Baurecht

Ausbaustrecke Nürnberg – Ebensfeld, Planfeststellungsabschnitt Fürth Nord

Aktenzeichen  3 A 4/15

Datum:
9.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:091117U3A4.15.0
Normen:
§ 87b Abs 3 VwGO
§ 1 Abs 1 S 1 Nr 1 UmwRG
§ 2 Abs 1 UmwRG
§ 2 Abs 3 UmwRG
§ 2 Abs 4 S 1 Nr 1 UmwRG
§ 2 Abs 4 S 2 UmwRG
§ 7 Abs 4 UmwRG
§ 1 Abs 1 S 1 Nr 5 VerkPBG
§ 1 Abs 2 VerkPBG
§ 5 Abs 1 VerkPBG
§ 11 Abs 2 VerkPBG
§ 46 VwVfG
§ 73 Abs 4 S 3 VwVfG
§ 73 Abs 4 S 4 VwVfG
§ 73 Abs 4 S 5 VwVfG
§ 73 Abs 4 S 6 VwVfG
§ 73 Abs 8 S 1 VwVfG
§ 75 Abs 1a VwVfG
§ 3b Abs 1 S 1 UVPG
§ 6 UVPG
§ 9 Abs 1 S 4 UVPG
§ 9 Abs 1b S 1 Nr 1 UVPG
§ 11 UVPG
§ 12 UVPG
§ 16 Abs 2 UVPG
Anl 1 Nr 14.7 UVPG
§ 18 AEG
§ 18a AEG
§ 18c AEG
§ 18e Abs 5 AEG
§ 22 AEG
§ 39 Abs 1 S 2 AEG
§ 1 Abs 2 BSWAG
§ 11 Abs 2 EBO
§ 13 BNatSchG 2009
§ 14 Abs 1 BNatSchG 2009
§ 15 Abs 1 BNatSchG 2009
§ 15 Abs 2 BNatSchG 2009
§ 44 Abs 1 BNatSchG 2009
§ 44 Abs 5 BNatSchG 2009
§ 45 Abs 7 BNatSchG 2009
§ 41 BImSchG
§ 42 BImSchG
§ 1 Abs 2 BImSchV 16
§ 2 Abs 1 BImSchV 16
§ 27 WHG 2009
§ 28 WHG 2009
§ 47 WHG 2009
§ 52 Abs 1 WHG 2009
§ 76 Abs 3 WHG 2009
§ 78 Abs 1 WHG 2009
§ 78 Abs 4 WHG 2009
§ 78 Abs 6 WHG 2009
Art 4 Abs 1 Buchst a Ziff i EGRL 60/2000
Art 4 Abs 1 Buchst a Ziff ii EGRL 60/2000
Art 4 Abs 1 Buchst a Ziff iii EGRL 60/2000
§ 4 BBodSchG
§ 7 S 6 BBodSchG
§ 8 Abs 1 S 2 Nr 1 BBodSchG
§ 4 Abs 2 S 1 BBodSchV
Anh 2 Nr 3.1 BBodSchV
§ 3 Abs 1 Nr 2 ROG 2008
§ 4 Abs 1 ROG 2008
§ 6 Abs 1 HGrG
§ 7 Abs 1 BHO
§ 7 Abs 2 S 1 BHO
§ 3 Nr 1 Buchst c GVFG
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

1. Hat sich die Planfeststellungsbehörde bei der Bewertung der Eingriffswirkungen und der Kompensationswirkung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für ein bestimmtes Verfahren entschieden, darf sie hiervon nur abweichen, wenn dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.
2. Die “Mitteilungen der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) 20, Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen” – LAGA M 20 Teil II (1997) – sind geeignet, die sich aus den Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Wasserversorgung ergebenden Anforderungen an den Einbau von mineralischen Abfällen zu konkretisieren. In den Zonen I bis III A eines Wasserschutzgebietes ist hiernach ein offener Einbau von Boden nicht zulässig, der nur die Werte der Schadstoffklasse Z 1.1 einhält.
