Stichtag 19.02.2021 (Anl. Ast 14), in dem sie zu dem Ergebnis kam, dass aufgrund der zwischenzeitlich positiven Entwicklung der Kapitalmarktdaten eine Barabfindung von 820,83 € je Stückaktie angemessen sei.
In der Hauptversammlung am 19.02.2021 änderten daraufhin Vorstand und Aufsichtsrat ihren Beschlussvorschlag dahingehend, dass die zu zahlende angemessene Barabfindung 822,00 € je Stückaktie betragen solle (vgl. Niederschrift laut Anl. Ast 21, S. 17).
In der Hauptversammlung vom 19.02.2021 wurden alle fristgerecht von Aktionären eingereichten Fragen vom Vorstand der Antragstellerin beantwortet. Die Antragsgegner stimmten gegen den Beschlussvorschlag des Vorstands und des Aufsichtsrats. Sie erklärten Widerspruch zur Niederschrift gegen den einzigen Tagesordnungspunkt. Der Versammlungsleiter der Hauptversammlung stellte fest, dass die Abstimmung bei 524.915 Aktien, für die gültige Stimmen abgegeben worden seien (entsprechend 93,41% des Grundkapitals), 506.338 Ja-Stimmen (= 96,46%) und 18.577 Nein-Stimmen (= 3,54%) ergeben habe. Die Hauptversammlung habe damit zum einzigen Tagesordnungspunkt den Beschlussvorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat angenommen (vgl. Niederschrift laut Anl. Ast 21, S. 20).
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 12.03.2021, eingegangen beim Landgericht München I am 12.03.2019, den Antragstellervertretern am 26.04.2021 zugestellt, erhob der Antragsgegner zu 1) Anfechtungsklage zum Landgericht München I. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.03.2021, eingegangen beim Landgericht München I am 19.03.2021, den Antragstellervertretern am 26.04.2021 zugestellt, erhoben die Antragsgegner zu 2) bis 4) Anfechtungsklage zum Landgericht München I. Die Anfechtungsklagen werden nach Hinzuverbindung des Verfahrens 5 HK O 4191/21 (Klage der Antragsgegner zu 2) bis 4)) beim Landgericht München unter dem Aktenzeichen 5 HK O 3712/21 geführt (vgl. die beigezogenen Akten des Landgerichts München I).
Dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zu 1) und dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zu 2) wurde die Antragsschrift vom 25.05.2021 jeweils am 28.05.2021 zugestellt, dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zu 4) am 07.06.2021 und dem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu 3) am 14.06.2021.
Mit Anlage zum Schreiben der Antragsgegnerin zu 3) vom 01.06.2021 (Bl. 80 d.A.), das zunächst per Fax am 01.06.2021 und sodann im Original am 07.06.2021 beim Oberlandesgericht einging, bestätigte die D. & R. Bank, dass die Antragsgegnerin zu 3) seit mindestens 01.01.2021 in einem bei ihr geführten Wertpapierdepot einen Bestand von 1.000 Aktien der Antragstellerin unterhalte.
Die Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zu 1) übermittelten mit Schriftsatz vom 04.06.2021, Eingang bei Gericht am 04.06.2021, eine Depotbescheinigung der HypoVereinsbank vom 31.05.2021, wonach bei ihr für den Antragsgegner zu 1) länger als seit dem 14.01.2021 3003 Aktien der Antragstellerin hinterlegt seien.
Hinsichtlich der Antragsgegner zu 2) und 4) sind Bestätigungen über ihren Aktienbesitz nicht eingereicht worden.
Die Antragstellerin trägt vor, dass Hintergrund des Squeezeouts die von der mittelbaren Hauptaktionärin der Antragstellerin, der von F. Hauptverwaltung GmbH, bereits seit Jahren verfolgte Absicht sei, die (ehemals) börsennotierten Gesellschaften der Unternehmensgruppe in 100%ige Tochtergesellschaften umzugestalten. Aufgrund des geringen Handelsvolumens und der dadurch fehlenden Möglichkeit, von den Vorteilen einer Teilnahme am Kapitalmarkt zu profitieren, sei ein wirtschaftlicher und strategischer Nutzen der Börsennotierung nicht mehr gegeben. Gegenstand dieser Planungen der von F. Hauptverwaltung GmbH seien die C., die A. sowie die Antragstellerin. Bei der C. sei diese Planung nach Durchführung eines Squeezeouts im Jahr 2018 bereits umgesetzt.
Nach Wirksamwerden des Squeezeouts sollten alle von der Antragstellerin (und auch der A.) gehaltenen Immobilien in einzelne Objekt GmbH & Co KGs ausgegliedert werden, um zu verhindern, dass bei einer Gewerbesteuerpflicht für einen Teil der Immobilienerträge auch die übrigen Immobilienerträge gewerbesteuerlich infiziert würden.
Die Verschlankung der Gruppenstruktur beginnend bei der C. und fortgesetzt dann sowohl bei der Antragstellerin als auch der A. sei bereits seit dem Jahr 2016 zunächst mit einem Rückzug von der Börse eingeleitet und sodann mit dem im Anschluss daran vorgenommenen Beteiligungsaufbau fortgesetzt worden. Der Beteiligungsaufbau sowohl bei der A. als auch bei der Antragstellerin sei auch bereits vor dem Antrag des Antragsgegners auf Durchführung einer Sonderprüfung eingeleitet worden.
Die Antragstellerin behauptet des Weiteren, mit der Eintragung und dem Wirksamwerden des verschmelzungsrechtlichen Squeezeouts und der dann gegebenen Alleingesellschafterstellung der Hauptaktionärin ließen sich zukünftig jährlich 70.000,00 € für Hauptversammlungen einsparen. Die Kosten für die jährliche ordentliche Hauptversammlung bei der Antragstellerin hätten sich bislang auf ca. 75.000 € belaufen. Nach Durchführung des Squeezeouts verblieben davon nur noch Kosten von ca. 5.000,00 € jährlich. Der Barwert der Ersparnisse belaufe sich auf 1.659.690,14 €. Darüber hinaus entfielen jährliche Vergütungskosten für den Aufsichtsrat in Höhe von rund 75.000 €. Im Hinblick auf die geplante Ausgliederung der einzelnen Immobilien der Antragstellerin in verschiedene GmbH & Co KGs wären insoweit möglicherweise Hauptversammlungsbeschlüsse erforderlich, die mit einem hohen Anfechtung- und damit Kostenrisiko verbunden wären.
Der Verkauf des Anwesens P.str. 5 / R.str. 9 sei nicht unterwertig gewesen. Der Verkauf dieses Anwesens sei erfolgt, weil die Antragstellerin damals erheblichen Kapitalbedarf für ein Immobilienprojekt in der W.straße 6/7/7a in M. gehabt habe, der mit dem Erlös aus dem Verkauf gedeckt werden sollte. Der Wert sei gutachterlich ermittelt und durch zwei weitere Gutachten bestätigt worden, wobei die Bodenrichtwerte des Gutachterausschusses einbezogen worden seien und zutreffend von einer Nutzung des Anwesens als Gaststätte ausgegangen worden sei. Bis heute gebe es keine Entscheidung über die Beendigung der Nutzung als Gaststätte, vielmehr würden mit der derzeitigen Wirtsfamilie Gespräche über eine Fortsetzung der Gaststättennutzung geführt, die – so der Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – zwischenzeitlich mit einer Vertragsverlängerung geendet hätten. Die bau- und denkmalschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine Änderung der derzeitigen Nutzung in eine Nutzung als Shopping-Mall lägen nicht vor.
Dem Antragsgegner zu 1) wolle mit seinen Vorwürfen nur einen völlig überhöhten Preis von 1.250 bis 1.350 € je Aktie durchsetzen Die Antragstellerin beantragt daher:
Es wird festgestellt, dass die Erhebung der Klage der Antragsgegner beim Landgericht München I, Az. 5 HK O 3712/21 gegen den in der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 19.02.2021 unter dem einzigen Tagesordnungspunkt gefassten Beschluss – Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der N. I. Aktiengesellschaft mit Sitz in M. auf die NIAG SE mit Sitz in M. (Hauptaktionär) gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung gemäß § 62 Abs. 1 und 5 UmwG i.V.m. §§ 327a ff. AktG (verschmelzungsrechtlicher Squeezeout) – der Eintragung dieses Beschlusses in das Handelsregister nicht entgegensteht.
Die Antragsgegner zu 1) bis 4) beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgegner zu 1 erwidert, der Übertragungsbeschluss sei die Reaktion der Hauptaktionärin auf den Sonderprüfungsantrag des Antragsgegners zu 1). Er diene allein dazu, die Minderheitsaktionäre abzustrafen, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu vereiteln und die zugrundeliegenden Vorfälle zu verschleiern, um sich auf diese Weise die Anteile der Minderheitsaktionäre unter Wert anzueignen. Der Übertragungsbeschluss sei daher rechtsmissbräuchlich. Bereits im Jahr 2015 habe die Antragstellerin (vermutlich auf Betreiben der hinter ihr stehenden F. Hauptverwaltung GmbH) nämlich entschieden, das Anwesen P.str. 5 / R.straße 9 mit der Nachbarimmobilie zusammenzulegen und beide Grundstücke in ein Einkaufszentrum umzuwandeln. Bei einer Nutzung als Ladenfläche ließen sich nämlich weitaus höhere Erträge erwirtschaften als bei einer Nutzung als Gastronomiefläche. Der vereinbarte Kaufpreis sei unangemessen niedrig, was sich schon daran erkennen lassen, dass der qm-Preis bezogen auf die Nutzfläche beim Erwerb der Nachbarimmobilie 2013 deutlich höher gewesen sei als beim Verkauf des Anwesens P.str. 5 / R.str. 9, obwohl dieser Verkauf vier Jahre später erfolgt sei und die Immobilienpreise in M. in diesem Zeitraum massiv gestiegen seien. Insgesamt läge der Verkaufspreis deutlich unter dem unteren Ende der marktüblichen Wertspanne. Der unterpreisige Verkauf habe der Antragstellerin und damit anteilig auch den Minderheitsaktionären einen Schaden von 64 bis 96 Mio. € zugefügt.
