Baurecht

Antragsbefugnis wegen Ansteigen des Verkehrslärms durch Bebauungsplan

Aktenzeichen  9 N 16.257

Datum:
11.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 47 Abs. 2 S. 1, § 161 Abs. 2
GO Art. 26 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin ein Drittel und die Antragsgegnerin zwei Drittel.
III. Der Streitwert wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Das Verfahren ist aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Antragstellerin (Schriftsatz vom 1.6.2017) und der Antragsgegnerin (Schriftsatz vom 21.6.2017) beendet und einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung).
Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten wie geschehen zu verteilen.
Bei der Kostenentscheidung ist hier zunächst zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin das erledigende Ereignis mit der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB aus eigenem Willen herbeigeführt hat und die dadurch erfolgte eventuelle Heilung des Bebauungsplans Sondergebiet „Großflächiger Einzelhandel K. Straße 34“ ausschließlich ihrem Verantwortungsbereich zuzuordnen ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 9 N 12.2579 – juris Rn. 2). Es kommt hinzu, dass der angegriffene Bebauungsplan jedenfalls bis zum Abschluss des ergänzenden Verfahrens nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden war. Bebauungspläne sind Satzungen (§ 10 Abs. 1 BauGB) und als solche nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO auszufertigen, bevor sie gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB in Kraft gesetzt werden. Dies gebietet das in Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 BV verfassungsrechtlich verankerte Rechtsstaatsprinzip (vgl. BayVGH, U.v. 1.7.2014 –15 N 12.233 – juris Rn. 26 m.w.N.). Hier ist die Ausfertigung durch die erste Bürgermeisterin der Antragsgegnerin auf der Originalurkunde am 19. Oktober 2015 und damit erst nach der Bekanntmachung des Bebauungsplans am 16. Oktober 2015 erfolgt.
Demgegenüber kann aber nicht ohne weiteres vom Vorliegen der Antragsbefugnis der Antragstellerin nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausgegangen werden. Zwar scheitert ihre Antragsbefugnis nicht schon daran, dass sie nur Mieterin einer Wohnung auf einem dem Plangebiet benachbarten Grundstück ist. Ihr Interesse, von zusätzlichem Verkehrslärm verschont zu bleiben, den die Verwirklichung des Bebauungsplans mit sich bringen wird, stellt grundsätzlich ein abwägungsbeachtliches Interesse bei der Aufstellung eines Bebauungsplans dar. Die Tatsache, dass eine bestimmte Grundstücksnutzung nur aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrags geschieht, führt nicht aus sich dazu, dass die damit zusammenhängenden Interessen bei der planerischen Abwägung unberücksichtigt zu bleiben hätten (vgl. BVerwG, U.v. 21.10.1999 – 4 C N 1/98 – juris Rn. 14 f.
Allerdings bedürfte es einer vertieften Prüfung, ob dieses Interesse der Antragstellerin über die Bagatellgrenze hinaus betroffen wird. Die Antragsgegnerin verneint dies unter Hinweis auf ihr Vorbringen im Verfahren des Senats 9 C 16.1241, wonach am Wohnhaus der Antragstellerin die einschlägigen Immissionsrichtwerte der TA-Lärm deutlich unterschritten werden. Dadurch ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Lärmbelastung die Antragstellerin infolge des Bebauungsplans ansteigt. Ob eine planbedingte Zunahme von Lärm mehr als geringfügig und deshalb als Abwägungsbelang beachtlich ist, lässt sich nicht anhand fester Maßstäbe beurteilen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3/12 – juris Rn. 27). Es bedarf vielmehr einer wertenden Gesamtbetrachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der gegebenen Vorbelastung und der Schutzwürdigkeit des jeweiligen Gebiets (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2015 – 4 BN 18/14 – juris Rn. 23). Im Rahmen dieser Kostenentscheidung findet aber eine weitere Sachaufklärung ebenso wenig statt wie eine Klärung schwieriger Rechtsfragen (vgl. RP Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 161 Rn. 15).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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