Bankrecht

Widerruf eines Darlehensvertrags

Aktenzeichen  27 O 4216/19

Datum:
19.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46400
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 309 Nr. 5a, § 314, § 355, § 492 Abs. 2, § 495 Abs. 1
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 5, Abs. 2 S. 3, § 7 Nr. 3, Nr. 4

 

Leitsatz

Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB müssen nicht notwendig im Darlehensantragsformular selbst enthalten sein. Diese können vielmehr auch „klar und verständlich“ in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in der “Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite“ enthalten sein.  (Rn. 41 – 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf € 34.612,76 festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Der Hauptantrag zu 1) ist zulässig, insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse. Da die Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs in Abrede stellt, berühmt sie sich vertraglicher Erfüllungsansprüche. Die Klagepartei muss sich insoweit nicht auf den Vorrang der Leistungsklage verweisen lassen. Denn diese bezieht sich auf die Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Leistungen, wohingegen sich die begehrte Feststellung, dass die Beklagte ab Zugang der Widerrufserklärung keine Ansprüche mehr auf Vertragszins und vertragsgemäße Tilgung hat, nicht mit der Leistungsklage abbilden lässt (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2017, XI ZR 586/15). Letztlich kommt es hierauf aber auch nicht entscheidend an, da die Klage jedenfalls in der Sache abzuweisen ist.
B.
Die Klage ist unbegründet. Der von der Klagepartei mit Schreiben vom 26.09.2017 erklärte Widerruf war verfristet und damit unwirksam.
I.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag vom 26.08.2016 um einen Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 Abs. 1 und 2 BGB (in der bei Vertragsschluss maßgeblichen Fassung v. 21.03.2016 bis 09.06.2017) handelt, sodass der Klagepartei ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zustand.
II.
Die Widerrufsfrist war jedoch bei Erklärung des Widerrufs längst abgelaufen.
1. Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB 14 Tage. Sie beginnt gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB grundsätzlich mit Vertragsschluss. Gemäß § 356b Abs. 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist auch nicht, bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde, den schriftlichen Antrag des Darlehensnehmers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Antrags zur Verfügung gestellt hat. Weiter setzt der Fristbeginn voraus, dass die dem Darlehensnehmer zur Verfügung gestellte Urkunde die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB enthält. Anderenfalls beginnt die Frist erst mit Nachholung dieser Angaben gemäß § 492 Abs. 6 BGB und beträgt einen Monat, § 356b Abs. 2 S. 1 und 2 BGB.
Die Voraussetzungen für den Fristbeginn waren vorliegend entgegen der Ansicht der Klagepartei erfüllt. Insbesondere wurden der Klagepartei alle erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB in den ihr zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen erteilt.
2. Allgemein fordert das Gesetz für die Information des Verbrauchers über die Pflichtangaben, dass diese im Verbraucherdarlehensvertrag „klar und verständlich“ enthalten sein müssen (§ 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1 EGBGB). Die Frage, ob Pflichtangaben „klar und verständlich“ formuliert sind, ist aus dem Horizont eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers zu beurteilen (BGH, Urteil vom 23.02.2016, XI ZR 101/15, NJW 2016, 1881, Rz. 33 f.).
Dabei müssen die Pflichtangaben nicht notwendig im Darlehensantragsformular selbst enthalten sein. Diese können vielmehr auch „klar und verständlich“ in allgemeinen Geschäftsbedingungen erteilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 4.7.2017, XI ZR 741/16). Vorliegend wurden die ADB der Beklagten als Teil der Vertragsunterlagen (Seiten 10 und 11) ausgehändigt (vgl. Anlage B6). Sie wurden durch die Hinweise auf Seite 5 des Darlehensantrags oben sowie auf Seite 7 direkt oberhalb der Unterschriftszeile auch wirksam in den Vertrag einbezogen.
