Baurecht

Anfechtung von Sicherungsanordnungen bei einem einsturzgefährdeten Gebäude

Aktenzeichen  1 CS 16.2503

Datum:
21.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 10, Art. 54 Abs. 4
LStVG LStVG Art. 9 Abs. 1, Abs. 2
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 121, § 173
ZPO ZPO § 265 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

11 S 16.4947 2016-11-15 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Der Umstand, dass das streitbefangene Grundstück nach den Ausführungen des Bevollmächtigten des Antragstellers in den Schreiben vom 2. Februar 2017 und 15. März 2017 nach Einleitung des Rechtsstreits veräußert wurde und der Übergang des Besitzes eingetreten ist, steht einer gerichtlichen Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere zieht diese Tatsache nicht den Verlust der Prozessführungsbefugnis nach sich. Denn die Veräußerung des Eigentums an dem Flurstück Nr. … nach Rechtshängigkeit ist für den Prozessverlauf nach § 173 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung unerheblich. Die Eigentumsübertragung hat keinen Einfluss auf die Parteistellung des Antragstellers, auch wenn er nicht mehr Störer ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1971 – IV C 62.66 – BauR 1971, 188 zur Wirksamkeit einer Beseitigungsanordnung gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger). Der Erwerber hat im Übrigen von seiner Berechtigung, den Rechtsstreit zu übernehmen, keinen Gebrauch gemacht und ist auch mangels Antrags des Prozessgegners nicht zur Übernahme verpflichtet (§ 173 VwGO i.V.m. § 266 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung). Damit führt der Rechtsvorgänger den Rechtsstreit nach § 173 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung weiter (vgl. Münchener Kommentar, ZPO, 5.A. 2016, § 265 Rn. 14, 25 unter Hinweis auf BGH, U.v. 15.2.2008 – V ZR 222.06 – BGHZ 175, 253). Die Rechtskrafterstreckung auf den Erwerber folgt aus § 121 VwGO i.V.m. Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO.
2. Die vom Antragsteller innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist dargelegten Beschwerdegründe‚ auf deren Prüfung der Senat im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO)‚ rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klage des Antragstellers im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird und das öffentliche Vollzugsinteresse das gegenläufige Interesse des Antragstellers überwiegt. Die vorliegende Anordnung, Sicherungsmaßnahmen im Hinblick auf die akute Einsturzgefahr des streitgegenständlichen Gebäudes, insbesondere am Westgiebel sowie an den angrenzenden Bauteilen des Gebäudes, zu treffen, ist voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
Der Antragsteller ist zu Recht als verantwortlicher Störer in Anspruch genommen worden. Für die Störerauswahl im Rahmen des Art. 54 Abs. 4 i.V.m. Art. 10 BayBO sind die Grundsätze des allgemeinen Sicherheitsrechts maßgebend (vgl. Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand November 2016, Rn. 57). Soweit mehrere Störer in Betracht kommen, besteht grundsätzlich ein Auswahlermessen. In der Regel ist der Verhaltensstörer (Art. 9 Abs. 1 LStVG) vor dem Zustandsstörer (Art. 9 Abs. 2 LStVG) in Anspruch zu nehmen, wenn nicht die Wirksamkeit der Maßnahme eine andere Reihenfolge gebietet (vgl. BayVGH, B.v. 28.5.2001 – 1 ZB 01.664 – juris im Zusammenhang mit einer Beseitigungsanordnung). Der Antragsteller wendet insoweit ein, dass der Landkreis F … als Verursacher der Schäden vorrangig als Störer in Anspruch zu nehmen gewesen wäre. Denn die Ausführungen des Sachverständigen B … in der Mängelanzeige vom 24. Oktober 2016 ließen keinen Zweifel an der unmittelbaren Verursachung der Gefährdungslage durch den Landkreis im Zusammenhang mit dem (genehmigten) Neubau eines Geh- und Radweges an der Kreisstraße … entlang der Westseite des streitgegenständlichen Gebäudes. Entgegen der Auffassung des Antragstellers trifft dies so nicht zu. Denn ausweislich der ergänzenden Ausführungen des Landratsamts im Schreiben vom 21. November 2016 (zur Zulässigkeit des späteren Nachschiebens von Gründen vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – BVerwGE 147, 81) stand die (alleinige) Verursachung der Gefährdungslage durch den Landkreis nicht zweifelsfrei fest. Der Landkreis hat ausweislich der vorliegenden Unterlagen im Zusammenhang mit der Baumaßnahme eine Bodenschürfe am Giebelfundament des an den Geh- und Radweg angrenzenden streitgegenständlichen Gebäudes durch das Ingenieurbüro L … durchführen lassen. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 hat das Ingenieurbüro L … bescheinigt, dass die Standsicherheit des Gebäudes durch die Bauarbeiten am Geh- und Radweg nicht beeinflusst werde und weitere Sicherungsmaßnahmen nicht erforderlich seien. Angesichts der vorliegenden gegenläufigen Gutachten zur Verursachung der Gefährdungslage ist die Entscheidung der Behörde, den Antragsteller als (damaligen) Eigentümer des Gebäudes als Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen, im Interesse der Effektivität der Sicherungsanordnung nicht zu beanstanden. Auf die Frage, ob der Antragsteller aufgrund etwaiger notwendiger Erhaltungsmaßnahmen an dem Gebäude als einem Baudenkmal als sogenannter Doppelstörer in Anspruch genommen werden könnte, kommt es nicht entscheidungserheblich an.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Sie orientiert sich an Nummern 1.7.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben