Aktenzeichen 16a D 13.2335
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 2, § 34 S. 3, § 47 Abs. 1 S. 1
BayGO Art. 34 Abs. 2, Art. 36, Art. 37, Art. 38
BayBG Art. 62 Abs. 2 S. 2
BayKWBG Art. 34 Abs. 1 S. 2, Art. 35 Abs. 1 S. 3
StGB § 263 Abs. 3 Nr. 4, § 266 Abs. 1, Abs. 2, § 357 Abs. 1
Leitsatz
1 Auch wenn ein anderer Tathergang oder eine andere Erklärung für das Tatgeschehen möglich oder wahrscheinlich ist, dürfen die Disziplinargerichte aufgrund der Bindungswirkung nach Art. 25 Abs. 1 BayDG ihre eigene Beweiswürdigung nicht an die Stelle derjenigen des Strafgerichts setzen. (Rn. 88) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Beamter auf Zeit, der Untreuehandlungen duldet, ohne den erforderlichen Gemeinderatsbeschluss Verpflichtungen zu Lasten der Gemeinde eingeht bzw. sich mit seinem Handeln über entgegenstehende Beschlüsse des Gemeinderats hinwegsetzt und kommunalrechtliche Bestimmungen vorsätzlich missachtet, verletzt seine aus der Stellung als erster Bürgermeister resultierenden Kernpflichten gegenüber der Gemeinde; die strikte Beachtung der Gesetze ist wesentlicher Bestandteil der beamtenrechtlichen Kernpflicht des Bürgermeisters. (Rn. 107 – 109) (redaktioneller Leitsatz)
3 Nach Aufgabe der Rechtsprechung zum Zugriffsdelikt durch das Bundesverwaltungsgericht (BeckRS 2016, 43599) verbietet sich jede schematische Betrachtung – insbesondere an Hand von Schwellenwerten – bei innerdienstlichen Untreue- oder Betrugshandlungen eines Beamten. (Rn. 134) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
13 DK 13.2264 2013-09-10 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten zu Recht das Ruhegehalt aberkannt (Art. 13 BayDG).
Der Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.) Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach Art. 6 BayDG richtet sich bei einem Verhalten, das gleichzeitig eine Straftat und ein Dienstvergehen darstellt, nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.1). Ein Beamter, der seinen Amtspflichten (hier: Kassenprüfung und Dienstaufsicht) nicht nachkommt, die Entscheidungsbefugnis des Gemeinderats grob missachtet und insbesondere Straftaten im Amt begeht, macht sich untragbar. In diesem Fall ist die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafdrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.2). Die in der Rechtsprechung entwickelten „anerkannten“ Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht zugute (2.3). Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass dem Beklagten wegen des endgültigen Verlusts des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit das Ruhegehalt abzuerkennen ist (2.4).
1. Der Senat legt seiner Entscheidung den Sachverhalt zugrunde, der Gegenstand der Disziplinarklage und Nachtragsdisziplinarklage des Klägers ist.
1.1 Der dem Beklagten im Disziplinarverfahren zur Last gelegte Sachverhalt (Ziff. 1 und 2 der Disziplinarklage) umfasst die Handlungen, die dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Traunstein vom 26. März 2011 zugrunde liegen. Dieser Sachverhalt steht nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 HS. 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG für den Senat bindend fest. Danach sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das denselben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, auch im Berufungsverfahren bindend.
Da die Bindungswirkung lediglich „denselben Sachverhalt“, nicht aber die rechtliche Bewertung dieses Sachverhalts betrifft, geht der Hinweis des Beklagten auf Art. 58 Abs. 2 Satz 1 BayDG ins Leere. Nach dieser Bestimmung reicht die Bindung des Gerichts an das Klagebegehren im Sinne des § 88 VwGO nur soweit, als im Rahmen der Klageschrift oder der Nachtragsdisziplinarklage durch die Darstellung der Handlungen der Verfahrensstoff als solcher durch die klagende Disziplinarbehörde festgelegt wird (vgl. Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: Aug. 2016, Art. 58 Rn. 16). Das Gericht bestimmt die erforderliche Disziplinarmaßnahme auf Grund einer eigenen Bemessungsentscheidung gemäß Art. 14 BayDG, ohne an die Wertungen und den Sachantrag des klagenden Dienstherrn gebunden zu sein (vgl. BVerwG, U.v. 3.5.2007 – 2 C 9/06 – juris Rn. 11). Vor diesem Hintergrund musste der Verstoß gegen § 357 Abs. 1 StGB nicht explizit als Dienstvergehen qualifiziert und in die Disziplinarklageschrift aufgenommen werden.
Der Bindung nach Art. 25 Abs. 1 BayDG unterliegen die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts, die den objektiven und subjektiven Tatbestand der verletzten Strafnorm, die Rechtswidrigkeit der Tat, das Unrechtsbewusstsein (§ 17 StGB) sowie die Frage der Schuldfähigkeit gemäß § 20 StGB betreffen. Hierzu gehören nicht nur die äußeren Aspekte des Tathergangs, sondern auch die Elemente des inneren Tatbestands wie etwa Vorsatz oder Fahrlässigkeit sowie Zueignungs- oder Bereicherungsabsicht (BayVGH, U.v. 12.3.2013 – 16a D 11.624 – juris Rn. 36).
