Bankrecht

XI ZR 321/20

Aktenzeichen  XI ZR 321/20

Datum:
1.12.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Verfügung
Normen:
§ 492 Abs 2 BGB
Art 247 § 6 Abs 2 S 1 BGBEG
Art 247 § 6 Abs 2 S 2 BGBEG
Art 247 § 6 Abs 2 S 3 BGBEG
Spruchkörper:
11. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend OLG Stuttgart, 23. Juni 2020, Az: 6 U 66/19vorgehend LG Stuttgart, 14. Januar 2019, Az: 25 O 213/18nachgehend BGH, 7. Januar 2021, Az: XI ZR 321/20, Beschluss

Tenor

In dem vorbezeichneten Rechtsstreit [XI ZR 321/20] wird nach Beratung gemäß §§ 552a, 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision als nicht gegeben erachtet, der Revision keine Aussicht auf Erfolg beimisst und beabsichtigt, die Revision durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
1. Entgegen der Auffassung der Revision hat die Beklagte ihre aus §492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB in der hier maßgeblichen, vom 4. August 2011 bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, erfüllt.
a) Die Beklagte kann sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB aF berufen. Die in den Vertragsunterlagen enthaltene Widerrufsinformation setzt sich durch ihre Überschrift vom übrigen Vertragstext ab und ist mittels weiterer, in Fettdruck gehaltener Zwischenüberschriften deutlich gestaltet. Sie entspricht, was der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 26), dem gesetzlichen Muster in Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF. Die Abweichungen hinsichtlich Format und Schriftgröße sind zulässig (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB). Dass es sich bei dem Darlehensvertrag, dem Kaufvertrag und dem Beitritt zur Ratenabsicherung um verbundene Verträge nach § 358 BGB gehandelt hat, hat die Beklagte genau bezeichnet. Für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion ist es unschädlich, dass die Beklagte in der Widerrufsinformation den pro Tag zu zahlenden Zinsbetrag mit “0,00 Euro” angegeben (vgl. Senatsbeschluss vom 31. März 2020 – XI ZR 198/19, WM 2020, 838 Rn. 9) und an anderer Stelle in den Vertragsunterlagen die Aufrechnungsbefugnis des Darlehensnehmers eingeschränkt hat (vgl. Senatsurteil vom 26. November 2019 – XI ZR 307/18, WM 2020, 87 Rn. 22 mwN).
b) Der Beachtlichkeit der Gesetzlichkeitsfiktion steht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26. März 2020 (C-66/19, WM 2020, 688 – Kreissparkasse Saarlouis) nicht entgegen. Darin hat der Gerichtshof zwar entschieden, Art. 10 Abs. 2 Buchst, p der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABI. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46; im Folgenden: Verbraucherkreditrichtlinie) sei dahin auszulegen, dass er dem entgegenstehe, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweise, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweise. Wie der Senat aber mit Beschluss vom 31. März 2020 (XI ZR 198/19, WM 2020, 838; das BVerfG hat die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 4. August 2020 – 1 BvR 1138/20- nicht zur Entscheidung angenommen) im Einzelnen begründet hat, ist es ihm verwehrt, sich gegen die ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB aF zu stellen. Für eine richtlinienkonforme Auslegung ist kein Raum (Senatsbeschluss vom 31. März 2020, aaO Rn. 10 ff.; vgl. dazu auch BVerfG, GRUR 2020, 506 Rn. 114 ff.).
2. Die Beklagte hat auch die erforderliche Pflichtangabe gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB in der hier maßgeblichen, vom 11. Juni 2010 bis 20. März 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) über das Recht des Darlehensnehmers, das Darlehen vorzeitig zurückzuzahlen, ordnungsgemäß erteilt. Auf das dem Kläger nach § 500 Abs. 2 BGB in der hier maßgeblichen, vom 11. Juni 2010 bis 20. März 2016 geltenden Fassung zustehende Recht zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens ist er auf Seite 1 des Darlehensvertrages klar und verständlich hingewiesen worden. Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher versteht die dortigen Angaben zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens dahin, dass ihm ein solches Recht dem Grunde nach voraussetzungslos zusteht (vgl. Senatsurteil vom 28. Juli 2020 – XI ZR 288/19, WM 2020, 1627 Rn. 22).
Soweit die Beklagte – was die Revision zu Recht beanstandet – die nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB in der hier maßgeblichen, vom 11. Juni 2010 bis 20. März 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) erforderlichen Angaben zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung nicht ordnungsgemäß erteilt hat, lässt dieser Verstoß das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2 BGB aF unberührt. Die fehlerhafte Angabe zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung führt – was der Senat inzwischen mit Urteil vom 28. Juli 2020 (XI ZR 288/19, WM 2020, 1627 Rn. 23 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat – nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB lediglich zum Ausschluss des Anspruchs auf eine Vorfälligkeitsentschädigung, ohne das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2 BGB aF zu berühren.