Entgegen der Ansicht der Klagepartei ist es weiter auch ausreichend, wenn Pflichtangaben in der „Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite“ enthalten sind, wenn diese – wie hier – als Teil der Darlehensvertragsurkunde ausgehändigt wird, was ausweislich Erwägungsgrund Nr. 30 der Richtlinie 2008/48/EG vom 23. April 2008 ausdrücklich zulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Einheit einer Urkunde gewahrt, wenn eine fortlaufende Paginierung vorliegt (BGH, Urteil vom 24.9.1997 – XII ZR 234/95, DStR 1997, 1980). Und eben dies ist, wie die Anlagen K1, B4, B5 und B6 zeigen, durch die erfolgte fortlaufende Paginierung vorliegend der Fall. Die Angaben liegen also keineswegs nur in (separaten) vorvertraglichen Informationen oder in sonstigen Dokumenten vor, sondern sie sind in der Vertragsurkunde selbst enthalten. Dies ist zwischen den Parteien auch letztlich unstreitig, auch wenn die Klagepartei zunächst vorgetragen hat, die Europäische Standardinformation sei vorvertraglich ausgehändigt worden. Die Klagepartei hat den Vortrag der Beklagten (Bl. 76 d.A.), wonach die Vertragsunterlagen aus insgesamt 11 Seiten bestanden, nicht bestritten.
Die Frage der Einbeziehung ist demgegenüber eine rechtliche Wertung. Entgegen der Ansicht der Klagepartei handelt es sich hier aber gerade nicht um nur separate vorvertragliche Informationen im Sinne des § 491 a BGB, welche nicht in den Vertrag einbezogen worden wären. Sie sind vielmehr – wie gezeigt – Teil der Vertragsurkunde. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall aber von der gleichzeitigen Übersendung eines separaten Merkblatts, wie es offenbar in dem von der Klagepartei zitierten Urteil des OLG Karlsruhe (17 U 58/16) der Fall war. Dem Informationszweck wird durch den Abdruck der „Europäischen Standardinformation“ auf den Seiten 1 bis 3 der Vertragsunterlagen, also gleich zu Beginn und damit unübersehbar, auch ohne weiteres Genüge getan. Insbesondere kann der Verbraucher durchaus damit rechnen, dass sich auf den Seiten 1 bis 3 der ihm ausgehändigten Vertragsunterlagen die gesetzliche Widerrufsfrist auslösende Informationen befinden (wiederum im Gegensatz zu dem Fall des OLG Karlsruhe, 17 U 58/16, juris, Rn. 32). Zudem wird unter den „Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag“ auf Seite 4 der Vertragsunterlagen gleich zu Beginn nochmals ausdrücklich auf die „Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite“ Bezug genommen.
3. Die Beklagte hat die erforderlichen Pflichtangaben gemäß Art. 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB ordnungsgemäß erteilt. Die einzelnen Rügen der Klagepartei greifen nicht durch.
a) Art des Darlehens, Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB
Die Beklagte hat die Art des Darlehens ausreichend gemäß Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB angegeben. Zum einen befindet sich die Angabe – wie die Klagepartei selbst vorträgt – bereits auf Seite 1 der Vertragsunterlagen in der Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite, dort unter Ziffer 2 „Kreditart“ (siehe Anlage B4). Die Angabe befindet sich außerdem auf Seite 4 in den „Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag“ unter Ziffer 1 (vgl. Anlage B5). Wie oben ausgeführt, wurden diese Unterlagen als Bestandteile des Vertrags ausgehändigt, es handelt sich gerade nicht um nur separate vorvertragliche Informationen.
Im Übrigen findet sich auch auf dem von der Klagepartei in der Anlage K1 vorgelegten Darlehensantragsformular auf allen vier Seiten rechts oben die Bezeichnung „Darlehensantrag Ratenkredit“. Dem dort abgedruckten Zahlungsplan ist außerdem zu entnehmen, dass es sich um ein befristetes Darlehen handelt, das in Raten zurückzuzahlen ist. Dies genügt den gesetzlichen Anforderungen.
b) Auszahlungsbedingungen, Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB
Die Auszahlungsbedingungen sind ebenfalls gemäß Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB (in der Fassung vom 21.03.2016 bis 12.01.2018) angegeben. Die Pflichtangabe befindet sich zum einen auf Seite 1 der Vertragsunterlagen in der – als Vertragsbestandteil ausgehändigten – Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite unter Ziffer 2 „Bedingungen für die Inanspruchnahme“. Der Hinweis befindet sich außerdem im Darlehensantragsformular (Seite 1 der Anlage K1) unter „Wichtige Hinweise“. Die Bedingungen sind dem Darlehensvertrag ebenso zu entnehmen wie die zu bestellende Sicherheit als weitere Auszahlungsbedingung. Dies ist aus Sicht des Gerichts ausreichend.