1.1.1 Aufgrund des Urteils des Landgerichts Traunstein vom 26. März 2011 steht fest, dass der Beklagte der Verleitung einer Untergebenen zu einer Untreue gemäß §§ 357 Abs. 1, 266 Abs. 1 und 2, 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB schuldig ist. Er hätte jedenfalls ab Mai 2007 weitere Straftaten der Kassenverwalterin verhindern können und müssen und hat dies vorsätzlich unterlassen. Bereits die überörtliche Kassenprüfung für den Zeitraum 1997 bis 2003 im Jahre 2004 ergab Hinweise auf nachlässiges Arbeiten der Kassenverwalterin, auch wenn es sich nur um Formalitäten handelte. Der Beklagte hatte entgegen gesetzlicher Bestimmungen (§ 3 Abs. 1 KommPrV) 2004 und 2005 keine unvermuteten örtlichen Kassenprüfungen durchgeführt. Im Herbst 2006 hatte der Beklagte festgestellt, dass keine Kassenprüfung möglich ist. Er hatte zwar die Kassenprüfung im Monat Oktober 2006 eingeleitet, dann aber unterbrochen, weil er feststellen musste, dass nicht alle Buchungen zeitnah vorgenommen worden waren und sich eine erhöhte Anzahl sog. Schwebeposten gezeigt hatte. Das Landgericht hat zugunsten des Beklagten unterstellt, dass er in diesem Zeitpunkt noch von Arbeitsrückständen und Schlampereien der Kassenverwalterin ausgegangen ist. Dem Beklagten war jedoch bewusst, dass er der Kassenverwalterin wiederholt Zuschüsse gewährt hatte, obwohl vorangegangene Vorschüsse noch nicht getilgt waren. Das ist ein eindeutiger Hinweis auf finanzielle Nöte. Weiter war dem Beklagten bekannt, dass im März 2007 der Gemeinde bereits ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt worden war. Die Kassenverwalterin hatte zwar eine Zahlung der Bank auf diese Schuld erreicht. Gleichwohl musste dies ein weiteres Alarmzeichen für den Beklagten sein, zumal in den Verwaltungsvorschriften zu § 43 KommHV-Kameralistik unter Ziff. 3 ausgeführt ist, dass in der Kasse nur zuverlässige Bedienstete mit ausreichender Vorbildung beschäftigt werden, deren wirtschaftliche Verhältnisse geordnet sind. In dieser Situation kam der Kämmerer B. zu dem Beklagten und legte ihm ausführlich dar, dass der Kassensollbestand um ein Vielfaches höher ist als der tatsächliche Kassenbestand. Darüber hinaus wusste der Beklagte spätestens zu diesem Zeitpunkt, dass es bei der Kassenverwalterin ein massives Alkoholproblem gab. In Kenntnis all dieser Umstände hätte der Beklagte den Sachverhalt vollständig und umfassend aufklären müssen. Eine Kontrolle der Kassenverwalterin fand jedoch weiterhin nicht statt. Der Beklagte erwog noch nicht einmal, sie von ihrem Posten abzusetzen. Ab 11. Juli 2007 verzichtete der Beklagte auf die Tagesabschlüsse, weil er nicht etwas unterschreiben wolle, „was eh nicht stimme“. Gleichwohl sah er keinen Anlass, die Kassenverwalterin von ihren Aufgaben auch nur teilweise zu entbinden oder ihr einen Kontrolleur zur Seite zu stellen. Die Kassenverwalterin hat in dem Zeitraum ab Mai 2007 in fünf Fällen, die im Sachverhalt des Strafurteils näher ausgeführt sind, Untreue im Form des Treuebruchtatbestands begangen und dadurch der Gemeinde einen Schaden in Höhe von 3.596,46 € zugefügt. Diese Untreue hat der Beklagte im Sinne des § 357 StGB geschehen lassen.
1.1.2 Der Senat hat keinen Anlass, sich aufgrund des Vorbringens des Beklagten von den Feststellungen des Strafgerichts zu lösen (Art. 25 Abs. i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG). Die Disziplinargerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils i.S.d. Art. 25 Abs. 1 BayDG zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn diese offenkundig unrichtig sind und sie ansonsten „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen in Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen, aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig oder in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind (vgl. BayVGH, U.v 21.1.2015 – 16a D 13.1904 – juris Rn. 60 m.w.N). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt allerdings noch nicht vor, wenn ein anderer Tathergang oder eine andere Erklärung für das Tatgeschehen möglich oder wahrscheinlich ist. Die Disziplinargerichte dürfen insoweit die eigene Beweiswürdigung nicht an die Stelle derjenigen der Strafgerichte setzen (vgl. BayVGH, U.v. 5.2.2014 – 16a D 12.2494 – juris Rn. 30; U.v. 13.7.2011 – 16a D 09.3127 – juris Rn. 103; OVG NW, U.v. 27.3.2013 – 3d A 2363/09.O – juris Rn. 31 m.w.N.). Ein Lösungsbeschluss kommt ferner in Betracht, wenn neue Beweismittel – z.B. neue Sachverständigengutachten oder neue Zeugenaussagen – zur Verfügung stehen, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen die strafgerichtlichen Feststellungen offenbar unrichtig sind oder jedenfalls auf erhebliche Zweifel stoßen (vgl. OVG NW, U.v. 27.3.2013 a.a.O. Rn. 40 m.w.N.).
In Anwendung dieser Grundsätze fehlen im vorliegenden Verfahren der Sache nach die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Lösungsbeschlusses durch den erkennenden Senat.
Valide Anhaltspunkte dafür, dass das Strafurteil des Landgerichts Traunstein auf einer Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften beruht, werden von dem Beklagten nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich, zumal das Oberlandesgericht München die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein durch Beschluss vom 22. April 2013 als unbegründet verworfen hat. Auch für eine offensichtliche Unrichtigkeit des Strafurteils bestehen keine Anhaltspunkte. Es ist nichts dafür ersichtlich oder seitens des Beklagten dafür vorgetragen worden, dass die strafgerichtlichen Feststellungen auf einer gegen Denkgesetze oder Erfahrungswerte verstoßenden Beweiswürdigung beruhen oder dass das Urteil auf nicht zum Straftatbestand gehörende oder unschlüssige Feststellungen gestützt ist. Das Landgericht hat seine tatsächlichen Feststellungen insbesondere auf die von ihm als glaubhaft eingestuften Aussagen der Zeugen W., E., D. und B. gestützt. Die Disziplinargerichte dürfen – wie bereits oben ausgeführt – ihre eigene Beweiswürdigung nicht an die Stelle derjenigen des Strafgerichts setzen. Aber auch unabhängig davon ergeben sich im Hinblick auf die Bewertung der einzelnen Aussagen durch das Landgericht keine offenkundigen Unstimmigkeiten. Substantiierte rechtliche Beanstandungen (BVerwG, B.v. 26.8.2010 – 2 B 43/10 – juris Rn. 6) hat der Beklagte diesbezüglich nicht vorgetragen:
a. Dem Landgericht Traunstein sind hinsichtlich des Tatvorwurfs „Parkscheinautomat“ keine Denkfehler unterlaufen, insbesondere hat es nicht angenommen, Bareinnahmen seien stets auf dem Zahlungsweg 02 Barkasse zu buchen. Die insoweit vom Beklagten als Beleg für einen Denkfehler genannte Passage des strafgerichtlichen Urteils bezieht sich nicht auf die Bareinnahmen aus dem Parkscheinautomaten, sondern auf Einnahmen aus dem Wertstoffhof. Die dortige Aussage „Das Bargeld war ja in der Gemeindekasse eingegangen und musste deshalb in der Barkasse auch gebucht werden“ kann nicht generalisierend auf alle Bareinzahlungen übertragen werden. Der Sachverständige Prof. Dr. L. hat in seinem – im strafgerichtlichen Verfahren erstellten – Gutachten festgestellt, dass die Leerungen des Parkscheinautomaten bis auf die Einzahlung vom 22. Juni 2007 in Höhe von 978,40 € vollständig auf den Bankkonten nachvollziehbar gewesen seien. Eine Einzahlung auf das gemeindliche Konto sei nicht erfolgt. Damit sind auch die Feststellungen des Landgerichts Traunstein in Einklang zu bringen, das ausgeführt hat, die Kassenverwalterin habe den Bargeldbetrag entgegen genommen und ihn für sich behalten bzw. ihn der Barkasse entnommen.