Anders als die Revision meint, bedarf es insoweit einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht. Die richtige Auslegung und die Reichweite des Unionsrechts sind angesichts des Wortlauts, der Regelungssystematik und des Regelungszwecks der Verbraucherkreditrichtlinie derart offenkundig zu beantworten, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. Senatsurteil vom 28. Juli 2020 – XI ZR 288/19, WM 2020, 1627 Rn. 31 mwN).
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass zu den vorgeschriebenen Pflichtangaben über das “einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags” nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB aF nicht die Information über das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 314 BGB gehört, sondern nur – soweit einschlägig – die Information über das Kündigungsrecht gemäß § 500 Abs. 1 BGB (vgl. Senatsurteile vom 5. November 2019 – XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 29 ff. und XI ZR 11/19, juris Rn. 27 ff.; siehe ferner Senatsbeschluss vom 11. Februar 2020 – XI ZR 648/18, juris Rn. 20 f.). Davon abgesehen hat die Beklagte den Kläger in Nummer VI 2 der Darlehensbedingungen hinreichend deutlich über das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund informiert.
4. Schließlich sind auch – entgegen der Auffassung der Revision – die Ausführungen des Berufungsgerichts, dass zur Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB aF die Wiedergabe des Gesetzes (§ 288 Abs. 1 BGB) genügt, ohne dass es der Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes bedarf, zutreffend (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2019 -XIZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 52 und Senatsbeschluss vom 11. Februar 2020 – XI ZR 648/18, juris Rn. 22 f.).
5. Anders als die Revision meint, hat die Beklagte die Pflichtangabe nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB aF über einen Hinweis auf den Anspruch des Darlehensnehmers auf einen Tilgungsplan ordnungsgemäß erteilt. Eines besonderen Hinweises auf die Kostenfreiheit bedarf es nicht. Wenn solche Kosten nicht angegeben sind, sind sie vom Darlehensnehmer nicht geschuldet (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Februar 2020 – XI ZR 648/18, juris Rn. 45).
6. Schließlich sind entgegen der Auffassung der Revision auch die Informationen der Beklagten in Nummer X 3 der Darlehensbedingungen über den Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang gemäß Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB aF nicht zu beanstanden. Die Angabe der postalischen Anschrift der namentlich benannten Beschwerdestelle und ihrer Internetadresse sowie der Hinweis auf deren Verfahrensordnung ermöglichen es einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, sich über die Zulässigkeitsvoraussetzungen zu informieren, die im Fall der Einlegung einer außergerichtlichen Beschwerde bestehen (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Februar 2020 – XI ZR 648/18, juris Rn. 37 ff.).
7. Die Vorabentscheidungsgesuche des Einzelrichters des Landgerichts Ravensburg (Beschlüsse vom 7. Januar 2020 – 2 O 315/19, BKR 2020, 151, vom 5. März 2020 – 2 O 328/19, 2 O 280/19, 2 O 334/19, juris, vom 31. März 2020 – 2 O 294/19, 2 O 249/19, juris, und vom 7. Juli 2020 -20 84/20, juris) rechtfertigen keine abweichende Beurteilung oder eine Aussetzung des Revisionsverfahrens. Die dort von dem Einzelrichter aufgeworfenen Fragen sind angesichts des Wortlauts, der Regelungssystematik und des Regelungszwecks der Verbraucherkreditrichtlinie derart offenkundig zu beantworten, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (“acte clair”, vgl. EuGH, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 – C.I.L.F.I.T.; Slg. 2005, 1-8151 Rn. 33 – Intermodal Transports; BVerfG, WM 2015, 525, 526; Senatsurteile vom 12. September 2017 – XI ZR 590/15, BGHZ 215, 359 Rn. 36 und vom 18. Juni 2019 – XI ZR 768/17, BGHZ 222, 240 Rn. 69; BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 -VIZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 16).
8. Es liegt auch kein Zulassungsgrund vor. Da das Berufungsgericht den Rechtsstreit richtig entschieden hat, ist eine Entscheidung des Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht erforderlich. Dem Rechtsstreit kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) zu. Die von der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen sind, wie dargelegt, geklärt.
Der Kläger erhält bis zum 22. Dezember 2020 Gelegenheit zur Stellungnahme.


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