Baurecht

Änderung eines gerichtlichen Eilbeschlusses zur Errichtung von Windenergieanlagen

Aktenzeichen  B 2 S 16.534

Datum:
12.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 63 Abs. 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7 S. 2, § 80a Abs. 3

 

Leitsatz

1. Ob im Sinne von § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO die Änderung der im Eilrechtschutzverfahren getroffenen vorläufigen Entscheidung geboten ist, ist anhand desselben Entscheidungsrahmens zu beurteilen, der auch für den Eilrechtschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gilt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gebildet wird der Entscheidungsrahmen von den Erfolgsaussichten des Anfechtungsrechtsbehelfs und von der Abwägung der Vor- und Nachteile für die betroffenen Rechtsgüter der Beteiligten für den Fall, dass sich die im Eilrechtschutzverfahren getroffene tatsächliche und/oder rechtliche Bewertung später als unzutreffend erweisen sollte (Interessenabwägung). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Unter Abänderung der Ziffer 1. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 5. Juli 2016, Az. B 2 S 16.124, wird der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO insgesamt abgelehnt.
2. In Abänderung der Ziffer 2. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 5. Juli 2016, Az. B 2 S 16.124, trägt der Antragsteller die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke mit den Fl.-Nrn. … und … der Gemarkung …, …, in der Nähe der geplanten Anlagen.
Am 18.11.2014 erteilte das Landratsamt … der Beigeladenen einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid, mit dem die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit für die Errichtung von vier Windenergieanlagen auf den Fl.-Nrn. … …, Gemeinde …, bescheinigt wurde.
Mit Bescheid vom 02.02.2016 erteilte das Landratsamt … der Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung von drei Windenergieanlagen auf den
Fl.-Nrn. … und … der Gemarkung …, Gemeinde …. Unter Ziffer 2. des Bescheides wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Gleichzeitig wurden hinsichtlich der notwendigen Abstandsflächen Abweichungen nach Art. 63 Abs. 1 der Bayer. Bauordnung – BayBO – unter Ziffer 5. zugelassen. Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom 24.02.2016 gegen diesen Bescheid Klage (vgl. B 2 K 16.125). Über diese Klage ist noch nicht entschieden. Ebenfalls mit Schriftsatz vom 24.02.2016 beantragt der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten, die sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 02.02.2016 auszusetzen. Mit Beschluss vom 05.07.2016 wurde die aufschiebende Wirkung der Klage vom 24.02.2016 gegen den Bescheid vom 02.02.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 02.03.2016 bezüglich der WEA 1 wegen nicht hinreichender Bestimmtheit der Abweichungsentscheidung wiederhergestellt (vgl. B 2 S. 16.124). Auf die Begründung dieses Beschlusses wird verwiesen.
Am 26.07.2016 erließ das Landratsamt … einen Ergänzungsbescheid. Im Genehmigungsbescheid vom 02.02.2016 wurden die Grundstücke, auf die sich die Abweichung von den gesetzlichen Abstandsflächen bezieht, nicht genannt. Im Ergänzungsbescheid erfolgte nun zur Klarstellung die Listung sämtlicher betroffener Grundstücke im relevanten 1 H-Bereich. Auch die Planunterlagen wurden durch geänderte Abstandsflächenpläne WEA 1 – WEA 3 ersetzt und um ein Anliegerverzeichnis ergänzt. Hierauf wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 28.07.2016 beantragt der Bevollmächtigte der Beigeladenen, unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 05.07.2016 den Antrag hinsichtlich der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 24.02.2016 gegen den Bescheid vom 02.02.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 02.03.2016 bezüglich der WEA 1 abzulehnen.
Es lägen durch den Erlass des Ergänzungsbescheides und die Vorlage der Abstandsflächenpläne veränderte Umstände vor. Die Veränderung der Sach- und Rechtslage sei auch geeignet, eine andere Entscheidung in der Sache herbeizuführen.
