Baurecht

Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine für sofort vollziehbar erklärte sicherheitsrechtliche Anordnung, Erfolgsaussichten der Klage offen, Anordnung zum Rückbau eines Gabionenzauns innerhalb des straßenrechtlichen Sichtdreiecks auf eine Höhe von 80 cm, Kein Spezialitätsverhältnis zwischen Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG und Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 LStVG, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Interessenabwägung

Aktenzeichen  Au 8 S 21.1233

Datum:
24.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30683
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayStrWG Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 LStVG i.V.m. Art. 66 Nr. 4 i.V.m. Art. 29 Abs. 2 S. 1 BayStrWG i.V.m. RASt 06
LStVG Art. 8

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich Ziffer 1 des Bescheids des Antragsgegners vom 26. April 2021 wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,00 festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine für sofort vollziehbar erklärte sicherheitsrechtliche Anordnung zum Rückbau ihres Gabionenzauns auf eine Gesamthöhe von 80 cm.
Die Antragsteller sind Eigentümer eines Eckgrundstücks innerhalb der geschlossenen Ortslage am Ortsrand eines Ortsteiles des Antragsgegners. Die Antragsteller errichteten nach einer Gehwegsanierung entlang der westlichen und nördlichen Grenze ihres Grundstücks einen Gitterzaun aus Metall mit einer Höhe von insgesamt zwei Metern. Der Zaun ist teilweise, u.a. auch im Einmündungsbereich der an diesen Grundstücksseiten verlaufenden Straßen, mit Steinen befüllt („Gabionenzaun“). Entlang der Kreisstraße auf der westlichen Grundstücksseite befindet sich zwischen der Fahrbahn und dem Grundstück der Antragsteller ein ca. zwei Meter breiter Gehweg. Gegenüber der Einmündung der nördlichen Gemeindestraße in die Kreisstraße befindet sich ein Verkehrsspiegel. Die Einmündung ist mit einem Schild „Vorfahrt gewähren“ versehen, die Kreisstraße Vorfahrtsstraße. Auf beiden an das Grundstück angrenzenden Straßen gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h.
Mit Schreiben vom 26. Mai 2020 forderte der Antragsgegner die Antragsteller auf, den zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig mit Steinen befüllten Gabionenzaun ab einer Höhe von 80 cm über dem Boden von Steinen freizuhalten bzw. diese, soweit bereits aufgefüllt, bis zu dieser Höhe wieder zu beseitigen. Zur Begründung ist angeführt, dass das notwendige Sichtdreieck der aus der Neben straße in die Ortsdurchfahrts straße einbiegenden Fahrer ab einer Höhe von 80 cm über dem Erdboden freizuhalten sei, um die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht zu beeinträchtigen. Die Antragsteller ließen mit Schreiben vom 2. Juni 2020 Stellung nehmen. Vor einer Gehwegsanierung im Jahr 2018 sei das Grundstück mit einer Hecke eingefriedet gewesen. Der Antragsgegner habe zugesichert, dass ein Gabionenzaun errichtet werden könne. Die Antragsteller hätten sich im Gegenzug finanziell an der Sanierung beteiligt. Eine Gefahr bestehe nicht. Auf die Stellungnahme wird im Einzelnen verwiesen.
Einer Stellungnahme der Polizeiinspektion vom 7. August 2020 zum Ortstermin am 6. August 2020 („Verkehrsschau“) ist zu entnehmen, dass das Sichtfeld in der Einmündung in Richtung Ortsmitte lediglich 20 m betrage. Die Prüfung habe ergeben, dass der Zaun auch ohne Steinfüllung bei einem entsprechend flachen Blickwinkel nahezu eine Wandwirkung habe und somit keine ausreichende Sicht ermöglichen würde. Gegenüber der Einmündung sei ein Verkehrsspiegel angebracht, der mit seiner Einstellung eine ausreichende Sicht in die Ortsdurchfahrts straße ermögliche. Im Spiegel könnten Geschwindigkeit und Entfernung der Verkehrsteilnehmer jedoch schlecht eingeschätzt und Fahrzeuge mit kleiner Silhouette womöglich komplett übersehen werden. Mit einer Entfernung der vormals bestehenden Hecke hätte die Möglichkeit bestanden, den Verkehrsspiegel abzumontieren. Mit Herstellung des Gabionenzauns sei dieser nun wieder erforderlich, um die Sichtverhältnisse ausreichend herzustellen.
