Bankrecht

Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen – Zerstrittene Gesellschafterstämme in Familiengesellschaft

Aktenzeichen  23 U 4531/15

Datum:
23.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DB – 2016, 1685
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GmbHG § 6 Abs. 1
ZPO § 91, § 91a, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Eine Regelung eines GmbH-Gesellschaftsvertrags ist zulässig, wonach der Streit über die Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung mit der Gesellschaft auszutragen ist (Anschluss an BGH BeckRS 2011, 07928). (red. LS Christoph Syrbe)
2 Dass eine Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt, die Zwecke der Gesellschaft fördert und die Zustimmung dem Gesellschafter zumutbar ist, genügt nicht, um eine Zustimmungspflicht des Gesellschafters zu begründen oder eine entgegenstehende Stimmabgabe als unwirksam anzusehen. (red. LS Christoph Syrbe)
3 Soweit der Gesellschafter durch die Treuepflicht nicht zur Zustimmung verpflichtet ist, kann er sie zu einer vorgeschlagenen Maßnahme verweigern, selbst wenn seine Beweggründe dafür sachwidrig und unverständlich erscheinen (Anschluss an BGH BeckRS 2016, 07664). (red. LS Christoph Syrbe)
4 Auch wenn zwischen zwei Gesellschafterfamilien seit Jahren Uneinigkeit über die Nachfolge in der Geschäftsführung bestand und besteht, ist die Einschaltung einer Personalagentur zur Suche nach geeigneten Kandidaten nicht unabweisbar erforderlich. (red. LS Christoph Syrbe)

Verfahrensgang

1 HK O 253/15 2015-09-02 Ent LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

I.
Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 02.09.2015, 1 HK O 253/15, in Ziffer 1 aufgehoben. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
II.
Von den Gerichtskosten erster Instanz tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte zu 1) 2/3. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin in erster Instanz trägt die Beklagte zu 1) 2/3.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) in erster Instanz trägt die Klägerin. Von den Kosten der Nebenintervention in erster Instanz trägt die Klägerin 1/3.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention trägt die Klägerin.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