c) Art und Weise der Anpassung des Verzugszinssatzes, Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB (in der Fassung vom 21.03.2016 bis 12.01.2018)
Entgegen der Ansicht der Klagepartei werden auch die gesetzlichen Anforderungen an die Angabe des Verzugszinssatzes bzw. der Art und Weise seiner Anpassung gemäß Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB (a.F.) eingehalten. Die erforderliche Angabe befindet sich zum einen in der Europäischen Standardinformation unter Ziffer 3 „Kosten bei Zahlungsverzug“ (Anlage B4), zum anderen unter Ziffer 5 in den „Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag“ (Anlage B5) und nochmals im Darlehensantragsformular selbst unter „Wichtige Hinweise“ (Seite 1 der Anlage K1). Die Formulierung „gesetzliche Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz“ entspricht schlicht der Formulierung des Gesetzgebers in § 288 Abs. 1 S. 2 BGB und enthält alle für den Verbraucher notwendigen Informationen. Die Angabe einer absoluten Zahl ist weder notwendig noch möglich, da sich der Verzugszins abhängig vom Basiszinssatz künftig ändern kann und bei Vertragsschluss völlig unklar ist, ob überhaupt und zu welchem Zeitpunkt der Darlehensnehmer möglicherweise in Verzug geraten wird. Die Angabe des bei Vertragsschlusses geltenden Verzugszinssatzes hat für den Verbraucher daher schon keinen Informationswert.
d) Für den Darlehensgeber zuständige Aufsichtsbehörde, Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB
Soweit die Klägerseite die Auffassung vertritt, die Beklagte habe entgegen Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGBGB fehlerhaft die EZB als weitere Aufsichtsbehörde nicht genannt, kann nicht gefolgt werden. Auf Seite 5 der Darlehensunterlagen wurde unter „Aufsichtsbehörden“ die BaFin genannt, was erforderlich und insoweit auch ausreichend ist (vgl. BeckOGK/Knops, Stand 01.09.2018, § 492 Rn. 18).
e) Einzuhaltendes Verfahren bei Kündigung des Vertrages, Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB
Das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung des Vertrages ist ebenfalls den gesetzlichen Anforderungen entsprechend angegeben worden. Die ADB der Beklagten enthalten in Ziffer 4.4 „Kündigung aus wichtigem Grund“ folgende Angabe: „Das Recht des Darlehensnehmers/Mitdarlehensnehmers zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Zudem steht dem Darlehensnehmer/Mitdarlehensnehmer der Verbraucher ist ein fristloses Kündigungsrecht zu, wenn die Kreditwürdigkeitsprüfung der Bank nicht ordnungsgemäß erfolgt ist und die übrigen Voraussetzungen des § 505d BGB erfüllt sind. Die Kündigung bedarf der Textform.“ Unabhängig von der teilweise kontrovers diskutierten Frage, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet war, auf das außerordentliche Kündigungsrecht des Darlehensnehmers hinzuweisen, ist daher festzustellen, dass dieser Hinweis hier jedenfalls erfolgt ist. Der Angabe der Vorschrift des § 314 BGB bedurfte es dabei aus Sicht des Gerichts nicht. Der Hinweis auf das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund ist auch ohne Zitat der Vorschrift des § 314 BGB ausreichend und klar verständlich. Zudem ist es ausreichend, wenn sich diese Information (nur) in den – hier ohnehin als Bestandteil der Vertragsurkunde – ausgehändigten ADB befindet (vgl. BGH XI ZR 741/16, Rz. 25, juris, und XI ZR 253/15, Rz. 25, juris).