Dass es der Antragstellerin bei dem Squeezeout nicht – wie von ihr behauptet – um Kostenersparungen gehe, ergebe sich schon daraus, dass den vom Vorstand in der Hauptversammlung mit 80.000,00 € angegebenen Kostenersparungen pro Jahr infolge des Wegfalls der Hauptversammlungen Verschmelzungskosten in Höhe von 18,75 Mio. € gegenüber stünden. Sinn mache diese Vorgehensweise jedoch unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin zuletzt festgesetzten Barabfindung von 822,00 € pro Aktie und der Differenz zu dem von der von F. Hauptverwaltung GmbH zunächst in Verhandlungen mit der Gruppe von Minderheitsaktionären um den Antragsgegner zu 1) in Aussicht genommenen Wert von 1.250,00 € pro Aktie. Damit würde sich für die Hauptaktionärin bei 45.820 von der Minderheit um den Antragsgegner zu 1) gehaltenen Aktien eine Einsparung von ca. 20 Mio. € ergeben.
Die Antragsgegnerin zu 3) erwidert, dass das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, eingeführt durch Art. 2 Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.3.2020 (BGBl. 2020 I, 569; im Folgenden als Covid-19-Gesetz bezeichnet und mit COVMG abgekürzt) zumindest in seiner Fassung bis Februar 2021 sowohl formell als auch materiell verfassungswidrig gewesen sei.
Das COVID-19-Gesetz sei unter Verstoß gegen die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien sowie der Geschäftsordnung des Bundestages erlassen worden. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG vor, da eine gleichzeitige Zuleitung der Gesetzesvorlage an Bundestag und Bundesrat unzulässig sei. Zwar beziehe sich Art. 76 GG auf Vorlagen der Bundesregierung. Für das COVID-19-Gesetz könne aber nichts anderes gelten, da die Regierungsfraktionen insoweit als „Hilfstruppen der Bundesregierung“ aufgetreten seien. Das Covid-19-Gesetz sei auch nicht wirksam vom Parlament verabschiedet worden, da der Bundestag wegen Abwesenheit von mehr als der Hälfte der Abgeordneten nicht beschlussfähig gewesen sei.
Das Covid-19-Gesetz sei auch materiell verfassungswidrig, da es zumindest hinsichtlich des Eingriffs in das Frage- und Anfechtungsrecht der Aktionäre gegen das Übermaßverbot bei der Ausgestaltung von Gesetzen verstoße. Die Nachteile für die Aktionäre stünden in keinem Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg. Das Fragerecht der Aktionäre sei auf eine reine Fragemöglichkeit reduziert und damit nahezu vollständig entwertet. Eine Zwei Wege-Kommunikation sei nicht vorgeschrieben.
Das Covid-19-Gesetz sei aber nicht nur verfassungs-, sondern auch europarechtswidrig, da es ersichtlich gegen Art. 9 Abs. 1 der EU-RL 2007/36/EG verstoße.
In der Einladung zur Hauptversammlung habe der Vorstand auf die rechts- und grundgesetzwidrige Bestimmung des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 COVMG Bezug genommen, was objektiv geeignet gewesen sei, Aktionäre von der Ausübung ihres Fragerechts abzuhalten. Die Einberufungsentscheidung des Vorstands und die Zustimmung des Aufsichtsrats hierzu seien ermessensfehlerhaft gewesen.
Darüber hinaus habe die Antragstellerin die Fragefrist falsch berechnet, da sie für die Einreichung der Fragen eine dreitägige Frist für sich in Anspruch genommen habe, wogegen der Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 2 2. Hs. COVMG von zwei Tagen vor der Hauptversammlung spreche.
Für Aktionäre, die die Anmeldefrist ausgeschöpft hätten, sei das Fragerecht vereitelt worden.
Die Antragstellerin habe in der Einladung zur Hauptversammlung auch fehlerhafte Voraussetzungen zur Ausübung der Aktionärsrechte auf der Hauptversammlung veröffentlicht.
Es werde bestritten, dass die Hauptaktionärin der Antragstellerin ihre Aktien tatsächlich bei einem deutschen Notar oder einer Wertpapiersammelbank bis zum 15.02.2021 hinterlegt habe und dies der Antragstellerin bis zum 16.02.2021 ordnungsgemäß nachgewiesen habe. In diesem Fall hätten die auf der Hauptversammlung abgegebenen Stimmen der Hauptaktionärin nicht berücksichtigt werden dürfen und wäre der Beschluss nicht mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden.
Schließlich sei die Geltendmachung des Squeeze-Outs auch rechtsmissbräuchlich. Denn alleiniger Zweck des Squeeze-Outs sei es, eine Sonderprüfung zu vereiteln, mit der auf Veranlassung der Hauptaktionärin vorgenommene schädigende Handlungen im Zusammenhang mit dem unterpreisigen Verkauf eines Immobilienobjekts der Antragstellerin in der P.straße 5 / R.straße 9 im Jahr 2017 an ein anderes Unternehmen des A. F. aufgedeckt werden sollen.
Ein vorrangiges Vollzugsinteresse iSd. §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 AktG sei nicht gegeben, da die von der Antragstellerin behaupteten Einsparungen nach Wirksamwerden des Squeezeouts nicht realisierbar seien. Die jährlichen Hauptversammlungskosten beliefen sich nämlich höchstens auf 10.000 € bis 23.300 €, da die Raum- und Cateringkosten (zumindest unter Berücksichtigung des im Jahr 2019 von der Antragstellerin gebotenen kulinarischen Niveaus) von der Antragstellerin viel zu hoch angesetzt seien. Von dem tatsächlich notwendigen Betrag von 10.000 € bis 23.300 € seien noch die Kosten abzuziehen, die auch bei einer Hauptversammlung mit nur einem Aktionär anfallen würden.
Der Senat hat am 28.07.2021 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2021, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Akteninhalt und die beigezogenen Akten des Landgerichts München I, Az. 5 HK O 3712/21, wird Bezug genommen.
B.
Der Freigabeantrag der Antragstellerin ist nach der erfolgten Zustellung der Anfechtungsklagen der Antragsgegner gegen den streitgegenständlichen Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 19.02.2021 im Verfahren des Landgerichts München I Az. 5 HK O 3712/21 und dem hierzu verbundenen Verfahren 5 HK O 4191/21 statthaft und zulässig.
Die Antragstellerin wird im Freigabeverfahren durch ihren Vorstand vertreten, sodass der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegensteht, dass in der Antragsschrift nur der Vorstand als gesetzlicher Vertreter der Antragstellerin angegeben ist. Eine Vertretung durch den Vorstand und den Aufsichtsrat – wie in § 246 Abs. 2 S. 2 AktG für Anfechtungsklagen statuiert – ist nicht erforderlich. Der Senat (der diese Frage in seinem Beschluss vom 03.09.2008 – 7 W 1432/08, Rdnr. 32 noch offengelassen hat) folgt insoweit nicht dem OLG Köln (vgl. Beschluss vom 14.12.2017 – I -18 AktG 1/17, Rdnr. 21), da § 319 Abs. 6 S. 2 AktG, der gemäß § 327 e Abs. 2 AktG sinngemäß gilt, nur eine Verweisung auf § 247 AktG, nicht aber auch auf § 246 AktG enthält und der Senat insoweit auch keine planwidrige Regelungslücke erkennen kann. Der Senat teilt insoweit die zum Parallelproblem im Rahmen von Freigabeverfahren nach § 246 a AktG vertretene Ansicht des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 22.11.2018 – 6 AktG 1/18, Rdnr. 67) und des 23. Senats des OLG München (Beschluss vom 26.03.2015 – 23 AktG 1/15, Rdnr. 30 m.w.N.) aus den dort angeführten Gründen.
Der Freigabeantrag der Antragstellerin ist gegenüber allen Antragsgegnern begründet.
I.
Im Hinblick auf die Antragsgegner zu 2) und 4) ist dem Freigabeantrag schon nach §§ 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 2, 327e Abs. 2 AktG zu entsprechen, da die Antragsgegner zu 2) und 4) das in § 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 2 AktG genannte Quorum nicht nachgewiesen haben.
II.
Hinsichtlich der Antragsgegner zu 1) und 3) war dem Freigabeantrag der Antragstellerin zwar nicht schon nach §§ 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 2, 327e Abs. 2 AktG zu entsprechen, da die Antragsgegner den urkundlichen Nachweis eines hinreichenden Aktienbesitzes binnen Wochenfrist erbracht haben. Jedoch war dem Freigabeantrag nach §§ 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3, 327e Abs. 2 AktG stattzugeben, da die von der Antragstellerin dargelegten und glaubhaft gemachten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre nach der Überzeugung des Senats die Nachteile für die Antragsgegner zu 1 und 3 überwiegen und ein besonders schwerer Rechtsverstoß nicht vorliegt.
1. Nach §§ 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3, 327e Abs. 2 AktG kommt es in einem ersten Prüfungsschritt darauf an, ob die von der Antragstellerin darzulegenden wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre die Nachteile für die Antragsgegner überwiegen. Abwägungsrelevant sind dabei allerdings nur die Interessen derjenigen Antragsgegner, die das Mindestquorum der §§ 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 2, 327e Abs. 2 AktG nachgewiesen haben (vgl. Vatter in BeckOGK AktG, Stand 01.07.2020, Rdnr. 27 zu § 246a AktG), sodass auf Antragsgegnerseite nur auf die Antragsgegner zu 1) und 3) abzustellen ist.
a. In die Abwägung sind dabei nicht nur diejenigen Nachteile einzubeziehen, die infolge eines Aufschubs der Eintragung drohen, sondern auch solche, die mit einem Erfolg der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage und der daraus folgenden Nichteintragung einhergehen – sogenannte Nichteintragungsnachteile. Denn abzuwägen ist nicht nur das Interesse an der alsbaldigen Durchführung der Maßnahme und somit am Ausschluss eines Verzögerungsschadens, sondern auch das Interesse an der Vermeidung von Nachteilen, die durch den Erfolg der Anfechtungsklage überhaupt entstehen. Dementsprechend sind in die Interessenabwägung nach § 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 2 AktG alle nicht vernachlässigbaren rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteile eines Erfolges der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage einzubeziehen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 05. Mai 2014 – I -18 U 28/14, Rdnr. 24 und BT-Drs. 16/13098, S. 42; der von den Antragsgegnern für ihre gegenteilige Meinung insoweit in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Frankfurt vom 11.04.2011 – 5 Sch 4/10, Rdnr. 51 folgt der Senat nicht, da sie mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers nicht in Übereinstimmung steht).
Die Antragstellerin hat solche wesentlichen wirtschaftlichen Verzögerungs- und Nichteintragungsnachteile dargelegt und – soweit sie nicht schon unstreitig waren – glaubhaft gemacht.
aa. Nach dem Squezzeout und der Verschmelzung der Antragstellerin auf die Hauptaktionärin wäre neben dem Verwaltungsrat der Hauptaktionärin der Aufsichtsrat der Antragstellerin nicht mehr erforderlich, wodurch jährliche Aufwendungen in Höhe von zumindest 75.000 € erspart würden. Die von der Antragstellerin angegebenen Höhe der jährlichen Vergütungen für den bisherigen Aufsichtsrat der Antragstellerin haben die Antragsgegner nicht bestritten. Die Antragsgegnerin zu 3) hat bezüglich der Aufsichtsratskosten insoweit lediglich ausgeführt, dass unklar sei, welche Vergütungen für das bislang einzige Verwaltungsratsmitglied der Hauptaktionärin sowie den geschäftsführenden Direktor anfielen, wie sich der Verwaltungsrat in Zukunft zusammensetzen werde und wie viele geschäftsführende Direktoren bestellt würden (Erwiderungsschriftsatz des Antragsgegnervertreters zu 3), S. 15, Bl. 166 d.A.). Die Vergütung und (zukünftige) Zahl der geschäftsführenden Direktoren ist im Zusammenhang mit den Squeeze-out-bedingten Einsparungen jedoch unbeachtlich, da die Antragstellerin insoweit nur auf die wegfallenden Vergütungen für ihre Aufsichtsratsmitglieder, nicht aber für ihre den geschäftsführenden Direktoren der Hauptaktionärin entsprechenden Vorstände abstellt. Insoweit hat die Antragstellerin ein Einsparungspotential nicht einmal behauptet. Unbestritten verfügt die Hauptaktionärin nur über ein Verwaltungsratsmitglied, sodass für einen Vergleich auf die jährlich wegfallenden Vergütungen in Höhe von 75.000 € für den bisherigen Aufsichtsrat der Antragstellerin abgestellt werden kann.
bb. In Bezug auf die in der Höhe zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 3) im Einzelnen streitigen Kostenersparungen für die bislang durchzuführenden jährlichen Hauptversammlungen der Antragstellerin konzediert selbst die Antragsgegnerin zu 3) jährliche Kosten im Umfang von 10.000 € bis 23.300 €. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zu 3) und entgegen ihres Falschzitats in Bezug auf die Gesetzesbegründung sind in die Interessenabwägung nach §§ 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3, 327 e Abs. 2 AktG „alle“ wirtschaftlichen Nachteile einzubeziehen (vgl. BT-Drs. 16/13098, S. 42) und damit auch die Kosten der Wiederholung einer Hauptversammlung und zukünftig notwendiger Hauptversammlungen. Das lediglich pauschale Bestreiten der Höhe der einzusparenden Hauptversammlungskosten durch den Antragsgegner zu 1) (vgl. Erwiderungsschriftsatz des Antragsgegnervertreters zu 1 vom 23.06.2021, S. 16, Rdnr. 49, Bl. 112 d.A.) ist unbeachtlich, da offenkundig die Veranstaltung von Hauptversammlungen mit Kosten für die Gesellschaft verbunden ist und diese von der Antragstellerin in der eidesstattlichen Versicherung eines ihrer Vorstände (W. S.) auch im Einzelnen dargelegt wurden (Anl. Ast 15).
cc. Da – wie bereits oben dargelegt – nicht nur die Verzögerungs-, sondern auch die Nichteintragungsnachteile zu berücksichtigen sind, sind nicht nur die jährlichen, bis zur ehestmöglichen Wiederholung der Beschlussfassung über den Squeezeout durch die Hauptversammlung realisierbaren Squeeze-out-bedingten Ersparnisse zu berücksichtigen. Vielmehr ist bei der Bemessung der wirtschaftlichen Nachteile für die Antragstellerin von einem gänzlichen Ausbleiben der Eintragung auszugehen. Deshalb bemisst sich das Vollziehungsinteresse der Antragstellerin und ihrer Hauptaktionärin entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zu 3) (vgl. Erwiderungsschriftsatz des Antragsgegnervertreters zu 3), S. 14, Bl. 165 d.A.) jedenfalls nicht nur nach den Kosten für eine Hauptversammlung und für ein Jahr, sondern auf ein Vielfaches der jährlichen Mindestersparnisse in Höhe von 85.000 € (75.000 € + 10.000 €). Da dieser Betrag jedenfalls nicht „unerheblich“ (vgl. BT-Drs. 16/13098, S. 42) ist, kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob und ggf. in welcher Höhe diese Einsparungen zu kapitalisieren sind.
dd. Diese im Falle der Nichteintragung zu erwartenden erheblichen wirtschaftlichen Nachteile sind auch dann in der vollen glaubhaft gemachten Höhe in die nach §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 AktG vorzunehmende Interessenabwägung einzustellen, wenn durch die Umsetzung des Squeezeouts der Gesellschaft Kosten entstehen sollten. Denn diese im Nichteintragungsfall (jedenfalls teilweise) nicht entstehenden Verschmelzungskosten (unterstellt es wären von der Gesellschaft zu tragende Kosten) sind nicht mit den im Nichteintragungsfall der Gesellschaft entstehenden wirtschaftlichen Nachteilen zu saldieren. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 AktG, der von den „Nachteilen für die Gesellschaft und ihre Aktionäre“ spricht, nicht aber von durch die Nichteintragung nicht anfallenden Kosten und damit von wirtschaftlichen Vorteilen für die Gesellschaft.
b. Den unter a dargestellten wirtschaftlichen Nachteilen für die Antragstellerin und ihre Hauptaktionärin stehen seitens des Antragsgegners zu 1) sowie der Antragsgegnerin zu 3) lediglich das Interesse an der Erhaltung ihrer Aktionärsstellung als solcher und am Gegenwert ihrer Anteile gegenüber. Weitere Interessen der Antragsgegner zu 1) und 3) an der Nichtfreigabe sind von diesen nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.
c. Bei der notwendigen Abwägung der sich gegenüber stehenden Interessen der Antragstellerin und deren Hauptaktionärin einerseits und der Antragsgegner zu 1) und 3) andererseits überwiegen die Interessen der ersteren bei weitem. Denn die Minderheitsbeteiligungen der Antragsgegner zu 1) und 3) vermittelt ihnen wegen ihres geringen Umfangs ohnehin keinen nennenswerten inhaltlichen Einfluss auf Entscheidungen der Antragstellerin, sodass der Verlust der Mitgliedschaften als solcher hingenommen werden muss (vgl. Singhof in BeckOGK AktG, Stand 01.06.2021, Rdnr. 26 zu § 319 AktG). Das Interesse am Gegenwert der Anteile ist durch die den ausscheidenden Aktionären zu zahlende Barabfindung, deren Angemessenheit von ihnen im Spruchverfahren überprüft werden kann, geschützt. Allenfalls kann daher eine bei der Bemessung der Barabfindung nicht berücksichtigte gänzlich unkonkrete Chance der Antragsgegner zu 1) und 3) auf künftige Gewinne aus der gehaltenen Minderheitsbeteiligung betroffen sein. Das steht erst recht in keinem Verhältnis zu den oben aufgeführten wirtschaftlichen Nachteilen der Nichteintragung für die Antragstellerin und deren Hauptaktionärin.