b. Soweit der Beklagte schriftsätzlich vorgetragen hat, dass fehlerhafte bzw. doppelte Buchungen zu dem festgestellten Kassendefizit geführt haben könnten, legt er bereits deshalb keinen offenkundigen Fehler im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung dar, weil allein die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen ganz oder teilweise anders gewesen sein könnte, für einen Lösungsbeschluss nicht ausreicht (vgl. VGH BW, U.v. 15.12.2015 – DB 13 S 1634/15 – juris Rn. 33).
c. Gleiches gilt für den Versuch des Beklagten, wie bereits im Strafverfahren, zu suggerieren, dass es zu einer Nichtbuchung von Auszahlungsbelegen gekommen sein könne und deshalb das Defizit weitaus geringer sei. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen des Landgerichts Traunstein (Bl. 25 f. des Urteilsabdrucks). Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Aussagen der sowohl im Straf- als auch im hiesigen Berufungsverfahren genannten Zeuginnen einige Auffälligkeiten aufwiesen, wobei der Verdacht bestanden habe, dass die Zeuginnen in ihrer Aussage vom Beklagten beeinflusst worden waren. Diese tatrichterliche Einschätzung verstößt nicht gegen Denkgesetze. Eine offenkundige Unrichtigkeit des Urteils des Landgerichts Traunstein ist damit nicht zu erkennen.
1.2 Die sonstigen unter Ziff. 3 bis 8 der Disziplinarklage und Nachtragsdisziplinarklage aufgeführten Sachverhalte (Verstöße gegen die Zuständigkeiten der Gemeindeordnung) wurden in dem Berufungsverfahren bis auf die Ziff. 4 der Disziplinarklage (Ausbau der Kreisstraße RO10) eingeräumt. Hier sei die Sache eilbedürftig gewesen, sodass es eines Gemeinderatsbeschlusses nicht bedurft habe.
Der Senat geht auch hinsichtlich der Ziff. 4 der Disziplinarklage von einem Dienstvergehen aus. Bei der Genehmigung der Nachtragsangebote durch den Beklagten handelte es sich nicht um dringliche Anordnungen i.S.d. Art. 37 Abs. 3 GO. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass die Entscheidung über die Annahme des Nachtragsangebots so dringlich und eilbedürftig gewesen wäre, dass bei einer Einschaltung des Gemeinderats unter Beachtung der Ladungsfrist die dabei eintretende Verzögerung zu einer Schädigung der gemeindlichen Interessen oder Nachteilen für die Allgemeinheit oder Einzelner geführt hätte. Das Landratsamt Rosenheim ist im Rahmen seiner kommunalaufsichtlichen Überprüfung nach Durchsicht der Unterlagen davon ausgegangen, dass dies nicht der Fall war. Der Beklagte trägt vor, dies sei nur eine Mutmaßung. Er habe die Straßenbaumaßnahme wegen der Verkehrsbedeutung möglichst zügig abschließen wollen. Eine Befassung des Gemeinderats hätte unweigerlich zu einer Verzögerung der Straßenfertigstellung geführt. Damit kann er keine Dringlichkeit im Sinne des Art. 37 Abs. 3 GO darlegen. Zum einem kommt es für die Dringlichkeit nicht auf die subjektive Auffassung des ersten Bürgermeisters an, sondern auf die objektive Sachlage (vgl. Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: Mai 2016, Art. 37 Rn. 12), zum anderen berührt die (behauptete) Bauverzögerung objektiv betrachtet weder gemeindliche Interessen noch lässt sie Nachteile für die Allgemeinheit oder Einzelner befürchten, auch wenn es ärgerlich sein mag, wenn sich Baumaßnahmen länger als notwendig hinziehen. Eine dingliche Anordnung vermag dies jedenfalls nicht zu rechtfertigen.
Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass der Beklagte nicht – wie behauptet – eine dringliche Anordnung treffen wollte, sondern den Gemeinderat bewusst umgehen wollte. Anders ist der Vermerk auf dem Nachtragsangebot der Fa. S. GmbH vom 21. Juli 2007 („Soll lt. Bgm. nicht in den GR. Wird in Absprache mit H. K. anders abgerechnet“) nicht zu erklären, zumal der Beklagte dem Gemeinderat auch nicht in der nächsten Sitzung Kenntnis von seiner Maßnahme gegeben hat. Eine entsprechende Verpflichtung ist jedoch in Art. 37 Abs. 3 Satz 2 GO geregelt. Hier wurden erst im Zuge der Abrechnung der Baumaßnahme die Nachtragsangebote bekannt, der Gemeinderat wurde erstmal im Juli 2008 mit der Angelegenheit konfrontiert.
1.3 Die Verfehlungen des Beklagten stellen ein einheitliches Dienstvergehen dar (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2000 – 1 DB 20.99 – juris). Sie stehen in einem inneren und äußeren Zusammenhang, nämlich einer vorschriftswidrigen Ausübung des Bürgermeisteramtes. Sein Verhalten war kausal und logisch in sein ausgeübtes Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden. Es besteht ein funktionaler Zusammenhang zwischen den Pflichtverletzungen und dem vom Beamten bekleideten Amt (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – ZBR 2016, 254 – juris Rn. 11 m.w.N.).
Durch sein Verhalten hat der Beklagte gegen seine Pflicht verstoßen, die Gesetze zu beachten (Art. 34 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen (KWBG) in der bis 31.7.2012 geltenden Fassung sowie § 33 Abs. 1 Satz 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG i.V.m. §§ 357 Abs. 1, 266 Abs. 1 und 2, 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB) und sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (Art. 35 Abs. 1 Satz 3 KWBG in der bis 31.7.2012 geltenden Fassung sowie § 34 Satz 3 BeamtStG).
2. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG und der dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelung des Disziplinargesetzes des Bundes ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfall in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – ZBR 2016, 254 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Das Ruhegehalt ist abzuerkennen, wenn der Beamte als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahmen nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – ZBR 2016, 254 – juris Rn. 12/13).
2.1 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – ZBR 2016, 254 – juris Rn. 16).
Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten nunmehr auf den Strafrahmen zurück und folgt damit der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – ZBR 2016, 254; B.v. 05.7.2016 – 2 B 24/16 – juris Rn. 14).
Vorliegend stellen die dienstpflichtverletzenden Handlungen, welche auch dem Urteil des Landgerichts Traunstein zugrunde lagen – hier die Verleitung einer Untergebenen zu einer Untreue -, die schwerste Dienstpflichtverletzung dar (vgl. BayVGH, U.v. 13.7.2011 – 16a D 09.3127 – juris: Bestimmung der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme nach der schwersten Verfehlung). Dies ergibt sich schon daraus, dass für die Straftat nach §§ 357 Abs. 1, 266 Abs. 1 und 2, 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB ein Strafrahmen bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe besteht. Damit bewegt sich die Strafandrohung weit über dem mittelschweren Bereich (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2015 – 2 WD 15/14 – juris Rn. 51). Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier sind es bis zu zehn Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – juris Rn. 20).
