Baurecht

Anforderungen an das „Dienen“ bei einem landwirtschaftlichen Betrieb

Aktenzeichen  1 B 16.2510

Datum:
11.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 75 S. 1
BauGB BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Ein Bauherr verlässt mit dem für die Wände verwendeten Material Beton und der Wandhöhe von fünf Metern die Art und Weise, in der üblicherweise Schutzunterstände ausgeführt werden und errichtet vielmehr ein Gebäude, das jedem beliebigen Zweck zugeführt werden kann, so dass es nicht mehr seinem landwirtschaftlichen Betrieb dient.(Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 K 15.2604 2015-09-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Baueinstellung des bis auf das Dach fertiggestellten Gebäudes des Klägers gerichtete Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid des Landratsamts vom 19. Juni 2015 rechtmäßig ist. Das Gebäude steht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Es dient in seiner objektiven Ausgestaltung nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers.
Rechtsgrundlage für die Baueinstellungsanordnung ist Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil das Vorhaben nicht dem landwirtschaftlichen (privilegierten) Betrieb des Klägers im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient. Denn es ist weder „nur zur Unterbringung von Sachen oder zum vorübergehenden Schutz von Tieren bestimmt“ und damit nicht genehmigungsfrei nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO noch ist es als Stall geeignet.
Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des „Dienens“ ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Es reicht daher nicht aus, dass das Vorhaben nach den Vorstellungen des Landwirts für seinen Betrieb lediglich förderlich ist. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.1991 – 4 C 11.89 – BauR 1991, 579). Dabei ist darauf abzustellen, ob ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde, wobei hinzukommen muss, dass das Vorhaben durch diese Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wird (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.1991 a.a.O.). Zwar ist das Verwaltungsgericht insoweit über diese Rechtsprechung hinausgegangen, weil es zusätzlich die Frage aufwirft, ob ein vernünftiger Landwirt das Vorhaben auch an demselben konkreten Standort errichten würde. Denn die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB hängt regelmäßig nicht von ihrem Standort ab (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.1991 a.a.O.; U.v. 20.6.2013 – 4 C 2.12 – BVerwGE 147, 37). Mit dem Tatbestandsmerkmal des „Dienens“ soll sichergestellt werden, dass das Bauvorhaben zu dem privilegierten Betrieb tatsächlich in einer funktionalen Beziehung steht. Die eigentliche Zweckbestimmung besteht darin, Missbrauchsversuchen begegnen zu können. Danach ist die Frage des Standortes keine Frage des „Dienens“. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des „Dienens“ kann der beabsichtigte Standort nur ein (bestätigendes oder abweisendes) Indiz im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung sein. Ist das Vorhaben dem Betrieb funktional zugeordnet und auch äußerlich durch den betrieblichen Verwendungszweck geprägt, so entfällt die Privilegierung nicht deshalb, weil es an dem vom Bauherrn gewünschten Standort – etwa wegen seiner exponierten Lage – den Außenbereich in besonderem Maße beeinträchtigt. Die Frage des Standorts ist somit Gegenstand der „Abwägung“ eines grundsätzlich privilegierten Vorhabens mit den in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannten öffentlichen Belangen im Einzelfall (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.1991 a.a.O.; BayVGH, U.v. 26.9.2011 – 1 B 11.550 – BayVBl 2013, 87).
Das Gebäude ist nicht nur zum vorübergehenden Schutz von Tieren bestimmt. Die Behauptung einer derartigen Zweckbestimmung durch den Kläger rechtfertigt nur dann die Privilegierung, wenn sie ihre Entsprechung in dem objektiv entsprechend der Ausgestaltung vorhandenen Nutzungspotential des Gebäudes findet. Käme es allein auf die subjektiven Vorstellungen des Bauherrn an, würde dies dem Zweck der Vorschrift widersprechen, die lediglich Viehunterstände wegen ihres im Verhältnis zu Stallgebäuden weitaus geringeren Konfliktpotentials vom präventiven Bauverbot freistellen will (vgl. OVG RhPf, B.v. 25.2.2004 – 8 B 10256.04 – BauR 2004, 1284). Ein von dieser Bestimmung erfasstes verfahrensfreies Gebäude darf deshalb nicht objektiv zur dauernden Unterbringung von Tieren geeignet sein (vgl. Lechner/Busse in Simon/Busse, BayBO Stand August 2016, Art. 57 Rn. 121). Im vorliegenden Fall verlässt der Kläger mit dem für die Wände verwendeten Material und der Wandhöhe von fünf Metern die Art und Weise, in der üblicherweise Schutzunterstände ausgeführt werden und errichtet vielmehr ein Gebäude, das jedem beliebigen Zweck zugeführt werden kann. Darüber hinaus sind die Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht geeignet, die besondere Zweckbestimmung des Gebäudes zu begründen. Danach sollen in den zwei geteilten Räumen des Gebäudes in den Sommermonaten unterschiedliche Gruppen von Rindern gehalten werden. Bei längerer Schlechtwetterphase sollen die Tiere ausschließlich in dem Gebäude und auf der betonierten Fläche davor gehalten werden. Das insoweit benötigte zusätzliche Futter soll außerhalb des Gebäudes im Bereich des Dachüberstandes auf der betonierten Fläche gelagert werden. Nach dieser Betriebsbeschreibung ist daher – in etwa vergleichbar mit einer Almwirtschaft – eine zeitweise Stallhaltung geplant. Die Einwendung des Klägers, die Tiere würden nur während der Sommermonate, also vorübergehend, untergestellt, ansonsten könnten sie sich auf der Weide bewegen, vermag daran nichts zu ändern.
Das Vorhaben ist auch nicht als Stall geeignet. Nach Auffassung des Senats ist die Errichtung einer massiven Betonplatte sowie von Betonwänden zwar unschädlich für einen Stall. Ein Stallgebäude erfordert jedoch keine Ausführung mit fünf Meter hohen Wänden und mit kleinen Fenstern sowie eine Aufteilung in zwei Räume mit einer Trennwand ebenfalls aus Beton, die einer variablen Stallnutzung entgegenstehen. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Vertreter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erfüllt das Gebäude in der jetzigen Ausgestaltung nicht die an einen Stall gestellten Anforderungen im Hinblick auf die Belichtung und die Belüftung sowie das Mist- und Güllemanagement. Dass die Betonwände auch nach den eigenen Ausführungen des Klägers nicht nur der Bewältigung der zu erwartenden Schneelast, sondern im Wesentlichen der Entmistung des Gebäudes dienen, da er die im Laufe der Saison entstehende dichte Schicht aus Stroh und Mist mit einem Radlader entfernen müsse und dies nur gelinge, wenn – wie hier – der Raum an drei Seiten von Wänden umgeben sei, ändert nichts daran, dass das bis auf das Dach fertiggestellte Gebäude als Stall nicht geeignet ist. Fehlt es aber an einer funktionalen Beziehung zu dem landwirtschaftlichen Betrieb, so kommt es auf die Frage, ob die üblichen hygienischen Anforderungen für die Tierhaltung sich auf Ställe oder auch auf die vorübergehende Tierhaltung in Unterständen beziehen, nicht entscheidungserheblich an.
Rechtliche Mängel der Ermessensauübung und -begründung sowie der Zwangsgeldandrohung sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, weil sein Rechtmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


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