Nach alledem kommt es auf die Frage, ob der Antragstellerin bei Nichtfreigabe über die oben bezeichneten wirtschaftlichen Nachteile hinaus – wie von der Antragstellerin behauptet – noch weitere Nachteile entstehen (bspw. Risiko der Anfechtung von Beschlüssen zur Ausgliederung von Immobilien der Antragstellerin in Besitzgesellschaften, vgl. Antragsschriftsatz vom 25.05.2021, S. 15, Bl. 15 d.A.), nicht mehr an.
2. Die Freigabe scheitert auch im zweiten Prüfungsschritt nicht an §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 2. Hs. AktG, der, um trotz eines überwiegenden Vollziehungsinteresses eine Freigabe des Squeeze-out-Beschlusses zu verhindern, eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes erfordert.
a. Im Rahmen dieser Prüfung nach § 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 2. Hs AktG außen vor bleiben die von den Antragsgegnern zu 1) und 3) behaupteten Verstöße aufgrund fehlender Stimmberechtigung der Hauptaktionärin (aa), unzulässiger Beeinträchtigung des Frage-, Rede- und Auskunftsrechts infolge der Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit von § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG (bb), eines Ermessensfehlgebrauchs des Vorstands und des Aufsichtsrats der Antragstellerin bei der Einberufung der Hauptversammlung auf den 19.02.2021 (cc), fehlerhafter Angaben zur Ausübung der Aktionärsrechte in der Einladung zur Hauptversammlung (dd) und Rechtsmissbräuchlichkeit des Squeezeouts (ee). Denn insoweit konnten die Antragsgegner zu 1) und 3) schon keine Verstöße glaubhaft machen.
aa. Die von der Antragsgegnerin zu 3) in ihrer Beschlussmängelklage vom 19.03.2021 (dort S. 63 und 64) vertretene Ansicht, der streitgegenständliche Beschluss sei nicht mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden, da die Hauptaktionärin der Antragsstellerin ihre Aktien nicht bis zum 15.02.201 ordnungsgemäß hinterlegt, eine solche Hinterlegung jedenfalls nicht gegenüber der Antragstellerin nachgewiesen habe, trifft nicht zu. Der streitgegenständliche Beschluss wurde mit der notwendigen Mehrheit gefasst, da die Hauptaktionärin teilnahme- und stimmberechtigt war.
Unstreitig sind die Aktien der Antragstellerin in einer Globalurkunde verbrieft (streitig ist nur der hier allerdings irrelevante Verwahrungsort der Globalurkunde, vgl. Schriftsatz des Antragsgegnervertreters zu 3) vom 27.07.2021 (fälschlich mit dem Datum 30.06.2021 versehen), S. 4 und Schriftsatz des Antragsgegnervertreters zu 2) vom 26.07.2021, S. 3). Für diesen Fall ergeben sich die Voraussetzungen für die Teilnahme und die Stimmberechtigung von Aktionären sowie die Anforderungen an deren Nachweis entgegen der Meinung der Antragsgegner nicht aus § 16 Abs. 1 bis 4 der Satzung der Antragstellerin, sondern gemäß § 16 Abs. 5 der Satzung der Antragstellerin ausschließlich aus der Einladung laut Anl. Ast 20. Zwar scheint § 16 Abs. 5 der Satzung der Antragstellerin bei einem ersten Blick nach seinem Wortlaut nur den Fall zu betreffen, dass „Aktienurkunden nicht ausgegeben sind“, also überhaupt keine Aktien verbrieft sind, wohingegen bei der Antragstellerin eine Globalurkunde existiert. Jedoch ergibt sich aus einer Zusammenschau mit den Regelungen des § 16 Abs. 1 bis 4 der Satzung, dass § 16 Abs. 5 der Satzung nach seinem Sinn und Zweck immer dann greifen soll, wenn die Aktionäre nicht über verbriefte Aktien verfügen, die sie nach den Regelungen des § 16 Abs. 1 bis 4 der Satzung hinterlegen können, um damit ihre Teilnahme- und Stimmberechtigung nachzuweisen. Die von den Antragsgegnern vertretene Lesart des § 16 Abs. 5 AktG würde dazu führen, dass keiner der Aktionäre der Antragstellerin teilnahme- und stimmberechtigt wäre, da die demnach geltenden Nachweisanforderungen des § 16 Abs. 1 bis 4 der Satzung nicht zu erfüllen wären, nachdem außer der Globalurkunde keine weiteren Aktienurkunden bestehen und die Aktionäre deshalb auch keine Aktien hinterlegen könnten. Dies wäre jedoch nicht interessengerecht, da damit keine Hauptversammlungen mehr abgehalten werden könnten.
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners zu 2) verbleibt § 16 Abs. 1 bis 4 der Satzung auch unter Berücksichtigung von § 5 Abs. 3 der Satzung noch ein Anwendungsbereich. Denn § 5 Abs. 3 S. 2 der Satzung sieht nur einen Ausschluss des Anspruchs auf Einzelverbriefung der Aktien und damit auf Ausgabe einer gesonderten Urkunde für jeden einzelnen Anteil vor. § 5 Abs. 3 S. 2 der Satzung räumt der Gesellschaft jedoch das Recht ein, „Urkunden über mehrere Aktien (Sammelaktien)“ auszugeben. Für diesen demnach nach der Satzung zulässigen Fall der Ausgabe von verbrieften Sammelaktien für eine bestimmte Anzahl von Aktien bleibt § 16 Abs. 1 bis 4 der Satzung demnach weiterhin anwendbar. Diese Mehrfachurkunden iSd. § 5 Abs. 3 S. 1 der Satzung wären nämlich im Falle ihrer Ausgabe nach § 16 Abs. 1 bis 4 der Satzung zu behandeln. Dass die Antragstellerin von ihrem Recht auf Ausgabe von verbrieften Sammelaktien keinen Gebrauch gemacht hat und statt dessen nur eine Globalurkunde ausgestellt hat, ändert am zumindest theoretischen Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 bis 4 der Satzung nichts.
Nach alledem kommt es nach § 16 Abs. 5 der Satzung der Antragstellerin für die Teilnahme- und Stimmberechtigung allein auf die Einladung zur Hauptversammlung vom 19.02.2021 laut Anl. Ast 20 an. Diese sah vor, dass als Nachweis für die ordnungsgemäße Bewirkung der Hinterlegung der Aktien „eine in Textform (§ 126b BGB) in deutscher oder englischer Sprache erstellte Depotbestätigung des depotführenden Instituts mit entsprechendem Sperrvermerk, die der Gesellschaft (…) übermittelt wird“ genügt. Damit erfüllte die Hauptaktionärin mit Vorlage der laut Faxvermerk am 28.01.2021 bei der Antragstellerin eingegangenen Bestätigung der H.bank laut Anl. Ast 22 die Voraussetzungen für die Teilnahme und die Ausübung des Stimmrechts. Der Hinweis der H.bank in der Bescheinigung laut Anl. Ast 22, die Aktien würden „soweit erforderlich“ bis nach Ablauf der Hauptversammlung gesperrt gehalten, ändert an der Ordnungsmäßigkeit der Bescheinigung nichts. Denn die Sperrung war „erforderlich“.
bb. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zu 3) waren die Frage,- Rede- und Auskunftsrechte der Antragsgegnerin zu 3) auch nicht infolge der Durchführung der Hauptversammlung nach den Vorgaben des § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG unzulässig eingeschränkt. Denn das COVID-19-Pandemie-Gesetz ist nicht schon formell verfassungswidrig und die in § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG vorgesehene Abhaltung einer Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre, obwohl dies in der Satzung der Antragstellerin nicht gemäß § 118 Abs. 1 S. 2 AktG vorgesehen ist, unter den in § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG aufgeführten Voraussetzungen auch nicht materiell verfassungswidrig. § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG ist schließlich auch nicht europarechtswidrig.
(1) (a) Aus Art. 76 Abs. 2 GG kann entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zu 3) eine formelle Verfassungswidrigkeit nicht hergeleitet werden. Aus der von der Antragstellerin vorgelegten BT-Drs. 19/8110 (Anl. Ast 33) ergibt sich, dass es sich bei dem „Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“, mit dem die virtuelle Hauptversammlung auch ohne satzungsmäßige Grundlage ermöglicht werden sollte, formal um einen „Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD“ handelt, sodass nach dem Wortlaut des Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG eine vorherige Zuleitung der Gesetzesvorlage an den Bundesrat zur Stellungnahme nicht erforderlich war. Wenn die Antragsgegnerin zu 3) vortragen lässt, dass es sich dabei jedoch um eine sogenannte „unechte“ oder „verkappte“ Bundestagsinitiative handle, weil die Gesetzesvorlage auf einer „Formulierungshilfe der Bundesregierung“ beruhe (vgl. Klageschriftsatz des Antragsgegnervertreters zu 3) im Anfechtungsverfahren 5 HK O 3712/21, S. 20), so mag dies zutreffen (vgl. zum Gesetzgebungsverfahren Hirte, der als stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses unmittelbar am Gesetzgebungsverfahren beteiligt war und selbst von einer im Bundeskabinett beschlossenen „Formulierungshilfe“ spricht, in Hirte/Heidel, Das neue Aktienrecht nach ARUG II und Corona-Gesetzgebung, Baden Baden 2020, Rdnr. 14 zu Vor Art. 1 AbmilderungsG). Unabhängig davon, dass die verfassungsrechtlichen Konsequenzen einer „unechten“ oder „verkappten“ Bundestagsinitiative im verfassungsrechtlichen Schrifttum umstritten sind, wobei die herrschende Meinung allerdings davon ausgeht, dass eine unechte Bundestagsinitiative nicht zur formellen Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führt, sondern zulässig ist (vgl. zum Meinungsstand Mann in Sachs, Grundgesetz, 9. Auflage, München 2021, Rdnr. 24 ff. zu Art. 76 GG und Kersten in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 94. EL Januar 2021, Rdnr. 113 zu Art. 76 GG), hat der Bundesrat am 27.03.2020 jedenfalls beschlossen, zu dem vom Bundestag am 25.02.2020 verabschiedeten COVID-19-Pandemie-Gesetz keine Einberufung des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 GG zu verlangen (vgl. BR-Drs. 153/20 (Beschluss)). Er hat damit zu erkennen gegeben, dass aus Sicht des Bundesrats keine Einwände, das heißt weder in formeller noch in materieller Hinsicht, gegen das Gesetz bestehen, sodass eine formelle Verfassungswidrigkeit schon deshalb nicht auf die (unterstellt) unterbliebene vorherige Zuleitung der Gesetzesvorlage an den Bundesrat gestützt werden kann.