2.2 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des Art. 14 BayDG führt zur Aberkennung des Ruhegehalts, weil der Beklagte durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Klägers und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG).
Gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG wird einem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt aberkannt, wenn er, wäre er noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen. Für Ruhestandsbeamte, die ein Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 2 BeamtStG begangen haben, gelten für diese Dienstvergehen dieselben Maßstäbe wie für aktive Beamte. Der Eintritt in den Ruhestand ist daher kein Grund, unabhängig davon, ob er in einem sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren steht, die Dienstvergehen anders zu beurteilen (vgl. Findeisen, Bayerisches Disziplinargesetz, Stand Juni 2010, Art. 14 Anm. 3; zur gleichlautenden Bundesregelung: Weiss, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Stand 2015, § 13 Rn. 136).
Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Der Beklagte hat eine Untergebene zu einer Straftat verleitet, indem er – jedenfalls ab Mai 2007 – die Kassenverwalterin K. nicht ausreichend kontrolliert bzw. die zu diesem Zeitpunkt zwingend gebotene Entfernung der Kassenverwalterin aus dem operativen Kassengeschäft unterlassen hat. Dadurch konnte die Kassenverwalterin in der Zeit von Mai 2007 bis zu ihrer Suspendierung am 9. Oktober 2007 insgesamt 3.596,46 € aus der Gemeindekasse entnehmen und für sich behalten.
Dieses Dienstvergehen hat erhebliches Gewicht. Der Beklagte hat im Kernbereich seiner Pflichten versagt: Obwohl seine Verpflichtung zur Kassen- und Dienstaufsicht letztlich der Verhinderung von Untreuehandlungen dient, hat er solche geduldet. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beklagte hinsichtlich der Ziff. 3, 4, 6 und 7 der (Nachtrags-)Disziplinarklage ohne den erforderlichen Gemeinderatsbeschluss Verpflichtungen zu Lasten der Gemeinde einging bzw. sich hinsichtlich der Ziff. 5 und 8 mit seinem Handeln über entgegenstehende Beschlüsse des Gemeinderats E. hinweggesetzt hat, was beispielsweise hinsichtlich der Ziff. 4 der Disziplinarklage zu erheblichen Mehrkosten für die Gemeinde (ca. 23.000 €) führte. Mit der vorsätzlichen Missachtung kommunalrechtlicher Bestimmungen hat der Beklagte seine aus der Stellung als erster Bürgermeister resultierenden Kernpflichten gegenüber der Gemeinde verletzt (vgl. SächsOVG, U.v. 7.3.2014 – D 6 A 555/10 – juris Rn. 88; BayVGH, U.v. 13.7.2011 a.a.O. Rn. 132). Hinzu kommt, dass der Beklagte als erster Bürgermeister der Gemeinde eine besondere Vertrauensstellung innehatte, in der er versagt hat (BayVGH, U.v. 1.6.2005 – 16a D 04.3502 – juris Rn. 58). Ein erster Bürgermeister als kommunaler Wahlbeamter besitzt in seiner Gemeinde weitreichende Befugnisse. Dem stehen hohe Anforderungen an seine Führungsfähigkeiten und seine persönliche Integrität gegenüber. In der Gemeindeverwaltung hat er Vorbildfunktion für nachgeordnete Bedienstete. Außerdem steht er als gewählter Repräsentant seiner Gemeinde unter besonderer Beobachtung der Gemeindebürger. Sein Fehlverhalten ist demgemäß in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine gesetzestreue Gemeindearbeit zu beschädigen (BayVGH, U.v. 5.2.2014 – 16a D 12.2494 – juris Rn. 48).
Hinzu kommen die dem Beklagten aufgrund der Rechtsstellung eines Bürgermeisters als Beamter auf Zeit (Art. 34 Abs. 2 Satz 2 GO) obliegenden besonderen Amtspflichten. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Da die Selbstverwaltung aber nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet ist, hat der Bürgermeister die rechtlichen Grenzen der Selbstverwaltung, also die Gesetzesbindung zu beachten. Die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) legt ihm dabei besondere Pflichten auf. Er ist zur Wahrung der Rechtmäßigkeit nicht nur in den Bereichen verpflichtet, für die er gemäß Art. 37 GO originär zuständig ist, also bei der Erledigung der Geschäfte der laufenden Verwaltung, dem Treffen dringlicher Anordnungen und dem Besorgen unaufschiebbarer Geschäfte, der ihm sonst durch Rechtsvorschrift oder vom Gemeinderat übertragenen Aufgaben und Weisungsaufgaben, sondern hat darüber hinaus auch über die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse des Gemeinderats zu wachen (Art. 59 Abs. 2 GO). Zu berücksichtigen ist auch der beamtenrechtliche Pflichtenkatalog nach Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BayBG in der Fassung bis zum 31. März 2009, Art. 34 Abs. 1 Satz 2 KWBG in der Fassung bis zum 31. Juli 2012, wonach der beamtete Bürgermeister stets dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtet ist.
Hieraus ergibt sich, dass die strikte Beachtung der Gesetze wesentlicher Bestandteil der beamtenrechtlichen Kernpflicht des Bürgermeisters ist. Eine besondere Vorbildfunktion kommt dem Bürgermeister auch dadurch zu, dass er gemäß Art. 38 Abs. 1 GO die Gemeinde nach außen vertritt und nach Art. 37 Abs. 3 GO die Dienstaufsicht über die Beamten und Arbeitnehmer der Gemeinde führt. Angesichts dieser Pflichtenstellung eines Bürgermeisters erschüttert die Begehung einer vorsätzlichen innerdienstlichen Straftat das Vertrauen der Mitarbeiter, der Gemeinderäte, der Öffentlichkeit und der Aufsichtsbehörden in erheblichem Maße.
Schwerwiegend ist auch, dass sich der Beklagte über Beschlüsse des Gemeinderates hinweggesetzt hat oder eigenmächtig Verpflichtungen zu Lasten der Gemeinde eingegangen ist. Die Aufgabenverteilung zwischen Gemeinderat und Bürgermeister musste dem Beklagten aufgrund seiner Ausbildung und seiner beruflichen Tätigkeit als Geschäftsleiter vertraut sein. Er durfte nicht gegen bzw. ohne den Gemeinderat handeln und zwar auch dann nicht, wenn er Entscheidungen des Gemeinderats für nicht richtig bzw. für nicht zielführend erachtete. Trotz der starken Stellung, die die Bayerische Gemeindeordnung dem Bürgermeister zuweist, kann und darf er nicht schalten und walten, wie er es persönlich für richtig hält.
