Baurecht

Anspruch auf Bevorschussung eines Mängelbeseitigungsaufwandes für ein Silo

Aktenzeichen  11 O 2015/17

Datum:
30.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 55225
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 288 Abs. 1 S. 2, § 631,§ 633, § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3
ZPO § 412 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 42.000,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.03.2017 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der im selbständigen Beweisverfahren des Landgerichts Regensburg, Az: 1 OH 11/15 (2) angefallenen Kosten trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist in der Hauptforderung begründet, in der Zinsnebenforderung nur teilweise begründet.
I. Hauptforderung:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §§ 637 Absatz 3, 633, 634 Nr. 2, 631 BGB einen Anspruch auf Bevorschussung ihres voraussichtlichen Mängel – Beseitigungsaufwandes in geltend gemachter Höhe.
Die Klägerin hat zunächst in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie einen Vorschussanspruch im Sinn des § 637 Absatz 3 BGB geltend mache. Insoweit kann dann auch dahinstehen, ob zwischen den Parteien – wie streitig – die VOB/B vereinbart wurde oder nicht. Denn auch im Falle der Vereinbarung der VOB/B stünde der Klägerin im Falle der Mangelhaftigkeit des Gewerkes ein Vorschussanspruch nach § 637 Absatz 3 BGB zu.
1. Mangelhaftigkeit des von der Beklagten errichteten Werkes
Die Kammer ist ohne vernünftige Zweifel überzeugt davon, dass das vom Sachverständigen Dipl.-Ing. F. ausgiebig begutachtete und auch im Rahmen eines Ortstermins in Augenschein genommene Fahrsilo die Mängel aufweist die im Gutachten vom 16.06.2015 festgestellt und im Ergänzungsgutachten vom 25.05.2016 bestätigt worden sind.
Der Sachverständige, an dessen Fachkompetenz angesichts seiner jahrzentelangen Erfahrung auf dem Gebiet des Betonbaus nicht die geringsten Zweifel bestehen, stellte hierbei im wesentlichen folgende Mängel fest (nachfolgend a. bis e.):
a. Der von der Beklagten verwendete Fundamentbeton mit der Körnung 0/32 ist schon deswegen mangelhaft, weil ein „normaler“ Beton für Außenbauteile und kein solcher, der für eine Belastung gegen Silage ausgestattet ist, verwendet wurde und bei Wandrissen und undichtem Fugenverguss Zerstörungsgefahr besteht. Ein Mangel am Fundamentbeton liegt im Übrigen auch darin, dass dieser angesichts seiner fehlenden Eignung als solcher mit einem bituminösen Anstrich (wie seitens der Beklagten nicht erfolgt) versehen werden muss, hierbei aber die Gefahr von Verletzungen dieses Anstriches bei Befüllungs- und Entleerungsvorgängen mittels Großgeräten besteht und diese Gefahr auf die Klägerin als Betreiberin der Anlage verlagert wird.
b. Der von der Beklagten im Bereich über dem Fundament verwendete „Anschluss-Wandbeton“ hat nach den nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen nicht die notwendige Expositionsklasse und weist im Verhältnis zum Fundamentbeton eine unterschiedliche Körnung auf. Insbesondere die unterschiedliche Körnung führt „zwangsläufig“ zu einer Rissbildung wegen der unterschiedlichen Schwindneigung der verwendeten Betonsorten (Fundamentbeton: 0/32; Anschluss-Wandbeton: 0/8).
c. Der Wandbeton (Körnung: 0/16) besitzt zwar alle für eine Siloanlage erforderlichen chemischen Eigenschaften, ist aber in der Wahl der Körnung problematisch, da auch hier eine gegenüber der Körnung des Fundamentbetons 0/32) erhöhte Schwindneigung besteht, so der Sachverständige überzeugend in seinem Hauptgutachten vom 16.06.2015. Als Folge hiervon lässt sich auch nachvollziehbar die Tatsache ableiten, dass die vom Fundament ausgehenden Risse sich im Wandbeton relativ weit nach oben fortsetzen, womit die erhöhte Schwindneigung des Wandbetons nächgewiesen ist.
d. Der Sachverständige führt desweiteren aus, dass die Beklagte anstelle der nach den allgemeinen Regeln der Technik zu verwendenden sogenannten Deckungsfugenbänder lediglich sogenannte „Arbeitsfugenbänder“ verwendet hat. Arbeitsfugenbänder dürfen aber in vertikalen Fugen, die zugleich Dehnungsfugen sind, nicht verwendet werden. Hierdurch ergeben sich Schwachstellen, die den festgestellten Durchtritt von Silagewasser verursacht haben. Schließlich sind die Fugenbänder auch nicht verschweißt, das vertikale Fugenband ist zu kurz eingebunden und hinter dem (vertikalen) Fugenband befindet sich eine Hohlstelle, was insgesamt über die Tatsache der fehlerhaften Verwendung bloßer Arbeitsfugenbänder hinaus zu der vorstehend genannten Schwachstelle, die den Durchtriitt von Silagewasser verursachte, führte.
e. Schließlich führt der Sachverständige aus, dass die Beklagte nicht den Regeln der Technik entsprechend Abstandshalter und Hohlrohre aus Kunststoff verwendete, was in Verbindung mit der Einbindung in Beton zu Microfugen führte, weswegen eigentlich – wie nicht geschehen – ein Bitumenanstrich aufgetragen hätte werden müssen, wenngleich etwa öffentliche Auftraggeber ohnedies die Verwendung von Teilen aus Faserzement (statt Kunststoff) vorschrieben.