(b) Mit einem Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Bundestages kann eine formelle Verfassungswidrigkeit des COVID-19-Pandemie-Gesetzes ebenfalls nicht begründet werden, da für das Zustandekommen eines Gesetzes allein die Vorschriften des Grundgesetzes maßgebend sind, nicht aber das Geschäftsordnungsrecht des Bundestages (vgl. Kersten in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 94. EL Januar 2021, Rdnr. 118 zu Art. 76 GG).
(c) Die von der Antragsgegnerin zu 3) zur Begründung einer formellen Verfassungswidrigkeit behauptete (vgl. Klageschrift des Antragsgegnervertreters zu 3) im Anfechtungsverfahren 5 HK O 3712/21, S. 43), von der Antragstellerin bestrittene (Antragsschriftsatz vom 25.05.2021, S. 52, Rdnr. 224, Bl. 52 d.A.) Beschlussunfähigkeit des Bundestages bei der Abstimmung über das COVID-19-Pandemie-Gesetz am 25.03.2020 hat die Antragsgegnerin zu 3) schon nicht glaubhaft gemacht. Sie hat lediglich behauptet, dass der Bundestag wegen Abwesenheit von mehr als der Hälfte der Abgeordneten nicht beschlussfähig gewesen sei. Aus dem Plenarprotokoll 19/154 über die 154. Sitzung des Bundestags am 25.03.2020, in der der Bundestag Beschluss über das COVID-19-Pandemie-Gesetz fasste, ergibt sich jedoch nicht, wie viele Abgeordnete zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung nach dritter Lesung im Sitzungssaal anwesend waren (vgl. Plenarprotokoll 19/154, S. 19157), sodass sich damit die Behauptung der Antragsgegnerin zu 3) nicht belegen lässt. Allerdings lief ausweislich des Plenarprotokolls während der Aussprache und der Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 5, der u.a. den Gesetzesentwurf zum COVID-19-Pandemie-Gesetz (BT-Drs. 19/18110) umfasste, die von der Antragstellerin in Bezug genommene (vgl. Antragsschriftsatz S. 52, Rdnr. 224) namentliche Abstimmung über den Beschlussgegenstand laut Tagesordnungspunkt 4a (vgl. Plenarprotokoll 19/154, S. 19148 – 19158 mit den Hinweisen des Bundestagspräsidenten zum Fortgang der namentlichen Abstimmung zu Top 4a). Bei der namentlichen Abstimmung zu TOP 4a wurden 527 Stimmen abgegeben (vgl. Plenarprotokoll 19/154, S. 19163), sodass es für eine Anwesenheit von weniger als der Hälfte der Abgeordneten zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung über das COVID-19-Pandemie-Gesetz keine Anhaltspunkte gibt, auch wenn der Senat nicht verkennt, dass die namentliche Abstimmung nicht im Plenarsaal, sondern in der Westlobby des Bundestags stattfand (vgl. Plenarprotokoll 19/154, S. 19148). Da es damit schon für eine Anwesenheit von weniger als der Hälfte der Abgeordneten zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung über das COVID-19-Pandemie-Gesetz keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, ist die von der Antragsgegnerin zu 3) in ihrer Anfechtungsklage ventilierte Frage, ob bei Beschlussfassung des Bundestags über die Änderung der Geschäftsordnung des Bundestags, wonach zur Beschlussfähigkeit bereits die Anwesenheit von mehr als einem Viertel der Abgeordneten ausreichen soll (§ 126 a GO-BT; BT-Drs. 19/18126), Beschlussfähigkeit bestand, irrelevant.
Im Übrigen käme es auf die Zahl der bei der Schlussabstimmung tatsächlich anwesenden Abgeordneten auch gar nicht an. Denn gemäß § 45 Abs. 2 GO-BT gilt nach der vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen Auslegung der insoweit inhaltsgleichen Vorgängernorm des § 45 Abs. 2 GO-BT, § 49 GO-BT, „der Bundestag ohne Rücksicht auf die Zahl seiner anwesenden Mitglieder als beschlussfähig, solange nicht seine Beschlussunfähigkeit in dem in jener Bestimmung vorgeschriebenen Verfahren festgestellt wird“ (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10.05.1977 – 2 BvR 705/75, Rdnr. 22). Da ausweislich des Plenar-Protokolls 19/154 eine solche Feststellung der Beschlussunfähigkeit nicht erfolgte und „diese Regelung (gemeint die der GO-BT) (…) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken“ begegnet (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10.05.1977 – 2 BvR 705/75, Rdnr. 22), greift die Vermutung der Beschlussfähigkeit (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10.05.1977 – 2 BvR 705/75, Rdnr. 38). Die vom Bundesverfassungsgericht aufgeführten Umstände, unter denen diese Vermutung ausnahmsweise als widerlegt erachtet werden könnte (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10.05.1977 – 2 BvR 705/75, Rdnr. 39), liegen schon deshalb nicht vor, weil der Gesetzesentwurf in der Schlussabstimmung bei zwei Enthaltungen ohne Gegenstimme angenommen wurde und deshalb Konsens über das betreffende Vorhaben bestand (vgl. Plenarprotokoll 19/154, S. 19157).
(2) (a) Die in § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG vorgesehene Befugnis des Vorstands, entgegen § 118 Abs. 1 S. 2 AktG auch ohne satzungsmäßige Grundlage eine Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre einzuberufen, begegnet für sich genommen materiell keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. In Anbetracht der zumindest bis zum Frühjahr 2021 gerichtsbekannt aufgrund der Pandemielage vielfach geltenden landes- und bundesrechtlichen Kontaktbeschränkungen, die die Abhaltung von Präsenzhauptversammlungen wenn nicht tatsächlich unmöglich (infolge von Teilnehmerzahlbegrenzungen), so doch jedenfalls wesentlich erschwerten (bspw. infolge der Unsicherheit zum Zeitpunkt der Einladung zur Hauptversammlung über die zum Zeitpunkt der Hauptversammlungen gelten werdenden infektionsschutzrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Teilnehmerzahl), war die Einführung der Möglichkeit einer virtuellen Hauptversammlung auch ohne satzungsmäßige Grundlage erforderlich, um die Handlungsfähigkeit der Gesellschaften auch in Pandemiezeiten sicherzustellen. Dies war auch verhältnismäßig. Insbesondere ist kein milderes Mittel ersichtlich, um Hauptversammlungen auch in einer Pandemielage ohne Gefährdung der Gesundheit der Teilnehmer einerseits sowie der Volksgesundheit andererseits sicher und zuverlässig abhalten zu können (vgl. insoweit LG Frankfurt, Urteil vom 23.02.2021 – 5 O 64/20, Rdnr. 132). § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG enthält insoweit auch eine angemessene Regelung, da dem Vorstand lediglich ein Entscheidungsermessen hinsichtlich der Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung eröffnet wird, sodass – falls infektionsschutzrechtlich zulässig – auch eine Präsenzhauptversammlung hätte durchgeführt werden können.
(b) Auch die in § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG enthaltenen Vorgaben zur Beteiligung der Aktionäre an der Hauptversammlung sind am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG gemessen nicht zu beanstanden. Zwar fällt das Auskunfts- und Informationsrecht des Aktionärs in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG, jedoch kann es durch Gesetz eingeschränkt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.09.1999 – 1 BvR 636/95, Rdnrn 16 und 19 ff.). § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG ist insoweit eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iSd. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Richtig ist – wie die Antragsgegnerin zu 3) meint -, dass dem Aktionär durch die Regelung des § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG und den darin vorgesehenen Verzicht auf eine vorgeschriebene Zwei Wege-Kommunikation u.a. die Möglichkeit genommen wird, auf die in der Hauptversammlung erstatteten, nicht vor Ablauf der Fragefrist bekanntgegebenen Berichte des Vorstands und des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung durch Wortmeldung zu reagieren und dadurch bei anderen Aktionären für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zu werben oder spontan Anträge zu stellen. In Anbetracht der akuten Pandemie-Situation bei Erlass des Gesetzes Ende März 2020 und der für den Gesetzgeber zu diesem Zeitpunkt bestehenden tatsächlichen Unklarheit, die wegen der Notwendigkeit schnellsten Handelns auch nicht zu beseitigen war, ob die deutschen Aktiengesellschaften in der Lage sein würden, Online-Hauptversammlungen mit Zwei Wege-Kommunikation in Echtzeit technisch rechtssicher durchzuführen, waren die in § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG enthaltenen Vorgaben jedoch kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Eigentumsrecht der Aktionäre. Denn es war schnellstmöglich sicherzustellen, dass die Aktiengesellschaften trotz der infektionsschutzbedingten Einschränkungen eine rechtssichere Möglichkeiten hatten, Hauptversammlungsbeschlüsse zu fassen, um den gesetzlichen Vorgaben nachkommen zu können. Dahinter hatten die Auskunfts-, Rede- und Fragerechte der Aktionäre zurückzustehen, zumal die Auskunfts- und Fragerechte nur beschnitten, nicht aber gänzlich abgeschafft wurden. Den Aktionären war es daher grundsätzlich weiterhin möglich, sich über die Gesellschaft zu informieren. Der Senat teilt insoweit aus den dort aufgeführten Gründen die Ansicht des LG Köln in dessen Hinweisbeschluss vom 26.02.2021 – 82 O 53/20, Rdnrn 5-8.