Mit Schreiben vom 03.08.2016 schloss sich der Antragsgegner den Ausführungen des Bevollmächtigten der Beigeladenen an.
Mit Schriftsatz vom 09.08.2016 beantragt der Bevollmächtigte des Antragstellers, den Antrag der Beigeladenen vom 28.07.2016 zurückzuweisen.
Der Antrag sei bereits nicht zulässig. Es fehlten Antragsbefugnis und Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag. Im Übrigen sei nicht einzusehen, dass die WEA 1 in der Nähe der Grundstücksgrenze platziert werde und eine Abstandsflächenreduzierung auf 0,3 H gegenüber seinen Grundstücken erforderlich sein solle.
II.
Der nach § 80a Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zulässige Antrag der Beigeladenen auf Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 5. Juli 2016, Az. B 2 S. 16.124, hat Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung eines nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses wegen veränderter oder wegen im ursprünglichen Verfahren unverschuldet nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Ein zulässiger Änderungsantrag setzt voraus, dass veränderte oder im vorangegangenen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorgetragen werden und vorliegen, die ein Abweichen von der ursprünglichen Entscheidung rechtfertigen können; aus den neu vorgetragenen Umständen muss sich zumindest die Möglichkeit einer Änderung der früheren Eilentscheidung ergeben. Dieser Prüfung nachgelagert ist die Frage, ob bei einer neuen, selbständigen, vom bisherigen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO losgelösten, aber nach denselben Grundsätzen wie in diesem vorzunehmenden Prüfung eine Änderung der vorherigen Entscheidung geboten ist.
Ob im Sinn von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO die Änderung der im Eilrechtsschutzverfahren getroffenen vorläufigen Entscheidung geboten ist, ist anhand desselben Entscheidungsrahmens zu beurteilen, der auch für den Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gilt. Gebildet wird dieser Rahmen von den Erfolgsaussichten des Anfechtungsrechtsbehelfs und von der Abwägung der Vor- und Nachteile für die betroffenen Rechtsgüter der Beteiligten für den Fall, dass sich die im Eilrechtsschutzverfahren getroffene tatsächliche und/oder rechtliche Bewertung später im Klageverfahren als unzutreffend erweisen sollte (Interessenabwägung); diese Abwägung trifft das Gericht eigenständig und originär nach der im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sach- und Rechtslage.
Eine im Sinn des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO maßgebliche Änderung der Umstände ist vorliegend infolge des Ergänzungsbescheids des Landratsamts vom 26.07.2016 eingetreten. Die ursprünglichen Bedenken gegen die hinreichende inhaltliche Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) der Genehmigung vom 02.02.2016 bestehen nicht (mehr).
Streitgegenständlich ist nunmehr der Bescheid vom … in der Fassung, die er (neben dem Änderungsbescheid vom …) durch den Ergänzungsbescheid vom … erhalten hat. Mit diesem Bescheid hat das Landratsamt die von den Abweichungen betroffenen Grundstücke und das Ausmaß der zugelassenen Abweichungen genau bezeichnet (Nr. 2 des Bescheidstenors vom 26.07.2016). Es hat unter der Nr. 1 des Bescheidstenors vom … die Abstandsflächenpläne und das Anliegerverzeichnis beigefügt.
Als unterlegener Beteiligter hat der Antragsteller nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten der Verfahren zu tragen. Da der Antragsteller trotz richterlichen Hinweises keine Erledigungserklärung abgegeben hat, trägt der Antragsteller nunmehr wegen der nachgebesserten Abweichungsentscheidung insgesamt die Kosten des Verfahrens. Nachdem die Beigeladene mit der Stellung eines Sachantrages nach § 154 Abs. 3 VwGO ein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es nach § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.
Wegen der Einheitlichkeit des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 und 7 VwGO bedarf es neben der weitergeltenden Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 05.07.2016 keiner neuen Streitwertfestsetzung.

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