Ein Fehler ergibt sich entgegen der Ansicht der Klagepartei auch nicht daraus, dass es in Ziffer 4.4. der ADB weiter heißt, dass die Kündigung des Darlehensnehmers der Textform bedarf. Dabei kann hier wiederum dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet war, auf die Form der Kündigung hinzuweisen. Das Bestehen einer solchen Pflicht an dieser Stelle unterstellt, wäre ihr mit Ziffer 4.4 der ADB jedenfalls Genüge getan. Dabei ist es zwar zutreffend, dass der Darlehensnehmer grundsätzlich formfrei kündigen kann. Die Parteien haben hier aber im Rahmen des Vertragsschlusses unter Einbeziehung der ADB schlicht eine anderweitige Vereinbarung getroffen. Diese Vereinbarung war vorliegend auch zulässig. Es liegt insbesondere weder ein Verstoß gegen § 309 Nr. 13 BGB noch gegen § 307 BGB vor. Dabei ist zum einen das berechtigte Interesse beider Parteien an der Einhaltung der Textform schon zu Beweiszwecken zu sehen. Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der Darlehensnehmer hierdurch unangemessen benachteiligt werden sollte. Dazu kommt, dass für den Darlehensnehmer keine strengere Form als für den Darlehensgeber, sondern dasselbe Formerfordernis vereinbart wurde. Im Übrigen hätte ein solcher – hier nicht gegebener – Verstoß nur zur Folge, dass die entsprechende Klausel unwirksam wäre, ohne darüber hinaus jedoch Auswirkungen auf den Lauf der Widerrufsfrist zu haben.
Die Beklagte musste darüber hinaus nicht darauf hinweisen, dass die Kündigung erst mit Zugang bei der anderen Partei wirksam wird. Dabei handelt es sich schon nicht um eine Angabe zu dem „einzuhaltende(n) Verfahren bei der Kündigung“ im Sinn des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB.
f) Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB
Die Angaben zur „Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt“ sind entgegen der Rüge der Klagepartei ausreichend unter Ziffer 4 der Europäischen Standardinformation (Anlage B4) bzw. Ziffer 4.3 der ADB (Anlage B6) erfolgt.
Zunächst ist es ausreichend, dass die Beklagte hier „nur“ auf die vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen verwiesen und die maßgeblichen Faktoren aufgezählt hat. Die Angabe einer konkreten Berechnungsformel war dagegen nicht erforderlich. Schon dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass hier eine konkrete Formel anzugeben wäre. Gefordert wird vielmehr nur die „Angabe der Berechnungsmethode“. Damit wird dem gesetzgeberischen Ziel, dass der Verbraucher die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nachvollziehen und seine Belastung im Fall einer vorzeitigen Darlehensablösung zutreffend abschätzen kann (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, BT-Drs. 16/11643, S. 87) hinreichend Rechnung getragen. Schließlich heißt es auch in dem Muster nach Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB nur „Festlegung der Entschädigung (Berechnungsmethode) gemäß § 502 BGB“. Von der Beklagten ist aber keine genauere Formulierung als vom Gesetzgeber zu erwarten. Für den Verbraucher ist aus den Angaben der Beklagten klar ersichtlich, wo die Obergrenze der Vorfälligkeitsentschädigung liegt und nach welchen maßgeblichen Faktoren sie sich berechnet. Dies genügt. Dazu kommt, dass die konkrete mathematische Formel so abstrakt und schwer verständlich ist, dass sie einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher keinen zusätzlichen Informationsgewinn im Vergleich zu dem Hinweis auf die Anwendung der Berechnungsmethode des BGH mit den wesentlichen Parametern bietet (vgl. LG Heilbronn, Urteil v. 30.01.2018, 6 O 358/17, BeckRS 2018, 738). Soweit dies das LG Berlin in der von der Klagepartei zitierten Entscheidung anders gesehen hat, folgt dem das Gericht aus den genannten Gründen nicht.
Auch die zusätzliche Angabe, dass die Entschädigung pauschal 75,- € beträgt, macht die Darstellung nicht insgesamt unklar oder unverständlich. Für den durchschnittlich verständigen Verbraucher ist aus der Formulierung ohne weiteres ersichtlich, dass er im Fall der vorzeitigen Rückzahlung grundsätzlich eine pauschale Vorfälligkeitsentschädigung von 75,- € schuldet. Dass diese den Verwaltungsaufwand umfasst, ergibt sich schon aus den oberen Angaben zur Berechnungsmethode, wo der Verwaltungsaufwand ausdrücklich als Parameter für die Berechnung aufgeführt wird. Im Übrigen sind die Ausführungen zur Berechnungsmethode schlicht der Tatsache geschuldet, dass nach Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung anzugeben ist. Die folgenden Ausführungen tragen dann der Vorgabe des § 309 Nr. 5b BGB Rechnung, wonach dem Darlehensnehmer der Nachweis zu gestatten ist, dass dem Kreditgeber kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden ist. Aus der weiteren Darstellung ergibt sich wiederum, dass der Betrag der Vorfälligkeitsentschädigung ggf. noch auf den niedrigeren der beiden folgenden Beträge reduziert wird, wobei die Beklagte hier die Vorgaben des § 502 Abs. 3 BGB umgesetzt hat. Zudem wird hierdurch sichergestellt, dass die Pauschale den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden nicht übersteigt, § 309 Nr. 5 a BGB. Letztlich führt die zusätzliche Angabe der Pauschale dazu, dass dem Verbraucher die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung sehr viel klarer vor Augen geführt wird, als durch die bloße Angabe der Berechnungsmethode. Die weiteren Ausführungen dienen schlicht der Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben.