f. Einwendungen der Beklagten gegen die seitens des Sachverständigen festgestellte Mangelhaftigkeit.
Die Beklagte kann mit ihren Einwendungen gegen die im selbständigen Beweisverfahren durch den Sachverständigen festgestellten Mängel, auf die sich dieser im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.05.2018 noch einmal vollumfänglich bezogen hat, nicht durchdringen, weswegen auch kein „Obergutachten“ einzuholen war.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die vorhandenen Risse daher rührten, dass die Klägerin entgegen der Anweisung der Beklagten vor der erstmaligen Befüllung des Silos keinen Oberflächenschutz aufgebracht habe.
Es kann dahinstehen, ob eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen wurde oder nicht, denn der Sachverständige hat überzeugend sowohl in seinen Gutachten als auch im Rahmen der mündlichen Anhörung im selbständigen Beweisverfahren vom 12.12.2016 ausgeführt, dass auch bei Anbringung einer Beschichtung die Risse entstanden wären. Die Ursache sei nämlich der vorstehend bereits beschriebene „krasse Körnungsunterschied“ mit der Folge der ebenso stark divergierenden Schwindfreudigkeit der verwendeten Betonteile, die zu Spannungen geführt habe.
Darüberhinaus zeige auch gerade die Tatsache, dass der im Wandbereich verwendete für Siloanlagen geeignete Beton keine sichtbaren Beeinträchtigungen durch die Silageflüssigkeit aufgewiesen habe, dass bei Verwendung eines Betons mit der erforderlichen Expositionsklasse eine Beschichtung nicht notwendig sei.
Vor dem Hintergrund dieser überzeugenden Erläuterungen des Sachverständigen sah die Kammer keinerlei Veranlassung, nach Maßgabe des § 412 Absatz 1 ZPO ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben. Vielmehr hat der Sachverständige die Einwendungen der Beklagten technisch nachvollziehbar und absolut überzeugend widerlegt.
2. Fristsetzung.
Die für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Kostenvorschuss gemäß § 637 Absatz 3 notwendige Fristsetzung zur Nachbesserung ist jedenfalls mit Schreiben vom 14.06.2017 (Frist bis 21.06.2017, Anlage K 9) erfolgt.
3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Vorschussanspruch jedenfalls in Höhe der geltend gemachten 42.000,- €.
Die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen in seinem Haupt – sowie dem Ergänzungsgutachten sind ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, auf diese kann daher Bezug genommeri werden (Seite 21/22 des Ergänzungsgutachtens vom 25.05.2016, Anlage K 4).
Soweit dem die Beklagte entgegenhält, das von ihr eingeholte Privatgutachten (Anlage K 6) würde in Verbindung mit dem Sanierungsvorschlag der Firma B… KG zu einer „kostengünstigeren“ Sanierung kommen, kann dies keinen Erfolg haben.
Im Rahmen eines Anspruches auf Kostenvorschuss sind solche Maßnahmen zur Mängelbeseitigung berücksichtigungsfähig, die die Mängel mit Sicherheit und nicht nur wahrscheinlich beseitigen, auch wenn unverhältnismäßige Maßnahmen nicht vorschusspflichtig sind.
Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 25.05.2016 (Anlage K 4) die durchzuführenden Maßnahmen ausführlich beschrieben und eine ebenso nachvollziehbare Kostenschätzung vorgelegt. Soweit nun die Beklagte einwendet, eine Sanierung sei auch der Gestalt möglich, dass die vorhandenen Risse verpresst und mit einem Schutzanstrich versehen würden, scheitert eine solche Vorgehensweise schon daran, dass sie nach den nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen nicht zur Mängelbeseitigung führen würde. Dieser hat nämlich vor Ort selbst festgestellt, dass die bereits im Kulanzweg erfolgten Verpressungen durch die Beklagte nichts gebracht haben, diese vielmehr einfach aus den Rissen herausfielen. Vielmehr müssen nach den auch insoweit nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen die Risse ausgestemmt bzw. mit einem Wasserstrahl ausgelöst werden und erst dann kann eine Deckbeton-Schicht aufgebracht werden. Da das von der Beklagten herangezogene Konzept der Firma B… KG den anfallenden Aufwand für die Beseitigung der Risse nicht berücksichtigt, kann dieses daher insgesamt nicht als geeignete Grundlage für eine ebenso taugliche, aber (angeblich – die Beklagte hat die diesbezüglichen Kosten noch nicht einmal vorgetragen) billigere Sanierungsvariante angesehen werden.
Die Klägerin hat nach alldem gegen die Beklagte einen Vorschussanspruch in eingeklagter Höhe von 42.000,- €.
II. Nebenforderungen:
Die Zinsnebenforderung ergibt sich dem Grunde nach aus Verzugsgesichtspunkten, der Höhe aus § 288 Absatz 1 Satz 2 BGB, da die eingeklagte Hauptforderung keine „Entgeltforderung“ im Sinne des § 288 Absatz 2 BGB ist.
III. Nebenentscheidungen:
Die Kostenentscheidung folgt § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO, wobei die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens als Kosten des Streitverfahrens der Beklagten aufzuerlegen waren.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1, 2 ZPO.


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