Dass in Österreich (dort allerdings ausweislich § 2 der gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Verordnung auch nicht in allen Fällen) und der Schweiz eine Zwei Wege-Kommunikation vorgeschrieben sein mag und auch deutsche Aktiengesellschaften ihre Hauptversammlungen – wie beispielsweise die D. Bank – dementsprechend gestaltet haben mögen, ändert daran nichts. Im Übrigen führt die Antragsgegnerin zu 3) in ihrer Anfechtungsklage vor dem Landgericht München I, Az. 5 HK O 3712/21, auch selbst aus, dass „(d) ie ersten virtuellen Hauptversammlungen (…) im Rahmen massiver Zugangs- und Übertragungsproblem gezeigt (hätten), dass dieses Land (gemeint Deutschland) offenbar technisch nicht reif (sei), um derartige Techniken zuverlässig umzusetzen“ (Klageschrift S. 7). Wenn dem nach Meinung der Antragstellerin zu 3) so sein sollte, dann erschließt sich erst recht nicht, wie nach der Vorstellung der Antragstellerin zu 3) gleichzeitig die gegenüber der nach § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG vorgeschriebenen Einweg-Kommunikation technisch anspruchsvollere und verfassungsrechtlich gebotene Zwei Wege-Kommunikation erfolgreich in der Praxis hätte umgesetzt werden sollen. Vielmehr spricht diese Behauptung der Antragstellerin zu 3) gerade für die vom Senat bejahte Verhältnismäßigkeit der vom Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 COVMG vorgesehenen Übertragungsregelung.
(3) § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG ist auch – wie jedem klar sein muss (acte éclairé) – nicht europarechtswidrig, da Art. 9 Abs. 1 S.1 der RL 2007/36/EG das Fragerecht nicht als ein (auch) in der Versammlung verbal auszuübendes Recht des Aktionärs garantiert, sondern es gemäß Vorbemerkung 8 den Mitgliedstaaten überlässt festzulegen, wann und wie Fragen zu stellen sind (vgl. insoweit Kammergericht, Beschluss vom 25.03.2021 – 12 AktG 1/21, Rdnr. 38). Dies ist in § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG geschehen.
Indem der Vorstand der Antragstellerin die ihm in § 1 Abs. 2 S. 1 COVMG eingeräumte Möglichkeit der Gestaltung der Hauptversammlung genutzt hat und der Aufsichtsrat der Antragstellerin dem gemäß § 1 Abs. 6 COVMG zustimmte, kann daher kein Rechtsverstoß iSd. §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 2. Hs. AktG gesehen werden.
cc. Es liegt insoweit auch kein Ermessensfehlgebrauch des Vorstands und/oder des Aufsichtsrats durch die Einberufung einer virtuellen Hauptversammlung auf den 19.02.2021 vor.
(1) Insbesondere gibt es keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die von der Antragsgegnerin zu 3) erhobene Behauptung, die Einberufung der virtuellen Hauptversammlung diene ausschließlich der Verkürzung der Rechenschaftspflichten gegenüber den Aktionären (Anfechtungsklage der Antragsgegnerin zu 3), S. 47 unter 2). Denn unstreitig wurden auf der Hauptversammlung vom 19.02.2021 alle fristgerecht eingereichten Aktionärsfragen beantwortet.
(2) Die Entscheidung des Vorstands, die Hauptversammlung auf den 19.02.2021 einzuberufen, und die Zustimmung des Aufsichtsrats hierzu war entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zu 3) (Anfechtungsklage der Antragsgegnerin zu 3), S. 47 unter 2.1) auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Hauptversammlung zu einem späteren Zeitpunkt im Geschäftsjahr in Präsenzform hätte abgehalten werden können. Da es sich bei dem streitgegenständlichen Squeezeout um einen verschmelzungsrechtlichen Squeezeout handelt und deshalb nach Abschluss des Verschmelzungsvertrages zwischen der Antragstellerin und der NIAG SE am 27.11.2020 die dreimonatige Frist des § 62 Abs. 5 S. 1 UmwG zu laufen begann, war eine Anberaumung der Hauptversammlung zu einem späteren Zeitpunkt im Geschäftsjahr nicht möglich. Darüber hinaus handelt es sich bei einem Squeezeout – wie sich schon aus der diesbezüglichen Eröffnung der Möglichkeit eines Freigabeverfahrens in §§ 327 e Abs. 2 AktG ergibt – nach Einschätzung des Gesetzgebers um eine grundsätzlich eilbedürftige Strukturmaßnahme. Schließlich war zum Zeitpunkt der Entscheidung des Vorstands zur Einberufung einer Hauptversammlung am 04.01.2021 und der diesbezüglichen Zustimmung des Aufsichtsrats vom gleichen Tag nicht absehbar, wie sich die Pandemiesituation in Deutschland weiter entwickeln würde.
(3) Auch die Entscheidung, die Bild- und Tonübertragung in der Hauptversammlung nicht als Zwei Wege-Kommunikation auszugestalten, sondern nur das von § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 COVMG geforderte Mindestniveau vorzusehen, ist in Anbetracht etwaiger technischer Übertragungsschwierigkeiten entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zu 3) (Anfechtungsklage der Antragsgegnerin zu 3), S. 47 unter 2.2) nicht zu beanstanden.
(4) Die Antragsgegnerin zu 3) kann sich zur Begründung eines Ermessensfehlgebrauchs des Vorstands und des Aufsichtsrats schließlich auch nicht darauf berufen, die Satzung der Antragstellerin würde eine Abhaltung der Hauptversammlung in jeder deutschen Stadt mit mehr als 500.000 Einwohnern zulassen, sodass eine Präsenzhauptversammlung schon irgendwo in Deutschland hätte abgehalten werden können (Anfechtungsklage der Antragsgegnerin zu 3), S. 47 unter 2.3). Dem steht jedoch entgegen, dass im Februar 2021 gerichtsbekannt in allen Bundesländern Kontaktbeschränkungen bestanden.
dd. Ein Rechtsverstoß liegt auch nicht aufgrund einer fehlerhaften Angabe zu den Voraussetzungen zur Ausübung der Aktionärsrechte in der Einladung zur Hauptversammlung laut Anl. Ast 20 vor. Die Antragsgegnerin zu 3) geht nämlich insoweit rechtsirrig davon aus, dass sich die Teilnahme- und Abstimmungsvoraussetzungen aus § 16 Abs. 1 bis 4 der Satzung der Antragstellerin ergäben. Da die Aktien der Antragstellerin nicht verbrieft sind, gilt jedoch nicht § 16 Abs. 1 bis 4 der Satzung, sondern § 16 Abs. 5. Demzufolge gelten für die Teilnahme- und Abstimmungsberechtigung die in der Einladung gemachten Angaben. Daher können die in der Einladung veröffentlichten Bedingungen schon begrifflich nicht gegen § 16 Abs. 1 bis 4 der Satzung verstoßen, da diese Vorschriften gar nicht anwendbar sind. Auch materiell ist gegen die in der Einladung aufgestellte Voraussetzung des Nachweises der Teilnahme- und Stimmberechtigung durch einen in deutscher oder englischer Sprache ausgestellten Depotauszug mit Sperrvermerk nichts einzuwenden, auch wenn die in der Einladung enthaltenen Ausführungen zu einer Hinterlegung der Aktien bei einem Notar oder einer Wertpapiersammelbank infolge der Nichtverbriefung der Aktien der Antragstellerin gegenstandslos sind.
ee. Die Freigabe scheitert auch nicht an der von den Antragsgegnern behaupteten Rechtsmissbräuchlichkeit des streitgegenständlichen Squeeze-out-Beschlusses vom 19.02.2021.
