Aktenzeichen 7 B 34/09
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 18. Juni 2009, Az: 20 A 4971/05, Urteil
Gründe
I.
1
Die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgänger betrieben seit 1936 südlich der am Ortsrand von H. verlaufenden L 422 eine Grube zum Abbau von Formsand (Sandgrube “L.”). Nach Inkrafttreten des Abgrabungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (1. Januar 1973) weiter geführte Abgrabungen wurden mit der Maßgabe, einen Abbau- und Herrichtungsplan vorzulegen, genehmigt. Der bereits für Mitte der 1980er Jahre vorgesehene Abschluss der Sandgewinnung ist mehrfach hinausgeschoben worden; Ende 1999 erfolgte deren endgültige Einstellung. Die von der Beigeladenen schon 1998 aufgenommene Bauleitplanung (B-Plan HM-227 A) – Trassenverschiebung der L 422 in den Nordteil der Grube und deren Gestaltung als Grünfläche (ohne Wiederverfüllung der Grube) im Süden – steht nunmehr (nach gerichtlicher Beanstandung der ursprünglichen Planung) vor dem Abschluss. Ob und wann die Trassenverlegung realisiert wird, ist ungewiss. Im Jahr 2000 wurde eine Verordnung zur einstweiligen Sicherstellung der Sandgrube erlassen. Diese enthielt u.a. ein Verbot weiterer Aufschüttungen und Abgrabungen. In der Folgezeit ordnete der Beklagte die Stilllegung der Grube an und versiegelte deren Zufahrtstor. 2004 erfolgte die naturschutzrechtliche Unterschutzstellung der “Sandgrube H.”.
2
Bereits im Dezember 1998 hatte die Klägerin eine Änderung der Abgrabung und Herrichtung zur “Renaturierung der Sandgrube R.” (IDEKO und Ingenieurbüro M./Renatuierungskonzept) beantragt. Der Erläuterungsbericht für dieses Vorhaben geht von einer Neugestaltung der Sandgrube unter Einbau von ca. 500 000 cbm mineralischem Verfüllmaterials aus (inklusive ca. 60 000 cbm Sand aus der Grube zur Sicherstellung des erforderlichen Abstandes zum anstehenden Grundwasser). Eine Oberflächenabdichtung sollte die Herrichtung/Verfüllung abschließen. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 30. Juni 2003 ab, der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg. Im Weiteren lehnte der Beklagte auch den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis ab, der die Teilverfüllung mit ca. 240 000 cbm eines Gemisches von Erdaushub, Abbruchmaterialien und mineralischen Einbaustoffen zum Gegenstand hatte.
3
Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Genehmigung der weiterführenden Abgrabung und Herrichtung. Die beabsichtigte Aufschüttung der Sandgrube mit schadstoffhaltigem Füllmaterial bedürfe der abfallrechtlichen Planfeststellung. Von einer Abfallverwertung könne nicht ausgegangen werden, da die Klägerin zur Verfüllung der Sandgrube nicht verpflichtet und eine Verfüllung in dem von der Klägerin geplanten Umfang auch unter Berücksichtigung der Festsetzungen des Bebauungsplans nicht notwendig sei. Außerdem stünden einer Abfallverwertung – wenn man eine solche unterstelle – öffentliche Belange entgegen. Diese würde nicht schadlos erfolgen, da das Verfüllmaterial nach “LAGA Z2 Bauschutt” deutliche Schadstoffbelastungen aufweise. Das Vorhaben der Klägerin schließe keinen ausreichenden Schutz von Wasser und Boden ein; die vorgesehene mineralische Oberflächenabdichtung sei unzureichend. Aufgrund der Notwendigkeit einer abfallrechtlichen Planfeststellung bzw. Plangenehmigung scheide auch die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis aus.
4
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
II.