g) Zugangsvoraussetzungen zu außergerichtlichem Beschwerdeverfahren, Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB
Die Darlehensvertragsunterlagen enthalten zudem auf Seite 1 des Darlehensantrags (Anlage K1) unter „Wichtige Hinweise“ die erforderlichen Angaben zu den Zugangsvoraussetzungen zu außergerichtlichen Beschwerdeverfahren. Die Angaben informieren klar und verständlich gemäß Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB über den Zugang des Darlehensnehmers zum Ombudsmannverfahren. Nicht erforderlich war eine Belehrung über die Voraussetzungen der Zulässigkeit eines solchen Verfahrens. Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB fordert im Einklang mit Art. 10 Abs. 2 s) der Verbraucherkreditrichtlinie, dass „gegebenenfalls“ die Voraussetzungen des Zugangs zu dem Verfahren aufgeführt werden. Da für die Schlichtung vorliegend keine besonderen Zugangsvoraussetzungen bestehen, sondern diese jedem Verbraucher offen steht, war kein weitergehender Hinweis erforderlich. Insbesondere ist hier zwischen Zugang zu einem Beschwerdeverfahren und Zulässigkeit eines Beschwerdeverfahrens zu unterscheiden.
h) Barzahlungspreis, Art. 247 § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a) EGBGB
Die Beklagte hat den Barzahlungspreis, wie die Klagepartei selbst vorträgt, in der Europäischen Standardinformation unter Ziffer 2 mitgeteilt. Dies genügt, da die europäische Standardinformation, wie oben bereits ausgeführt, als Bestandteil des Vertrags ausgehändigt wurde.
i) Gesetzlichkeitsfiktion, Art. 247 § 6 Abs. 2, § 12 Abs. 1 Nr. 2 b) EGBGB
Die von der Beklagten verwendete Widerrufsinformation genügt schließlich den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 EGBGB bzw. § 12 Abs. 1 Nr. 2 b) EGBGB. Die Beklagte kann sich hier jedenfalls nach Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3, § 12 Abs. 1 S. 3 EGBGB auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsinformation berufen, da sie in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form ein Formular verwendet hat, das dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB vollumfänglich und exakt entspricht. Der Gestaltungshinweis Nr. 3 sieht nur vor, dass der genaue Zinsbetrag in Euro pro Tag einzufügen und dabei Centbeträge als Dezimalstellen anzugeben sind. Dem wird auch mit der Angabe von „2,23 Euro“ Genüge getan.
Soweit die Klagepartei rügt, die Beklagte habe in irreführender Weise „0,00 Euro“ angegeben, dürfte hier ein Textbaustein falsch eingefügt worden sein, da die Widerrufsinformation im vorliegenden Fall eine solche Angabe nicht enthält. Damit erübrigt sich die Frage, ob das von der Klagepartei in diesem Zusammenhang zitierte Urteil des LG Hamburg (Az. 305 O 74/16) zutreffend ist. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das Gericht das beklagtenseits erwähnten Urteil des OLG Hamburg vom 11.10.2017 (Az. 13 U 334/16), welches das vorgenannte Urteil des LG Hamburg aufhob und die Angabe „0,00 Euro“ für unschädlich erklärte, für zutreffend hält.
Soweit die Klagepartei weiter pauschal die Belehrung über ein „tatsächlich nicht existierendes verbundenes Geschäft“ rügt (Seite 8 der Replik vom 04.07.2018, Bl. 147 d.A.), dürfte auch insoweit ein Textbaustein falsch eingefügt worden sein, da im vorliegenden Fall nach dem eigenen Vortrag der Klagepartei ein verbundener Vertrag vorliegt.
