Baurecht

Anfechtung einer Erstaufforstungserlaubnis

Aktenzeichen  M 25 K 17.222

Datum:
27.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143047
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWaldG Art. 16 Abs. 2
VwGO § 86

 

Leitsatz

1. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 16 BayWaldG für eine Aufforstungserlaubnis nicht vor, dürfen die zuständigen Behörden die Aufforstungserlaubnis verweigern, sind jedoch gesetzlich hierzu nicht verpflichtet. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. “Erhebliche Nachteile” für die umliegenden Grundstücke iSd Art. 16 Abs. 2 BayWaldG setzen eine wesentliche Ertragseinbuße voraus, die dann anzunehmen ist, wenn der Ertrag um mehr als ein Drittel vermindert würde, bzw. die zumindest bei einer Ertragsminderung von bis 20% nicht anzunehmen ist (wie BayVGH BeckRS 2001, 21037 Rn. 48). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Verpflichtung des Aufforstenden, den Grenzbereich zum Nachbarn nicht bzw. nur eingeschränkt forstlich zu nutzen, steht die Verpflichtung des Nachbarn gegenüber, im Grenzbereich eine Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeiten hinzunehmen, bzw. eine gewünschte Bodennutzung nicht bis zur Grundstücksgrenze auszudehnen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Maßgebend für die Frage der Erheblichkeit der Nachteile und die Beeinträchtigung der Ertragsfähigkeit eines benachbarten Grundstücks sind allein die Einbußen des Bodenertrags. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine Aufforstung wirkt sich maximal bis zu einer Entfernung von 25 m ab Waldkante aus (wie BayVGH BeckRS 2001, 21037 Rn. 49). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten, der die beabsichtigte Erstaufforstung des bezeichneten Grundstücks der Beigeladenen unter Auflagen erlaubt, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Der Bescheid des Beklagten, der die beabsichtigte Erstaufforstung des Beigeladenen unter Auflagen erlaubt, ist rechtmäßig. Insbesondere hat der Beklagte von seinem ihm gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraum in pflichtgemäßer Weise Gebrauch gemacht.
Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG bedarf die Aufforstung nicht forstlich genutzter Grundstücke mit Waldbäumen der Erlaubnis. Gemäß Abs. 2 darf diese Erlaubnis nur versagt oder durch Auflagen eingeschränkt werden, wenn die Aufforstung Plänen im Sinne des Art. 3 BayNatSchG widerspricht, wenn wesentliche Belange der Landeskultur und des Naturschutzes und der Landschaftspflege gefährdet werden, der Erholungswert der Landschaft beeinträchtigt wird oder erhebliche Nachteile für die umliegenden Grundstücke zu erwarten sind. Die zuständigen Behörden dürfen bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen die Aufforstungserlaubnis verweigern, sind jedoch gesetzlich nicht verpflichtet, dies zu tun. Aufgrund des bundesrechtlichen Abwägungsgebotes (§ 9 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 3 BWaldG) erfordert die Prüfung eines Versagungsgrundes eine Interessenabwägung der öffentlichen Belange mit denen des Antragstellers gegeneinander und untereinander (BayVGH, U.v. 25.10.2000 – 19 B 98.2562). Die vom Beklagten getroffene Ermessensentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen ist rechtlich nicht zu beanstanden (Art. 40 BayVwVfG; § 114 VwGO).
Das Gericht überprüft in diesem Zusammenhang die Entscheidung des Beklagten nur unter den einschränkenden Gesichtspunkten des § 114 VwGO. Es hat danach nur zu prüfen, ob die Behörde von ihrer Ermessensbefugnis überhaupt Gebrauch gemacht hat, ob sie alle maßgeblichen Gesichtspunkte und Interessen in ihre Ermessensentscheidung einbezogen hat, ob sie die einzustellenden Interessen in einer Weise gewichtet hat, die ihrer wirklichen Bedeutung gleichkommt und ob sie den Ausgleich der unterschiedlichen Interessen in sachgerechter Weise vorgenommen hat.
