Baurecht

Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts durch eine Stiftung

Aktenzeichen  AN 11 K 18.00862

Datum:
19.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16126
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayNatSchG Art. 39
BNatSchG § 30
BayVwVfG Art. 40
BGB § 469

 

Leitsatz

1. Die Ausübungsfrist des Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG wird erst mit dem Zugang des richtigen, vollständigen und wirksamen Vertrags in Lauf gesetzt (ebenso BayVGH BeckRS 2019, 30425). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Charakter der Ausübung des Vorkaufsrechts als fristgebundener Verwaltungsakt steht der Heilungsmöglichkeit nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 BayVwVfG nicht entgegen.  (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach entsprechender Auslegung des Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG kann die Vorkaufsrechtsausübung auch zugunsten einer Stiftung erfolgen, wenn sie nach ihrer Satzung Ziele verfolgt, die genauso von einem Naturschutzverein verfolgt werden könnten. (Rn. 39 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei der Bewertung der Rechtfertigungsgründe gilt die Vermutung, dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand oder von Naturschutzverbänden die Verwirklichung der Ziele von Natur- und Landschaftspflege besser und sicherer gewährleisten als in der Hand von Privatpersonen, deren privatnützige Interessen leicht in Konflikt mit den Anforderungen von Naturschutz und Landschaftspflege geraten können. (Rn. 48 – 49) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Gründe

A.
Zu dem Verfahren, mit welchem der Kläger sich gegen die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts durch den Beklagten wendet, waren der Verkäufer des verfahrensgegenständlichen Grundstückes als Beigeladener zu 2 und die Stiftung, zu deren Gunsten das Vorkaufsrecht ausgeübt wurde, als Beigeladene zu 1 notwendig beizuladen, da eine Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen konnte, § 65 Abs. 2 VwGO.
B.
Die als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 24. April 2018, mit dem das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht zugunsten der Beigeladenen zu 1 ausgeübt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I. Gegen die Gültigkeit der Regelung über das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht in Art. 39 des Bayerischen Naturschutzgesetzes (BayNatSchG) als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken, auch wenn die Vorkaufsrechtsausübung nicht für den Freistaat Bayern, sondern zugunsten eines Dritten – hier der Beigeladenen zu 1 – erfolgt (vgl. nur BayVGH, U.v. 13.10.2009 – 14 B 07.1760 – NVwZ-RR 2010, 390/392).
Nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayNatSchG steht dem Freistaat Bayern, den Landkreisen, den Gemeinden und kommunalen Zweckverbänden beim Verkauf von Grundstücken, die in einem Naturschutzgebiet liegen, ein Vorkaufsrecht zu. Nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG kann dieses ausgeübt werden, wenn dies gegenwärtig oder zukünftig die Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege oder das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur rechtfertigen. Das Vorkaufsrecht kann nach Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG auch zugunsten von gemeinnützigen Naturschutz-, Erholungs- oder Wandervereinen ausgeübt werden, wenn diese es verlangen. Die Ausübung erfolgt nach Art. 39 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG in allen Fällen durch den Freistaat Bayern.
Vorliegend sind sowohl die formellen, als auch die materiellen Anforderungen zur Ausübung des Vorkaufsrechts nach Art. 39 BayNatschG erfüllt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens des Vorkaufsrechts – mithin der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Dabei muss das rechtfertigende objektive Aufwertungspotential zum Zeitpunkt des Entstehens des Vorkaufsrechts gegeben sein, während es ausreicht, dass die Aufwertungsvorstellungen erst zum Zeitpunkt der Vorkaufsrechtsausübung vorliegen müssen (BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419 – NuR 2020, 199, juris Rn. 35 m.w.N).
II. Der Bescheid vom 4. Mai 2016 ist formell rechtmäßig.
1. Der Beklagte, vertreten durch das Landratsamt, war für die Ausübung des Vorkaufsrechts auf Verlangen der Beigeladenen zu 1 zuständig, Art. 39 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BayNatSchG.
2. Das nach Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG erforderliche Einverständnis zur Annahme des Vorkaufsrechts durch die Beigeladene zu 1 lag zur Vorkaufsrechtsausübung als maßgeblichem Zeitpunkt vor. Denn mit E-Mail vom 9. April 2018 äußerte die Beigeladene zu 1, dass sie das Vorkaufsrecht gerne ausüben würde.