5
Die Beschwerde ist unbegründet. Weder liegt der geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch ist ein Verfahrensmangel feststellbar, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
6
1. Die von der Klägerin als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,
ob für die Einordnung einer beantragten Herrichtung als Maßnahme der Verwertung zwingend ist, dass der Antragsteller mit der Verfüllung der Sandgrube einer abgrabungsrechtlichen/gesetzlichen Pflicht nachkommen muss und das beantragte Vorhaben mangels Vorliegen einer solchen Pflicht bereits als Maßnahme der Beseitigung anzusehen ist,
beantwortet sich ohne Weiteres aus dem Gesetz selbst und bedarf daher nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens; sie ist zudem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 KrW-/AbfG liegt eine Verwertung von Abfällen auch in der Nutzung von Abfällen zu ihrem ursprünglichen Zweck, also zum Wiedereinbau zuvor aus- oder abgebauten Materials (Aushub) oder hieraus gewonnener Produkte (Bauschutt), wenn der Hauptzweck der Maßnahme auf die Substitution von Rohstoffen gerichtet ist (Urteil vom 26. April 2007 – BVerwG 7 C 7.06 – BVerwGE 129, 1 ). Eine stoffliche Verwertung setzt damit voraus, dass der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls, nicht aber in der Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt. Ersteres ist dann der Fall, wenn mit der Verfüllung eine abgrabungs- oder auch abfallrechtliche Pflicht zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche erfüllt werden soll (Urteil vom 14. April 2005 – BVerwG 7 C 26.03 – BVerwGE 123, 247 ). Da insoweit aber keine dem verfolgten Renaturierungskonzept entsprechende Verpflichtung der Klägerin auf abgrabungsrechtlicher oder sonstiger rechtlicher Grundlage besteht, dieses im Gegenteil den vom Beklagten und der Beigeladenen verfolgten naturschutzrechtlichen und städteplanerischen Zielen zuwiderläuft, liegt der Hauptzweck der Maßnahme in der Beseitigung schadstoffbehafteten Verfüllmaterials in einer ausgebeuteten Sandgrube.
7
2. Die weitere als klärungsbedürftig erachtete Frage,
ob das Interesse der Klägerin an der Verfüllung des Grundstücks, auf dem zuvor Bodenschätze abgebaut wurden, dann durch Art. 14 GG geschützt ist, wenn mit der Verfüllung weder eine Benutzung des Grundwassers noch eine sonstige erlaubnispflichtige Benutzung eines Gewässers verbunden ist,
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, da die Klägerin selbst – zutreffend – einen wasserrechtlichen Benutzungstatbestand im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG nicht ausschließt und deshalb auch eine wasserrechtliche Erlaubnis beantragt hat, die der Beklagte wegen der horizontalen und vertikalen Wasserdurchlässigkeit der Deckschichten über dem Grundwasser versagt hat.