Die objektive Feststellung des endgültigen Vertrauensverlustes, die sich am Strafrahmen orientiert, wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beklagte als Gemeinderatsmitglied in E. bis zum Ablauf der Wahlperiode 2014 und mit seiner Tätigkeit als Geschäftsstellenleiter bei der Gemeinde E. im Landkreis D. weiterhin öffentliche Ämter bekleidete. Der Beklagte meint, dies zeige zumindest, dass ein endgültiger Vertrauensverlust der Allgemeinheit in Bezug auf die Person des Beklagten bei Tätigkeiten im „hoheitlichen Bereich“ nicht eingetreten sei. Dies führt inides zu keiner anderen Beurteilung, weil sich die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit ausschließlich nach objektiven Bemessungsgesichtspunkten beantwortet.
2.3 Anhaltspunkte für die in der Rechtsprechung entwickelten „anerkannten“ Milderungsgründe liegen nicht vor. Auch die Würdigung der dienstlichen Leistungen des Beklagten führt nicht dazu, von der Höchstmaßnahme abzusehen. Der Beklagte ist zwar weder disziplinarrechtlich noch (bis auf die ihm vorliegend zur Last gelegten Verurteilungen) strafrechtlich vorbelastet und ist auch seinen übrigen Dienstpflichten beanstandungsfrei nachgekommen. Die langjährige Beachtung der Dienstpflichten ist – selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen – für sich genommen aber regelmäßig nicht geeignet, schwerwiegende Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BVerwG, B.v. 23.1.2013 – 2 B 63.12 – juris 13).
Ein Absehen von der Höchstmaßnahme ist auch nicht deshalb möglich, weil sich der Beklagte in seiner Amtszeit Verdienste um die Gemeinde erworben hat und durch Gewerbeflächen- und Baulandausweisungen die Grundlage für bleibend hohe Gewerbesteuereinnahmen gelegt hat. Auch ein überdurchschnittliches Engagement als erster Bürgermeister kann die zu Lasten der Gemeinde begangene Verleitung einer Untergebenen zur Untreue, bei der es sich um einen gravierenden Pflichtverstoß handelt, nicht ungeschehen machen (BVerwG, B.v. 5.4.2013 – 2 B 79.11 – juris Rn. 27).
2.4 Art. 14 Abs. 1 BayDG sowie das im Disziplinarverfahren geltende Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangen, dass – über die in der Rechtsprechung entwickelten „anerkannten“ Milderungsgründe hinaus – bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und von dem Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – ZBR 2016, 254 – juris Rn. 37).
2.4.1 Es ergeben sich keine Milderungsgründe aus dem Vortrag, der Beklagte habe dem Kämmerer und stellvertretenden Kassenverwalter B. aus Gutmütigkeit viel Zeit zur Einarbeitung gelassen, dass der Beklagte nicht im Stand gewesen wäre, bestehende Rückstände in der Buchhaltung von der Kassenverwalterin aufarbeiten zu lassen und dass kein einziger Bediensteter willens gewesen wäre, den Posten der Kassenverwalterin einzunehmen. All dies ändert nichts am Vorwurf, dass der Beklagte seine ihm originär obliegenden Pflichten zur Kassenprüfung und zur Dienstaufsicht gegenüber der Kassenverwalterin nicht wahrgenommen hat. Nicht in einem milderen Licht erscheint die Dienstpflichtverletzung auch angesichts der Tatsache, dass der Beklagte schließlich durch die Beauftragung der externen Sachverständigen im September 2007 versucht hat, seinen Pflichten doch noch nachzukommen. Die lange Zeit der Pflichtverletzung (die mit dem Unterlassen der örtlichen Kassenprüfung 2004 begann) wird dadurch weder aufgewogen, noch ungeschehen gemacht. Unmaßgeblich ist auch, ob die Veruntreuungen durch die Kassenverwalterin bei den Tagesabschlüssen erkennbar gewesen wären. Bei korrekter Ausübung der Kassenaufsicht und der Kassenprüfungen wären die Fehlbeträge vermeidbar bzw. erkennbar gewesen. Auch die externe Sachverständige hat die Kassenfehlbeträge bei der Durchführung der örtlichen Kassenprüfung erkannt.
Ein Milderungsgrund ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Beklagte auf die Auskunft der Kassenverwalterin vertraute, dass es einer örtlichen Prüfung des Jahres 2004 nicht bedürfe, weil bereits eine überörtliche Prüfung der Jahresrechnung durchgeführt worden sei. Der erste Bürgermeister durfte sich hinsichtlich offener Fragen seiner originären Zuständigkeit zur Kassenprüfung nicht auf die zu prüfende untergebene Kassenverwalterin verlassen, zumal der Beklagte aufgrund seiner Ausbildung diese Frage auch in eigener Verantwortung hätte klären können.
Auch aus der vom Beklagten behaupteten Entlastung durch den Finanzausschuss der Gemeinde E. nach Art. 102 Abs. 3 Satz 1 GO ergibt sich kein Milderungsgrund, weil Fragen der disziplinarrechtlichen Verfolgung etwaiger Pflichtwidrigkeiten oder der strafrechtlichen Konsequenzen ersichtlich außerhalb des vom Gesetz auf das Haushaltsrecht bezogenen Entscheidungsrahmens liegen (vgl. BayVGH, U.v. 11.1.1984 – 4 B 81 A.2021 – BeckRS 1984, 4123).
2.4.2 Der Beklagte erklärt die Verträge mit den Architekten Z. und R. (Ziff. 3 und 6 der Disziplinarklage) damit, dass eine Sachlage vorgelegen habe, wie sie häufig im kommunalen Alltag anzutreffen sei: Die langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem bestimmten Planer führe dazu, dass Architekturleistungen auch ohne schriftliche Beauftragung durch die Kommune erbracht worden seien. So auch hier. In der Praxis führe dieser Umstand bei Beendigung der Aufträge oder sich ändernder politischer Konstellationen nicht selten zu Auseinandersetzungen zwischen Planer und Kommune über die Höhe der zu honorierenden Architektenleistungen. Dem Beklagten sei auch aus diesem Grund daran gelegen gewesen, die aufwändigen Planungen der Architekten auch zu vergüten. Der Beklagte habe zwar den Vertrag unterzeichnet, ohne zuvor mit dem Gemeinderat zu sprechen. Der Vertrag habe jedoch nur Leistungen abdecken sollen, die mit Wissen und Wollen des Gemeinderats erbracht worden seien. Es sei nur um Architekturleistungen gegangen, die zur auftragsgemäßen Bauantragstellung erforderlich gewesen seien. Ziel des Beklagten sei es gewesen, künftig Unklarheiten bei der Inanspruchnahme des Architekturbüros abzuwenden; die geforderten Stundensätze seien keineswegs unangemessen gewesen.