Dem klägerischen Vortrag, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts der Beigeladenen zu 1 durch den Beklagten aufgedrängt wurde und deswegen nicht auf deren Verlangen beruhe, vermag die Kammer nicht zu folgen. Denn zum einen war die erfolgte Mitteilung des Vorkaufsfalls durch den Beklagten notwendig, damit die Beigeladene zu 1 überhaupt von diesem erfahren konnte. Zum anderen ist festzuhalten, dass Voraussetzung des Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG lediglich das Vorliegen eines Einverständnisses ist. Auf die Regelung des Art. 39 Abs. 3 Satz 4 BayNatSchG kommt es, entgegen der Auffassung des Klägers, vorliegend schon gar nicht an, da diese alleine das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Vorkaufsrecht des Freistaats Bayern und den Vorkaufsberechtigten des Art. 39 Abs. 1 BayNatschG regelt.
3. Die nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche Anhörung des Klägers und des Beigeladenen zu 2 erfolgte mit Schreiben vom 12. April 2018. Dabei machte der Kläger von seinem Äußerungsrecht Gebrauch.
4. Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgte zudem entgegen der Auffassung des Klägers innerhalb der zweimonatigen Ausübungsfrist nach Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG, § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB. In Übereinstimmung mit der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zu § 469 BGB ist in der Judikatur des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass auch die Ausübungsfrist des Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG erst mit dem Zugang des richtigen, vollständigen und wirksamen Vertrags in Lauf gesetzt wird (vgl. zuletzt BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.419, – juris Rn. 26; BayVGH, U.v. 18.12.1997 – 9 B 94.1699 – n.v. UA S. 9). Da ein solcher Kaufvertrag über das streitgegenständliche Grundstück erst am 9. April 2018 beim Landratsamt einging, wahrt die durch die Zustellung des angefochtenen Bescheids an den Beigeladenen zu 2 als Verpflichteten im Sinne des Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG i.V.m. § 464 Abs. 1 BGB am 26. April 2018 wirksam gewordene Vorkaufsrechtsausübung die für sie geltende Zweimonatsfrist.
5. Zwar unterblieb die nach Art. 39 Abs. 5 Satz 2 BayNatSchG erforderliche Einholung des Einverständnisses der Immobilien Freistaat Bayern vor Erlass des Bescheides und auch eine Fiktion nach Art. 39 Abs. 5 Satz 3 BayNatSchG kam mangels Kenntnis der Immobilien Freistaat Bayern nicht in Betracht. Doch wurde dieser Mangel gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 BayVwVfG dadurch geheilt, dass die erforderliche Behördenbeteiligung im Januar 2020 nachgeholt worden ist und die Immobilien Freistaat Bayern mit E-Mail vom 28. Januar 2020 ihr Einvernehmen erklärt hat. Der Charakter der Ausübung des Vorkaufsrechts als fristgebundener Verwaltungsakt (vgl. Art. 39 Abs. 7 Satz 1 BayNatSchG (a.F.)) steht der Heilungsmöglichkeit dabei nicht entgegen (vgl. BayVGH, U.v. 11.5.1994 – 9 B 93.1514 – juris Rn. 31; vgl. auch BayVGH, U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.206 – juris Rn. 43, jeweils zum Parallelproblem der Heilung eines Begründungsmangels eines fristgebundenen Verwaltungsaktes).
Zudem könnte sich der Kläger auf einen Verstoß gegen Art. 39 Abs. 5 Satz 2 BayNatSchG nicht berufen, da die Vorschrift nicht dem Schutz des Klägers dient (vgl. dazu BayVGH, B.v. 26.07.2006 – 9 ZB 05.1233 – juris Rn. 19 mit entsprechender Argumentation zur damaligen Einvernehmenspflicht der Bezirksfinanzdirektion).
6. Entgegen der Auffassung des Klägers leidet der Bescheid auch nicht unter einem Begründungsmangel. Nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben.
Nach der Überzeugung der Kammer hat die Beklagte zwar knapp, aber in ausreichender Weise dargelegt, dass der verfahrensgegenständliche Bescheid auf Art. 39 BayNatSchG beruht und unter welchen Voraussetzungen er erlassen wird. Ein explizites Eingehen auf Art. 39 Abs. 5 BayNatSchG war dabei nicht zwangsläufig erforderlich. Im Übrigen wäre ein Begründungsmangel – sofern man ihn annehmen würde – zumindest in formeller Hinsicht nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG geheilt, da sich die Beklagte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Art. 39 Abs. 5 BayNatschG berufen und hierzu ausführlich Stellung bezogen hat.