Gemessen hieran stellt sich die Entscheidung des Beklagten als frei von Ermessensfehlern dar.
Dem streitgegenständlichen Bescheid ist – wenn auch nur in sehr knappen Ausführungen – zu entnehmen, dass sich der Beklagte seines durch Art. 16 Abs. 2 BayWaldG eröffneten Ermessens bewusst war und dieses Ermessen auch ausgeübt hat (Punkt II.2 des Bescheids).
Der Beklagte hat auch alle für die Entscheidung maßgeblichen Belange und Interessen in seine Entscheidung einbezogen, jedenfalls soweit es im Rahmen der Klagebefugnis in diesem Verfahren darauf ankommt. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass von der Aufforstung der Fläche der Beigeladenen keine erheblichen Nachteile für die Grundstücke des Klägers ausgehen.
„Erhebliche Nachteile“ setzen eine wesentliche Ertragseinbuße voraus, die dann anzunehmen ist, wenn der Ertrag um mehr als ein Drittel vermindert würde bzw. die zumindest bei einer Ertragsminderung von bis 20 v.H. nicht anzunehmen ist (vgl. BayVGH Urteil vom 29.11.2000 – 19 B 97.690; Zerle/Hein/Brinkmann/Foerst/Stöckel, Forstrecht in Bayern, Rn. 13 zu Art. 16 BayWaldG). Darunter liegende Beeinträchtigungen sind aufgrund des nachbarlichen Rücksichtnahmegebots hinzunehmen (VGH a.a.O.). Danach steht der Verpflichtung des Aufforstenden, den Grenzbereich nicht bzw. nur eingeschränkt forstlich zu nutzen, die Verpflichtung des Nachbarn gegenüber, im Grenzbereich eine Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeiten hinzunehmen, bzw., eine gewünschte Bodennutzung nicht bis zur Grundstücksgrenze auszudehnen. Der Umstand, dass in Art. 16 Abs. 3 BayWaldG nur als Kannvorschrift vorgesehen ist, den relativ geringen gesetzlichen Grenzabstand nach dem AGBGB zu vergrößern, zeigt, dass die Erheblichkeitsschwelle für den betroffenen Nachbarn nicht zu gering angesetzt werden darf.
Das Grundstück des Klägers grenzt auf einer Länge von etwa 224 m an das Grundstück der Beigeladenen an. Es hat, wie aus der Stellungnahme des AELF Ingolstadt und dem vorgelegten Lageplan entnommen werden kann, eine Fläche von … qm oder …ha.
Maßgebend für die Frage der Erheblichkeit der Nachteile und die Beeinträchtigung der Ertragsfähigkeit eines benachbarten Grundstücks sind allein die Einbußen des Bodenertrags. Diese können daher ihren Anknüpfungspunkt nur in der Gesamtfläche des Buchgrundstücks haben. Nur bei der Fläche des Gesamtgrundstücks, auf das Art. 16 Abs. 2 BayWaldG schon nach seinem Wortlaut abstellt, und der hierauf bezogenen Nachteile kann sich die Frage der Erheblichkeit stellen. Auch wäre für das Abstellen auf Teilflächen kein sachgerechter und willkürfreier Maßstab ersichtlich. Auf die unterschiedliche Art der Nutzung ein und desselben Grundstücks kann schon deshalb nicht abgestellt werden, weil die Nutzungsweise und die Nutzungsaufteilung einem Wechsel unterliegt. Auch wenn das Abstellen auf die Gesamtfläche des Buchgrundstücks bedeutet, dass bei kleineren Grundstücken der Grad der Erheblichkeit früher erreicht wird, ist das Abstellen auf die Gesamtfläche des Buchgrundstücks sachgerecht, weil bei der Bewirtschaftung eines kleineren Grundstücks die Schwelle der Unwirtschaftlichkeit früher erreicht wird als bei einem großen (vgl. zu allem BayVGH Urteil vom 12.2.1998, 19 B 96.1858). Weiter ist, wie im Folgenden noch auszuführen sein wird, von der Aufforstung überhaupt nur eine Teilfläche von 0,3584 ha auf dem Grundstück des Klägers betroffen.
Nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BayVGH Urteil vom 29.11.2000 a.a.O. m.w.N.) ist davon auszugehen, dass sich eine Aufforstung maximal bis zu einer Entfernung von 25 m ab Waldkante auswirkt.
Abzüglich des festgelegten Grenzabstands von 9 m ergibt sich für den vorliegenden Fall damit maximal eine beeinträchtigte Nutzfläche von 16 m (noch betroffene Grundstückstiefe) x 224 m (maximale Länge im betroffenen Tiefenbereich nach dem vorgelegten Lageplan), mithin 3.584 qm bei einem mittleren Grad der Ertragsminderung auf der Einwirkungsfläche von rund 32%, somit weniger als 6% der Grundstücksfläche, was sehr deutlich unter der von der Rechtsprechung gezogenen Schwelle der Erheblichkeit liegt.
Vorliegend ist das AELF Ingolstadt – wie sich aus dem im angegriffenen Bescheid in Bezug genommenen Schreiben vom … März 2015 ergibt – im Hinblick auf die Lage an einem Nordhang und den vom Kläger praktizierten Biolandbau sogar von einer Einwirkungstiefe von 30 Meter ausgegangen und gleichwohl nur zu einer Ertragsminderung von 7,5% gekommen. Selbst wenn man nun – entgegen der tatsächlichen Verhältnisse – annimmt, dass dieser vom Beklagten angenommene 30 Meter tiefe Einwirkungsbereich ausschließlich und vollständig auf dem Grundstück des Klägers liegt – was nicht einmal vom Kläger behauptet wird –, ergibt sich bei einer dann betroffenen Fläche von (30 m x 224 m =) 6.720 qm und einem mittleren Grad der Ertragsminderung von 50% eine prozentuale Ertragsminderung bezogen auf das gesamte Nachbargrundstück von weniger als 16%. Selbst bei dieser, zu Gunsten des Klägers an den tatsächlichen Verhältnissen vorbeigehenden Betrachtung wird der von der ständigen Rechtsprechung angenommene Wert für eine zu berücksichtigende Ertragsminderung von 20% deutlich unterschritten. Mit den festgelegten Grenzabständen hat der Beklagte daher die nachbarlichen Interessen hinreichend berücksichtigt und liegen erhebliche Nachteile im Sinne des Art. 16 Abs. 2 BayWaldG zu Ungunsten des Klägers mithin nicht vor.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der Ausführungen in der Klagebegründung, in der lediglich sehr pauschal eine Ertragseinbuße von „zumindest 1/3“ behauptet wird, musste die Kammer dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag der Klägerseite nicht nachgehen. Die Kammer verkennt nicht, dass bei Biobetrieben möglicherweise besondere Umstände zu berücksichtigen sind, die in der oben zitierten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht aufscheinen mögen. Das AELF Ingolstadt hat aber im angegriffenen Bescheid auf sein Schreiben vom … März 2015 Bezug genommen. Darin hat das AELF Ingolstadt gegenüber den Bevollmächtigten des Klägers die vorgenommene Ertragsminderungsberechnung erläutert und insbesondere auch dargelegt, dass es im Hinblick auf die Lage des Grundstücks und den vom Kläger geführten Biobetrieb von einer Einwirkungstiefe von 30 Metern ausgehe. Die Klägerseite hat diese Ausführungen inhaltlich nicht ansatzweise erschüttert; es ist nicht zu erkennen, warum angesichts der vorstehenden Berechnungen wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die unter Beweis gestellte Tatsache einer Ertragsminderung von mehr als 20% bestehen soll (hierzu Kopp/Schenke, VwGO 23. A, § 86 Rn. 18a).
Die Klage war deshalb abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Es entspricht billigem Ermessen, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, da sie keinen Antrag gestellt haben, §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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