Mit Bescheid vom 26. April 2021 wurden die Antragsteller verpflichtet, den an ihrem näher bezeichneten Grundstück errichteten Gabionenzaun, auf der kompletten Westseite des Grundstücks entlang der näher bezeichneten Kreisstraße auf eine Gesamthöhe von 80 cm (gemessen an der Hinterkante des gepflasterten Gehweges – Oberkante Pflaster), innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides gemäß einem beiliegenden Lageplan zu reduzieren (Ziffer 1). Unter Ziffer 2 wurde die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 angeordnet. Falls die dort festgelegte Verpflichtung nicht, nicht fristgerecht oder nicht vollständig erfüllt wird, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 € fällig (Ziffer 3). In Ziffer 4 sind weitere Anordnungen gegen die Antragsteller vorbehalten, in Ziffer 5 die Kostentragungspflicht der Antragsteller geregelt.
Die Anordnung stütze sich auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 LStVG i.V.m. Art. 66 Nr. 4 BayStrWG. Der Gabionenzaun mit einer Höhe von zwei Metern beeinträchtige die Sicherheit des Verkehrs, da dieser selbst ohne die Steineinfüllung bei einem flachen Blickwinkel nahezu eine Wandwirkung für Autofahrer habe, die über die Einmündung der nördlichen Straße in die Kreisstraße kämen. Gem. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG i.V.m. RASt 06 dürften an Knotenpunkten, Rad-/Gehwegüberfahrten und Überquerungsstellen für wartepflichtige Kraftfahrer, Radfahrer und Fußgänger Anpflanzungen, Zäune und dergleichen nicht angelegt werden, wenn sie das Mindestsichtfeld zwischen 0,80 m und 2,50 m von ständigen Sichthindernissen und sichtbehinderndem Bewuchs nicht freihalten und somit die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen. Das jetzige Sichtfeld nach links in Richtung Ortsmitte betrage lediglich 20 m und genüge diesen Anforderungen nicht. Bei der dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h müsse das Sichtfeld mindestens 70 m betragen. Es sei deshalb von einer konkreten Gefährdung von Gesundheit und Leben der Allgemeinheit und der Sicherheit des Straßenverkehrs auszugehen (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG). Die Anordnung sei im pflichtgemäßen Ermessen im Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs erfolgt. Dies habe eine Interessensabwägung ergeben. Die Anordnung sei auch verhältnismäßig, da sie geeignet sei, um die aus möglichen Unfällen herrührenden Gesundheitsgefahren zu vermeiden. Bei Abwägung der Interessen Dritter, der Gesundheit der Menschen und dem Interesse der Antragsteller handele es sich um keinen unangemessenen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und das Grundrecht auf Eigentum. Weniger einschneidende, gleich effektive Maßnahmen seien nicht ersichtlich. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse geboten, weil nicht bis zur Bestandskraft zugewartet werden könne. Dies ergebe sich aus der Abwägung der Interessen der Antragsteller und denen der Öffentlichkeit. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG.
Hiergegen ließen die Antragsteller am 18. Mai 2021 Klage erheben (*), über die noch nicht entschieden ist, und beantragen,
Der Bescheid des Beklagten vom 26. April 2021 (Az. *) wird aufgehoben.
Am 27. Mai 2021 ließen sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich Ziffer 1 des Bescheids des Beklagten vom 26. April 2021 wird angeordnet.
Die Ortsdurchfahrts straße befinde sich in der Straßenbaulast des Landkreises (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayStrWG, Art. 41, 42 BayStrWG), eine Straßenbaulast des Antragsgegners bestehe nicht.
Der Zaun sei aufgrund des Zuschnitts des Grundstücks der Antragsteller bereits soweit zurückgesetzt, dass sowohl nach Norden als auch nach Süden ein ausreichendes Sichtdreieck bestehe, durch das gewährleistet werde, dass Verkehrsteilnehmer in diesem Bereich ausreichende Sichtverhältnisse hätten. Der Zaun sei zudem auch nicht durchgängig mit Steinen befüllt. Es wechselten sich Zaunfelder mit Steinen und Zaunfelder ohne Steine ab. Hinzu komme ein ca. zwei Meter breiter Gehweg zwischen dem Grundstück der Antragsteller und der Kreisstraße.
Der Antragsgegner sei für den Erlass des Bescheids unzuständig. Eine Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 LStVG sei nur zulässig, wenn eine andere gesetzliche Ermächtigung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 LStVG nicht bestehe. Eine solche bestehe vorliegend für Zäune, die die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen könnten, in Art. 29 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayStrWG. Dafür zuständig sei die Straßenbaubehörde gem. Art. 29 Abs. 3 Satz 1 BayStrWG, vorliegend gem. Art. 58 Abs. 2 Nr. 2 BayStrWG der Landkreis.