II. Der Bescheid vom 24. April 2018 ist auch materiell rechtmäßig.
1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 39 Abs. 1, Abs. 5 BayNatschG sind erfüllt.
a) Das verfahrensgegenständliche Grundstück befindet sich – insoweit zwischen den Parteien unstreitig – innerhalb der Grenzen des Naturschutzgebietes … Die Voraussetzung des Art. 39 Abs. 1 Nr. 2 BayNatSchG ist damit erfüllt.
b) Das Vorkaufsrecht durfte entgegen der Auffassung des Klägers vorliegend auch zu Gunsten der Beigeladenen zu 1 ausgeübt werden.
Nach dem Wortlaut des Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG darf das Vorkaufsrecht auch zugunsten gemeinnütziger Naturschutz-, Fremdenverkehrs- und Wandervereine ausgeübt werden. Die Kammer erkennt dabei mit dem Kläger, dass die Beigeladene zu 1 als Stiftung nicht unmittelbar dem Wortlaut des Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG unterfällt. Gleichwohl kommt die Kammer nach entsprechender Auslegung des Gesetzes und der Stiftungssatzung zu der Überzeugung, dass Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG auch in der vorliegenden Konstellation zur Anwendung gelangt.
Dies ergibt sich zunächst aus dem Sinn und Zweck der entsprechenden Norm. Hintergrund der Ermöglichung des Vorkaufsrechtes zugunsten der in Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG genannten Vereine ist, dass der Gesetzgeber erkannt hat, dass nicht nur der Staat versucht, Erholungsmöglichkeiten in der Natur für die Bevölkerung zu schaffen, sondern dass dies auch vermehrt durch die genannten Vereine verwirklicht wird (vgl. LT-Drs. 7/3007, S. 33). Einen besonderen Wert auf die genaue Rechtsform als Verein scheint der Gesetzgeber dabei nicht gelegt zu haben, entscheidend ist vielmehr der Zweck, auch privatrechtlich organisierte Flächenpflege anzuerkennen und bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts zu unterstützen. Dass dabei dem Charakteristikum der Gemeinnützigkeit eine wesentlich höhere Bedeutung beizumessen ist, als der genauen Rechtsform zeigt sich insbesondere daran, dass dieses im Gesetzgebungsverfahren extra in die Norm eingefügt wurde (vgl. Gesetzesentwurf BayNatschG LT-Drs. 7/3007, S. 9).
Für einen weiten Anwendungsbereich der Vorschrift spricht auch, dass Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG eine Mehrzahl nicht genau bestimmter Vereine aufzählt. Der Gesetzgeber unterscheidet auch nicht zwischen eingetragenen und nicht eingetragenen Vereinen. Damit überantwortet das Gesetz dem Normanwender die genaue Bewertung potentieller Vorkaufsberechtigter im Hinblick auf die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG. Dass dabei die Ausübung des Vorkaufsrechts zu Gunsten einer Stiftung nicht vollkommen ausgeschlossen scheint, zeigt sich auch daran, dass das Vorkaufsrecht nach Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatschG auch zu Gunsten des Bayerischen Naturschutzfonds ausgeübt werden kann. Dieser ist nach Art. 50 Abs. 1 BayNatschG selbst eine Stiftung.
Vereine und Stiftungen sind zudem in maßgeblichen Parametern miteinander vergleichbar. Beide können jeweils nur zu einem festen Zweck gegründet werden, beide benötigen eine Satzung und bezüglich der Beschlussfassung verweist § 86 BGB bei der Stiftung auf die Anwendung des Vereinsrechts. Der maßgebliche Unterschied, dass ein Verein aus Mitgliedern besteht und dadurch den Vereinszweck fördern möchte, während die Stiftung den Stiftungszweck lediglich durch zur Verfügung gestelltes Vermögen zu erreichen versucht (vgl. Weitemeyer in Münchener Kommentar zum BGB, 18 Aufl. 2018, § 80 Rn. 1 m.w.N.), löst im Hinblick auf die Wertung des Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG keine Bedenken aus. Denn diesem geht es maßgeblich um die Erfüllung des gemeinnützigen Zweckes. Dieser kann durch gemeinnützige Stiftungen und gemeinnützige Vereine in gleicher Weise erreicht werden.