Der Gemeinderat hat die nachträgliche Genehmigung der Verträge versagt. Ob dies „rechtlichen bzw. nachvollziehbaren Gründen“ oder der „causa B.“ geschuldet war, wie der Beklagte meint, kann dahin gestellt bleiben. Aus der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderats vom 17. Juni 2008 ist jedenfalls ersichtlich, dass ursprünglich seitens der Architekten zugesagt worden sei, „die entsprechenden Arbeiten erst bei der Durchführung der Sanierungsarbeiten [Anm.: des Gastberger Hauses] in Rechnung zu stellen“, was zur Versagung der nachträglichen Genehmigung des Architektenvertrages, der nur Teilleistungen zum Gegenstand hatte, führte. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, das Architekturbüro habe keine Zahlungsklage erhoben, weshalb der Gemeinde kein Schaden entstanden sei.
Einen Milderungsgrund kann der Senat insoweit nicht erkennen. Das Motiv des Beklagten, bereits mit Wissen und Wollen des Gemeinderats erbrachte Leistungen zu honorieren, ist für sich genommen nachvollziehbar. Gleichwohl kann es nicht den Verstoß gegen kommunalrechtliche Vorschriften entschuldigen bzw. den Verstoß hiergegen mildern. Es bestand keinerlei Notwendigkeit, am letzten Tag seiner Amtszeit den per Telefax übersandten Vertrag zu unterschreiben. Dies gilt insbesondere für die für die Zukunft wirkende Honorarvereinbarung. Der Beklagte wollte künftig „Unklarheiten bei der Inanspruchnahme des Architekturbüros“ abwenden. Damit hat er in erster Linie als Interessenwalter des Architekturbüros gehandelt. Zur Frage, ob und zu welchen Konditionen die Architekturleistungen honoriert werden, war allein der Gemeinderat berufen. Der Umstand, dass das Architekturbüro bislang davon abgesehen hat, die Architekturleistungen (vgl. Teilschlussrechnung in Höhe von 30.173,14 €) einzuklagen, vermag auch keinen Milderungsgrund darzustellen. Dem Umstand, dass der Beklagte eventuell als vollmachtloser Vertreter für die Erfüllung der vertraglich begründeten Honorarforderung bzw. auf Schadensersatz an die Architekten haftet, misst der Senat keine entscheidende Bedeutung zu, zumal der Bundesgerichtshof zu erkennen gegeben hat, dass nach seiner Auffassung dem ersten Bürgermeister durch Art. 38 Abs. 1 GO eine umfassende Vertretungsmacht im Außenverhältnis eingeräumt wird, mit der Folge, dass die Gemeinde durch seine Erklärungen grundsätzlich auch dann verpflichtet wird, wenn es an einem erforderlichen Beschluss der Gemeindevertretung fehlt (vgl. B.v. 18.3.2016 – V ZR 266/14 – juris).
Der Beklagte behauptet, der Gemeinderat habe seine Zustimmung nur deshalb versagt, weil der Beklagte im Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung über die nachträgliche Zustimmung zu diesem Rechtsgeschäft am 17. Juni 2008 politisch eine „persona non grata“ gewesen ist. Es könne im Ergebnis nicht angehen, dass ein rechtlich fragwürdiges und objektiv unvernünftiges, also im Grund willkürliches „Nein“ des Gemeinderats zu einem Architektenvertrag dem Beklagten als schwerer Verstoß gegen kommunalrechtliche Bestimmungen vorgeworfen werde.
Auch unter diesem Gesichtspunkt ist ein durchgreifender Milderungsgrund nicht zu erkennen. Selbst wenn man in der vom Beklagten reklamierten nachträglichen Genehmigungsfähigkeit einen Milderungsgrund sehen wollte, hat dieser jedenfalls kein entscheidendes Gewicht. Denn eine nachträgliche Genehmigung betrifft in erster Linie den privatrechtlichen Vertrag und dessen Wirksamkeit (sofern es hierauf überhaupt ankommt: vgl. BGH, B.v. 18.3.2016 – V ZR 266/14 – juris) und „heilt“ bzw. relativiert nicht den kommunalrechtlichen Verstoß.
Soweit der Beklagte vorträgt, auch die die Verweigerung der Stundensätze hinsichtlich des Vorwurfs Ziff. 6 der Disziplinarklage (Honorarvereinbarung) durch den Gemeinderat sei nicht nachvollziehbar, erkennt der Senat keinen Milderungsgrund. Nicht der Beklagte als erster Bürgermeister beurteilt, ob die Honorarvereinbarung angemessen war, sondern der Gemeinderat. Dass der Beklagte im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht die Vorstellung hatte, der Gemeinderat könnte seine nachträgliche Zustimmung ernsthaft verweigern, ist ohne Belang.
2.4.3 Hinsichtlich der Ziff. 4 der Disziplinarklage („Nachtragsarbeiten für die Erneuerung der Gehwege entlang der RO 10“) hat der Beklagte – so seine Einlassung im Berufungsverfahren – die Nachtragsangebote deshalb nicht dem Gemeinderat vorgelegt, weil er von der faktischen Ermächtigung für seine Handlungsweise überzeugt gewesen sei. Dem Sitzungsprotokoll vom 10. Oktober 2006 sei leider nicht zu entnehmen, dass es Wille des Gemeinderats gewesen sei, für das Gehwegpflaster – wie in E. üblich – ein höherwertiges Material (Pflaster mit Vorsatzbeton) und bereichsweise Klinker zu verwenden, was auch aus der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Gemeinderats vom 15. Juli 2008 deutlich geworden sei. Gleichwohl hätte der Beklagte die Nachtragsangebote nicht ohne Zustimmung des Gemeinderats annehmen dürfen. Die Mehrkosten aufgrund der Nachtragsangebote beliefen sich auf ca. 23.000 €. Aus der vorbezeichneten Niederschrift ergibt sich, dass der Gemeinderat „durchaus auch eine andere Entscheidung hätte treffen können, wenn die höhere Summe bekannt gegeben worden wäre“. Der Beklagte hat durch seine möglicherweise in gutem Glauben, aber eigenmächtig getroffenen Entscheidung, dem Gemeinderat die Möglichkeit genommen, sich zwischen der „Sparvariante“ und den Mehrkosten für eine optisch gefälligere Lösung zu entscheiden. Das stand ihm nicht zu. Gegen die Annahme eines Milderungsgrundes für die vom Beklagten angenommene „faktische Ermächtigung“ spricht schließlich auch, dass aus dem Vermerk auf dem Nachtragsangebot vom 21. Juli 2007 („Soll lt. Bgm. nicht in den GR. Wird in Absprache mit H. K. anders abgerechnet.“) zu schließen ist, dass dem Beklagten das Risiko einer Befassung des Gemeinderats mit der Angelegenheit sehr wohl bewusst war. Anders ist der Vermerk, dessen Richtigkeit vom Beklagten nicht in Frage gestellt worden ist, nicht zu erklären.