Zwar kann die Rechtsmissbräuchlichkeit eines Squeeze-out-Beschlusses grundsätzlich einen besonders schweren Rechtsverstoß iSd. §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 2. Hs. AktG darstellen, der eine Freigabe nach §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 AktG hindern kann (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 14.12.2017 – 18 AktG 1/17, Rdnr. 57), jedoch haben die Antragsgegner, die – wie sich aus der negativen Fassung von § 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 2. HS („es sei denn“) ergibt – für die Rechtsmissbräuchlichkeit als Voraussetzung des Vorliegens einer „besonderen Schwere des Rechtsverstoßes“ die Glaubhaftmachungslast tragen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 14.12.2017 – 18 AktG 1/17, Rdnr. 54), einen Rechtsmissbrauch der Antragstellerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dabei sieht der Senat eine Tatsache dann als „glaubhaft“ gemacht i.S.d. §§ 319 Abs. 6 S. 6 AktG, 294 ZPO an, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für ihr Vorliegen spricht (vgl. BGH, Beschluss vom 20.03.1996 – VIII ZB 7/96, Rdnr. 15). Ein Rechtsverstoß der Antragstellerin ist daher schon nicht anzunehmen. Dazu im Einzelnen:
Nach der Rechtsprechung des BGH sind bei der Beurteilung der Frage, ob ein Squeezeout rechtsmissbräuchlich ist, die Ziele des Vorgehens in Relation zur gesetzgeberischen Zielsetzung zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2009 – II ZR 302/06, Rdnr. 12). Bei dem streitgegenständlichen Squeezeout handelt es sich nicht um einen aktienrechtlichen Squeezeout iSd. §§ 327 a AktG, sondern um einen verschmelzungsrechtlichen Squeezeout nach § 62 UmwG. Letzterer unterscheidet sich vom aktienrechtlichen Squeezeout, der im Belieben des Hauptaktionärs steht und keiner besonderen sachlichen Rechtfertigung bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2009 – II ZR 302/06, Rdnr. 14), allerdings gemäß § 327 a Abs. 1 S. 1 AktG eine 95-prozentige Anteilsinhaberschaft der Hauptaktionärin voraussetzt, dadurch, dass er nur eine 90-prozentige Anteilsinhaberschaft der Hauptaktionärin erfordert, aber im Zusammenhang mit einer ausdrücklich beabsichtigten Umstrukturierung stehen und dem Interesse der Muttergesellschaft als Hauptaktionärin dienen muss, die Konzernstruktur zu ordnen und zu vereinfachen sowie die Unternehmensleitung zu vereinheitlichen (zu diesem gesetzgeberischen Zweck des § 62 Abs. 5 UmwG vgl. BT-Drs. 17/3122, S. 13 rechte Spalte). Dient ein verschmelzungsrechtlicher Squeezeout diesem Gesetzeszweck, ist er grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich.
In diesem Zusammenhang hat die Antragstellerin durch die Vorlage der Anlagen Ast 5 bis 10 (Delisting der Antragstellerin, der C. und der A., öffentliches Kaufangebot bezüglich Aktien der C. und der A., eidesstattliche Versicherung des Dr. R.) glaubhaft gemacht, dass der streitgegenständliche Squeezeout durch eben solche Umstrukturierungsmaßnahmen im F. Gesamtkonzern motiviert ist, da sich diese Maßnahmen nicht nur auf die Antragstellerin, sondern auch auf die C. und die A., beides Schwestergesellschaften der Antragstellerin, erstreckten und einen analogen Beteiligungsaufbau der F. Hauptverwaltung GmbH bei der C., der bereits in einen Squeezeout mündete, und der Amira beinhalteten.
Ob die Verfolgung eines mit der gesetzgeberischen Zweckbestimmung übereinstimmenden und deshalb legitimen Ziels durch den Squeeze-out-Beschluss dessen Rechtsmissbräuchlichkeit auch dann ausschließt, wenn zugleich ein illegitimer Zweck (hier behauptetermaßen die Verhinderung einer der Feststellung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Organe dienenden Sonderprüfung) verfolgt wird (so OLG Köln, Beschluss vom 14.12.2017 – 18 AktG 1/17, Rdnr. 30 für einen ebenfalls verschmelzungsrechtlichen Squeezeout, wofür auch das Urteil des BGH vom 16.03.2009 – II ZR 302/06, Rdnr. 16 f. sprechen könnte, der nach der Annahme eines legitimen [aktienrechtlichen] Squeezeouts noch gesondert prüft, ob nicht doch eine Rechtsmissbräuchlichkeit voliegen könnte), kann im streitgegenständlichen Fall offenbleiben. Denn die Antragsgegner haben in tatsächlicher Hinsicht schon nicht zur Überzeugung des Senats glaubhaft gemacht, dass mit dem Squeezeout zugleich ein illegitimer Zweck verfolgt wurde.
Begründet hat der Antragsgegner zu 1) seine Behauptung, der Squeezeout sei rechtsmissbräuchlich, damit, er diene ausschließlich der Vereitelung der Sonderprüfung und der mit ihr verfolgten Schadensersatzansprüche (vgl. Erwiderungsschriftsatz des Antragsgegnervertreters zu 1) vom 23.06.2021, S. 22 Rndr. 69, Bl. 118 d.A.). Dies würde jedoch voraussetzen, dass der Squeeze-out-Beschluss vom 19.02.2021 kausal auf die vom Antragsgegner zu 1) mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 24.07.2020 beim Landgericht München I beantragte gerichtliche Anordnung einer Sonderprüfung nach § 142 AktG zurückzuführen wäre. Ein Indiz hierfür kann – was der Antragsgegnerseite zuzugestehen ist – grundsätzlich sein, dass die F. Hauptverwaltung GmbH am 25.08.2020, das heißt nur einen Monat nach Stellung des Antrags auf Anordnung einer Sonderprüfung und damit in engem zeitlichen Zusammenhang, die Aktionäre der Antragstellerin aufforderte, ihr Verkaufsangebote zu unterbreiten (vgl. Anl. Ast 11). Diese Indizwirkung wird jedoch – wie bereits oben dargelegt – durch den bereits seit mindestens 2017 von Seiten der Hauptaktionärin durchgeführten und durch Vorlage der öffentlichen Kaufangebote der Hauptaktionärin vom 19.07.2017, 21.02.2018, 31.08.2018 und 13.03.2020 (Anl. Ast 11) glaubhaft gemachten Aufbau ihrer Anteile an der Antragstellerin wesentlich abgeschwächt. Denn daraus lässt sich folgern, dass die Beteiligungspolitik der Hauptaktionärin bereits längerfristig und damit weit vor und unabhängig von dem Sonderprüfungsantrag des Antragsgegners zu 1) auf einen Anteilsaufbau gerichtet war, der wiederum in den sodann in der Hauptversammlung vom 19.02.2021 tatsächlich beschlossenen verschmelzungsrechtlichen Squeezeout münden sollte.
Dagegen spricht entgegen der Ansicht des Antragsgegners zu 1) auch nicht, dass es sich bei der Aufforderung der Hauptaktionärin vom 25.08.2020 (Anl. Ast 11) nicht um ein Kaufangebot, sondern nur um eine invitatio ad offerendum handelte und diese darüber hinaus auf 6.500 Aktien beschränkt war, wodurch – jedenfalls nach Ansicht des Antragsgegners zu 1) – die Minderheitsaktionärsgruppe um den Antragsgegner zu 1) ausgeschlossen werden sollten. Der Hauptaktionärin stand es nämlich frei, darüber zu entscheiden, zu welchen Bedingungen und von welchen Aktionären sie Anteile ankauft. Denn das Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre gilt nach § 53a AktG nur im Verhältnis von Gesellschaft zu Aktionär, nicht jedoch im Verhältnis zwischen Aktionären (vgl. Götze in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 5. Auflage, München 2019, Rdnr. 5 zu § 53a AktG m.w.N). In diesem Verhältnis sind daher die An- und Verkaufsbedingungen frei aushandelbar und konnte die Hauptaktionärin deshalb ihre invitatio ad offerendum vom 25.08.2020 auch auf 6.500 Aktien beschränken; beispielsweise, weil mit einem Ankauf von nur 6.500 Aktien die 90-prozentige Beteiligungsschwellen nach § 62 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 UmwG bereits erreicht waren und deshalb aus Sicht der Hauptaktionärin keine Veranlassung mehr bestand, weitere Aktien zu erwerben, um einen verschmelzungsrechtlichen Squeezeout nach § 62 Abs. 5 UmwG durchführen zu können. Daran ändert auch die möglicherweise dahinter stehende Motivation der Hauptaktionärin nichts, den verbleibenden Minderheitsaktionärin im Falle eines Squeezeouts nur eine Barabfindung zahlen zu müssen, die unter dem in der invitatio ad offerendum vom 25.08.2020 in Aussicht gestellten Ankaufspreis liegt. Denn schützenswert sind die Interessen der verbleibenden Minderheitsaktionäre nur insoweit, als sichergestellt werden muss, dass sie im Falle eines Squeezeouts den wahren Wert ihrer Anteile ausbezahlt erhalten. Dies wird jedoch durch das Spruchverfahren erreicht. Nicht geschützt sind die verbleibenden Minderheitsaktionäre dagegen insoweit, als andere Minderheitsaktionäre für den Verkauf ihrer Anteile an die Hauptaktionärin einen höheren Preis erhalten haben.
Dem steht auch nicht die Linotype-Entscheidung des BGH entgegen, wonach eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht grundsätzlich nicht nur zwischen der Gesellschaft und den Aktionären, sondern auch zwischen den Aktionären untereinander besteht (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.1988 – II ZR 75/87, Rdnr. 18), da es – anders als im Fall des BGH – streitgegenständlich nicht um die Ausübung des Stimmrechts der Hauptaktionärin bei einer Beschlussfassung der Hauptversammlung der Antragstellerin geht, sondern um den Erwerb von Aktien von anderen Aktionären.