II. Die zulässige Berufung der Beklagten zu 2) hat in der Sache Erfolg.
1. Der Beschluss zu TOP 7 der Gesellschafterversammlung vom 04.12.2014 ist im Wege der Auslegung der Beklagten zu 2) zuzuordnen (vgl. Senatsurteil vom 03.02.2011, 23 U 4705/09, juris Tz. 28). Dementsprechend richtete sich auch der Klageantrag gegen die Beklagte zu 2) und nur hilfsweise gegen die Beklagte zu 1) (vgl. S. 2 f. der Klageschrift).
Die von der Gesellschafterin Petra R. gemäß § 7 Nr. 9 des Gesellschaftervertrags der Beklagten zu 2) (Anlage K 1) gegen die Beklagte zu 2) erhobene Feststellungsklage bezüglich TOP 7 ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1.1. Gegen die Zulässigkeit der Regelung des Gesellschaftsvertrags, dass der Streit über die Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung mit der Gesellschaft auszutragen ist, bestehen keine Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2011, II ZR 83/09, juris Tz. 19 m. w. N.).
Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich aus dem Streit der Gesellschafter der Beklagten zu 2) über die Wirksamkeit des Beschlusses. Ohne Erfolg rügt die Berufungsführerin zu 2), der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da der Beschluss keinen Regelungsinhalt habe. Der zwar allgemein gefasste Beschlussantrag bringt immerhin den Wunsch der Alleingesellschafterin der E. Tortechnik GmbH zum Ausdruck, nach einem geeigneten Geschäftsführer-Kandidaten zu suchen und dazu ggf. eine Personalagentur einzuschalten. Die von der Beklagten zu 2) zitierte Kommentarstelle (K. Schmidt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 45, Rn. 136) ist nicht einschlägig.
1.2. Die Gesellschafter der Familie S. waren nicht aufgrund ihrer Treuepflicht (vgl. K. Schmidt in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl. § 105, Rn. 191, § 119, Rn. 23) verpflichtet, dem Beschlussantrag zuzustimmen.
Die Grundlage der gesellschafterlichen Treuepflicht bildet der Gesellschaftsvertrag, der damit auch deren Inhalt und Umfang bestimmt. (BGH, Urteil vom 25.01.2011, II ZR 122/09, juris Tz. 21 m. w. N.).
Ein Gesellschafter ist grundsätzlich in seinem Abstimmungsverhalten frei. Dass eine Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt, die Zwecke der Gesellschaft fördert und die Zustimmung dem Gesellschafter zumutbar ist, genügt nicht, um eine Zustimmungspflicht des Gesellschafters zu begründen oder eine entgegenstehende Stimmabgabe als unwirksam anzusehen. Aufgrund der Treuepflicht muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann in einem bestimmten Sinn abgestimmt werden, wenn die zu beschließende Maßnahme zur Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter erleiden könnten, objektiv unabweisbar erforderlich ist und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist, also wenn der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft gerade diese Maßnahme zwingend gebieten und der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert (BGH, Urteil vom 12.04.2016, II ZR 275/14, juris, Rn. 13 m. w. N.). Die Treuepflicht gebietet es zwar, sich bei der Stimmabgabe grundsätzlich von den Interessen der Gesellschaft leiten zu lassen. Wie die Interessen der Gesellschaft am besten gewahrt bleiben, haben aber grundsätzlich die Gesellschafter zu beurteilen. Soweit der Gesellschafter durch die Treuepflicht nicht zur Zustimmung verpflichtet ist, kann er sie zu einer vorgeschlagenen Maßnahme verweigern, selbst wenn seine Beweggründe dafür sachwidrig und unverständlich erscheinen. Das Gericht darf einen Beschluss nicht deshalb beanstanden, weil er unzweckmäßig oder nicht im Interesse der Gesellschaft erscheint. Umgekehrt kann auch die Ablehnung eines Beschlussantrags nicht allein deshalb beanstandet werden, weil der Beschluss zweckmäßig erscheint und im Interesse der Gesellschaft liegt (BGH, Urteil vom 12.04.2016, II ZR 275/14, juris, Rn. 15 f.).
Gemessen an diesen Grundsätzen, ergibt es aus der Treuepflicht keine Verpflichtung, dem Beschluss, die Suche nach einem Geschäftsführer ggf. unter Einschaltung einer Personalagentur aufzunehmen, zuzustimmen. Nach § 6 Abs. 1 GmbHG muss zwar jede GmbH mindestens einen Geschäftsführer haben. Für die Beklagte zu 2), die Alleingesellschafterin der E. Tortechnik GmbH ist, ist die Einschaltung einer Personalagentur zur Suche nach geeigneten Kandidaten indes nicht unabweisbar erforderlich, auch wenn zwischen den Gesellschaftern Familie R. und S. seit Jahren Uneinigkeit über die Nachfolge des Nebenintervenienten bestand und besteht. Die beiden Gesellschafterfamilien haben in der Vergangenheit bereits Kandidaten vorgeschlagen und können weiterhin ggf. auch unter Einschaltung einer Personalagentur – auf eigene Kosten – weitere Vorschläge unterbreiten. Der Einwand der Klägerin, die Suche müsse objektiv, neutral und extern durchgeführt werden, um dem Einwand zu begegnen, ein Kandidat sei „ein Kandidat der anderen Gesellschafterseite“ und schon deshalb inakzeptabel, und es bleibe denknotwendig nur eine „unternehmensexterne personelle Lösung“, greift nicht durch. Auch wenn eine Personalagentur einen Kandidaten findet, ist nicht sichergestellt, dass die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) diesen zum Geschäftsführer bestellt.
2. Die gemäß § 91 a ZPO ergangene Kostenentscheidung betrifft die Klageanträge gegenüber der Beklagten zu 1) (Klageantrag zu III.), hilfsweise gegenüber der Beklagten zu 2) (Klageantrag zu IV.), festzustellen, dass die Ablehnung des Beschlussantrags nichtig ist und folgender Beschluss zustande gekommen ist:
„Herr U. B. ist, solange er selbst Geschäftsführer der E. Tor- und Sicherheitssysteme Verwaltungs-GmbH ist, bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung, wonach Herr J. L. als Geschäftsführer der E. Tor- und Sicherheitssysteme Verwaltungs-GmbH nicht abberufen worden ist, oder bis zur Entsendung oder Bestellung eines Nachfolger-Geschäftsführers für Herrn J. L. bei der E. Tor- und Sicherheitssysteme Verwaltungs-GmbH einzeln geschäftsführungsbefugt und insoweit übergangsweise für sämtliche Bereiche der Geschäftsführung zuständig.“
Dieser Beschlussantrag betrifft die Beklagte zu 1). Soweit das Landgericht ausführt, der Anspruch hätte bei summarischer Prüfung bestanden, bezieht es sich auf den gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Klageantrag zu III. Insoweit ist die Entscheidung des Landgerichts rechtskräftig. Über den Hilfsantrag zu IV. war im Rahmen des § 91a ZPO nicht mehr zu entscheiden. Die Beklagte zu 2) hätte insoweit nicht zur Kostentragung verurteilt werden dürfen.
3.Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1, § 516 i. V. m. § 92 Abs. 2 ZPO, § 101, § 708 Nr. 10, § 713 und § 543 Abs. 2 ZPO.


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