Auch die Satzung der Beigeladenen zu 1 spricht vorliegend für eine Anwendung des Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG. Insbesondere der in § 2 der Satzung definierte Stiftungszweck zeigt, dass die Stiftung Ziele verfolgt, die genauso von einem Naturschutzverein verfolgt werden könnten. So werde der Stiftungszweck nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 der Satzung vor allem durch die Sicherung, Gestaltung und Pflege von Lebensräumen verwirklicht. Nach § 2 Abs. 3 der Satzung verfolgt die Stiftung damit ausschließlich gemeinnützige Zwecke.
Darüber hinaus ist die Vorkaufsrechtsausübung nach Art. 39 Abs. 5 Satz 1 BayNatschG in der vorliegenden Konstellation nicht zuletzt auch durch die organisatorische Verflechtung der Beigeladenen zu 1 mit dem anerkannten Naturschutzverein „Bund Naturschutz in Bayern e.V“ angezeigt. So besteht nach § 6 Abs. 1 der Satzung der Stiftungsvorstand aus 5 Mitgliedern, die vom jeweiligen Kreisvorstand der Kreisgruppe … des Bundes Naturschutz in Bayern e.V. auf die Dauer von vier Jahren gewählt werden. Drei der fünf Mitglieder müssen zudem aus der Mitte des Kreisvorstandes der Kreisgruppe … kommen. Nach § 11 der Satzung fällt zudem das Vermögen im Falle der Auflösung oder Aufhebung der Stiftung an die Kreisgruppe … des Bund Naturschutz in Bayern e.V. Zudem hat der Vertreter der Beigeladenen zu 1 in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Pflege der Stiftungsflächen durch den Bund Naturschutz in Bayern e.V. erfolge, da dieser über die entsprechenden Pflegegerätschaften verfüge.
c) Die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts ist auch nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG gerechtfertigt. Nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG muss die Ausübung des Vorkaufsrechts gerechtfertigt sein durch gegenwärtige oder künftige Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege oder das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur. Ausgangspunkt für die Prüfung sind die im Bescheid genannten Rechtfertigungsgründe und die danach beabsichtigten Maßnahmen.
Das Vorliegen der genannten Rechtfertigungsgründe für die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. Da die Ausübung eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts keine Enteignung darstellt (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 7.11.2000 – 6 B 19.00 – Buchholz 406.48 Art. 34 BayNatSchG Nr. 1), gelten nicht die gleichen strengen Anforderungen, wie sie bei der Zulässigkeit einer Enteignung vorliegen müssen (BayVGH, B.v. 9.3.2015 – 14 ZB 13.2250 – NuR 2015, 427). Anders als eine Enteignung, die nur zulässig ist, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreichbar ist (vgl. Art. 40 Nr. 2 BayNatSchG), kann die Ausübung des Vorkaufsrechts schon dann gerechtfertigt sein, wenn der Erwerb eines Grundstücks vorteilhafte Auswirkungen auf die in Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG genannten Belange hat (BayVGH, B.v. 9.3.2015 – 14 ZB 13.2250 – NuR 2015, 427; § 66 Rn. 17; Konrad in Lorz/Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht, 3. Aufl. 2013, § 66 BNatSchG Rn. 27).
Als Rechtfertigungsgründe sind nicht nur die von der Behörde innerhalb der Frist von zwei Monaten benannten, sondern auch die im weiteren Verfahren vorgetragenen Gründe heranzuziehen (s. hierzu BayVGH, U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.205 – BayVBl 2016, 846; B.v. 18.1.2000 – 9 B 95.31 – juris Rn. 36 f.; U.v. 11.5.1994 – 9 B 93.1514 – BayVBl 1994, 657). Es ist nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts, dass bereits eine konkretisierte Planung über durchzuführende Optimierungsmaßnahmen vorliegt (BayVGH, U.v. 22.5.1995 – 9 B 92.1183 u.a. – NuR 1995, 554). Es reicht vielmehr aus, dass der Vorkaufsrechtsberechtigte eine ökologische Aufwertung eines Grundstücks im Sinn der von ihm benannten Zielrichtung durchführen will (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2017 – 14 ZB 16.280 – juris Rn. 8; U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.205 – BayVBl 2016, 846).