Im Übrigen lägen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 2 BayStrWG nicht vor. Die Antragsteller müssten nach dieser Vorschrift lediglich die Beseitigung durch die Straßenbaubehörde dulden. Das einschlägige Verfahren, das von dem Antragsgegner nicht beachtet worden sei, sei in Art. 29 Abs. 3 BayStrWG abschließend geregelt. Eine gesetzliche Ermächtigung, die aktive Beseitigung des Zaunes von den Antragstellern zu verlangen, bestehe nicht.
Mit der Regelung des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG sei eine Beschränkung der Nutzung des privaten Grundstückseigentums verbunden. Deshalb seien die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten ohne einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Die Beseitigungsmöglichkeit sei daher streng an die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit gebunden. Eine konkrete Gefahr im Sinne der Vorschrift liege nicht vor. Es bestünden ausreichende Sichtverhältnisse für alle Verkehrsteilnehmer. Es gebe darüber hinaus mildere Mittel, etwa das Aufstellen eines Verkehrsspiegels oder der Einsatz geeigneter verkehrslenkender Maßnahmen wie etwa das Aufstellen eines Stopp-Schildes. Von Bedeutung könne auch sein, ob das Grundstück mit seiner Einzäunung unmittelbar an die Fahrbahn heranreiche. Dies sei hier nicht der Fall. Die Anordnung sei daher jedenfalls unverhältnismäßig. Der Stellungnahme der Polizeiinspektion vom 7. August 2020 sei zu entnehmen, dass die Aufstellung eines Verkehrsspiegels, der bereits dort vorhanden sei, geeignet und ausreichend sei, die Verkehrssituation an der Einmündung zu verbessern.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Art. 7 Abs. 2 Nr.2 LStVG stelle eine taugliche Rechtsgrundlage dar. Der Antragsgegner sei auch zuständig. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayStrWG stelle keine abschließende Regelung bezüglich der Beseitigung von Zäunen dar. Vielmehr ließe diese Vorschrift sowohl bau- als auch sicherheitsrechtliche Normen unberührt. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut des Art. 29 Abs. 2 BayStrWG als auch aus dessen Sinn und Zweck. Infolgedessen sei auf die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 LStVG abzustellen.
Das Ermessen des Antragsgegners sei umfassend ausgeübt worden. Die Anordnung sei verhältnismäßig. Es werde auf die Stellungnahme der Polizeiinspektion vom 7. August 2020 verwiesen. Auch die Ausführungen zur Aufstellung eines Verkehrsspiegels bzw. eines Stopp-Schildes seien nicht zielführend. Hierzu sei polizeilich Stellung genommen worden. Sicherheitsrechtliche Bedenken könnten auf diese Weise nicht ausgeräumt werden. Durch ein Stoppschild würde das Sichtdreieck nicht vergrößert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch im Verfahren, und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.
Der Antrag der Antragsteller ist nach Auslegung, §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO, als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig. Die Antragsteller wenden sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheides vom 26. April 2021 (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft hierfür eine eigene originäre Entscheidung aufgrund einer summarischen Würdigung der zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen Erkenntnislage unter Abwägung der Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfes und dem Interesse der Behörde an der geltend gemachten sofortigen Vollziehbarkeit, wobei besonderes Gewicht den voraussichtlichen Erfolgsaussichten in der Hauptsache zukommt. Ergibt die summarische Überprüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Überprüfung als rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten der Antragsteller oder des Antragsgegners ausgehen kann. Das Gericht nimmt – da § 80 Abs. 5 VwGO keinerlei inhaltliche Einschränkungen enthält – die Abwägung in eigener Verantwortung vor. Es prüft eigenständig, ob unter Berücksichtigung und Gewichtung aller für und wider den Sofortvollzug sprechenden Umstände – auch solcher, die der Behörde nicht bekannt waren – die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes in der Hauptsache oder aus anderen Gründen wiederherzustellen ist.
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell nicht zu beanstanden. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Die Begründungspflicht soll u.a. der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen („Warnfunktion“), ob tatsächlich ein besonderes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert (BayVGH, B.v. 24.3.1999 – 10 CS 99.27 – BayVBl. 1999, 465 = juris Rn. 18). Bloß formelhafte Begründungen genügen daher regelmäßig nicht.
