Baurecht

Abweichung vom Streitwertkatalog bei Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans

Aktenzeichen  9 C 20.2373

Datum:
13.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32764
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 2 Abs. 2
RVG § 32 Abs. 2 S. 1
GKG § 52 Abs. 1, § 68

 

Leitsatz

Eine Nachbarklage gegen Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans für die Errichtung eines überdachten Freisitzes ist mit Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 zugrunde liegenden Bebauung des Nachbargrundstücks nicht ohne Weiteres vergleichbar, was die Abweichung entsprechend der Maßstäbe des § 52 Abs. 1 GKG von den im Streitwertkatalog ausgewiesenen Beträgen rechtfertigt. (Rn. 2 – 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 20.90 2020-09-29 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

Die von den Bevollmächtigten der Beklagten in eigenem Namen eingelegte Beschwerde, über die nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, ist gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 68 Abs. 1 GKG zulässig, aber unbegründet.
Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der Senat legt hierbei regelmäßig den jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zugrunde, derzeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (Streitwertkatalog 2013). In baurechtlichen Nachbarklagen, in denen es nicht zuerst um den Wert oder die Kosten eines Bauvorhabens, sondern um die Geltendmachung von Nachbarrechten geht (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.2016 – 9 C 16.669 – juris Rn. 3), geht der Senat üblicherweise vom unteren Wert des in Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 vorgeschlagenen Streitwertrahmens aus und setzt regelmäßig einen Streitwert in Höhe von 7.500 Euro fest (BayVGH, B.v. 1.8.2019 – 9 C 19.1331 – juris Rn. 3 m.w.N.). Auch wenn Gegenstand des angefochtenen Bescheids vom 12. Dezember 2019 allein die Erteilung von Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans „Am Elmuß I. Abschnitt“ der Beklagten waren, handelt es sich gleichwohl um eine baurechtliche Nachbarklage i.S.d. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013.
Der in Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 angegebene Rahmen erlaubt für den Regelfall eine praktikable Handhabung der Streitwertfestsetzung, vermeidet bei einer Nebenentscheidung nicht angemessenes, umständliches Differenzieren und macht das Prozessrisiko für die Beteiligten überschaubar. Gleichwohl kann nach den Maßstäben des § 52 Abs. 1 GKG von den im Streitwertkatalog ausgewiesenen Beträgen abgewichen werden, wenn der Einzelfall dazu Anlass gibt (vgl. BayVGH, B.v. 3.1.2012 – 9 C 11.2583 – juris Rn. 3; siehe auch: Amtliches Begleitschreiben zum Streitwertkatalog 2013, abgedruckt im BDVR-Rundschreiben, Beilage zu Heft 4/2013 sowie Nr. 3 der Vorbemerkungen).
Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs liegt die Bebauung des Nachbargrundstücks mit einem Wohngebäude zugrunde (vgl. BayVGH, B.v. 26.8.2013 – 2 C 13.1483 – juris Rn. 3) und wird regelmäßig auch bei Nachbarklagen gegen sonstige Gebäude (vgl. Art. 2 Abs. 2 BayBO) angewandt (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.639 – juris Rn. 53 [Carport]; B.v. 14.7.2016 – 1 ZB 15.443 – juris Rn. 9 [Gartenhaus]; VGH BW, B.v. 9.4.2019 – 8 S 1527/17 – juris Rn. 81 [Nebenanlage]). Hier geht es dagegen um eine Nachbarklage gegen Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans „Am Elmuß I. Abschnitt“ der Beklagten für die Errichtung eines überdachten Freisitzes, der mit einer Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs zugrundeliegenden Bebauung des Nachbargrundstücks nicht ohne Weiteres vergleichbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2012 – 15 ZB 11.252 – juris; B.v. 26.8.2013 – 2 C 13.1483 – juris, jeweils zu einer Terrassenüberdachung). Dementsprechend sieht auch der Streitwertkatalog der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2019 (BauR 2019, 610 f.) bei Nachbarklagen zwar regelmäßig einen Betrag in Höhe von 7.500 Euro bis 20.000 Euro vor, jedoch ist für Abweichungen nach unten ein Betrag von mindestens 1.500 Euro vorgesehen. Die Festsetzung des Streitwertes in Höhe von 5.000,- Euro durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19. Oktober 2020 ist daher nicht zu beanstanden und die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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