Bei der Bewertung der Rechtfertigungsgründe ist zudem zu beachten, dass es allgemeiner Erfahrung entspricht, dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand oder von Naturschutzverbänden die Verwirklichung der Ziele von Natur- und Landschaftspflege besser und sicherer gewährleisten als in der Hand von Privatpersonen, deren privatnützige Interessen leicht in Konflikt mit den Anforderungen von Naturschutz und Landschaftspflege geraten können (vgl. BayVGH, B.v. 13.08.2009 – 14 ZB 08.1621 – juris Rn. 7 unter Verweis auf die eigene ständige Rechtsprechung).
Diese Vermutungsregel konnte vorliegend durch den Kläger nicht erschüttert werden. Im Gegenteil: Der Beklagte hat mit Unterstützung der Beigeladenen zu 1 zur Überzeugung der Kammer darlegen können, warum die Ausübung des Vorkaufsrechtes konkret gerechtfertigt ist.
Demnach liegt die verfahrensgegenständliche Fläche im genannten Naturschutzgebiet … Ziel der Ausübung des Vorkaufsrechts ist es, in Bezug auf die Offenlandflächen, den Nährstoffeintrag im Schutzgebiet durch eine Extensivierung der Fläche zu verringern und dadurch den Lebensraum für schützenswerte Tier- und Pflanzenarten zu erweitern. Für die im Schutzgebiet vorhandenen Tier- und Vogelarten sollen die Störungen verringert werden. In den sich auf dem Grundstück erstreckenden Auwaldbereichen kann durch das beabsichtigte Ruhen forstlicher Bewirtschaftung die Entwicklung von Altbaumstrukturen in verschiedenen Reifestadien erreicht werden, wodurch lebensraumtypische Strukturen wie Totholz und Baumhöhlen nachhaltig wieder etabliert und Störungen der Bodenstruktur, der Vegetation und der Tierwelt verringert werden können. Es erscheint nachvollziehbar, dass sich kontinuierliche Holznutzung negativ auf Naturschutzbelange auswirken würde, insbesondere da dadurch der Aufwuchs auf einem kontinuierlich niedrigen Level gehalten werden würde.
Die Kammer folgt in Bezug auf die Pflege der Streuwiesenfläche und des Auwaldes der Einschätzung des Beklagten, dass die Beigeladene zu 1 auf Grund ihrer Erfahrungen und der ihr verfügbaren Gerätschaften besser dazu in der Lage ist, die Zwecke der Naturschutzverordnung und die aufgezählten Ziele zu erfüllen als der Kläger. Bei diesem handelt es sich um einen Nebenerwerbslandwirt, der die Fläche erwerben möchte, da er in der Nähe bereits Grundstücke habe.
Dabei würde der Kläger bei der künftigen Nutzung zwar den Geboten und Verboten der NSG-VO unterliegen, gleichwohl kann durch die Ausübung des Vorkaufsrechtes auch ein weitergehender Schutz erreicht werden. Denn der Beigeladene zu 1 hat insoweit überzeugend vorgetragen, dass es sich bei den Geboten der NSG-VO im Wesentlichem um Verbote handelt, mit denen jedoch nicht die Durchführung notwendiger und angezeigter Erhaltungsmaßnahmen sichergestellt werden kann. So kann der Eigentümer der Fläche beispielsweise nicht gezwungen werden, besondere Mähmaschinen zum Schutz der gegebenen Arten einzusetzen. Ebenso könnte der Kläger nicht dazu gezwungen werden, auf die forstwirtschaftliche Nutzung der Fläche zu verzichten. Dies wäre ihm im Rahmen des § 5 Nr. 2 NSG-VO gestattet.
Insoweit der Kläger vorgetragen hat, dass die beabsichtigte Nutzung des Streuwiesenflächenteils gegen die NSG-VO verstoße, da die Mahd in jedem Jahre entgegen der Naturschutzverordnung zu früh erfolge, verfängt sich die Argumentation nach Ansicht der Kammer nicht. Nicht beantwortet werden muss dabei die Frage, ob ein möglicher Verstoß gegen die NSG-VO die naturschutzrechtliche Rechtfertigung ausschließt. Denn ein solcher ist vorliegend nicht ersichtlich.