Diesen formellen Anforderungen genügt die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid. Ob diese Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs in inhaltlicher Hinsicht zu überzeugen vermag, ist hingegen keine Frage der Begründungspflicht, sondern des Vollzugsinteresses.
Aus Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG folgt schon deshalb keine Anhörungspflicht, weil die sofortige Vollziehung nicht als Verwaltungsakt qualifiziert werden kann, sondern es sich um eine verfahrensrechtliche Nebenentscheidung zum Verwaltungsakt handelt. Auch eine analoge Anwendung scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage aus (Eyermann/Hoppe, 15. Aufl. 2019, VwGO, § 80 Rn. 53).
2. Nach der im gerichtlichen Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes als offen zu bewerten, da jedenfalls offen ist, ob die Anordnung zum Rückbau des streitgegenständlichen Gabionenzaunes auf eine Höhe von 80 cm verhältnismäßig ist. Die hiernach durchzuführende Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragsteller aus.
a) Als Rechtsgrundlage für die Anordnung kann der Antragsgegner sich auf Art. 29 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 66 Nr. 4 BayStrWG i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 LStVG stützen.
Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 LStVG vermittelt den Gemeinden (vgl. Art. 6 LStVG) die Befugnis für die erforderlichen Anordnungen zur Beseitigung verbotswidriger Zustände. Die Anwendbarkeit der sicherheitsrechtlichen Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 LStVG ist im vorliegenden Fall nicht durch das Eingreifen einer speziellen Befugnisnorm ausgeschlossen, insbesondere nicht durch Art. 29 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG). Diese Vorschrift, die bestimmte Duldungs- und Unterlassungspflichten des Eigentümers eines zu einer Straße benachbarten Grundstücks zum Schutz der Straße vor nachteiligen Einwirkungen regelt, lässt sicherheitsrechtliche Befugnisnormen und damit auch Art. 7 Abs. 2 LStVG unberührt (vgl. dazu näher VG München, U.v. 6.12.2016 – M 2 K 16.4386 – juris Rn. 17 f.; U.v. 24.2.2011 – M 22 K 10.5503 – juris Rn. 15; U.v. 16.11.2000 – M 17 K 99.2519, M 17 K 99.2632 – juris; U.v. 3.8.2017 – M 2 K 16.3853 – juris Rn. 16 ff.; B.v. 3.6.2014 – M 2 S 14.1381 – juris Rn. 22; Edhofer, PdK Bay L-12, BayStrWG, Art. 29 1.).
Soweit sich die Antragsteller auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.2004 – 8 B 04.1524 – juris Rn. 21) berufen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Eine Aussage zum Verhältnis von Art. 29 BayStrWG zu Art. 7 Abs. 2 LStVG trifft der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dort nicht, sondern lediglich zum (Spezialitäts-) Verhältnis zwischen Art. 29 Abs. 2 und 3 BayStrWG und Art. 26 BayStrWG (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.2004 – 8 B 04.1524 – juris Rn. 21 ff.).
b) Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 LStVG können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um durch rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, verursachte Zustände zu beseitigen. Nach Art. 66 Nr. 4 BayStrWG kann mit Geldbuße belegt werden, wer vorsätzlich oder fahrlässig Art. 29 Abs. 2 Satz 1 zuwiderhandelt. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG dürfen u.a. Zäune nicht angelegt werden, soweit sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen können. Davon ist grundsätzlich u.a. dann auszugehen, wenn das erforderliche Sichtdreieck nach den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) nicht eingehalten wird.