Da schließlich sowohl § 62 UmwG als auch §§ 327a ff. AktG, auf die in § 62 Abs. 5 S. 8 UmwG Bezug genommen wird, offen lassen, auf welche Weise sich die Hauptaktionärin die für ein Übertragungsverlangen nach § 62 Abs. 5 UmwG erforderliche Mehrheit von 90% verschafft und das Gesetz die erforderliche Mehrheitsbildung weder verbietet noch missbilligt, kann daher entgegen der Ansicht des Antragsgegners zu 1) aus der beschränkten invitatio ad offerendum eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht hergeleitet werden (vgl. auch BGH, Urteil vom 16.03.2009 – II ZR 302/06, Rdnrn 15 und 16 zum Erwerb der für einen aktienrechtlichen Squeezeout nach § 327 a Abs. 1 S. 1 AktG erforderlichen Aktien durch die Hauptaktionärin).
Nach alledem konnte sich der Senat keine Überzeugung dahingehend verschaffen, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der verschmelzungsrechtliche Squeezeout durch den Sonderprüfungsantrag des Antragsgegners zu 1) begründet war, um zu verhindern, dass durch die beantragte Sonderprüfung Umstände zu Tage gefördert werden, die einen Schadensersatzanspruch der Antragstellerin gegen ihre Organe rechtfertigen würden.
Da damit allein schon deshalb ein Rechtsmissbrauch nicht glaubhaft gemacht ist, kommt es auf die von den Parteien eingehend ventilierte Frage, ob schon die Beantragung der Sonderprüfung durch den Antragsgegner zu 1) rechtsmissbräuchlich war und deshalb der Squeezeout selbst nicht rechtsmissbräuchlich sein kann, selbst wenn er auf die Verhinderung der dann vom Antragsgegner zu 1) rechtsmissbräuchlich erreichten Sonderprüfung gerichtet gewesen sein sollte, nicht an. Nicht von Bedeutung für die streitgegenständliche Entscheidung ist daher, dass der 31. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München mit Beschluss vom 06.07.2021, Az. 31 Wx 236/21, den die Sonderprüfung anordnenden Beschluss des Landgerichts München I vom 08.02.2021, Az. 17 HK O 9479/20 aufhob, weil es seiner Meinung nach den antragstellenden Aktionären mit ihrem Sonderprüfungsantrag ausschließlich um die Durchsetzung eigener Individualinteressen (nämlich der Erzielung eines möglichst hohen Preises für ihre Aktien) und damit um die Erreichung eines Sondervorteils gegangen sei und die Minderheitsaktionäre daher mit dem Sonderprüfungsantrag rechtsmissbräuchlich gehandelt hätten. Der erkennende Senat kann daher auch offenlassen, ob er diese Rechtsansicht des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München teilt.
Unerheblich ist aufgrund des nicht glaubhaft gemachten Kausalzusammenhangs zwischen dem Sonderprüfungsantrag und dem Squeezeout aber auch, ob der Verkauf des Anwesens P.str. 5 / R. str. 9 in M. durch die Antragstellerin an die Amira tatsächlich zu einem zu geringen Preis erfolgte, deshalb Schadensersatzansprüche der Antragstellerin gegen ihre Organe bestehen und ob im Spruchverfahren diese etwaigen Schadensersatzansprüche der Antragstellerin bei der Bestimmung ihres wahren Wertes zu berücksichtigen sind.
b. Ein Fall der §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 2. Hs. AktG liegt auch bezüglich der im Übrigen von der Antragsgegnerin zu 3) geltend gemachten und nicht schon oben unter a behandelten Rechtsverstöße nicht vor, da die von der Antragsgegnerin zu 3) mit ihrer Beschlussmängelklage vom 19.03.2021 geltend gemachten Rechtsverstöße, unterstellt sie lägen tatsächlich vor, jedenfalls keine besonders schwerwiegenden wären.
aa. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfes des ARUG ist bei der Beurteilung der Schwere der von der Antragsgegnerin zu 3) behaupteten Rechtsverstöße auf die Bedeutung der verletzten Norm und das Ausmaß der Rechtsverletzung abzustellen. „Für die Bedeutung der Norm ist die Unterscheidung des Gesetzgebers zwischen nichtigen, anfechtbaren, durch Eintragung heilbaren und bestätigungsfähigen Beschlüssen zu beachten (§§ 241, 242 Abs. 1, §§ 243, 244 AktG). Für das Ausmaß des Verstoßes ist etwa zu fragen, ob es sich um einen gezielten Verstoß handelt, der den Kläger im Vergleich zu der Mehrheit ungleich trifft. Zu denken ist auch daran, ob der Kläger schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile erleidet, die sich nicht auf andere Weise, etwa durch Schadenersatzansprüche ausgleichen lassen. Ganz allgemein kann es sich auch um einen Verstoß handeln, der so krass rechtswidrig ist, dass eine Eintragung und damit Durchführung „unerträglich“ wäre. Umgekehrt kann eine besondere Schwere des Verstoßes auch dann abzulehnen sein, wenn ein Nichtigkeitsgrund nach § 241 AktG anzunehmen ist. Nicht jeder Nichtigkeitsgrund wegen eines kleinen formalen Fehlers führt zu einer besonderen Schwere des Verstoßes“ (BT-Drs. 16/11642, S. 41 rechte Spalte).
bb. Demnach kann im streitgegenständlichen Fall eine besondere Schwere der behaupteten Rechtsverstöße nicht auf die Bedeutung der (unterstellt) verletzten Normen gestützt werden. Denn die von der Antragsgegnerin zu 3) geltend gemachten Rechtsverstöße würden keine Nichtigkeit des Squeeze-out-Beschlusss begründen, sondern – wenn überhaupt (§ 1 Abs. 7 COVMG) – nur dessen Anfechtbarkeit.
Dies gilt zunächst für die von der Antragsgegnerin zu 3) behauptete und für die Zwecke der Abwägung nach §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 AktG zu unterstellende gesetzeswidrige Ausgestaltung des Fragerechts durch die Festsetzung des Endes der Fragefrist des § 1 Abs. 2 S. 2 2. Hs. COVMG in der bis 27.02.2021 geltenden Fassung auf den 16.02.2021, 24:00 Uhr (Anfechtungsklage S. 51 – 58 unter Punkt 5) und die Unmöglichkeit der Ausübung des Fragerechts bei voller Ausschöpfung der Anmeldefrist (Anfechtungsklage S. 58 – 62, unter Punkt 6). Dies gilt aber auch für den der (behauptetermaßen verfassungs- und europarechtswidrigen) Regelung des § 1 Abs. 2 S. 2 1. Hs. COVMG in der bis 27.02.2021 geltenden Fassung entsprechenden Hinweis in der Einladung zur Hauptversammlung laut Anl. Ast 20, wonach eine Beantwortung der von den Aktionären fristgerecht gestellten Fragen nach freiem Ermessen des Vorstands erfolge.
Dass der Gesetzgeber der Verletzung von Auskunfts- und Informationsrechten grundsätzlich keine überragende Bedeutung beimisst, ergibt sich schon aus § 243 Abs. 4 AktG, der die Anfechtbarkeit eines Beschlusses wegen unzureichender Informationserteilung nicht in jedem Fall zulässt und wird bestätigt durch die Regelung in § 1 Abs. 7 COVMG, die eine Beschlussanfechtung wegen eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 COVMG ausschließt, es sei denn es läge ein vorsätzlicher Verstoß der Gesellschaft vor. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin zu 3) durch die unterstellte unrechtmäßige und hinsichtlich § 1 Abs. 2 S. 2 1. Hs. COVMG unterstellte verfassungs- und europarechtswidrigen Einschränkung ihres Auskunfts- und Fragerechts in irgendeiner Weise benachteiligt worden wäre. Denn unstreitig hat der Vorstand alle von Aktionären eingereichten Fragen beantwortet. Es ist nicht vorgetragen, welche Fragen die Antragsgegnerin zu 3) noch hätte stellen wollen, die sie aufgrund der unterstellten Verstöße nicht hat stellen können. Die bloße pauschale Behauptung, dass sich durch die unterstellten Verstöße Aktionäre davon hätten abhalten lassen, Fragen zu stellen, reicht zur Begründung geschweige denn Glaubhaftmachung eines besonders schwerwiegenden Rechtsverstoßes iSd. § 319 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 2. Hs. AktG nicht aus.
Auch die im Rahmen der nach §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs., 6 S, 3 Nr. 3 2. Hs. AktG vorzunehmenden Prüfung zu unterstellende Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 2 S. 2 1. Hs. COVMG ändert an der Einschätzung der unterstellten Rechtsverstöße als nicht besonders schwerwiegend nichts. Zwar tangieren unrechtmäßige Beschränkungen von Aktionärsrechten grundsätzlich die Eigentumsrechte der Aktionäre und sind diese Eigentumsrechte vom Schutzbereich des Art. 14 GG umfasst. Jedoch ergibt sich daraus nicht, dass jeder (unterstellten) Verletzung dieser Eigentumsrechte durch die Aktiengesellschaft eine besondere Schwere zukäme. Denn anderenfalls würde es der Abstufung in den Folgen eines Rechtsverstoßes (Nichtigkeit oder nur Anfechtbarkeit) gar nicht bedürfen und wäre auch das Abstellen des Gesetzgebers auf die besondere Schwere eines (unterstellten) Verstoßes überflüssig, da demnach ja jeder Verstoß besonders schwerwiegend wäre.
Nach alledem war der Squeeze-out-Beschluss vom 19.02.2021 gemäß §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 3 AktG freizugeben.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Antragsgegner sind zur Gänze unterlegen.


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