Zwar ist dem Kläger zuzustimmen, dass nach § 5 Nr. 1 lit. b i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 9 NSG-VO auf Streuwiesenflächen grundsätzlich eine Mahd in der Zeit vom 1. März bis 15. September nicht gestattet ist. Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 haben auch eingeräumt, dass die Mahd auf den von der Beigeladenen zu 1 verwalteten Streuwiesenflächen in den vergangenen Jahren zu einem früheren Schnittzeitpunkt erfolgt sei. Jedoch haben der Beklagte und die Beigeladene zu 1 der Kammer in hinreichend ausreichender Gestalt dargelegt, dass dies aus Gesichtspunkten des Naturschutzes notwendig sei.
§ 5 Nr. 12 NSG-VO erlaubt die zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Schutzgebietes notwendigen und von den Naturschutzbehörden angeordneten oder zugelassenen Überwachungs-, Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen. Bei der vom Kläger kritisierten frühzeitigen Mahd handelt es sich nach Überzeugung der Kammer um eine notwendige Pflegemaßnahme. Insoweit hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass Streuwiesen grundsätzlich spät zu mähen seien. Hierbei müsse jedoch auch berücksichtigt werden, welche Arten auf der Fläche wachsen. Auf der verfahrensgegenständlichen Wiese finde sich der Aufwuchs einer feuchten bis nassen Wiese mit Schilf und Sauergräsern. Aufgrund der auf dem Grundstück vorhandenen Erlen seien jedoch zu hohe Stickstoffeinträge gegeben, weswegen der frühzeitige Schnittzeitpunkt einen Kompromiss darstelle, damit die Hauptziele des Naturschutzes und der Schutzgebietsverordnung in Einklang gebracht werden können.
Weiterhin hat der Beklagte bestätigt, dass die Pflege der Fläche stets in Abstimmung mit der Naturschutzbehörde erfolge und man mit Blick auf Mahd und Pflegemaßnahmen auch externe Biologen beigezogen habe. Zudem erfolge die Mahd mit speziellen Gerätschaften zum Schutze der Arten.
Soweit der Kläger vorträgt, dass die in § 5 NSG-VO statuierten Nutzungen auch zukünftig gelten müssen und von diesen folglich nicht abgewichen werden dürfe, ist darauf hinzuweisen, dass in § 5 NSG-VO bewusst Ausnahmen statuiert werden, die eine Nutzung entgegen der Verbote des § 4 NSG-VO gestattet. Keinesfalls kann aus der bewussten Einordnung als Ausnahme geschlossen werden, dass nach dem Verordnungsgeber zukünftig alleine die in der Ausnahmevorschrift statuierte Nutzung auf der verfahrensgegenständlichen Fläche erlaubt sein dürfe. Im Gegenteil: Aus der Systematik der Naturschutzverordnung ergibt sich, dass alle beabsichtigten Maßnahmen vorrangig am Schutzzweck des Naturschutzgebietes nach § 3 NSG-VO zu messen sind.
Nach alldem war die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts als gerechtfertigt anzusehen.
2. Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgte auch entsprechend den Anforderungen an eine pflichtgemäße Ermessensausübung nach Art. 40 BayVwVfG. Denn die Rechtsfolge des Art. 39 Abs. 2 BayNatschG besteht in der Einräumung einer Ermessensentscheidung, welche gemäß den Grundsätzen des Art. 40 BayVwVfG zu treffen ist, jedoch nach § 114 Satz 1 VwGO nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Das bedeutet, dass das Gericht nur die Einhaltung der äußeren Grenzen des Ermessens überwachen kann und mithin auf die Überprüfung von Ermessensfehlern beschränkt ist. Zu beachten ist auch, dass die Behörde nach § 114 Satz 2 VwGO ihre Ermessenserwägungen auch noch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens ergänzen, jedoch nicht gänzlich austauschen oder gar erstmalig Ermessen ausüben darf. Der Charakter der Ausübung des Vorkaufsrechts als fristgebundener Verwaltungsakt (vgl. Art. 39 Abs. 7 Satz 1 BayNatschG (a.F.)) steht der Heilungsmöglichkeit dabei nicht entgegen (vgl. BayVGH, U.v. 11.5.1994 – 9 B 93.1514 – juris Rn. 31; vgl. auch BayVGH, U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.206 – juris Rn. 43, jeweils zum Parallelproblem der Heilung eines Begründungsmangels eines fristgebundenen Verwaltungsaktes).