3. Stellt die Planfeststellungsbehörde für die Abwägung von Trassenvarianten auf die Ergebnisse von Nutzen-Kosten-Untersuchungen ab, die – jeweils in einzelnen Punkten – von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, nicht in vollem Umfang der eigenen Methodik entsprechen, bestehende Bewertungsspielräume auch anders hätten nutzen können und Annahmen enthalten, die eine vergleichende Bewertung der Trassenvarianten in der Abwägung nicht zulassen, muss sie diese Umstände in den Blick nehmen und deren Bedeutung für die Variantenauswahl gewichten.
4. Wirken sich Trassenvarianten auf die Lärmsituation von Anwohnern deutlich unterschiedlich aus und ist keine Variante bereits aus anderen Gründen eindeutig vorzuziehen, müssen die jeweiligen Auswirkungen zumindest überschlägig ermittelt und in die Abwägung eingestellt werden. Das gilt umso mehr, wenn Lärmbelastungen im Raum stehen, die die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle von 70/60 dB(A) Tag/Nacht überschreiten.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 30. Januar 2014 für das Vorhaben “Ausbaustrecke Nürnberg – Ebensfeld, Planfeststellungsabschnitt Fürth Nord (PFA 16), Bau-km 12,400 bis km G 16,840 / 16,525”.
2
Die Ausbaustrecke Nürnberg – Ebensfeld ist Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 8 “Ausbau-/Neubaustrecke Nürnberg – Erfurt – Leipzig/Halle – Berlin”. Bisher werden im hier planfestgestellten Abschnitt 16 auf der zweigleisigen Bestandsstrecke der Personenfernverkehr, der Personennahverkehr einschließlich S-Bahn und der Güterverkehr abgewickelt. Der Planfeststellungsbeschluss lässt den Bau zwei neuer Gleise für den Güterverkehr und einer neuen S-Bahn-Trasse zu. Die Güterzuggleise sollen nach Verlassen eines noch nicht planfestgestellten, etwa 7 km langen Güterzugtunnels zur Anbindung des Rangierbahnhofs Nürnberg parallel zur Bundesautobahn A 73 verlaufen (km G 13,500 – km G 16,840). Die S-Bahn-Strecke (km S 12,376 – km S 16,999) soll – zunächst eingleisig – an einem neuen Haltepunkt Stadeln-Süd von der Bestandsstrecke nach Osten abschwenken, nach Querung der BAB A 73 mit einem weiteren Haltepunkt den Fürther Ortsteil Steinach und das Nürnberger Gewerbe- und Industriegebiet Schmalau anbinden, bei km S 16,0 zweigleisig werden und im Norden des Planfeststellungsabschnittes (km S 16,5) mit den Güterzuggleisen verknüpft werden (sogenannte Verschwenktrasse). Die beiden Bestandsgleise mit zwei höhengleichen Bahnübergängen sollen mit Ausnahme der Verknüpfungen nicht geändert werden. Der Haltepunkt Vach bleibt bestehen. Güterzüge können weiterhin auch die Bestandsgleise nutzen.
3
Anlass für den Rechtsstreit ist der Verlauf der neuen S-Bahn-Strecke. Als Alternative zur Verschwenktrasse könnte die S-Bahn-Trasse in Bündelung mit den beiden Bestandsgleisen geführt werden (sogenannte Bündelungstrasse). Die beiden höhengleichen Bahnübergänge wären aufzulassen und durch ein Kreuzungsbauwerk bei km 14,220 zu ersetzen. Eine solche Bündelungstrasse war Gegenstand des Raumordnungsverfahrens für die Ausbaustrecke Nürnberg – Ebensfeld. Die Landesplanerische Beurteilung vom 30. Juli 1993 kam zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben – mit Maßgaben – den Erfordernissen der Raumordnung entspricht. Es wurde aber angeregt, die Möglichkeit einer S-Bahn-Anbindung des damals von einem Zweckverband “Gewerbepark Nürnberg, Fürth, Erlangen” geplanten Gewerbeparks zu prüfen. Die Planungen für einen gemeinsamen Gewerbepark wurden aufgegeben. Die Stadt Fürth hat aber nördlich von Steinach ein Gewerbegebiet ausgewiesen und im Jahr 2013 an die BAB A 73 angeschlossen. Dort haben sich u.a. ein großflächiger Möbelmarkt und ein Teppichhaus angesiedelt.
4
Den Plan für den streitigen Ausbauabschnitt reichte die Beigeladene im November 1996 ein.