Die von der Beklagten erteilte Widerrufsinformation ist, anders als die Klägerseite vorträgt, nicht deswegen fehlerhaft, weil sie den Kläger unter der Überschrift „Widerrufsfolgen“ darüber belehrt, dass der Darlehensnehmer das Darlehen spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen hat und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten hat, soweit das Darlehen bereits ausgezahlt wurde.
Zwar trägt die Klägerseite zutreffend vor, dass diese Rechtsfolge in Fällen verbundener Verträge nicht gilt. Jedoch weist die Beklagte zutreffend unter der Überschrift „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ in klarer und verständlicher Form darauf hin, dass im Fall eines verbundenen Vertrages der Darlehensgeber im Verhältnis zum Darlehensnehmer hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Vertragspartners aus dem weiteren Vertrag eintritt, wenn das Darlehen dem Unternehmer bereits zugeflossen ist. Hiermit hat die Beklagte die Formulierung des Gesetzgebers in § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB übernommen und kann sich mit Erfolg darauf berufen, dass der Darlehensgeber nicht genauer formulieren muss als der Gesetzgeber (vgl. allg. BGH, Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15), zumal diese von der Beklagten gewählte Formulierung auch in der gesetzlichen Musterbelehrung nach Artikel 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 EGBGB a.F. enthalten ist.
Angesichts der Tatsache, dass eine umfassende Belehrung über die Widerrufsfolgen von der Beklagten gar nicht geschuldet war, stellt sich bei der Überprüfung der verwendeten Belehrung der Beklagten nur die Frage, ob diese tatsächlich erteilte Belehrung zutreffend ist. Dies ist aus den oben genannten Gründen zu bejahen. Eine genauere Darstellung der Rückabwicklungsfolgen im Fall des verbundenen Vertrages war hingegen nicht geschuldet. Der klare und verständliche Hinweis der Beklagten darauf, dass im Fall des verbundenen Vertrages die Rückabwicklungsfolge der Rückzahlung des nicht an den Darlehensnehmer ausbezahlten Darlehens durch die Regelungen des verbundenen Vertrages modifiziert wird, ist nicht zu beanstanden. Hiermit wird hinreichend deutlich gemacht, dass die zuvor als allgemeiner Grundsatz aufgeführte Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers hinsichtlich der Darlehensvaluta im Fall des Widerrufs eines verbundenen Vertrages nicht greift.
III.
Das Gericht hat – entsprechend der Vorgabe des BGH, wonach die Übereinstimmung von vorformulierten Widerrufsbelehrungen mit höherrangigem Recht eine Rechtsfrage ist und ohne Bindung an das Parteivorbringen zu untersuchen ist (BGH, Urteil vom 20.06.2017 – XI ZR 72/16, BeckRS 2017, 120503) – die streitgegenständliche Widerrufsinformation auch über die von dem Kläger beanstandeten Passagen hinaus überprüft, indes keinen, den Lauf der Widerrufsfrist hindernden Fehler feststellen können. Nach alledem ist die streitgegenständliche Widerrufsinformation nicht zu beanstanden, so dass der Klage kein Erfolg beschieden ist.
Auf die Frage, ob Verwirkung eingetreten ist bzw. sich das Verhalten der Klagepartei als rechtsmissbräuchlich darstellt, kommt es nach den obigen Ausführungen nicht mehr an.
IV.
Mangels Begründetheit der Klage war über den nur hilfsweise gestellten Widerklageantrag der Beklagten nicht mehr zu entscheiden. Daher kann offen bleiben, ob die Klagepartei – wie nicht im Schriftsatz vom 15.05.2019 – beantragt hat, den Hilfswiderklageantrag abzuweisen.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
D.
Der Streitwert wurde entsprechend dem wirtschaftlichen Interesse der Klagepartei an dem Rechtsstreit, also anhand der Nettodarlehenssumme zuzüglich der Anzahlung/Inzahlungsnahme, festgesetzt. Es kann hier dahin stehen, ob es sich tatsächlich um eine Anzahlung oder eine Inzahlungnahme handelte.


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