Der Hinweis des Beklagten schließlich, es werde in der kommunalen Praxis nach Möglichkeit vermeiden, kurzfristig außerordentliche Gemeinderatssitzungen einzuberufen, vermag ebenfalls keine Milderung zu rechtfertigen. Eine entsprechende Praxis könnte die kommunalrechtlichen Vorschriften über die unterschiedlichen Organkompetenzen nicht außer Kraft setzen. Die aus den Nachtragsangeboten resultierenden Kosten mögen mittelweile bezahlt worden sein, was sich jedoch nicht mildernd auswirkt.
2.4.4 (Zur Ziff. 5 der Disziplinarklage:) Der Gemeinderat der Gemeinde E. hat im November 2004 beschlossen, keine weiteren Konzerte im Rahmen des Musiksommers nach dem Jahr 2005 durchzuführen. Der Beklagte meint, er habe diesen Beschluss nicht vollziehen müssen, weil er inhaltlich nicht rechtmäßig gewesen sei, da ihm damit eine vom Gemeinderat zugewiesene (kostenmäßig begrenzte) Kompetenz mittelbar entzogen worden sei. Im Übrigen habe er die Veranstaltung auch deshalb trotz des Gemeinderatsbeschlusses durchführen dürfen, weil durch vorher verbindlich gesicherte Sponsorenzuwendungen kein Defizit habe entstehen können. Der Beklagte habe mit seinem Verhalten nicht vorsätzlich einen beschlussmäßig gefassten Willen des Gemeinderats missachten wollen, sondern habe eine legale Möglichkeit für die Abhaltung solcher Konzerte gesehen, die er als angemessene Förderung des Tourismus und der kulturellen Angebote der Gemeinde E. eingestuft habe.
Dieser Vortrag kann sich bereits deshalb nicht mildernd auswirken, weil der Beklagte eigenmächtig den entgegenstehenden Gemeinderatsbeschluss verworfen hat, anstatt sich der kommunalrechtlich vorgegebenen Klaviatur zu bedienen. Die ggf. in der Geschäftsordnung des Gemeinderats enthaltene Richtlinie einer Wertgrenze machte die fraglichen Konzerte nicht zur laufenden Angelegenheit (vgl. Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 37 GO Rn. 8 f.). Der erste Bürgermeister ist verpflichtet, Beschlüsse des Gemeinderats zu vollziehen (Art. 36 Satz 1 GO). Wenn der Beklagte der Auffassung gewesen wäre, der Gemeinderat habe aufgrund einer unzutreffenden Tatsachengrundlage entschieden, hätte er nach entsprechender Sachaufklärung eine erneute Abstimmung herbeiführen müssen. Hält der Bürgermeister den Beschluss für rechtswidrig, wofür hier nichts ersichtlich ist, so hat er ihn zu beanstanden, seinen Vollzug auszusetzen und soweit erforderlich, die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde herbeizuführen (Art. 59 Abs. 2 GO). Das innergemeindliche Entscheidungskontrollverfahren berücksichtigt die auf der unmittelbaren Volkswahl beruhende Bedeutung des Bürgermeisteramtes (vgl. Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: Mai 2016, Art. 59 Rn. 4). Der Beklagte hat durch sein eigenmächtiges Handeln der Regelung des Art. 59 GO den Boden entzogen. Im Übrigen durfte der Beklagte nicht in eigener Verantwortung über die jährliche Spende von einem örtlichen Betreiber von Altenheimen entscheiden, die nach seinem eigenen Vortrag, jeweils zur Hälfte für Jugend- und Kulturarbeit verwendet werden sollte, nicht aber zweckgebunden gerade die Durchführung des „Musiksommers zwischen Inn und Salzach“ ermöglichen sollte.
2.4.5 (Zum Vorwurf der Ziff. 7 der Nachtragsdisziplinarklage:) Der Beklagte hält den Verschuldensvorwurf hinsichtlich des Verstoßes gegen den gefassten Gemeinderatsbeschluss vom 21. Juni 1995 für gering. Sein Versuch, den vom Gemeinderat E. genehmigten Kaufpreis durchzusetzen sei trotz mehrmonatiger Grundstücksverhandlungen erfolglos geblieben. Das Grundstück sollte nicht nur in den für erforderlich erachteten sauberen Zustand versetzt werden, sondern auch einem öffentlichen Zweck zugeführt werden. Das Grundstück sei inzwischen von der Gemeinde in einen ordentlichen Zustand versetzt worden. Damit bestätige sich das besondere Interesse der Gemeinde an diesem Grunderwerb nochmals nachträglich.
Dieser Vortrag kann den Beklagten nicht entlasten. Gemäß Art. 36 GO vollzieht der erste Bürgermeister die Beschlüsse des Gemeinderats. Da der Beschluss ausdrücklich die Höchstsumme des Kaufpreises auf 10.000 € festlegte, war der Beklagte nicht befugt, einen höheren Kaufpreis zu vereinbaren. Die Entscheidung, wie viel der Gemeinde der Kauf des Grundstücks „wert“ ist, obliegt dem Gemeinderat und nicht dem ersten Bürgermeister. Es ist davon auszugehen, dass der Zustand des Grundstücks dem Gemeinderat bekannt war. Wenn dennoch eine Begrenzung des Kaufpreises auf maximal 10.000 € vorgenommen wurde, wollte der Gemeinderat offensichtlich keinen Kauf um jeden Preis, selbst wenn das Grundstück dann weiterhin in einem „unordentlichen“ Zustand geblieben wäre. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Gemeinde das Grundstück nunmehr in einen ordentlichen Zustand versetzt hat. Daraus wird nicht das Interesse an einem Erwerb um jeden Preis deutlich, sondern die Verantwortung eines kommunalen Eigentümers für seine Liegenschaften, der seiner Vorbildfunktion gerecht wird.