Vorliegend ist kein Fall eines gänzlichen Ermessensausfalls oder eines gänzlichen Übersehens ermessensentscheidender Sachverhaltsaspekte in tatsächlicher Hinsicht gegeben, welche nicht mehr heilbar wären. Bei der Beurteilung ob die Behörde Ermessen ausgeübt hat, kommt der dem Bescheid beigefügten Begründung indizielle Bedeutung zu (vgl. etwa BayVGH U.v. 22.1.2016 – 9 ZB 15.2027 – juris Rn. 11), wobei auf den Unterschied zwischen den formellen Anforderungen des Begründungserfordernisses nach Art. 39 BayVwVfG und den materiellen Anforderungen an die Ermessensausübung nach Art. 40 BayVwVfG hinzuweisen ist.
Die – zugegebenermaßen dürftigen – Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid zu Ermessensaspekten zeigen in noch ausreichender Weise, dass sich der Beklagte der Eröffnung einer Ermessensentscheidung im Kern bewusst war und insofern kein gänzlicher und nach § 114 Satz 2 VwGO unheilbarer Ermessensausfall vorliegt. Dadurch, dass der Beklagte im Bescheid feststellt hat, dass er zugunsten der Beigeladenen zu 1 nach Eintritt des Vorkaufsfalls das Vorkaufsrecht ausüben darf, verfestigt sich, dass ihm bewusst war, dass insoweit kein Automatismus vorgelegen habe. Weiterhin hat sich der Beklagte auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts im Verhältnis zum Kläger angemessen erscheint. Zusätzlich hat sich der Beklagte mit den Einwendungen des Klägers im Rahmen der Anhörung – wenn auch knapp – auseinandergesetzt. Auch dies spricht dafür, dass der Beklagte seinen Ermessensspielraum erkannt hat.
Auch Ermessensfehler im weiteren Sinne sind nicht ersichtlich. Im gegenständlichen Verfahren musste im Rahmen der Ermessensentscheidung insbesondere eine Auswahlentscheidung zwischen zwei potentiellen Grundstückserwerbern, nämlich dem Kläger auf der einen Seite und der Beigeladenen zu 1 auf der anderen Seite getroffen werden. Weiterhin war das Bewirtschaftungsinteresse des Klägers zu berücksichtigen. Bezüglich beider Punkte wurden spätestens in der mündlichen Verhandlung ergänzend und für die Kammer nachvollziehbar von Beklagtenseite Erwägungen vorgenommen. So habe sich die Beklagte für die Beigeladene zu 1 als Grundstückserwerber entschieden, dass sie mit dem Kläger im Vorfeld der Behördenentscheidung in Bezug auf das Naturschutzgebiet schlechte Erfahrungen gemacht habe. Insbesondere habe der Kläger Grundstücke nicht im Sinne der Naturschutzverordnung bewirtschaftet. Der Beklagte sei der Ansicht, dass die Beigeladene zu 1 besser in der Lage sei, gezielt Pflegemaßnahmen durchzuführen. Weiterhin könne der Kläger nicht dazu gezwungen werden, den Wald nicht forstwirtschaftlich zu nutzen. Der Erlenwald sei jedoch erhaltenswert und die Grünfläche und der Erlenbewuchs in naturschutzgerechter Balance zu erhalten.
Ergänzend ist anzumerken, dass der Beklagte auch nicht in unverhältnismäßiger Weise die Belange des Klägers missachtet hat. Zwar hat der Beklagte zu Gunsten der Beigeladenen zu 1 nur hinsichtlich einer von beiden gekauften Flächen das Vorkaufsrecht ausgeübt, jedoch wird aufgrund der entfernten Lage der Flächen zueinander deutlich, dass der Kläger kein schützenswertes Interesse an einem ausschließlichen Erwerb beider Flächen gemeinsam hatte. Ein solches hat er im Übrigen auch nicht vorgetragen.
Die Ermessensausübung ist damit rechtmäßig erfolgt, der Bescheid ist insgesamt rechtmäßig.
Nach alldem ist die Klage abzuweisen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich die Beigeladenen nicht durch Stellung eines Antrags auf Aufhebung des Bescheids in der mündlichen Verhandlung am Prozessrisiko beteiligt haben (§ 154 Abs. 2 VwGO), können ihnen auch keine Kosten auferlegt werden. Da sich die Beigeladenen ebenfalls mangels Antrags auf Klageabweisung keinem Prozessrisiko ausgesetzt haben, entspricht es auch nicht der Billigkeit, Ihnen einen Kostenerstattungsanspruch zuzubilligen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Beigeladenen tragen somit ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.


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