Die Anwendung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit (mit einfachgesetzlichem Niederschlag in Art. 8 LStVG) hat dabei vor dem Hintergrund der Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 103 Abs. 1 BV zur Folge, dass die Nutzungsbeschränkung des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG und die mit ihr verbundene Möglichkeit, die Beseitigung anzuordnen, nicht pauschal und ohne Abstufung auf allen Straßen und Wegen gleichermaßen Anwendung finden können. Der Schwerpunkt ihres Anwendungsbereichs befindet sich vielmehr dort, wo auf Grund der Verkehrsbelastung einer Straße (z.B. erhebliche durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke) oder auf Grund ihrer besonderen Beschaffenheit (z.B. unübersichtlicher oder kurvenreicher Straßenverlauf) konkrete Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs drohen, wenn Sichtdreiecke nicht freigehalten werden oder die Übersichtlichkeit der Straße in sonstiger Weise durch Anlagen im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG beeinträchtigt wird. Das wird vor allem auf freier Strecke, d.h. außerhalb der Ortsdurchfahrten (Art. 4 Abs. 1 BayStrWG), innerorts auf Hauptdurchgangsstraßen und allgemein an Unfallschwerpunkten der Fall sein. Auch eine häufige Benutzung eines Verkehrswegs durch Ortsunkundige kann im Einzelfall eine Bedeutung haben. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hinzukommen muss ferner, dass die konkrete Gefahr nicht hinreichend durch andere, insbesondere einfachere oder einer bestimmten Verkehrssituation angemessene Mittel wie das Aufstellen von Verkehrsspiegeln, den Einsatz geeigneter verkehrslenkender Maßnahmen (insbesondere Verkehrszeichen) und – je nach den örtlichen Gegebenheiten – unter Umständen auch durch den Einsatz von Ampeln oder die Einrichtung von Kreisverkehrsplätzen abgewehrt werden kann. Von Bedeutung sein kann auch, ob das Grundstück mit seiner Einzäunung unmittelbar an die Fahrbahn heranreicht oder ob noch ein Gehsteig zwischengeschaltet ist (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.2004 – 8 B 04.1524 – juris Rn. 27 f.).
c) In Anwendung dieser Grundsätze sind die Erfolgsaussichten der Klage zum derzeitigen Sach- und Streitstand nach Aktenlage und bei summarischer Prüfung als offen zu beurteilen. Die konkrete Beurteilung der Verkehrssituation im Bereich des streitgegenständlichen Zaunes muss – ggf. nach Durchführung eines Ortstermins – der Hauptsache vorbehalten bleiben. Der Antragsgegner hat vorgetragen, das vorgeschriebene Sichtdreieck werde nicht freigehalten. Die Antragsteller behaupten, das bestehende Sichtfeld sei ausreichend. Gegenüber der Einmündung sei zudem ein Verkehrsspiegel montiert, der für ausreichende Sichtverhältnisse sorge. Einer Stellungnahme der Polizei zur Verkehrsschau am 6. August 2020 (Bl. 27 f. der Behördenakte) ist zu entnehmen, dass der errichtete Zaun auch ohne Steinfüllung bei einem entsprechend flachen Blickwinkel, wie er beim Ausfahren aus der Seiten straße entstehe, nahezu eine Wandwirkung habe und somit keine ausreichende Sicht in die Kreisstraße ermögliche. Gegenüber der Einmündung sei ein Verkehrsspiegel angebracht, der mit seiner Einstellung eine ausreichende Sicht in die Ortsdurchfahrts straße ermögliche. Im Spiegel könnten Geschwindigkeit und Entfernung der Verkehrsteilnehmer jedoch schlecht eingeschätzt und Fahrzeuge mit kleiner Silhouette womöglich komplett übersehen werden. Mit einer Entfernung der vormals bestehenden Hecke habe die Möglichkeit bestanden, den Verkehrsspiegel abzumontieren. Mit Herstellung des Gabionenzauns sei dieser nun wieder erforderlich, um die Sichtverhältnisse ausreichend herzustellen.
Nach Aktenlage ist zum gegenwärtigen Sach- und Streitstand daher nicht ersichtlich, ob die Anordnung des Rückbaus des streitgegenständlichen Zaunes auf eine Höhe von 80 cm den o.g. Grundsätzen insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit entspricht.
d) Die hiernach vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragsteller aus. Es ist aus den Akten nicht ersichtlich, dass an der streitgegenständlichen Einmündung ein Unfallschwerpunkt besteht. Der polizeilichen Einschätzung zufolge bestehen aktuell ausreichende Sichtverhältnisse. Hinzu kommt, dass die Sichtverhältnisse auch ausweislich der polizeilichen Einschätzung im Rahmen der Verkehrsschau bereits seit längerer Zeit nicht wesentlich von der aktuellen Situation abweichen (Bl. 18 f. und 27 ff. der Behördenakte). Vor Errichtung des streitgegenständlichen Zaunes nach einer Gehwegsanierung war das Grundstück der Antragsteller nach Aktenlage mit einer hohen Hecke eingefriedet. Vor diesem Hintergrund überwiegt in Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und der sich aus den Grundrechten ergebenden entgegenstehenden Interessen zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes das Suspensivinteresse der Antragsteller.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert war nach § 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG zu bestimmen. Das Gericht orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (dort Nrn. 1.5, 35.1). Der in der Hauptsache anzusetzende Streitwert in Höhe von 5.000,00 EUR war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.


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