2.4.5 (Zum Vorwurf der Ziff. 8 der Nachtragsdisziplinarklage:) Der Beklagte trägt vor, der Gemeinderat habe die (zusätzliche) Vereinbarung unter Ziff. 4 vom 27. Juli 1995 in seiner Sitzung vom 23. Mai 1995 nicht genehmigt. Grund sei überwiegend die im Gemeinderat damals vorherrschende Missstimmung gegenüber Herrn W. gewesen, weil dieser in unverschämter Art und Weise seine maßlosen Forderungen verwirklichen wollte. Der Beklagte habe sich in den darauffolgenden Jahren laufend bemüht, die Leitungsrechte aus dem Gestattungsvertrag mittels Grunddienstbarkeit nachhaltig für die Gemeinde zu sichern. Als dann im Jahre 2000 die Beurkundung dieser Grunddienstbarkeit angestanden habe, habe Herr W. dem Vertragsentwurf ohne den Zusatz nach Ziff. 4 der Vereinbarung vom 27. April 1995 zugestimmt. Beim Termin der notariellen Beurkundung aber habe Herr W. auf Aufnahme dieses Abschnitts in die notarielle Urkunde bestanden; ansonsten hätte er die Grunddienstbarkeitsbestellung nicht genehmigt. Es sei übrigens durchaus schon vorgekommen, dass Herr W. Notartermine habe „platzen“ lassen. In Anbetracht der drohenden Alternative habe er sich dazu durchgerungen, die Urkunde für die Gemeinde E. zu unterschreiben, um auf Dauer einen rechtssicheren Bestand des Hauptsammlers zu gewährleisten. Er habe erwartet, dass der Gemeinderat für diese Handlung Verständnis aufbringen werde. Eine Missachtung des Gemeinderats und seines entsprechenden Beschlusses sei damit nicht verbunden gewesen.
Auch dieser Vortrag kann den Beklagten nicht entlasten. Ein eigener Entscheidungsspielraum, ob in Konfliktsituationen möglicherweise ein Nachgeben angebracht wäre, kommt dem Bürgermeister nicht zu. Insbesondere hatte sich der Beklagte an den eindeutigen Beschluss des Gemeinderats vom 23. Mai 1995 zu halten und diesen nicht durch seine eigenmächtige abweichende Beurkundung im Jahr 2000 zu unterlaufen. Erforderlichenfalls wäre der Gemeinderat nochmals mit dieser Frage zu befassen gewesen. Mildernd kann auch nicht berücksichtigt werden, dass der Gemeinderat die Grunddienstbarkeit zwischenzeitlich genehmigt hat.
Der angerichtete Gesamtschaden (soweit strafrechtlich relevant) von knapp 3.600 € bewegt sich im mittleren Bereich und wirkt deshalb weder be- noch entlastend (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50/13 – juris Rn. 39).
Nach alledem sieht der Senat in der Gesamtabwägung die eingetretene Vertrauensbeeinträchtigung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG als so schwerwiegend an, dass sie die Aberkennung des Ruhegehalts erfordert.
3. Das Bundesverwaltungsgericht und ihm folgend der Senat sind in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass innerdienstliche Untreue- oder Betrugshandlungen eines Beamten bei einem Schaden von über 5.000 € auch ohne Hinzutreten weiterer Erschwernisgründe in der Regel die Verhängung der Höchstmaßnahme rechtfertigen (BVerwG, B.v. 6.5.2015 – 2 B 19.14 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 13.7.2011 – 16a D 09.3127 – juris Rn. 130). Dieser Wert ist wohl nicht mehr maßgeblich (in diesem Sinne auch VG Regensburg, B.v. 21.11.2016 – RO 10A DS 16.961 – juris Rn. 44; VG Ansbach, B.v. 20.7.2016 – AN 13b DS 16.01107 – juris Rn. 106; weitere Präzisierung durch die Rechtsprechung erforderlich: Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand: Nov. 2016, § 13 Anm. 3.2.2.4), da sich dem Urteil Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2015 (2 C 6/14 – juris), mit dem die Rechtsprechung zum Zugriffsdelikt aufgegeben worden ist, schließen lässt, dass sich jede schematische Betrachtung – insbesondere an Hand von Schwellenwerten – verbietet.
Der Beklagte wäre aber durch die Aufgabe der eingangs genannten Rechtsprechung nicht benachteiligt. Denn auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung wäre die Aberkennung des Ruhegehalts Richtschnur für die Bemessungsentscheidung gewesen. Der dem Beklagten strafrechtlich vorwerfbare Schaden von ca. 3.600 € liegt zwar unterhalb der Schwelle der 5.000 €. Mit dem wiederholten sich Hinwegsetzen über die kommunalrechtlich geregelte Kompetenz des Gemeinderats, das – wie bereits ausgeführt – ein erhebliches Gewicht hat, sind jedoch weitere Erschwernisgründe hinzugetreten, die die Verhängung der Höchstmaßnahme rechtfertigen.
4. Die Aberkennung des Ruhegehalts infolge des vom Beklagten begangenen schweren Dienstvergehens ist schließlich nicht unverhältnismäßig. Diese Maßnahme ist vielmehr Folge der schuldhaften Dienstpflichtverletzungen des Beklagten. Die sich in sozialer Hinsicht ergebenden Folgen beruhen daher allein auf seinem zurechenbaren Verhalten. Deshalb kommt es nicht auf die finanziellen und sozialen Auswirkungen der Disziplinarmaßnahme für den Beamten und seine Angehörigen an. In das Verhältnis zu setzen sind – wie oben bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt – vielmehr die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum Dienstherrn, zu der das Fehlverhalten des Beamten geführt hat, und die dementsprechend verhängte Disziplinarmaßnahme. Hat ein Beamter durch ein ihm vorwerfbares Verhalten die Vertrauensgrundlage zerstört, ist seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (und die daraus hier folgende Aberkennung des Ruhegehalts) die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die allein darin liegende Härte für den Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig (BVerfG, B.v. 20.12.2007 – 2 BvR 1050/07 – juris; BayVGH, U.v. 23.3.2011 – 16b D 09.2749 – juris, jeweils m.w.N.).
Der Beklagte stand mit dem Aufkommen der „Kassenaffäre“ im Herbst 2007 zweifellos stark im Focus der Öffentlichkeit. Das lang andauernde Strafverfahren hat bewirkt, dass die Angelegenheit auf lokaler Ebene lange nicht zum Abschluss kam. Selbst wenn man mit dem Beklagten insoweit eine „erzieherische Wirkung“ sehen wollte, kann gleichwohl eine Unverhältnismäßigkeit der Disziplinarmaßnahme nicht erkannt werden.
Die lange Dauer des Disziplinarverfahrens streitet ebenfalls nicht zu Gunsten des Beklagten. Nach ständiger Rechtsprechung kann lediglich eine unterhalb der disziplinarischen Höchstmaßnahme gebotene Disziplinarmaßnahme auch in der Maßnahmenart milder ausfallen, wenn das Straf- und/oder das Disziplinarverfahren übermäßig lange gedauert haben und der Beamte dies nicht zu vertreten hat; das gilt auch für Ruhestandsbeamte (vgl. etwa BVerwG, U.v. 8.9.2004 – 1 D 18.03 – juris). Wenn hingegen – wie hier – die Höchstmaßnahme verwirkt ist, scheidet eine Berücksichtigung einer überlangen Verfahrensdauer auch unter Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie der Art. 3 BayDG, § 173 Satz 1 VwGO, §§ 198 ff. GVG aus (BVerwG, B.v. 10.10.2014 – 2 B 66.14 – juris).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG) 141