5
Die Regierung von Mittelfranken als Anhörungsbehörde veranlasste, dass die Planunterlagen nach ortsüblicher Bekanntmachung in der Zeit vom 12. Februar 1997 bis zum 11. März 1997 in den Städten Nürnberg, Fürth und Erlangen öffentlich ausgelegt wurden. Der Erörterungstermin fand am 29. Oktober 1997 statt. Ihre abschließende Stellungnahme gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt gab die Anhörungsbehörde am 5. Februar 1998 ab.
6
Anschließend ruhte das Planfeststellungsverfahren. Es wurde Ende 2001 mit einer 1. Planänderung vom November 2005 wieder aufgenommen. Unter anderem wurde die S-Bahn-Trasse, die bisher entlang der Teiche an der Schmalau verlaufen sollte (sogenannte Teichtrasse), nach Westen in den Korridor der vorhandenen Bahnstromleitung verschoben. Zu diesen Planänderungen führte die Regierung von Mittelfranken ein weiteres Anhörungsverfahren durch. Die Unterlagen wurden Anfang 2006 öffentlich ausgelegt. Der Erörterungstermin fand im März 2007 statt.
7
Im August 2008 beantragte die Beigeladene eine 2. Planänderung. Sie hatte u.a. den Landschaftspflegerischen Begleitplan nach Erstellung eines artenschutzrechtlichen Fachbeitrags überarbeitet, die Bahnentwässerung überprüft und die Trassierung der S-Bahn im Übergang zum zweigleisigen Bereich mittels Außenbogenweichen optimiert. Die Planunterlagen wurden im September/Oktober 2008 öffentlich ausgelegt, die Einwendungen am 5. und 6. Juli 2011 erörtert. Anschließend fanden ein “Runder Tisch Wasserwirtschaft” (PFB S. 68 bis 70) unter Beteiligung der Regierung von Mittelfranken, des Wasserwirtschaftsamts Nürnberg, der infra fürth gmbh, des Zweckverbands Eltersdorfer Gruppe und der Beigeladenen sowie eine Abstimmung zwischen der Höheren Naturschutzbehörde bei der Regierung von Mittelfranken und der Beigeladenen statt. Die Anhörungsbehörde gab ihre abschließende Stellungnahme am 28. November 2012 ab. Die Planunterlagen wurden zuletzt am 16. Dezember 2013 durch Violetteintrag geändert.
8
Mit Beschluss vom 30. Januar 2014 stellte das Eisenbahn-Bundesamt – Außenstelle Nürnberg – den Plan für das Vorhaben fest, erteilte wasserrechtliche Erlaubnisse und ordnete Vorkehrungen zum Schutz vor Lärm und Erschütterungen an.
9
Gegen diesen Planfeststellungsbeschluss (PFB) hat der Kläger Klage erhoben. Er hält den Planfeststellungsbeschluss für formell und materiell rechtswidrig. Die Umweltverträglichkeitsprüfung sei mit Blick auf das Raumordnungsverfahren in unzulässiger Weise beschränkt worden. Zu den nach der 2. Planänderung vorgenommenen weiteren Änderungen der Planunterlagen insbesondere nach vorläufiger Sicherung des Überschwemmungsgebietes Bucher Landgraben vom 11. Februar 2010 (PFB S. 88) habe die Öffentlichkeit erneut beteiligt werden müssen. Die Bündelungslösung sei nicht in der gebotenen Weise auf ihre Umweltverträglichkeit untersucht worden. Mit der Herausnahme des Güterzugtunnels aus dem vordringlichen Bedarf im Bundesverkehrswegeplan 2030 drohe die Entstehung eines Planungstorsos mit stärkeren Umweltauswirkungen für die Anlieger der Bestandstrasse. Das Vorhaben sei unvereinbar mit den Festlegungen des Landesentwicklungsprogramms 2013 zum Vorrang ökologischer Belange und des Regionalplans zur Erhaltung der Sonderkulturanbauflächen im Kerngebiet des Knoblauchslandes. Die Bestandsaufnahmen der Tierarten für die artenschutzrechtliche Prüfung aus dem Jahr 2007 genügten insbesondere im Hinblick auf die Zahl der Begehungen und die Genauigkeit der Erfassung der Vorkommensbereiche nicht den allgemein anerkannten Standards. Das Vorgehen sei zudem unzureichend dokumentiert; die Daten seien