8
Im Übrigen gehört das Interesse der Klägerin an einer Auffüllung ihres Grundstücks ebenso wie andere Nutzungsmöglichkeiten, die zum Teil in § 29 Abs. 1 BauGB beschrieben sind, zwar zum Inhalt des durch Art. 14 GG geschützten Eigentums an Grund und Boden. Doch ist die Reichweite der Eigentumsgarantie durch die dem Gesetzgeber obliegende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums beschränkt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Nutzungsmöglichkeiten – wie der Abbau von Bodenschätzen oder die Bebauung eines Grundstücks – sind somit nur nach Maßgabe des einfachen Rechts gewährleistet (stRspr vgl. Urteil vom 12. März 1998 – BVerwG 4 C 10.97 – BVerwGE 106, 228 ). Beabsichtigt der Eigentümer eines Grundstücks die oberirdische Gewinnung von Bodenschätzen, bedarf diese Abgrabung – wie ursprünglich im Falle der Klägerin – einer Genehmigung (vgl. § 3 Abs. 1 AbgrG), die zum einen an zwingenden Vorgaben der §§ 29 ff. BauGB auszurichten ist (Urteil vom 18. März 1983 – BVerwG 4 C 17.81 – Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 199) und zum anderen mit Rekultivierungs- bzw. Herrichtungsvorgaben verbunden werden kann. Die Aufschüttung eines Grundstücks als eigenständiges bauliches Vorhaben unterfällt § 29 Abs. 1 BauGB und bedarf nach landesrechtlicher Maßgabe (§ 65 Abs. 1 Nr. 42 BauO NRW) einer Baugenehmigung. Beabsichtigt der Eigentümer die Aufschüttung und Ablagerung schadstoffhaltiger Stoffe auf seinem Grundstück, um sie zu beseitigen, bedarf dies einer abfallrechtlichen Planfeststellung (§ 31 Abs. 2 KrW-/AbfG, vgl. Urteil vom 30. März 1990 – BVerwG 7 C 82.88 – BVerwGE 85, 120 ). Die Klägerin ist jedoch weder Inhaberin eines Planfeststellungsbeschlusses noch Inhaberin einer Genehmigung zur Verfüllung des Grundstücks; allein auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG kann sie einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung nicht stützen (Urteil vom 19. Februar 2004 – BVerwG 4 C 4.03 – BVerwGE 120, 130 ).
9
3. Die weiter erhobene Frage nach der “Anwendbarkeit der LAGA-Regeln (M 20) und zur Reichweite bodenschutzrechtlicher Anforderungen bei der Verfüllung von Tongruben, Abgrabungen, technischen Bauwerken und sog. bodenähnlichen Anwendungen” genügt bereits nicht den Darlegungsanfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde erschöpft sich insoweit darin, die rechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts als fehlerhaft anzugreifen. Hinzu kommt, dass das Oberverwaltungsgericht das angegriffene Urteil auf zwei von einander unabhängige, selbständig die Entscheidung tragende rechtliche Erwägungen gestützt hat. Zum einen hat es die Verfüllung der Grube als unzulässige Abfallbeseitigung gewertet. Zum anderen hat es angenommen, dass selbst dann, wenn man die Verfüllung als Abfallverwertung qualifiziere, diese ohne Basisabdichtung der Grube nicht schadlos erfolgen könne. Da bereits die Erwägungen zu ersterem, d.h. die Annahme einer Abfallbeseitigung mangels Pflicht der Klägerin zur Rekultivierung der Grube, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts selbstständig trägt, kommt es auf die Zulässigkeitsanforderungen der Länderarbeitsgemeinschaft sowie der Bundes-Bodenschutzverordnung hinsichtlich einer schädlichen Bodenveränderung im Zusammenhang mit der Verwertung mineralischer Stoffe nicht weiter an.
10
4. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Ausgehend von der materiell-rechtlichen Erwägung, dass die beantragte Herrichtung und die damit einhergehende Teilverfüllung der Grube mit schadstoffbelasteten Materialien sich als planfeststellungsbedürftiger Betrieb einer Abfallbeseitigungsanlage erweist, musste sich dem Gericht keine weitergehende Beweisaufnahme in Form eines Augenscheins aufdrängen. Darüber hinaus hat der Bevollmächtigte der Klägerin einen entsprechenden (unbedingten) Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung auch nicht gestellt. Ebenso wenig mussten sich dem Oberverwaltungsgericht vor dem materiell-rechtlichen Hintergrund eines beantragten Deponiebetriebs weitere Aufklärungen über den räumlichen und mengenmäßigen Umfang der beabsichtigten Verfüllung aufdrängen. Hierauf kommt es nicht an, wenn der beabsichtigten Herrichtung – in welcher Verfüllkapazität auch immer – grundsätzlich die Planfeststellungsbedürftigkeit dieses Vorhabens entgegen steht.
Die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 26.01.2011 – 1 BvR 629/10 – nicht zur Entscheidung angenommen.