zu alt. Ob Zugriffsverbote verwirklicht würden, lasse sich auf dieser Grundlage nicht hinreichend sicher beurteilen. Die Vermeidungsmaßnahmen, insbesondere die Bauzeitbeschränkungen, seien zur Vermeidung von Individuenverlusten nicht ausreichend, die CEF-Maßnahmen wegen ihrer Nähe zu den störenden Verkehrswegen nicht geeignet. Die für Fledermäuse, die Zauneidechse und die Grüne Keiljungfer beantragten Ausnahmen seien nicht erteilt worden; jedenfalls lägen die Ausnahmevoraussetzungen nicht vor. Der in der Eingriffs-Ausgleichs-Bilanz mit 0,2 angesetzte Kompensationsfaktor Acker entspreche nicht der ökologischen Wertigkeit dieser Flächen. Zerschneidungsbedingte Verschlechterungen der Habitate seien überhaupt nicht berücksichtigt worden. Die Zulassung von Dammschüttmaterial der Schadstoffklasse Z 1.1 für die Verschwenktrasse gefährde die Trinkwasserversorgungsanlagen der Stadt Fürth. Die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Vorschriften zum Schutz der Oberflächen- und der Grundwasserkörper sei nicht geprüft worden.
10
Bei fehlerfreier Abwägung erweise sich nicht die Verschwenk-, sondern die Bündelungstrasse als eindeutig vorzugswürdig. Die Annahme, dass das Nutzen-Kosten-Verhältnis für die Verschwenktrasse 1,18, für die Bündelungstrasse aber nur 0,93 betrage, sei unrichtig. Bei methodisch einwandfreier Anwendung der Standardisierten Bewertung drehe sich das Verhältnis um; für die Bündelungstrasse liege der Wert dann über 1. Der Flächenbedarf der jeweiligen Trassen sei für den Vergleich nicht zutreffend ermittelt worden. Bei Betrachtung häufigerer Hochwasser als HQ 100 sei die Bündelungstrasse günstiger. Bauzeitlichen Risiken für die Trinkwassergewinnung komme mit Blick auf die Notverbundsleitung zwischen den Trinkwassergewinnungsanlagen Knoblauchsland und Eltersdorfer Gruppe nur geringe Bedeutung zu. Der Planfeststellungsbeschluss übersehe, dass die Bündelungstrasse die auf der Bestandsstrecke vorhandenen Lärmkonflikte bewältige; bei Verwirklichung der Verschwenktrasse blieben diese Konflikte bis zu einer Lärmsanierung unbewältigt. Nur die Verschwenktrasse unterbreche die Gemeindeverbindungsstraßen zwischen Steinach und Schmalau sowie zwischen Stadeln und Kronach.
11
Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 30. Januar 2014 in der Fassung der Protokollerklärung vom 27. Oktober 2017 aufzuheben,
hilfsweise,
festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist,
höchst hilfsweise
die Beklagte zu verpflichten, in das Ermessen des Gerichts gestellte weitere Schutzauflagen festzusetzen.
12
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
13
Sie treten dem Vorbringen des Klägers entgegen. Die Beigeladene hat im Jahr 2015 die Biotop- und Nutzungstypen sowie die betroffenen Tierarten neu kartieren lassen. Auf dieser Grundlage hat sie die Unterlage “Variantenvergleich der Bündelungs- und Verschwenktrasse in den Stadtgebieten von Fürth und Nürnberg – Zusammenfassung, Aktualisierung, Überprüfung der Planfeststellung” vom November 2016 (B 11) erstellen lassen und in das gerichtliche Verfahren eingeführt. Außerdem hat sie eine “Stellungnahme zur veränderten Hochwassersituation Bucher Landgraben sowie Gründlach durch S-Bahn-Verschwenk bzw. Bündelungstrasse” vom 24. August 2016 vorgelegt.
14
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Planfeststellungsbeschluss – mit Zustimmung der Beigeladenen – zu Protokoll des Gerichts in naturschutzrechtlicher Hinsicht geändert. Wegen des Inhalts dieser Änderungen wird auf die Anlagen A und B des Protokolls Bezug genommen.


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